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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 8 U 156/04
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 137 I
ZPO § 139 I 2
ZPO § 160 III Nr. 2
ZPO § 295
ZPO § 308 I 1
ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 529 I Nr. 2
ZPO § 531 II
ZPO § 531 II 1 Nr. 2
ZPO § 531 II 1 Nr. 3
ZPO § 538
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 544
EGZPO § 26 Nr. 8
HGB § 110
HGB § 110 I Fall 1
HGB § 171
BGB § 670
BGB § 683
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 05.07.2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: A. Gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 S. 1 und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen. B. Die zulässige Berufung ist unbegründet. I. Die Sachentscheidungsbefugnis des Landgerichts hat vorgelegen, weil davon auszugehen ist, dass die Parteien erstinstanzlich im Termin vor dem Landgericht Anträge gestellt haben (1.). Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch Aufrechnung des Beklagten erloschen (2.). 1. Wird kein Sachantrag gestellt, so fehlt die Sachentscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 I ZPO), eine Verurteilung des Beklagten kommt nicht in Betracht (BGH NJW 2004, 2019, 2021; BAG NJW 1971, 1332; Musielak/Huber, 4. Auflage, § 308 ZPO, Rn. 16 und § 297 ZPO, Rn. 4; Zöller/Greger, 25. Auflage, § 297 ZPO, Rn. 7). Eine Heilung des Mangels nach § 295 ZPO ist nicht möglich (Musielak/Huber, § 297 ZPO, Rn. 4; Zöller/Vollkommer, § 308 ZPO, Rn. 7). Ein ergangenes Urteil ist wegen Verstoßes gegen §§ 137 I, 308 I 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 538 ZPO zurückzuverweisen (Musielak/Stadler, § 137 ZPO, Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, 63. Auflage, § 137 ZPO, Rn. 19 und § 308 ZPO, Rn. 14; nach der vor dem 1.1.2002 geltenden ZPO: OLG Koblenz MDR 2002, 415; OLG Köln MDR 2002, 717). Die Antragstellung ist nach § 160 III Nr. 2 ZPO im Protokoll festzustellen, auch wenn die wirksame Antragstellung nicht von der Beurkundung abhängt (vgl. nur Thomas/ Putzo/Reichold, 26. Auflage, § 159 ZPO, Rn. 4). Das ist hier zwar unterblieben. Allerdings beweist der Tatbestand des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht die Anträge gestellt haben (§ 314 S. 1 ZPO; Musielak, § 314 ZPO, Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 314 ZPO, Rn. 4 und 5; Thomas/Putzo/Reichold, § 314 ZPO, Rn. 1; BVerwG NJW 1988, 1228). Der durch den Tatbestand gelieferte Beweis kann nur durch die im Sitzungsprotokoll getroffenen ausdrücklichen oder doch unzweideutig widersprechenden Feststellungen entkräftet werden (§ 314 S. 2 ZPO; BGH NJW 1993, 3067; Zöller/Vollkommer, § 314 ZPO, Rn. 3). Enthält das Protokoll allerdings - wie im vorliegenden Fall - über die streitige Antragstellung keine Angaben, dann besteht kein Widerspruch zum Tatbestand und dieser wird nicht entkräftet (BGHZ 26, 340 = NJW 1958; Zöller/Vollkommer und Stöber, § 314 ZPO, Rn. 3 und § 165 ZPO, Rn. 4; Musielak, § 314 ZPO, Rn. 7; Thomas/Putzo/Reichold, § 314 ZPO, Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 314 ZPO, Rn. 7). Zu Unrecht rügt der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 1.6.2005 die Verspätung des Sachvortrages der Klägerin, Anträge seien im Termin vor dem Landgericht gestellt worden. Denn eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt dadurch nicht ein. 2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der restlichen Kommanditeinlage in Höhe von 7.669,98 € (= 15.000 DM) folgt aus § 171 HGB. Dies hat das LG zutreffend ausgeführt. Die Aufrechnung des Beklagten und sein ergänzender Sachvortrag in 2. Instanz rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. a. Die enthaftende Einlageleistung kann grundsätzlich durch Aufrechnung mit einer vor Insolvenzeröffnung begründeten Forderung (insbesondere Regressforderung nach § 110 HGB) gegen die Gesellschaft erfolgen; mit der Aufrechnung wird der Kommanditist gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern von der Haftung frei (BGH NJW 1984, 2290, 2291; Baumbach/Hopt, 31. Auflage, § 171 HGB, Rn. 7, 8 und 13 m. w. N.). Diese Aufrechnung gegenüber der Gesellschaft ist auch im Insolvenzverfahren möglich (Baumbach/Hopt, a.a.O., Rn. 8 und 13; Koller/Roth/Morck, 4. Auflage, § 171 HGB, Rn. 4, 15 und 20 m. w. N.). b. Ohne Erfolg bleibt hier allerdings die Aufrechnung des Beklagten mit einer Gegenforderung in Höhe von "etwa 25.000 DM" in erster Instanz und 69.828,64 DM in zweiter Instanz, insbesondere aufgrund einer Vereinbarung des Beklagten mit der Gesellschaft oder § 110 I Fall 1 HGB (Aufwendungsersatz). In 2. Instanz hat der Beklagte die Gegenforderungen zwar schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt. Er behauptet die alleinige Nutzung der 3 Zugmaschinen und 2 Auflieger sowie der Tankkarte des Beklagten durch die KG und entsprechende Vereinbarungen mit Herrn I als dem vertretungsberechtigten Gesellschafter der KG über die Erstattung der vom Beklagten verauslagten Kosten. Zum Beweis benennt er insbesondere den Zeugen I (erstmals in 2. Instanz). Allerdings ist der zweitinstanzliche Sachvortrag in der Berufungsbegründung (Bl. 160 ff.) neu (aa.) und nicht nach §§ 529 I Nr. 2, 531 II ZPO zuzulassen (bb. und cc.). aa. Letztlich kann dahinstehen, ob der gesamte Sachvortrag neu ist, weil er in 1. Instanz - soweit überhaupt vorgetragen - nicht ausreichend substantiiert wurde (vgl. dazu BGH NJW-RR 1991, 1214, 1215; NJW-RR 2003, 1321, 1322; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 1408; Musielak/Ball, 4. Auflage, § 531 ZPO, Rn. 15; Thomas/Putzo/Reichold, 26. Auflage, § 531 ZPO, Rn. 13; Zöller/Gummer/Heßler, 25. Auflage, § 531 ZPO, Rn. 9). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zahlungen des Beklagten nachvollziehbar dargelegt waren, so ist jedenfalls der Sachvortrag neu (weil in 1. Instanz überhaupt nicht vorgetragen), dass der Beklagte der Gesellschaft von ihm geleaste Zugmaschinen nebst Aufliegern und eine eigene Tankkarte zur Verfügung gestellt und die Vereinbarung der Kostenerstattung getroffen hat; neu ist auch der zum Beweis dafür benannte Zeuge I. Auf das Bestreiten der Klägerin hin hätte der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte aber zumindest geordnet und nachvollziehbar zu der Zurverfügungstellung der Zugmaschinen nebst Aufliegern und der Tankkarte vortragen und seine Behauptungen unter Beweis stellen müssen. Dieser Sachvortrag erschloss sich dem Landgericht nicht aus den vorgelegten Unterlagen. Die in der Klageerwiderung angebotenen Beweismittel (Belege und Zeugnis des Sparkassenmitarbeiters X) betreffen ersichtlich auch nur die Zahlungen des Beklagten an die Gläubiger. bb. Der neue Sachvortrag und das neue Beweismittel sind nicht nach § 531 II 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen. (1) Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser vorgenannten Vorschrift läge zwar vor, wenn das Landgericht dem Beklagten im Termin zugesagt hätte, einen Auflagenbeschluss zu erlassen und ergänzenden Sachvortrag zu den Aufrechnungsforderungen zu ermöglichen. Diese Behauptung des Beklagten hat er auf das Bestreiten der Klägerin aber nicht glaubhaft gemacht (§ 531 II 2 ZPO). Insbesondere das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 14.6.2004 enthält keine Anhaltspunkte für eine derartige Zusage. (2) Die