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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.10.2008
Aktenzeichen: 8 U 4/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GmbHG, HGB


Vorschriften:

AktG § 246 Abs. 1
ZPO § 857 Abs. 5
BGB § 139
BGB § 242
BGB § 426
BGB § 769
BGB § 775
GmbHG § 30
GmbHG § 34 Abs. 3
HGB § 266 Abs. 3
HGB § 272
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen vom 23. November 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Januar 2007 zu TOP 7 und TOP 8 nichtig sind, soweit sie die Einziehung der Geschäftsanteile der Kläger an der Beklagten zum Inhalt haben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A

Die Kläger fechten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Januar 2007 an, durch die sie, die Kläger, als Gesellschafter aus der Beklagten ausgeschlossen und ihre Geschäftsanteile eingezogen worden sind. Die Gesellschafterversammlung hatte ihre Beschlussfassung über den Ausschluss auf die Satzungsbestimmung gestützt, wonach ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn die Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil betrieben wird und es dem Gesellschafter nicht gelingt, die Pfändung innerhalb von 6 Wochen abzuwenden, § 13 Abs. 1 b der Satzung der Beklagten. Der Mitgesellschafter I3, der selbst und über die I GmbH, deren Alleingesellschafter er ist, die Mehrheit der Anteile der Beklagten von 99,96 % hielt, betrieb gegen die Kläger die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde, in der diese sich wegen einer Haftung für Darlehensverbindlichkeiten der Beklagten der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatten. Die Darlehensforderungen, die in Höhe von ca. 37,4 Millionen DM gegenüber der G AG (im Folgenden: G) bestanden hatten, hatte Herr I3 im Jahre 2001 zu einem Kaufpreis von 22,2 Millionen DM gekauft. Einen Teil dieser Darlehensforderung hatte er anlässlich einer Kapitalerhöhung der Beklagten im Jahre 2003 im Wege der Sacheinlage als Eigenkapital eingebracht. Im Jahre 2006 nahm er die Kläger mit der Behauptung, die Darlehen seien notleidend geworden, aus den Sicherheiten in Anspruch und pfändete auch deren Geschäftsanteile an der Beklagten.

Die Kläger haben die Beschlussfassung für fehlerhaft gehalten. Sie haben die Auffassung vertreten, die statutarischen Voraussetzungen für ihre Ausschließung hätten nicht vorgelegen. Insoweit haben sie das Vorliegen des Sicherungsfalls bestritten und gemeint, der Mehrheitsgesellschafter I3 habe treuwidrig eventuelle Zahlungsrückstände der Hauptschuldnerin, der Beklagten, aufkommen lassen. Die gesellschaftsvertragliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 b erfasse die vorliegende Fallgestaltung nicht und werde vom Mehrheitsgesellschafter I3 treuwidrig genutzt, um sie, die Kläger, aus der Gesellschaft herauszudrängen. Zudem hafteten sie allenfalls in Höhe ihrer Beteiligung an der Gesellschaft, d. h. nur in Höhe von insgesamt 0,06 %.

Das Landgericht hat die Unwirksamkeit der Beschlussfassung festgestellt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Zwar lägen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 b der Satzung dem Wortlaut nach vor, doch entspreche der Ausschluss der Kläger nicht dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Der Zweck bestehe in erster Linie darin, die Gesellschaft vor dem Eindringen Gesellschaftsfremder bei der Vollstreckung in Geschäftsanteile zu bewahren. Der Mehrheitsgesellschafter I3 habe es aber selbst in der Hand, ob er diese Art der Vollstreckung betreibe, und könne sich deshalb auf diesen Gesichtspunkt nicht berufen. Dies gelte entsprechend für das Argument der Rufschädigung, die mit einer Vollstreckung in Geschäftsanteile verbunden sei und einen Grund für die Ausschlussregelung darstelle. Auch insoweit beruhe im Streitfall eine Rufschädigung allein auf den finanziellen Problemen der Beklagten und den deshalb vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen des Mehrheitsgesellschafters.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie die weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung strebt die Beklagte weiterhin Klageabweisung an. Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht eine ergänzende Auslegung der Regelung des § 13 des Gesellschaftsvertrages vorgenommen. Selbst wenn trotz des klaren Wortlauts eine Auslegung zulässig sein sollte, führe diese nicht zu dem vom Landgericht gewonnenen Ergebnis. Dem Mehrheitsgesellschafter sei es nicht verwehrt, seine Gläubigerrechte auszuüben. Dies schließe die Vollstreckung in die Geschäftsanteile der Kläger ein, zumal diese nicht über anderweitiges verwertbares Vermögen verfügten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Zahlungsunfähigkeit der Kläger auch geeignet, den Ruf der Beklagten zu beschädigen, so dass auch aus diesem Grund die Ausschließung gerechtfertigt sei. Schließlich hätte das Landgericht sein Ergebnis nicht ohne vorherige Abwägung der beiderseitigen Interessen finden dürfen, welche zugunsten des Mehrheitsgesellschafters ausgegangen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Essen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragen sie,

