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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 8 U 140/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 140/03 OLG Hamm

Verkündet am 12. Mai 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Hütte und Zarth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 9. Juli 2003 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im einzelnen verwiesen wird, einen Auseinandersetzungsanspruch des Klägers in Höhe von 11.877,29 € für begründet gehalten. Ausgehend von der vom Kläger vorgelegten Auseinandersetzungsbilanz hat es die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein Anspruch aus Ausgleich der Kapitalkonten in Höhe von 9.193,01 € sowie auf Erstattung der Hälfte der auf Darlehensansprüche der ... gezahlten 5.378,56 €, das sind 2.684,28 €, zu.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er rügt, daß es sich bei der Bilanz des Steuerberaters ... per 31.12.1996 tatsächlich nicht um eine Auseinandersetzungsbilanz handele, da darin auch Geschäftsvorfälle aus dem Jahre 1997 berücksichtigt worden seien. Eine ordnungsgemäße Auseinandersetzungsbilanz sei auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Verhältnisse der Gesellschaft zum Stichtag einfach gelagert seien und abschließend beurteilt werden könnten.

Darüber hinaus übt er Kritik an einzelnen Bilanzansätzen. Der Ausgleichsanspruch wegen Zahlungen an die ..., so meint er, könne nicht isoliert geltend gemacht werden, sondern er gehöre in die Gesamtabrechnung der Gesellschaft. Der Anspruch sei zudem in der Sache nicht begründet, da die Zahlungen des Klägers auf ein Konto geleistet worden seien, das nur ihn persönlich betreffe.

Der Beklagte beantragt,

in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage ganz abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Klageerweiternd beantragt er,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.684,28 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Er verteidigt das Urteil und macht klageerweiternd gesetzliche Zinsen auf den Erstattungsanspruch betreffend die Zahlungen an die ... geltend. Er meint, das Landgericht habe zu Recht die Auseinandersetzungsbilanz des Steuerberaters ... seiner Entscheidung zugrunde gelegt, da diese Bilanz auch unter Berücksichtigung späterer Geschäftsvorfälle in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der Kapitalkonten darstelle. Zudem seien sämtliche Unterlagen dem Beklagten bereits im Jahre 1997 zugeleitet worden. Deshalb sei seine jetzige Einzelkritik verspätet. Das Fortbestehen von Gesamthandsverbindlichkeiten gegenüber der ... stehe der Auseinandersetzung im übrigen nicht entgegen. Die Einwendungen des Beklagten in der Sache hält der Kläger für unberechtigt.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage als zur Zeit nicht fällig. Vor der endgültigen Auseinandersetzung der aufgelösten GbR können einzelne Ansprüche des Klägers nicht isoliert durchgesetzt werden. Auch das Bestehen einer Mindestforderung des Klägers in Höhe der Klageforderung kann nicht festgestellt werden, da es an einer ordnungsgemäßen Auseinandersetzungsrechnung fehlt. Deshalb ist der Senat auch nicht in der Lage festzustellen, daß diese Ansprüche als Rechnungspositionen in eine Auseinandersetzungsbilanz zwischen den Parteien einzustellen sind.

1.

Nach Beendigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind die früheren Gesellschafter grundsätzlich gehindert, ihre jeweiligen Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegeneinander isoliert geltend zu machen. Diese jeweiligen Forderungen sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, ein Zahlungsanspruch besteht nur hinsichtlich des abschließenden Saldos (BGHZ37, 299, 304; BGH NJW-RR 1993, 1187; NJW 1995, 188, 189). Diese bis zur endgültigen Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern bestehende Durchsetzungssperre gilt auch im vorliegende Fall.

