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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.04.2000
Aktenzeichen: 8 U 165/99
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 47
§ 47 GmbHG

Haben alle Gesellschafter eine die Gesellschaft betreffende Angelegenheit einverständlich geregelt, steht dem vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auch dann die gegen die Gesellschaft zu richtende Anfechtungsklage zu, wenn die vereinbarte Regelung nicht Bestandteil der Satzung geworden ist; er ist nicht auf eine Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 165/99 OLG Hamm 1 O 57/99 LG Arnsberg

Verkündet am 12. April 2000

Krämer, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht Reinken, Betz und Horsthemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05. August 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Dem Kläger wird gestattet, die Sicherheit durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Das Urteil beschwert die Beklagte um mehr als 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Anfechtungsklage gegen die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.03.1999 gefaßten Beschlüsse, wonach eine Kapitalerhöhung um 100.000,00 DM und die Übernahme eines Geschäftsanteils in dieser Höhe durch ihn abgelehnt worden sind.

Mit einer Beschlußfeststellungsklage will der Kläger die Beschlußfassung über die Erhöhung des Stammkapitals der Beklagten sowie die Zulassung zu der von ihm zu erbringenden weiteren Stammeinlage in Höhe von 100.000,00 DM erreichen.

Die Beklagte wurde am 16.10.1992 gegründet. Von dem Stammkapital von zunächst 100.000,00 DM übernahmen der Kläger und die weitere Gesellschafterin Frau Sch jeweils 50.000,00 DM. Beide Gründungsgesellschafter gewährten der Beklagten darüber hinaus Darlehen in Höhe von je 200.000,00 DM. Der Kläger nahm zu diesem Zweck zwei Existenzgründungsdarlehen auf und stellte der Beklagten die Valuta zur Verfügung; die Zins- und Tilgungsleistungen wurden aus Mitteln der Beklagten aufgebracht.

Die Beklagte stellt Kettenräder für die Industrie sowie für die Zweiradfertigung her und vertreibt sie; die Geschäftsentwicklung war erfolgreich. Für eine neue Produktionstechnik, deren Verfahren durch ein Gebrauchsmuster geschützt ist, hatte die Beklagte Entwicklungskosten von rund 600.000,00 DM aufzubringen, so daß Kapitalbedarf bestand. Es wurde eine Kapitalerhöhung erforderlich.

Der Kläger war wegen der für die Beklagte aufgenommenen Kredite finanziell nicht in der Lage, eine weitere Stammeinlage zu übernehmen. In einer Gesellschafterversammlung vom 07.07.1994 (UR Nr.91/94 Notar Hilger in Arnsberg) beschlossen der Kläger und die Gesellschafterin Schlösser eine Kapitalerhöhung von 100.000,00 DM, so daß das Stammkapital auf insgesamt 200.000,00 DM aufgestockt wurde. Die Gesellschafter waren einig, daß die Gesellschafterin Schlösser die neue Stammeinlage in Höhe von 100.000,00 DM übernahm. Sie waren weiterhin einig, daß grundsätzlich angestrebt werden sollte, die Beteiligungsverhältnisse zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin Schlösser gleichgewichtig zu erhalten. Deshalb erklärte die Gesellschafterin Sch in der notariellen Urkunde vom 07.07.1994, "daß sie bereits jetzt ihre Zustimmung für eine Kapitalerhöhung bis zu einer Gesamthöhe aller Stammeinlagen von 300.000,00 DM erklärt, wenn diese Kapitalerhöhung durch Erbringung und Übernahme einer Stammeinlage in Höhe von bis zu weiteren 100.000,00 DM durch den Erschienenen zu 2 (Anm.: das ist der Beklagte) erfolgt."