die Beklagte zu verurteilen, eine Abfindungsbilanz zum 31.12.2006 aufzustellen, in der alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände der Gesellschaft ohne Ansatz eines Firmenwertes mit ihren wirklichen Werten eingesetzt sind.

Die Beklagte hat diesen Antrag anerkannt.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen. Sie weisen ergänzend darauf hin, dass die Ausschließung auch deshalb unzulässig sei, weil die Beklagte nicht in der Lage sei, die vertraglich geschuldete Abfindung aus freiem Vermögen zu leisten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

B

Die Berufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg. Soweit die Kläger in den angefochtenen Beschlüssen aus der Beklagten ausgeschlossen worden sind, ist dies entgegen der Auffassung des Landgerichts weder unter Verstoß gegen die Satzung noch gegen gesetzliche Vorschriften erfolgt, so dass die Anfechtungsklage insoweit erfolglos bleibt. Die Beschlussfassung über die Einziehung der Geschäftsanteile der Kläger ist jedoch nichtig, was antragsgemäß festzustellen war.

I.

Beschlussfassung über die Ausschließung der Kläger

1.

Die Beschlussfassungen zu TOP 7 und 8 verhalten sich jeweils über den Ausschluss der Kläger aus der Beklagten und in Vollziehung des Ausschlusses die Einziehung der jeweiligen Geschäftsanteile. Auch wenn über beide Beschlussgegenstände jeweils gemeinsam abgestimmt wurde, handelt es sich um getrennte Beschlussteile, deren Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit jeweils gesondert zu beurteilen sind.

Im Hinblick auf die Beschlussfassung zur Ausschließung der Kläger ist die Klage zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

2.

Ein fehlerhafter Ausschließungsbeschluss ist nach herrschender Auffassung mit der Anfechtungsklage angreifbar (BGH GmbH R 1991, 362; Baumbach/Hueck/Fastrich 18. Aufl., Anhang § 34 Rdnr .16).

Die Kläger haben auch die Anfechtungsfrist gewahrt. Die Satzung der Beklagten sieht in § 7 Abs. 6 S. 3 eine Frist von einem Monat nach Zugang des Versammlungsprotokolls vor. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, wann den Klägern das Protokoll zugegangen ist, da mit den am 28. Februar 2007 eingereichten Klagen selbst die an § 246 Abs. 1 Aktiengesetz orientierte Monatsfrist, gerechnet von der Beschlussfassung an, gewahrt worden ist.

3.

Der Ausschluss der Kläger verstößt nicht gegen Gesetz oder Satzung.

a)

Die Ausschließung von Gesellschaftern erfolgt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes grundsätzlich nach einer entsprechenden Beschlussfassung im Wege der Ausschlussklage (BGH ZIP 1999, 1843). Die Befugnis zum Ausschluss kann jedoch durch die Satzung unter Verzicht auf die Ausschlussklage auf die Gesellschafterversammlung übertragen werden (BGH GmbH R 1991, 362). Das ist im Streitfall in § 13 der Satzung geschehen. So regelt § 13 Abs. 2, dass die Ausschließung mit Zugang des Ausschließungsbeschlusses wirksam wird, also eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung voraussetzt und nicht eine Ausschlussklage.

b)

Die satzungsmäßigen Voraussetzungen für den Ausschluss der Kläger lagen vor.

§ 13 Abs. 1 der Satzung sieht einen Grund zur Ausschließung u. a. darin, dass die Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil betrieben wird und es dem Gesellschafter nicht gelingt, die Pfändung innerhalb von 6 Wochen abzuwenden. Eine derartige Klausel wird von Rechtsprechung und Literatur als wirksam angesehen, was auch die Kläger nicht in Abrede stellen.

