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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: 8 U 159/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 1
BGB § 139
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 143 Abs. 1
BGB § 195 n.F.
BGB § 199 n.F.
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 291
BGB § 371
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall
BGB § 818 Abs. 2
ZPO § 167
ZPO § 533
ZPO § 563 Abs. 2
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das am 9. April 2003 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars E mit dem Amtssitz in F, UR Nr. ##/2001, vom 29.03.2001 wird für unzulässig erklärt.

Der Beklagte wird verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars E mit dem Amtssitz in F, UR Nr. ##/2001, vom 29.03.2001 an die Klägerin zu 1) herauszugeben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 751.599,07 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.10.2002 zu zahlen.

Der Beklagte wird des weiteren verurteilt, an den Kläger zu 2) 168.726,32 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

A.

Die Kläger machen gegen den Beklagten Ansprüche aufgrund der Anfechtungserklärung vom 14.10.2002 betreffend die notarielle Urkunde, URNr. ##/2001, vom 29.03.2001 des Notars E mit Amtssitz in F geltend. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf das Urteil des 27. Zivilsenates des Oberlandesgerichtes vom 7. Oktober 2004 (27 U 72/03) und das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20.06.2005 verwiesen.

Mit beim Oberlandesgericht am 30. Dezember 2005 per Telefax eingegangenen Schriftsatz vom 30.12.2005 ist der Kläger zu 2) im Wege der Klageerweiterung in das Verfahren eingetreten und verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von 168.726,32 €, die in dem angefochtenen notariellen Vertrag vom 29.03.2001 als Kaufpreis der Gesellschaftsanteile ausgewiesen sind und von dem Kläger zu 2) an den Beklagten gezahlt worden waren. Der Klageerweiterungsschriftsatz ist dem Beklagten am 03.01.2006 zugestellt worden.

Im Übrigen haben die Parteien entsprechend den Hinweisen des Bundesgerichtshofes ihren Sachvortrag vertieft. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vor dem erkennenden Senat gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Klägerin zu 1) beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Hagen vom 09.04.2003

die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars E mit dem Amtssitz in F (URNr. ##/2001) vom 29.03.2001 für unzulässig zu erklären;

den Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars E mit dem Amtssitz in F (URNr. ##/2001) vom 29.03.2001 an sie herauszugeben;

den Beklagten zu verurteilen, an sie 751.599,07 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.10.2002 zu zahlen.

Der Kläger zu 2) beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 168.726,32 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zu 1) zurückzuweisen und die Klage des Klägers zu 2) abzuweisen.

Der Beklagte rügt die Klageerweiterung als unzulässig und erhebt die Einrede der Verjährung.

Dem Senat lagen zu Informationszwecken die Akten 21 O 140/99, 21 O 141/99, 21 O 71/00, 23 O 71/99 und 23 O 46/00 jeweils des Landgerichts Hagen sowie 300 Js 604/02 Staatsanwaltschaft Hagen und 24 Js 172/91 Staatsanwaltschaft Wuppertal vor. Der Senat hat zudem Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmungen der Zeugen I2, N, Dr. L und Dr. H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zur mündlichen Verhandlung des Senats am 28. August 2006 verwiesen.

B.

Die Berufung der Klägerin zu 1) hat Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils (I). Die hinsichtlich des Klägers zu 2) erweiterte Klage ist zulässig und hat in der Sache ebenfalls Erfolg (II).

I. Berufung der Klägerin zu 1)

1. Berufungsantrag zu 2.

Der Berufungsantrag zu 2. der Klägerin zu 1. beinhaltet eine Vollstreckungsgegenklage (§§ 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795 S. 1 ZPO). Diese ist statthaft, da die Klägerin zu 1) den Einwand der Nichtigkeit des Vertragsschlusses geltend macht (§ 142 Abs. 1 BGB) und die notarielle Urkunde vom 29.03.2001 einen nach Form und Inhalt wirksamen Titel darstellt. Die so statthaft erhobene Vollstreckungsgegenklage ist zulässig.

Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet, da die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 BGB gegeben sind.

a) § 143 Abs. 1 BGB

Die Klägerin zu 1) erklärte die Anfechtung der in § 7 des notariellen Vertrages niedergelegten Vereinbarung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.10.2002 gegenüber dem Beklagten. Die Anfechtung wurde darauf gestützt, dass der Beklagte mit der F2 vereinbarte, dieser eine Urkunde auszuhändigen, die es der F2 ermöglichen sollte, in erheblichem Umfang Ansprüche gegen die Klägerin zu 1) geltend zu machen, und dies der Klägerin zu 1) verschwieg. Die tatsächliche Grundlage für die Anfechtung ist damit hinreichend deutlich.

Die Klägerin war durch den Kläger zu 2) als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Komplementärin wirksam vertreten. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1) vom 11.10.2002 (Anlage 16) ermächtigte den Kläger zu 2) zur Anfechtung und gerichtlichen Geltendmachung. Zu diesem Zeitpunkt waren nach dem Ausscheiden der Kommanditisten G und Q der Kläger zu 2), Herr S, und die W GmbH Gesellschafter der Klägerin zu 1). Diese drei Gesellschafter wurden von Rechtsanwalt Dr. H vertreten, der entsprechend von dem Kläger zu 2) und Herrn S bevollmächtigt worden war. Dies hat Herr Rechtsanwalt Dr. H im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung zur Überzeugung des Senates bestätigt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Kläger zu 2) zur Anfechtung und gerichtlichen Geltendmachung der sich daraus ergebenden Ansprüche der Zustimmung der weiteren Gesellschafter der Klägerin bedurfte.

b) § 123 Abs. 1 BGB

Die arglistige Täuschung der Klägerin zu 1) durch den Beklagten hat der Bundesgerichtshof auf der Grundlage der unstreitigen Tatsachen festgestellt, so dass der Senat daran nach § 563 Abs. 2 ZPO grundsätzlich gebunden ist. Von den Feststellungen des Bundesgerichthofes abzuweichen wäre dem erkennenden Senat nur möglich, wenn neue Tatsachen vorgetragen würden, die zu einer anderen Bewertung des Sachverhaltes führten. Das ist aber nicht der Fall. Der Beklagte greift die bereits vorgetragenen Tatsachen auf, um zu begründen, warum die Bewertung des Bundesgerichtshofes zur arglistigen Täuschung unzutreffend sei. Das ist nicht erheblich.

c) Kausalität

Der Bundesgerichtshof hatte zur Kausalität den Vortrag der Klägerin für schlüssig erachtet und den Vortrag des Beklagten als erheblich angesehen. Wesentlich ist daher, worauf die Vereinbarung zu Ziffer 7. der notariellen Urkunde beruhte. Dazu hat der Senat die Zeugen I2, N, Dr. L und Dr. H vernommen. Auf der Grundlage dieser Zeugenaussagen und des gesamten Akteninhaltes (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1) den notariellen Vertrag jedenfalls nicht so geschlossen hätte, wenn sie Kenntnis von den Absprachen des Beklagten mit der F2 gehabt hätte. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

Nach den Aussagen aller vernommenen Zeugen war zwar entsprechend den Vorgaben des Beklagten die Verhandlung über den Wert seiner Gesellschafteranteile wesentliches Gesprächsthema im Vorfeld der notariellen Beurkundung. Daraus folgt aber nicht, dass der letztendlich gefundene Betrag sich ausschließlich auf den Wert der Gesellschaftsanteile des Beklagten bezog. Vielmehr ging es darum, wie alle Zeugen übereinstimmend aussagten, eine Gesamtzahl zu finden, die den Vorstellungen des Beklagten entsprach und für die Klägerin keine zu große Hürde darstellte. Zu keinem Zeitpunkt der Gespräche erfolgte eine bloße Reduzierung auf den Wert der Gesellschafteranteile unter Verzicht auf weitergehende Ansprüche. Ausgangspunkt der der Vergleichsverhandlungen war vielmehr die Anregung des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2001 (23 O 71/99 - LG Hagen) eine Gesamtauseinandersetzung herbeizuführen, die sowohl die Geschäftsführerposition als auch die Gesellschafterstellung des Beklagten umfassen sollte. Zudem hat der Beklagte selbst im Zuge des Stockens der Verhandlungen (so die Aussage des Zeugen I2) mit Schreiben vom 17.11.2001 (Anlage B 7) Forderungen errechnet, die hinsichtlich des Verlustes der Position als Geschäftsführer einen Mindestbetrag von 876.000,00 DM beinhalteten. Dementsprechend beinhalteten die Vergleichsangebote der Klägerin zu 1) in ihren Schreiben vom 23. Oktober 2000 (Anlage B 4), 2. November 2000 (Anlage B 6), 27. November 2000 (Anlage B 8) einen umfassenden Erledigungsvorschlag, der neben dem Unternehmenswert alle dem Beklagten zustehenden Gegenforderungen einschloss. Die Klägerin hat zudem ausdrücklich darauf hingewiesen (Schreiben vom 2. November 2000, Anlage B 6), nicht im einzelnen aufzuschlüsseln, wie sich ihr Vergleichsangebot zusammensetzt.

