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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 8 U 125/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249 Abs. 1
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 1 S. 2
BGB § 291
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
StGB § 263
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Mai 2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 25.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2005 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung des Geschäftsanteils des Klägers in Höhe von 500,00 € an der T GmbH (AG Dortmund HRB ####) an die N mbH & Co. KG sowie der Ansprüche des Klägers gegen die N mbH & Co. KG, G-Straße, ####2 E sowie der Ansprüche des Klägers aus dem Insolvenzverfahren über die Fa. N mbH & Co. KG aus dem notariellen Kaufvertrag vom 18.11.2004, UR-Nr. ###/04 des Notars C in E.

Der Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an den Kläger 219,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) zu je 50 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 1) zu 50 %.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 20 % und der Beklagte zu 1) zu 80 %.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2).

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 1) zu 64 %.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte zu 1) darf die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt, nachdem er die Berufung gegen den Beklagten zu 2) zurückgenommen hat, noch von dem Beklagten zu 1) aufgrund dessen Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der N mbH & Co. KG, vertreten durch die N mbH, Schadensersatz aus dem am 12.11.2004 abgeschlossenen Vertrag. Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichtes Dortmund vom 17.05.2006 verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Vertragliche Ansprüche bestünden nicht, da der Beklagte zu 1) besonderes Vertrauen nicht in Anspruch genommen habe. Ebenso bestehe kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Zwar habe die Beweisaufnahme ergeben, dass sich die T GmbH im Zeitpunkt des Erwerbs des Geschäftsanteiles in einer wirtschaftlich desolaten Situation befunden habe. Sämtliche Zeugen hätten bestätigt, dass Gehaltszahlungen bereits seit Anfang 2004 zögernd und seit Ende 2004 überhaupt nicht mehr erfolgt seien. Die Zeugen hätten zudem bestätigt, dass im August/September sowohl der Telefonanschluss als auch der für die Gesellschaft entscheidende Internetanschluss vom 03.08. bis immerhin 13.08., also für rd. 10 Tage, gesperrt gewesen sei. Diese wirtschaftlich desolate Lage der T GmbH bzw. eine bei ihr vorliegende Überschuldung sei aber für den Kläger nicht erkennbar von grundlegendem Interesse gewesen. Dem Kläger sei es allein darauf angekommen, zusätzliche Einkünfte zu erzielen. Aus diesen Gründen bestünde auch kein Anspruch aus § 826 BGB.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er trägt im Wesentlichen vor, gegen den Beklagten bestünden bereits vertragliche Ansprüche. Darüber hinaus seien auch Ansprüche aus Deliktsrecht gegeben. Das Landgericht habe den vorgetragenen Sachverhalt unzutreffend bewertet. Der Beklagte zu 1) sei verpflichtet gewesen, ungefragt auf die schlechte wirtschaftliche Situation hinzuweisen. Unverständlich sei, warum das Landgericht gemeint habe, für ihn sei die wirtschaftliche Situation der T GmbH unbedeutend gewesen. Der Beklagte zu 1) habe deshalb seinen Schaden umfassend zu ersetzen. Dazu gehörten die Kosten der Beurkundung, für die er - unstreitig - 219,18€ aufgewandt habe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an ihn 25.000,00 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2005 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung des Geschäftsanteils des Klägers in Höhe von 500,00 € an der T GmbH (AG Dortmund HRB ####) an die N mbH & Co. KG sowie der Ansprüche des Klägers gegen die N mbH & Co. KG, G-Straße, ####2 E sowie der Ansprüche des Klägers aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der N mbH & Co. KG aus dem notariellen Kaufvertrag vom 18.11.2004, URNr. ###/04 des Notars C in E, und den Beklagten zu 1) weiter zu verurteilen, an ihn 219,18 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Berufungsbegründung am 29. August 2006 zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) weist im Wesentlichen darauf hin, der Kläger habe seine Kaufentscheidung nach Prüfung der erbetenen und ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen selbständig getroffen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass diese Unterlagen gefälscht gewesen seien oder falsche Angaben enthalten hätten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 25.219,18 € zu. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Täuschung über Tatsachen

Der Beklagte zu 1) hat den Kläger konkludent über die Liquidität der T GmbH getäuscht:

a)

Das Landgericht hat festgestellt (Bl. 9 des Urteils), dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die finanzielle Situation der T GmbH desolat war. Es bestanden Rückstände bei Gehältern und Sozialabgaben. Im August 2004 waren Telefon- und Internetanschluss für 10 Tage gesperrt. Zudem waren die Mietverhältnisse nicht gesichert. An diese Feststellung des Landgerichtes ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Entsprechende konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Das Landgericht hat vielmehr auf der Grundlage der Zeugenaussagen seine Feststellungen zutreffend getroffen.

