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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 8 U 39/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GmbHG, StGB


Vorschriften:

ZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 544
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
BGB § 823 Abs. 2
GmbHG § 43 Abs. 2
StGB § 266
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Dezember 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Essen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs.2, 313 a Abs.1 S.1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr.8 ZPO abgesehen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die begehrte Zahlung von 10.500,- € aus abgetretenem Recht der D GmbH (vormals firmierend als W GmbH; kurz: W-GmbH) wegen der am 21. Januar 2002 zu Lasten des Gesellschaftskontos ausgeführten Überweisung.

1.

Ein solcher Anspruch folgt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht aus § 812 Abs.1 S.1 BGB. Es fehlt an einer bei der Beklagten verbliebenen Bereicherung.

Die Beklagte hat den am 21. Januar 2002 vom Gesellschaftskonto auf ihr Privatkonto überwiesenen Betrag von 10.500,- € zuzüglich weiterer rund 1.000,- € umgehend wieder auf das Gesellschaftskonto zurücküberwiesen. Am 22. Januar 2002 gingen auf dem Konto der Gesellschaft zwei vom selben Privatkonto der Beklagten überwiesene Gutschriften ein, und zwar in Höhe von 7.669,38 € mit dem Verwendungszweckvermerk "V Einzahlung auf Stammeinlage" und in Höhe von 3.834,70 € mit dem Verwendungszweckvermerk "V2 Einzahlung auf die Stammeinlage". Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestritten hat, dass auch die zugunsten des V2 veranlasste Überweisung vom selben Konto der Beklagten erfolgt ist, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der nicht zuzulassen war. Die Klägerin ist dem entsprechenden Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten entgegengetreten, weshalb er gemäß § 138 Abs.3 ZPO als zugestanden anzusehen ist . Gründe für eine Zulassung des Bestreitens in zweiter Instanz gemäß § 531 Abs.2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Eine Bereicherung der Beklagten kann entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht deshalb angenommen werden, weil die Beklagte und ihr Ehemann durch die Rückzahlung der zuvor dem Gesellschaftsvermögen entnommenen Mittel von ihrer Verpflichtung zur Einzahlung der Stammeinlagen befreit worden wären. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, tritt eine Befreiung von der Einlagepflicht nur ein, soweit die aufgebrachten Mittel aus dem Vermögen der Gesellschafter oder eines Dritten und nicht - wie hier - aus hin- und hergeschobenem gesellschaftseigenem Vermögen stammen (stdg. Rspr., vgl. etwa die Nachweise bei Baumbach/Hueck, 18. Aufl., § 19 GmbHG Rn.10).

Der Umstand, dass die dem Gesellschaftsvermögen entnommenen 10.500,- € in das Vermögen der Gesellschaft zurückgelangt sind, ohne die Stammeinlagenverpflichtung zu erfüllen, steht der Annahme einer ungerechtfertigten Bereicherung auf Seiten der Beklagten entgegen.

Gegenstand einer gemäß § 812 Abs.1 S.1 BGB herauszugebenden Bereicherung kann nur ein Vermögensvorteil im Sinne einer Mehrung des wirtschaftlichen Vermögens sein. Erlangt ist ein Vermögensvorteil erst dann, wenn er sich auf Grund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung der Vermögenslage des Bereicherten eingetreten ist (vgl. Palandt/Sprau, 66. Aufl., § 812 BGB Rn.16).

Von der Erlangung eines Vermögensvorteils in diesem Sinne kann hier bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht ausgegangen werden. Denn das fehlgeschlagene Hin- und Herzahlen der Gesellschaftsmittel zum Zweck der Kapitalaufbringung ist wirtschaftlich als ein einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen. Dies hat der Bundesgerichtshof mehrfach in Fällen entschieden, in denen ein GmbH-Gesellschafter nach Bareinzahlung der Stammeinlage den Einlagebetrag als Darlehen oder im Rahmen einer Treuhandabrede zurückerhalten hat ( BGH, Urteil vom 21. November 2005, II ZR 140/04, ZIP 2005, S. 2203 ff.; Urteil vom 09. Januar 2006, II ZR 72/05, ZIP 2006, S.331 ff.). Entsprechendes gilt auch in der hier zu entscheidenden Fallkonstellation. Zwar ist hier die zeitliche Abfolge des Hin- und Herzahlens anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, da es vorliegend zuerst zu der Auszahlung von Gesellschaftvermögen an die beklagte Gesellschafterin und anschließend zur Rückzahlung zum Zweck der Erfüllung der Stammeinlagenpflicht gekommen ist. Die zeitliche Reihenfolge des Hin- und Herzahlens ist für die Bewertung als wirtschaftlich einheitlicher Vorgang jedoch nicht von Bedeutung. Die vom Bundesgerichtshof hervorgehobene wirtschaftliche Einheit des Hin- und Herzahlens besteht gerade auch hier aufgrund des besonders engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der Überweisungen und des den Zahlungsvorgängen zugrunde liegenden einheitlichen Willensentschlusses der Beklagten.

2.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg Schadensersatzansprüche der W-GmbH gegen die Beklagte aus § 43 Abs.2 GmbHG oder aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 266 StGB geltend machen.

Es kann dahinstehen, inwieweit die Beklagte die Überweisung der 10.500 € vom Gesellschaftskonto auf ihr Privatkonto pflichtwidrig und ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter vorgenommen hat. Mit Rücksicht auf die Rückzahlung des vollen Betrages am folgenden Tag fehlt es jedenfalls an einem Schadenseintritt bei der Gesellschaft. Auch insoweit gilt, dass wegen des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der Überweisungen sowie der einheitlichen Entschlussfassung der Beklagten zum Hin- und Herzahlen des Betrages von einer Schadenskompensation auszugehen ist.

3. Da es bereits an einer Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren der Klägerin fehlt, kommt es auf die von den Parteien aufgeworfene Frage der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Hilfsaufrechnung der Beklagten mit etwaigen Gegenansprüchen nicht an.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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