Nach der Kapitalerhöhung vom 07.07.1994 fühlte sich der Kläger, der mit einigen Entscheidungen der nunmehrigen Mehrheitsgesellschafterin Sch insbesondere zur Auswahl eines Betriebsgeländes nicht einverstanden war, majorisiert. Er trat als Geschäftsführer zurück und bot zunächst bei einem Zusammentreffen am 17.12.1997 der Mitgesellschafterin Sch seinen Geschäftsanteil von 50.000,00 DM zu einem Preis von 1 Mio. DM bis 1,2 Mio. DM zur Übernahme an. Eine Einigkeit zwischen den Gesellschaftern wurde nicht erzielt. Nachdem die Übernahme des Geschäftsanteils des Klägers durch die Mitgesellschafterin gescheitert war, kam er auf sein ihm am 07.07.1994 eingeräumtes Recht zur Übernahme einer Stammeinlage in Höhe von 100.000,00 DM zurück und bot die Übernahme einer Stammeinlage unter Einbringung seiner restlichen Darlehensforderung in Höhe von 100.000,00 DM an. Die Gesellschafterin Sch stellte sich auf den Standpunkt, die Stammeinlage sei nicht in Form einer Sacheinlage, sondern in bar zu erbringen und wegen ihrer Höhe nach dem "Stuttgarter Verfahren" zu bewerten.

Mit Schreiben vom 04.06.1998 an die Mitgesellschafterin Sch signalisierte der Kläger, daß er nunmehr bereit sei, eine Stammeinlage in Höhe von 100.000,00 DM gegen Zahlung einer Bareinlage zu übernehmen. Die Mitgesellschafterin Sch erklärte mit Anwaltsschreiben vom 10.06.1998, sie sei mit einer Kapitalerhöhung gegen Übernahme einer Stammeinlage in Höhe von 100.000,00 DM durch den Kläger gegen Barzahlung einverstanden; sie stellte sich jedoch auf den Standpunkt, wegen des erfreulichen Aufschwungs der Firma komme eine Pari-Übernahme nicht mehr in Betracht.

Der Kläger faßte am 30.12.1998 zu notariellem Protokoll (UR.Nr.752/98 Notar Sch; in Sch) unter Bezugnahme auf das Protokoll des Notars H vom 07.07.1994 allein einen Beschluß über eine Kapitalerhöhung auf 300.000,00 DM und die Übernahme des neuen Geschäftsanteils in Höhe von 100.000,00 DM durch ihn gegen Zahlung von 100.000,00 DM. Das Beschlußprotokoll ließ er der Beklagten zukommen und überwies zur Erfüllung der Stammeinlageverpflichtung am 07.01.1999 zunächst einen Betrag von 25.000,00 DM. Die Beklagte überwies den Betrag zurück und teilte dem Kläger mit, sie halte die Beschlußfassung vom 30.12.1999 für rechtsunwirksam.

Daraufhin forderte der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten auf, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen und die von ihm beantragte Kapitalerhöhung auf die Tagesordnung zu setzen. In der Gesellschafterversammlung vom 10.03.1999 (Protokoll UR-Nr. 33/99 Notar H in A) stimmte der Kläger für, die Gesellschafterin Sch gegen die vom Kläger beantragte Kapitalerhöhung.

Mit der am 12.04.1999 bei Gericht eingegangen Anfechtungs- und Beschlußfeststellungsklage hat der Kläger beantragt, die ablehnenden Beschlüsse für nichtig zu erklären sowie festzustellen, daß die Beschlüsse im Sinne der von ihm vorgegebenen Tagesordnungspunkte gefaßt worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

I.

die folgenden Beschlüsse der Beklagten in ihrer Gesellschafterversammlung vom 10.03.1999 für nichtig zu erklären, hilfsweise ihre Nichtigkeit festzustellen:

1.Ablehnung der Bestätigung des Inhalts des notariellen Protokolls vom 20.12.1998 - UR-NR.: 752/1998 des Notars Sch/Sch - mit der Kapitalerhöhung um 100.000,00 DM und der Übernahme der Stammeinlage von 100.000,00 DM durch den Gesellschafter G S;

2.Ablehnung der Entgegennahme der Einzahlung der neuen Stammeinlage von 100.000,00 DM durch die Gesellschaft;

3.Ablehnung der Anweisung an den Geschäftsführer zur Anmeldung der Kapitalerhöhung;

II.