b)

Der Beklagte zu 1) hat dem Kläger unstreitig Unterlagen über die T GmbH zukommen lassen, die einen positiven Eindruck vermittelten. Der Übermittlung dieser Unterlagen kommt der Erklärungswert zu, die Finanzen des Unternehmens seien gesund, andere Umstände, die Gegenteiliges belegen könnten, bestünden nicht. Jedenfalls konnte der Kläger als Empfänger davon ausgehen, dass der positiven Gewinnsituation eine ebenso ausreichende Liquidität gegenüberstehen würde. Dies war unzutreffend. Der Beklagte zu 1) hat deshalb aktiv und nicht durch Unterlassen den Kläger getäuscht.

Auf die Frage, ob der Beklagte auch dadurch getäuscht hat, dass er ausdrücklich die Finanzen als "gesund" dargestellt hat, wie die Zeugin S bekundet hat, ohne dass sich die Feststellungen des Landgerichts darauf erstrecken, kommt es daher nicht an.

2. Irrtum

Der Kläger hat sich aufgrund der Täuschung des Beklagten zu 1) über die wirtschaftliche Situation der T GmbH, insbesondere über deren Liquidität geirrt.

3. Vermögensverfügung

Die Vermögensverfügung des Klägers liegt in dem Erwerb des Geschäftsanteils gegen Zahlung von 25.000,00 €. Diese Vermögensverfügung des Klägers beruht auf seinem Irrtum. Die entgegengesetzte Auffassung des Landgerichtes teilt der Senat nicht. Nach dem Akteninhalt ist vielmehr eindeutig, dass der Kläger den Vertrag vom 12.11.2004 jedenfalls so nicht geschlossen hätte, wenn ihm die Liquidationsprobleme der T GmbH bekannt gewesen wären. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die finanzielle Situation der T GmbH überprüfen wollte und erst nach Prüfung den Vertrag vom 12.11.2004 schloss. Es entspricht deshalb bereits allgemeiner Lebenserfahrung, dass die finanzielle Situation der T GmbH für den Vertragsschluss, zumindest den Umfang des Kaufpreises, von Bedeutung war.

Der Kläger wollte zusätzliche Einkünfte im Rahmen des Partnervertrages erzielen. Dieses Ziel konnte er nur erreichen, solange die T GmbH funktionsfähig war. Vor dem Hintergrund eines Unternehmens, das aufgrund seiner Liquiditätsprobleme unmittelbar vor der Insolvenz steht, war es sinnlos, auf eine erfolgreiche Durchführung des Partnervertrages zu hoffen.

Schließlich handelte es sich bei den Problemen der T GmbH nicht um eine ohne weiteres zu behebende, eher kurzfristige Krise. Denn während des gesamten Jahres 2004 wurden die Gehälter zu spät oder nicht gezahlt.

4. Vermögensschaden

Der Schaden des Klägers liegt darin, einen wirtschaftlich wertlosen GmbH-Anteil gegen Zahlung von 25.000,00 € gekauft zu haben. Dieser Schaden ist nicht durch Einnahmen aufgrund des Partnervertrages kompensiert. Denn dieser wurde vom Kläger schriftlich unter dem 15.01.2005 und bereits zuvor mündlich gekündigt, weil er am 10.01.2005 eine andere Beschäftigung gefunden hatte.

5. Subjektiver Tatbestand

Da der Beklagte zu 1) als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der T GmbH über die finanzielle Situation unstreitig vollständig informiert war, besteht an seinem zumindest bedingten Vorsatz kein Zweifel. Der Beklagte zu 1) hat den Kläger bewusst über die Liquiditätsprobleme der Gesellschaft im Unklaren gelassen, um der N GmbH & Co. KG einen Vermögensvorteil in Höhe von 25.000,00 € zukommen zu lassen. Der Beklagte zu 1) handelte deshalb in der Absicht, einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dieser erstrebte Vorteil war rechtswidrig, da die N GmbH & Co. KG auf die 25.000,00 € keinen Anspruch hatte, was der Beklagte wusste.

Schließlich war der erstrebte Vorteil stoffgleich mit dem Schaden des Klägers. Aufgrund der Verfügung des Klägers ist diesem der Schaden und der N GmbH & Co. KG der Vorteil entstanden.

6. § 249 Abs. 1 BGB

Der Kläger ist so zu stellen, als wenn er von dem Beklagten zu 1) nicht getäuscht worden wäre. Er kann also seinen Schaden von 25.000,00 € sowie die nutzlosen Beurkundungsaufwendungen im Umfang von 219,18 € ersetzt verlangen.

Die Zinsentscheidungen beruhen auf §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung erging gem. §§ 91 Abs. 1 S. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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