Unstreitig ist eine abschließende Auseinandersetzung der Gesellschafter bisher nicht vorgenommen worden. Nach eigener Darstellung des Klägers bestehen noch Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschaft bei der ..., die in die von ihm vorgelegte Auseinandersetzungsbilanz des Steuerberaters ... bisher nicht eingeflossen sind. Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien kann auch nicht unter Ausklammerung des Darlehenskontos im übrigen vorgenommen werden. Zwar hat der Senat in dem von den Parteien zitierten Verfahren 8 U 132/01 (Entscheidung vom 02.12.2002, NZG 2003, 279) den dort von einem Gesellschafter geltend gemachten Ausgleichsanspruch ungeachtet eines noch schwebenden Gerichtsverfahrens, an dem die Gesellschaft beteiligt war, zuerkannt. Dies betraf jedoch einen Ausnahmefall, in dem nicht nur das Abwarten des nicht absehbaren Endes des im Ausland geführten Rechtsstreits für den dortigen Kläger unzumutbar war (§ 242 BGB), sondern die Konsequenzen aus dem Abschluß jenes Verfahrens (hälftige Verteilung eines evtl. Gewinns oder hälftige Tragung von Kosten) eindeutig und unstreitig waren. Im Streitfall liegen die Dinge dagegen anders. Die künftige Entwicklung der Verbindlichkeiten gegenüber der ... ist unklar. Es bedarf darüber hinaus auch der Klärung, ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte sich an den Verbindlichkeiten gegenüber der ... im Innenverhältnis noch zu beteiligen hat, nachdem er bereits im Jahre 1997 50 % des damaligen Schuldsaldos auf dem gemeinsamen Gesellschaftskonto getilgt hat. Angesichts der Tatsache, daß die ... ihn anschließend in vollem Umfang aus der Haftung entlassen und die Restschuld auf einem gesonderten Konto allein zu Lasten des Klägers fortgeführt hat, spricht viel dafür, daß entsprechend seiner Behauptung der Beklagte auch im Innenverhältnis für die Restschuld nicht mehr haften sollte, insoweit also eine Teilauseinandersetzung erfolgt ist. Erst recht erscheint überaus zweifelhaft, ob der Beklagte noch für Zinsen haftet, die nach April 1997 angefallen sind, weil der Beklagte die im Verhältnis zur ... ebenfalls allein ihn treffende Schuld nicht ausgeglichen hat. Diese erheblichen Unklarheiten verbieten es, das Schicksal der restlichen Verbindlichkeiten gegenüber der ... offen zu lassen und einer späteren Auseinandersetzung zwischen den Parteien vorzubehalten. Hinzu kommt: Sollte hinsichtlich der Darlehensverbindlichkeit gegenüber der keine Teilauseinandersetzung erfolgt sein mit der Folge, daß der Beklagte weiterhin im Innenverhältnis haftet, ist durchaus vorstellbar, daß dieser zur Vermeidung weiterer Zinsbelastungen seinerseits Tilgungsleistungen gegenüber der ... erbringen und dadurch Ausgleichsansprüche gegen den Kläger erwerben könnte. Dann aber bestände die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens, der durch die vom BGH geforderte Durchsetzungssperre gerade begegnet werden soll.

2.

Ausnahmsweise kann ein einzelner Gesellschafter auch vor Erstellung einer abschließenden Auseinandersetzungsrechnung Ansprüche dann isoliert geltend machen, wenn etwa feststeht, daß ihm ein bestimmter Betrag als Mindestbetrag in jedem Fall zustehen wird (BGH NJW-RR 1993, 1187; NJW 1995, 188, 189). Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Bereits die Ungewißheit des Schicksals der Darlehensforderung gegenüber der ... läßt die Ermittlung eines Mindestbetrages zugunsten des Klägers nicht zu. Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, daß allenfalls der Kläger durch Tilgungsleistungen Ausgleichsansprüche gegen den Beklagten erwerben kann, die jetzt eingeklagten Beträge sich also nicht verringern können. Wie zuvor ausgeführt, ist nicht auszuschließen, daß auch der Beklagte möglicherweise zur Vermeidung weiterer Zinsen Tilgungsleistungen erbringen kann. Der Feststellung eines Mindestbetrages zugunsten des Klägers etwa in Höhe des Ausgleichs der Kapitalkonten, wie sie von dem Steuerberater ... in der Auseinandersetzungsbilanz zum 31,12.1996 ermittelt worden sind, steht auch entgegen, daß diese Bilanz als Grundlage der Auseinandersetzung ungeeignet ist, wie im folgenden unter 3. auszuführen sein wird.