festzustellen, daß folgende Beschlüsse gefaßt wurden: 1.Genehmigung der vom Kläger beschlossenen Kapitalerhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft von 200.000,00 DM auf 300.000,00 DM und Übernahme der neuen Stammeinlage von 100.000,00 DM durch den Kläger entsprechend dem Inhalt des Protokolls vom 20.12.1998 - UR-NR.: 752/1998 des Notars Sch/Sch;

2.Verpflichtung der Gesellschaft zur Entgegennahme der Zahlung der neuen Stammeinlage von 100.000,00 DM auch durch Einzahlung auf ein Konto der Gesellschaft;

3.der Geschäftsführer der Gesellschaft ist angewiesen, die Kapitalerhöhung von 200.000,00 DM auf 300.000,00 DM zum Handelsregister anzumelden, sobald die neue Stammeinlage von 100.000,00 DM an die Gesellschaft gezahlt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation bestritten und im übrigen der Klage entgegengehalten, wegen der seit ihrer Gründung eingetretenen Wertsteigung der Gesellschaft komme eine Übernahme zu Pari-Bedingungen nicht in Betracht, da sie dem tatsächlichen Gegenwert des Geschäftsanteils nicht entsprechen würde. Durch die vom Kläger verlangte Kapitalerhöhung werde der Anteil der Gesellschafterin Sch verwässert.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Sie macht geltend, die Klage sei verfristet.

Mit der Beschlußfeststellung greife das Gericht in unzulässiger Weise in ihre Autonomie ein.

Bei Abfassung der Erklärung vom 07.07.1994 seien die Gesellschafter davon ausgegangen, der Kläger werde in absehbarer Zeit, spätestens bis zum Jahresende 1994, der Beklagten das benötigte Kapital zur Verfügung stellen; deshalb seien die Konditionen nicht näher umschrieben worden; in der Folgezeit habe die Beklagte jedoch Fremdkapital aufgenommen, da der Kläger kein Eigenkapital zur Verfügung gestellt habe; damit habe die Übernahme einer Stammeinlage nicht mehr zur Debatte gestanden. Der Kläger verhalte sich im übrigen widersprüchlich, wenn er einerseits der Mitgesellschafterin Sch seinen Geschäftsanteil von 50.000,00 DM zum Preis von 1.000.000,00 DM zur Übernahme anbiete, andererseits meine, eine Stammeinlage zu Pari-Bedingungen übernehmen zu können.

Die Beklagte legt eine Berechnung ihres Steuerberaters vor, wonach der Wert für 100,00 DM Nennkapital 276,00 DM betrage.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Sowohl die Anfechtungsklage als auch die Beschlußfeststellungsklage sind zulässig.

Die Anfechtungsklage ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verfristet, sondern die (nicht einmal genau einzuhaltende - vgl. BGH, Urt.v.14.05.1990 - II ZR 126/89 - in NJW 1990, S. 2625) Monatsfrist ist gewahrt.

Der Kläger ist als Gesellschafter zur Anfechtung befugt.

Die Verbindung der Anfechtung negativer Beschlüsse mit einer positiven Beschlußfeststellungsklage ist sinnvoll (Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. § 45 Rn.179, 180); sie führt zur Beseitigung gefaßter fehlerhafter Beschlüsse und zielt auf Feststellung der bei richtiger Abstimmung festzustellenden Beschlüsse (Baumbach/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. Anh. § 47, Rn.91).

Sowohl die Anfechtungs- als auch die Beschlußfeststellungsklage sind gegen die Gesellschaft als Partei, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zurichten (vgl. Baumbach/Zöllner, aaO. Rn.90 c); die Beklagte ist passivlegitimiert.

Die Klage ist auch begründet.

Eine Anfechtungsklage verbunden mit einer Beschlußfeststellungsklage ist begründet, wenn die Ablehnung eines Antrags fehlerhaft und die Zustimmung durch die Gesellschafter geboten war.

Die Ablehnung der vom Kläger beantragten Kapitalerhöhung durch die Mitgesellschafterin Sch war fehlerhaft; die Gesellschafterin Sch war auf Grund ihrer Erklärung in der Urkunde vom 07.07.1994 verpflichtet, der beantragten Kapitalerhöhung zuzustimmen.