Einzelrichterin musste dem anwaltlich vertretenen Beklagten auch nicht von sich aus - ohne Antrag und nach gerichtlichem Hinweis sowie ergänzender Stellungnahme im Termin (siehe Sitzungsprotokoll) - eine Schriftsatzfrist zum ergänzenden Sachvortrag gewähren (vgl. § 139 II, V ZPO; OLG Hamm, 18. ZS, NJW 2003, 2543; Thomas/Putzo/Reichold, § 139 ZPO, Rn. 33; Musielak/Stadler, § 139 ZPO, Rn. 29). Sie durfte davon ausgehen, dass bei dem protokollierten unmissverständlichen Hinweis auf die unzureichende Substantiierung und der Reaktion der Beklagtenvertreterin weiterer Vortrag nicht möglich oder nicht beabsichtigt ist (vgl. dazu Zöller/Greger, § 139 ZPO, Rn. 14 a); diese hat nämlich der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts lediglich widersprochen und erklärt, aus den Unterlagen könne die Leistung in Höhe von 25.000 DM für die KG nachvollzogen werden. In dieser Situation war die Einzelrichterin auch nicht nach § 139 I 2 ZPO gehalten, nachzufragen, ob ein Antrag auf Schriftsatzfrist gestellt werden soll. cc. Der neue Sachvortrag ist auch nicht nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen. Es fehlt jeglicher Sachvortrag zur fehlenden Nachlässigkeit des Beklagten. b. Der Beklagte kann auch nicht mit einer Gegenforderung von 2.500 DM gemäß § 110 HGB oder §§ 683, 670 BGB aufrechnen. Sein Sachvortrag ist nicht ausreichend substantiiert. a. Der Anspruchsteller (hier der Beklagte) genügt seiner Darlegungspflicht grundsätzlich, wenn er Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolge von Bedeutung sind, wenn der Vortrag infolge der Einlassung des Gegners unklar wird oder wenn die Angabe weiterer Umstände erforderlich ist, um dem Gegner die Nachprüfung der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen (BGH, NJW 1999, 1859; NJW-RR 1999, 1481; NJW-RR 1998, 1409; NJW-RR 2003, 69, 70 u. 491; NJW-RR 2004, 45; Thomas/Putzo/ Reichold, Vorbem. § 253 ZPO, Rn. 40; Musielak/Foerste, § 284 ZPO, Rn. 16). Die Notwendigkeit weiterer Substantiierung im Einzelnen hängt insbesondere davon ab, ob sich die Geschehnisse im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben dann gesteigerte Darlegungslast (BGH NJW 1999, 714; NJW 1996, 1826, 1827) - und inwieweit der Vortrag der Gegenpartei Anlass zu ihrer Aufgliederung, Ergänzung und zum Vortrag konkreter Einzeltatsachen gibt (BGH NJW 1996, 1826, 1827; NJW 2000, 3286; Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem. § 253 ZPO, Rn. 40 und Vorbem. § 284 ZPO, Rn. 18). bb. Gemessen an diesen Anforderungen ist der Sachvortrag des Beklagten nicht hinreichend substantiiert. Er hätte sowohl in 1. als auch in 2. Instanz auf das Bestreiten der Klägerin darlegen müssen,

- wann und wie (Überweisung, Barzahlung, Umbuchung) der Ausgleich erfolgt sein und

- wann das Konto der KG bei der Sparkasse M ein Soll von 2.500 DM aufgewiesen haben soll.

Dies ist ihm zumutbar und auch möglich. Die Vorgänge haben sich im Wesentlichen in seinem Wahrnehmungsbereich abgespielt; entsprechende Informationen kann er von seiner Bank oder der Bank der Gesellschaft erhalten. Nur bei entsprechender Aufgliederung kann die Klägerin den Sachvortrag überprüfen und dazu sinnvoll Stellung nehmen (vgl. dazu auch Musielak/Stadler, § 138 ZPO, Rn. 10; Thomas/Putzo/ Reichold, § 138 ZPO, Rn. 12 - jeweils m. w. N. zur Rspr. -). Den pauschalen Sachvortrag des Beklagten durfte sie bereits in 1. Instanz und darf sie auch in 2. Instanz einfach bestreiten. II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. III. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt so weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

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