3.

Die Klage kann auch nicht insoweit Erfolg haben, als die Feststellung auszusprechen wäre, daß die Kapitalkonten gemäß Auseinandersetzungsbilanz per 31.12.1996 (Bl. 21 GA) oder der sich daraus ergebende Ausgleichsanspruch des Klägers in Höhe von (bei zutreffender Berechnung) 12.146,24 DM = 6.210,27 € als Forderung des Klägers in eine künftige Auseinandersetzungsbilanz einzustellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann jeder Gesellschafter während des Auseinandersetzungsverfahrens auf Feststellung klagen, daß eine bestimmte, derzeit nicht isoliert einklagbare Forderung zu seinen Gunsten in die zu erstellende Auseinandersetzungsrechnung eingestellt wird; in dem wegen Fehlens der abschließenden Rechnung verfrühten und deswegen derzeit unbegründeten Leistungsbegehren ist ein solcher Feststellungsantrag ohne weiteres enthalten (BGH NJW 1995, 188, 189). Eine derartige Feststellung ist dem Senat jedoch ebenfalls nicht möglich. Die von dem Steuerberater ... erstellte Auseinandersetzungsbilanz per 31.12.1996 ist als Grundlage für die Feststellung des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs nicht geeignet. Unabhängig von dieser Auseinandersetzungsbilanz hat der Kläger die Entwicklung der Kapitalkonten jedoch nicht substantiiert dargelegt, so daß der Senat dies als Grundlage für eine - ggf. nach Beweisaufnahme - zu treffende Entscheidung nicht heranziehen könnte.

Wie der Beklagte zutreffend rügt, enthält die Auseinandersetzungsbilanz Ungereimtheiten und weist zum Teil fiktive Tatsachen aus. So berücksichtigt sie eine Reihe von Geschäftsvorfällen, die erst im Jahre 1997 erfolgt sind. Dies betrifft nicht nur die Zahlung des Beklagten auf das Kreditkonto vom 29.04.1997, sondern auch etwa die Ablösung des Leasingvertrages über Bräunungsgeräte sowie die Veräußerung dieser Geräte durch den Kläger. Die von dem Verfasser der Auseinandersetzungsbilanz ausweislich des Vermerks bei der Entwicklung der Kapitalkonten des Beklagten (Bl. 19 GA) der Einfachheit halber vorgenommene bilanztechnische Vorverlagerung ist nicht nur ungewöhnlich, sondern begründet Zweifel an der Richtigkeit. Der Zeitraum vom 01.01.1997 bis zur Veräußerung der Geräte des Anlagevermögens sowie der Ablösung von Leasing- und Darlehensverbindlichkeiten wird bei dieser Betrachtungsweise ignoriert. Völlig unklar ist auch, was aus den in der Bilanz (vgl. Kontennachweis S. 6, Bl. 15 GA) ausgewiesenen sonstigen Verbindlichkeiten in Höhe von 10.407,14 DM geworden ist. Entsprechend der Darstellung des Klägers in der Klageschrift sollen keine Drittforderungen mehr gegenüber der GbR bestehen. Andererseits ist der Kapitalkontenentwicklung (Bl. 19 GA) nicht zu entnehmen, daß eine der Parteien entsprechende Tilgungsleistungen erbracht hat, wenn man von der auf den 31.12.1996 gebuchten "Pachtübernahme November bis Dezember 1996" seitens des Klägers absieht. Auch daraus folgt, daß es für die Auseinandersetzung zwischen den Parteien unumgänglich ist, zunächst eine ordnungsgemäße Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen, auf deren Grundlage dann der bereits im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Streit etwa über die Entwicklung des Anlagevermögens (Restbuchwert von 20.989,50 DM) oder die Ablösung des Leasingvertrages durch den Kläger ausgetragen werden kann.

4.

Nach alledem war die Klage derzeit als nicht fällig abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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