Die Fehlerhaftigkeit und damit die Anfechtbarkeit der am 10.03.1999 gefaßten Beschlüsse ergibt sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Treupflicht. Der Fall einer positiven Stimmpflicht, wie er von der Rechtsprechung bei einem Mißbrauch des Stimmrechts mit der Folge der Anfechtbarkeit wegen Verletzung einer Treupflicht angenommen wird (vgl. Scholz/Schmidt, GmbHG, 8.Aufl. § 45 Rn.107; BGH, Urteil vom 25.09.1986 - II ZR 262/85 - in NJW 1987, S.189; Urteil vom 23.03.1987 - II ZR 244/86 - in NJW 1987, S. 3192), liegt hier nicht vor. Ob eine Treupflicht verletzt ist, ist allein aus der Sicht der beklagten Gesellschaft zu beurteilen (vgl.Ulmer in NJW 1987, S.1849 [1852, Fußn.33]). Abreden wie die in der notariellen Urkunde vom 07.07.1994, die ein einzelner Gesellschafter mit einem anderen Gesellschafter außerhalb der Satzung getroffen hat, begründen zunächst nur vertragliche Bindungen zwischen den beteiligten Gesellschaftern; die Verletzung derartiger vertraglicher Absprachen stellt nicht ohne weiteres eine Verletzung der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft dar.

Positive Stimmpflichten können sich aber auch aus Stimmbindungsverträgen ergeben. Solche Stimmbindungen begründen zwar zwischen den beteiligten Gesellschaftern lediglich schuldrechtliche Ansprüche, deren Verletzung in aller Regel Schadensersatzansprüche auslösen (vgl.dazu Scholz/Schmidt, aaO. Rn.116; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8.Aufl. § 47, Rn.79); der Streit um die Rechtsfolgen der Verletzung einer Stimmbindungsvereinbarung ist dann grundsätzlich unter den Beteiligten, auf deren Kosten und nicht mit der Gesellschaft auszutragen.

Anders aber beurteilt die Rechtsprechung die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Stimmbindungsvereinbarungen, an denen alle Gesellschafter einer Gesellschaft beteiligt sind; wenn alle Gesellschafter eine die Gesellschaft betreffende Angelegenheit einverständlich geregelt haben, soll den vertragswidrig überstimmten Gesellschaftern auch dann die Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft offenstehen, wenn die vereinbarte Regelung nicht Bestandteil der Satzung geworden ist, da es dann, wenn alle Gesellschafter beteiligt sind, nicht sinnvoll erscheint, die überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen (BGH, Urt:v.20.01.1983 - II ZR 243/81 - in NJW 1983, S.1910 [1911, li.Sp.]; bestätigend: BGH, Urt.v.27.10.1986 - II ZR 240/85 - in NJW 1987, S.1890, 1892). Die Zulassung der Anfechtungsklage bei Verletzung von Stimmbindungsverträgen mit Beteiligung aller Gesellschafter hat auch im Schrifttum Zustimmung gefunden (zustimmend Scholz/Schmidt, aaO. § 47, Rn.116, bei rechtsverbindlichen Abreden von organisationsrechtlichem Charakter, die alle Gesellschafter binden; zustimmend auch Baumbach/Zöllner, aaO. § 47, Rn.79; kritisch Hachenburg/Hüffer, aaO. § 47, Rn.84; kritisch auch Ulmer in NJW 1987, S. 1849 ff). Der Senat schließt sich der in den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vertretenen Auffassung aus Gründen der Prozeßökonomie an.

Die streitgegenständliche "Erklärung" der Gesellschafterin Sch in der Urkunde vom 07.07.1994 ist als Stimmbindungsvertrag zu verstehen.