Die Aussagen der Zeugen Dr. L und Dr. H, der Kläger hätte den Vertrag so nicht geschlossen, wenn er von der Vereinbarung des Beklagten mit der F2 Kenntnis gehabt hätte, sind deshalb gut nachvollziehbar und überzeugend.

Einer weitergehenden Vernehmung des vom Beklagten benannten Zeugen Dr. G2 bedurfte es nicht. Der Beklagte hat den Zeugen für die Tatsache benannt, er habe ein Bewertungsgutachten erstellt und seine Gesellschaftsanteile mit 623.000,-DM bewertet. Diese Tatsache ist unstreitig.

d) Anfechtungsfrist

Die Anfechtungsfrist von einem Jahr ist gewahrt, da die Klägerin von dem relevanten Sachverhalt nicht vor August 2002 Kenntnis erhielt (§ 124 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).

2. Berufungsantrag zu 3.

Der Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde folgt aus § 371 BGB analog als Annex zur Vollstreckungsgegenklage.

3. Berufungsantrag zu 4.

Der Anspruch folgt aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall, 818 Abs. 2 BGB. Diesem Anspruch stehen entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofes keine Einwendungen des Beklagten entgegen.

Der Zinsausspruch beruht auf § 288 Abs. 2 BGB. Der Beklahte befand sich aufgrund der Fristsetzung im Schreiben vom 14.10.2002 ab dem 19.10.2002 in Verzug (§ 286 Abs. 1 BGB).

II. Klage des Klägers zu 2)

Die Klage des Klägers zu 2) ist zulässig und begründet.

1.

Hinsichtlich der Zulässigkeit liegen die Voraussetzungen des § 533 ZPO vor. In der Parteierweiterung liegt eine Klageänderung, die auf Tatsachen gestützt wird, die Grundlage des bisherigen Prozesses sind. An der Sachdienlichkeit (§ 533 Nr. 1 ZPO) besteht daher kein Zweifel. Zudem kann der erkennende Senat die Berechtigung des von dem Kläger zu 2) geltend gemachten Anspruches anhand der bereits in das Verfahren eingeführten Tatsachen überprüfen (§ 533 Nr. 2 ZPO).

2.

In der Sache folgt der Anspruch des Klägers aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall, 818 Abs. 2 BGB. Wie der Bundesgerichtshof bereits ausgeführt hat, erfasst die Anfechtung von § 7 der notariellen Urkunde gem. § 139 BGB auch die in der notariellen Urkunde vom 29. März 2001 vereinbarte Anteilsübertragung. Dementsprechend hat der Beklagte die von dem Kläger zu 2) auf die Übertragung der Gesellschaftsanteile geleisteten 168.726,32 € ohne Rechtsgrund erlangt.

Der Bereicherungsanspruch ist nicht verjährt ist. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB begann am 01.01.2002 die Verjährungsfrist nach neuem Recht zu laufen. Anzuwenden sind daher §§ 195, 199 BGB n.F. Damit gelten auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Verjährungsbeginn war daher der 01.01.2003, Verjährungsende wäre der 31.12.2005 gewesen. Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB; 167 ZPO gehemmt, da die Klageerweiterung am 30.12.2005 beim Oberlandesgericht einging und am 03.01.2006 zugestellt wurde.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit erging gem. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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