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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 8 U 155/07
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 544
EGZPO § 26 Nr. 8
BGB § 306 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 620 Abs. 2
BGB § 622 Abs. 6
HGB § 89 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 22. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen im Ergebnis keine andere Beurteilung.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Geschäftsführervergütung für Oktober 2006 aus § 611 Abs. 1 BGB. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die von der Beklagten erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2006 wirksam beendet worden.

1.

Die Kündigungserklärung der Beklagten, vertreten durch den von der Gesellschafterversammlung hierzu ermächtigten Geschäftsführer der Alleingesellschafterin, ist dem Kläger mit Schreiben vom 23. September 2005 zugegangen.

2.

Die mit diesem Schreiben erklärte ordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses ist wirksam. Zwar kommt eine ordentliche Kündigung gemäß § 620 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur bei Dienstverhältnissen in Betracht, die auf unbestimmte Zeit eingegangen sind. Ist das Dienstverhältnis befristet, ist eine ordentliche Kündigung jedoch möglich, wenn die Parteien dies wirksam vereinbart haben (vgl. Palandt/Weidenkaff, 67. Aufl., § 620 BGB Rn. 10). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

Gemäß § 8 Ziff. 2 des Geschäftsführerdienstvertrags vom 10. September 2004 war die Gesellschaft berechtigt, den mit einer festen Laufzeit von fünf Jahren geschlossenen Vertrag während der ersten zwölf Monate der Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft jederzeit mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Monatsende zu kündigen.

Diese Vereinbarung ist entgegen der Ansicht des Klägers wirksam. Zwar war nach ihrem Wortlaut das Recht zur ordentlichen Kündigung während des vereinbarten Zeitraums einseitig nur für die Beklagte begründet, was auf Bedenken stößt. Dies führt jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Unwirksamkeit der Klausel. Die Benachteiligung des Klägers ist vielmehr unter Beachtung von Sinn und Zweck der von den Parteien getroffenen Vereinbarung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu korrigieren, dass beiden Parteien während der vereinbarten Probezeit das Recht zur ordentlichen Kündigung zustand.

a)

Eine Unwirksamkeit der Klausel folgt nicht aus § 622 Abs. 6 BGB. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift, die in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen den allgemeinen Rechtsgedanken begründet, dass Kündigungsbedingungen nicht einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers erschwert werden dürfen (vgl. ErfKomm/Müller-Glöge, 8. Aufl., § 622 BGB Rn. 43 f.), auch für das Geschäftsführerdienstverhältnis Geltung beansprucht. Denn jedenfalls führt der Verstoß hier nicht zu einer Unwirksamkeit des vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts während der Probephase.

Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts - 2 AZR 296/04 - (NJW 2005, 3230) beruft, vermag dies aus Sicht des Senats nicht zu überzeugen.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gilt bei der Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer als für den Arbeitgeber in einem unbefristeten Arbeitsvertrag in entsprechender Anwendung der Regelung in § 89 Abs. 2 S. 2 HGB beiderseits die für den Arbeitnehmer vereinbarte längere Frist. Das Bundesarbeitsgericht führt hierzu aus, die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB seien gegeben. § 622 Abs. 6 BGB enthalte eine gesetzliche Regelungslücke, da er - anders als § 89 Abs. 2 S. 2 HGB keine Folgenregelung für die Fälle vorsehe, in denen die Arbeitsvertragsparteien eine längere Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Arbeitnehmer vereinbart haben. Diese Regelungslücke lasse sich auch nicht ohne weiteres durch eine ergänzende Vertragsauslegung schließen, da sich der hypothetische Wille der vertragsschließenden Parteien nur selten hinreichend feststellen lasse. Eine Übertragung der Rechtsfolgenregelung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB sei in diesen Fällen wegen der Vergleichbarkeit der Sachverhalte sachgerecht.

Diese Argumentation lässt sich nach Auffassung des Senats auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht übertragen. Eine Analogie zu § 89 Abs. 2 S. 2 HGB ist im vorliegenden Fall nicht interessengerecht. Denn anders als bei dem von dieser Vorschrift geregelten Sachverhalt geht es hier nicht um die Anwendung einer längeren Kündigungsfrist bei einem unbefristeten Vertragsverhältnis, sondern um den Ausschluss der ordentlichen Kündigung für die Dauer der gesamten Vertragslaufzeit. Der vollständige Ausschluss des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts während der ersten zwölf Monate des Dienstverhältnisse würde zu unbilligen Ergebnissen führen, die mit dem hier unschwer festzustellenden hypothetischen Willen der Vertragsparteien nicht in Einklang zu bringen sind. Die Parteien wollten ersichtlich eine Probezeit vereinbaren, bevor die über weitere vier Jahre geltende feste Bindung an den Vertrag greifen sollte. Die Vereinbarung einer solchen Probezeit ist für sich betrachtet nicht zu beanstanden, zumal die Interessen des Klägers dadurch gewahrt waren, dass eine für Probebeschäftigungsverhältnisse ungewöhnlich lange Kündigungsfrist von einem Jahr vereinbart wurde. Die Unbilligkeit der getroffenen Vereinbarung ergibt sich allein aus deren Einseitigkeit zu Gunsten der Beklagten. Diese Unbilligkeit lässt sich ohne weiteres im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sach- und interessengerecht dahingehend korrigieren, dass beiden Parteien während der vereinbarten Probezeit das Recht zur ordentlichen Kündigung zustand.

b)

Aus den gleichen, im Ergebnis zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht zu Recht offen gelassen, ob die Voraussetzungen für eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB erfüllt sind. Denn selbst wenn die Klausel unwirksam im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB wäre, würde dies nicht dazu führen, dass das Recht der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung entfällt. Es gilt vielmehr die Regelung des § 306 Abs. 2 BGB, nach der sich der Inhalt des Vertrages bei Unwirksamkeit einer AGB-Klausel nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Fehlen - wie hier - für eine Vertragsergänzung geeignete Vorschriften und ist die ersatzlose Streichung der Klausel keine interessengerechte Lösung, ist die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (vgl. Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., § 306 Rn. 7 m.w.N.). An die Stelle der Klausel tritt die Regelung, welche die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der AGB bewusst gewesen wäre. Da auch hier gilt, dass die unangemessene Benachteiligung des Klägers nicht in der Vereinbarung eines Kündigungsrechts während einer Probezeit von einem Jahr ansich liegt, sondern nur in der Einseitigkeit des Kündigungsrechts, ist eine ergänzende Vertragsauslegung in dem dargelegten Sinne vorzunehmen. Mit einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion der unwirksamen Klausel hat dies - entgegen der Ansicht des Klägers - nichts zu tun. Dies folgt schon daraus, dass der Gehalt der Klausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht reduziert, sondern zu Gunsten des Klägers erweitert wird.

Nach alledem war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum getroffen hat.

Ende der Entscheidung

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