Dem Wortlaut nach hat die Gesellschafterin Schlösser ihre "Zustimmung" zu einer Kapitalerhöhung erklärt unter der Bedingung, daß der Kläger eine weitere Stammeinlage übernehmen würde. Diese Zustimmung ist nicht als Teil eines Gesellschafterbeschlusses zu werten und stellt keine vorgezogene Stimmabgabe dar, denn unter Stimmabgabe ist die Zustimmung oder Ablehnung eines Beschlußantrags zu verstehen (Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8.Aufl. § 47, Rn. 41); jede Beschlußfassung und damit auch die Stimmabgabe setzen einen zuvor gestellten Antrag voraus (Hachenburg/Hüffer, aaO. Rn.7; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8.Aufl. § 48 Rn.45), der am 07.07.1994 gerade noch nicht vorlag.

Ob überhaupt eine weitere Kapitalerhöhung durchgeführt werden würde, war am 07.07.1994 durchaus noch offen. Offen war auch die Höhe einer eventuellen Kapitalerhöhung. Die Erklärung vom 07.07.1994 setzte nur einen Höchstbetrag von bis zu weiteren 100.000,00 DM fest und ließ damit auch Raum für die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung in geringerer Höhe. Ein konkreter Beschlußantrag existierte nicht.

Mit der Erklärung vom 07.07.1994 räumte die Gesellschafterin Sch dem Kläger eine Option auf die Übernahme einer weiteren Stammeinlage bis zu 100.000,00 DM ein, wobei der Kläger allerdings keine Verpflichtung zur Übernahme einer Stammeinlage einging. Die von der Gesellschafterin Sch erklärte Zustimmung stand im Zusammenhang mit der von dem Kläger seinerseits erklärten Zustimmung zur Übernahme einer neuen Stammeinlage in Höhe von 100.000,00 DM durch die Gesellschafterin Sch. Die Übernahme der neuen Stammeinlage durch die Gesellschafterin Sch führte dazu, daß sich der Kläger in die Rolle eines Minderheitsgesellschafters fügte und stets, wie später auch geschehen, überstimmt werden konnte. Die Gesellschafterin Sch konnte den Kläger nur dadurch bewegen, einer Übernahme der qualifizierten Mehrheit durch sie zuzustimmen, daß sie ihm die Möglichkeit eröffnete, bei Besserung seiner finanziellen Verhältnisse wieder mit ihr gleichzuziehen.

Dem Interesse des Klägers an einer gleichmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft wurde durch die Einräumung der Option entsprochen, die Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse zu seinen Ungunsten wieder auszugleichen. Diese Vereinbarung stellt einen Stimmbindungsvertrag dar, an dem, da nur Frau Sch und der Kläger Gesellschafter waren, alle Gesellschafter der Beklagten beteiligt waren.

Die auf die neuerliche Kapitalerhöhung um 100.000,00 DM und die Übernahme der Stammeinlage durch ihn gerichteten Anträge des Klägers bewegten sich im Rahmen der ihm eingeräumten Option, so daß die vertraglich gebundene Gesellschafterin Sch verpflichtet war, diesen Anträge zuzustimmen. Sie war nicht berechtigt, ihre Zustimmung mit dem Argument zu verweigern, der Wert für 100,00 DM Nennkapital betrage wegen des erfreulichen Aufschwungs der Gesellschaft nunmehr 276,00 DM, und deshalb werde sie einer Übernahme einer weiteren Stammeinlage nur zustimmen, wenn der Kläger ein Agio zu zahlen bereit sei.

Soll mit einer Kapitalerhöhung ein Aufgeld verlangt werden, muß das Aufgeld in dem Beschluß über die Kapitalerhöhung enthalten sein (Scholz/Priester, GmbHG, 8.Aufl. § 55 Rn.27). Die notarielle Urkunde vom 07.07.1994 führt alle wesentlichen Bedingungen für die vorwiegend im Interesse des Klägers in Aussicht genommene Kapitalerhöhung auf. Sie enthält keine Klausel dahingehend, daß die von dem Kläger zu übernehmende Stammeinlage zuzüglich eines Agios zu zahlen sei. Auch stellt sie eine Kapitalerhöhung nicht unter den Vorbehalt der Anpassung an geänderte Wertverhältnisse. Ohne ausdrückliche Bestimmung über ein Aufgeld hat die Kapitalerhöhung zu Pari-Bedingungen zu erfolgen. Das entspricht nicht nur dem Üblichen, sondern macht Sinn auch gerade im Hinblick auf die Interessen der Gesellschafter, die die Vereinbarung vom 07.07.1994 geschlossen haben. Die Gesellschafterin Sch übernahm ihre Stammeinlage von 100.000,00 DM zu Pari-Bedingungen; mit der eingeräumten Option sollte der Kläger zu gleichen Bedingungen wie seine Mitgesellschafterin wieder eine gleichwertige Stellung in der Gesellschaft erreichen können. Anders konnte er den Wortlaut der Urkunde nicht verstehen, und anders stellt sich der Sinn der Vereinbarung auch aus objektiver Sicht nicht dar.

Die Vereinbarung vom 07.07.1994, in der die Gesellschafterin Sch sich zur Zustimmung verpflichtete, enthält keine Frist, innerhalb derer der Kläger die Option auszuüben hatte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Anspruch des Klägers, nunmehr Anfang 1999 eine weitere Stammeinlage von 100.000,00 DM zu übernehmen, etwa zur Unzeit geltend gemacht worden wäre. Auch sind keine Gesichtspunkte dafür erkennbar, daß die Mitgesellschafterin Sch aus der von ihr unbefristet übernommenen Verpflichtung entlassen worden sein könnte.

Der Behauptung der Beklagten, man sei davon ausgegangen, der Kläger werde spätestens bis zum Jahresende 1994 der Beklagten den Betrag von 100.000,00 DM zur Verfügung stellen, ist der Senat nicht weiter nachgegangen.

Daß eine solche Frist ausdrücklich vereinbart worden sei, behauptet selbst die Beklagte nicht. Im übrigen ergibt eine derart kurze Frist keinen Sinn.

Nach allgemeiner Ansicht muß ein bezugsberechtigter Gesellschafter dann, wenn eine Kapitalerhöhung beschlossen worden ist, innerhalb einer angemessenen Frist, die nicht länger als etwa 6 Monate anzunehmen ist, (Scholz/Prister, aaO. § 55 Rn.49) annehmen. Eine Frist von mehreren Monaten steht damit in jedem Fall zur Verfügung.

Wäre man von der Leistungsfähigkeit des Klägers bis zum Ende des Jahres 1994 ausgegangen, hätte man die Kapitalerhöhung sofort beschlossen, und es hätte nicht der Einräumung einer Option für den Kläger bedurft. Die Option erhielt der Kläger gerade vor dem der Mitgesellschafterin Schlösser bekannten Hintergrund, daß er angesichts der zuvor von ihm übernommenen Stammeinlage von 50.000,00 DM und angesichts der für die Beklagte aufgenommenen Darlehen von insgesamt 200.000,00 DM auf längere Zeit nicht in der Lage sein würde, weitere Beträge zu finanzieren. Die für alle vom Inhalt der Urkunde vom 07.07.1994 abweichenden Vereinbarungen darlegungspflichtige Beklagte hat nicht aufgezeigt, welche Aussichten bestanden haben sollen, daß der Kläger trotz der im Juli 1994 vorliegenden beengten finanziellen Verhältnisse bis Ende 1994 schon zur Finanzierung von 100.000,00 DM in der Lage sein würde und aus welchen Umständen die Gesellschafter eine gemeinsame feste Überzeugung gewonnen haben sollen, daß dem Kläger die Übernahme einer Stammeinlage von weiteren 100.000,00 DM bis zum Jahresende möglich sein werde.

Der Senat kann unterstellen, daß die Gesellschafterin Sch, ihr als Zeuge benannter Ehemann sowie ihr Steuerberater davon ausgegangen sein mögen, daß der Kläger die Übernahme einer weiteren Stammeinlage zeitnaher verlangen würde. Nicht aufgezeigt hat die Beklagte jedoch, wie diese einseitige Erwartung in den Vertrag eingegangen sein soll. Insbesondere fehlt eine schlüssige Darlegung dazu, daß auch der Kläger diese Erwartung zum Ausdruck gebracht habe, so daß die zeitnahe Umsetzung der in Aussicht genommenen Kapitalerhöhung als eine beiden Vertragspartnern gemeinsame Erwartung Geschäftsgrundlage geworden wäre.

Der Senat kann schließlich nicht feststellen, daß es der Gesellschafterin Sch angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten gewesen wäre, sich noch nach Ablauf von 41/2 Jahren Anfang 1999 an der übernommenen Verpflichtung zur Zustimmung festhalten zu lassen.

Es liegt auf der Hand, daß durch die Übernahme einer weiteren Stammeinlage durch den Kläger zu Pari-Bedingungen der Wert der Geschäftsanteile der Gesellschafterin Sch gemindert wird und daß die Durchführung der geplanten Kapitalerhöhung deshalb für sie persönlich nachteilig war, wenn die Wertentwicklung in der Gesellschaft wie von der Beklagten behauptet dazu geführt hat, daß der Wert der Geschäftsanteile über dem Nennwert lag. Die vorgelegten Bilanzen lassen in dem Zeitraum von 1994 bis 1999 erhebliche Investitionen in das Anlagevermögen der Gesellschaft erkennen, so daß stille Reserven wahrscheinlich sind.

Nachteilige Auswirkungen für jeweils einen Gesellschafter, wie sie sich aus der Durchführung der Vereinbarung vom 07.07.1994 ergeben mögen, widersprechen jedoch nicht dem Sinngehalt des Vertrages, sondern sie fügen sich durchaus in dessen Gesamtkonzept. Wie bereits dargelegt, hat sich der Kläger in der notariellen Urkunde vom 07.07.1994 in die für ihn nachteilige Rolle des Minderheitsgesellschafters begeben. Dies geschah im Interesse der beklagten Gesellschaft, um die Eigenkapitalbasis zu stärken und weitere Investitionen zu ermöglichen. Der Kläger hat sich damit um des gemeinsamen Interesses willen seiner Mitgesellschafterin untergeordnet und die eigenen Interessen zurückgestellt. Da aber die Gesellschaft nach der Vorstellung der Gründungsgesellschafter von Anfang an auf eine hälftige Beteiligung ausgerichtet war, hat der Kläger seine Zurücksetzung nur als vorübergehend und nur unter der Bedingung akzeptiert, daß ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, später gleichzuziehen und seine hälftige Beteiligung zurückzuerlangen. Wenn nun die Gesellschafterin Sch durch eine Übernahme zu Pari-Bedingungen wegen eines Wertzuwachses von behaupteten 176 % Nachteile erleidet, stehen diese nicht außer Verhältnis zu den Nachteilen, die der Kläger zuvor hingenommen hatte.

Darauf, daß der Wert der Geschäftsanteile durch die geplanten Investitionen und die vorgesehenen technischen Entwicklungen steigen würde, war die Kapitalerhöhung vom 07.07.1994 bereits angelegt, so daß die Wertsteigerung durchaus nicht unerwartet eintrat und keine geänderten Umstände bewirkte, die ein Festhalten der Mitgesellschafterin an der von ihr eingegangenen Verpflichtung als treuwidrig erscheinen lassen könnte.

Daraus, daß der Kläger wegen der Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschaftern der Mitgesellschafterin Sch seinen Anteil zu einem weit über dem Nennwert liegenden Preis zur Übernahme angeboten hat, läßt sich nichts dafür herleiten, daß die Gesellschafterin Sch nicht mehr an ihre in der Urkunde vom 07.07.1994 übernommenen Verpflichtung gebunden sein könnte. Auch der Umstand, daß der Kläger nach Durchführung der Kapitalerhöhung seinen Austritt aus der Gesellschaft betreiben könnte, berührt die Verpflichtung der Gesellschafterin Sch zu einer Abstimmung entsprechend ihrer in der Urkunde vom 07.07.1994 erteilten Zustimmung nicht. Eventuelle Treupflichtverstöße des Klägers in diesem Zusammenhang, wie sie die Beklagte befürchtet, werden bei der dann zu bemessenden Abfindung zu berücksichtigen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708, Nr.10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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