Die genannten Voraussetzungen für die Ausschließung der Kläger lagen vor. In ihre Geschäftsanteile wurde die Zwangsvollstreckung betrieben. Der Gläubiger I3 ließ ihnen unter dem 22. November 2006 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zustellen, die nicht innerhalb von 6 Wochen aufgehoben wurden. Insbesondere haben die gegen die Vollstreckung gerichteten Erinnerungen der Kläger nicht zur Aufhebung der Pfändungsmaßnahmen geführt, vielmehr hat der Gläubiger die zunächst unterbliebene Zustellung des Vollstreckungstitels nachgeholt.

Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Verfahren der Kläger über eine Vollstreckungsgegenklage (I-3 U 15/08) bleiben in diesem Zusammenhang ebenfalls außer Betracht, da mit ihnen nicht innerhalb von 6 Wochen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgewendet wurden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klausel in § 13 Abs. 1 der Satzung auch nicht einschränkend auszulegen. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die Regelung in § 13 müsse nach Sinn und Zweck einschränkend in der Weise ausgelegt werden, dass sie auf die hier gegebene Fallgestaltung nicht anwendbar sei, weil die mit der Vollstreckung in Gesellschaftsanteile einhergehenden Gefahren, die mit der Satzungsregelung verhindert werden sollen, von dem Mehrheitsgesellschafter I3 selbst herbeigeführt worden seien. Dem kann der Senat nicht folgen.

In erster Linie soll die Ausschließungs- und Einziehungsmöglichkeit bei Vollstreckung in den Gesellschaftsanteil verhindern, dass außenstehende Dritte im Verlauf der Zwangsvollstreckung in den Gesellschafterkreis eindringen, was insbesondere bei personalistisch strukturierten Gesellschaften unerwünscht ist (vgl. z. B. Michalski, ZIP 1991, 147, 149). Im Fall der Verwertung nach § 857 Abs. 5 ZPO könnte etwa ein Gesellschaftsfremder den Geschäftsanteil ersteigern und anschließend ohne Hinderungsmöglichkeit der anderen Gesellschafter Mitgesellschafter werden. Nach Auffassung des Senats kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, die dargestellte Gefahr sei bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung nicht gegeben, weil der Mehrheitsgesellschafter I3 selbst die Vollstreckung betreibe und deshalb als Herr des Verfahrens die Veräußerung an einen Dritten verhindern könne. Selbst wenn Fälle denkbar sind, in denen ein Gesellschafter gehindert ist, Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen Mitgesellschafter zu betreiben oder darauf die Ausschließung zu stützen, kann ein solches Ergebnis nicht im Wege der einschränkenden Auslegung der Satzungsregelung gewonnen werden. Dem Gesellschaftsvertrag kann bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht der Inhalt entnommen werden, der in § 13 Abs. 1 genannte Ausschließungsgrund greife dann nicht ein, wenn ein Mitgesellschafter als Gläubiger die Vollstreckung betreibe. Auch bei der Vollstreckung durch Mitgesellschafter droht für den Fall der Verwertung des Geschäftsanteils u. U. das Eintreten Gesellschaftsfremder in den Gesellschafterkreis. Anhaltspunkte dafür, dass Mitgesellschafter generell gehindert sein sollen, auf die Durchsetzung titulierter Ansprüche gegen andere Gesellschafter zu verzichten, sind nicht ersichtlich und lassen sich insbesondere der Satzung nicht entnehmen. Die Wahrnehmung formell bestehender Rechte durch Mitgesellschafter kann allenfalls durch den Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht beschränkt sein, was im Folgenden zu erörtern sein wird.

c)

Ein Verstoß des Mehrheitsgesellschafters I3 gegen die gesellschafterliche Treuepflicht vermag der Senat nicht festzustellen, und zwar weder bei dem Vorgehen des Gesellschafters im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung gegen die Kläger noch bei der Stimmabgabe zur Herbeiführung des angefochtenen Beschlusses in der Gesellschafterversammlung vom 30. Januar 2007.

Zwar ist anerkannt, dass die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft auch zwischen den Gesellschaftern Treuepflichten begründet (Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 14 Rdnr. 19). Aufgrund dieser Treuepflicht kann ein Gesellschafter gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen (BGH GmbH R 1991, 362). Er braucht dabei aber nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen an (BGH, a.a.O.).

aa)

Dem Mehrheitsgesellschafter I3 kann nicht als treuwidrig vorgeworfen werden, die Ausschließungsvoraussetzungen dadurch mutwillig herbeigeführt zu haben, dass er die Zwangsvollstreckung nicht auf das sonstige Vermögen der Kläger gerichtet, sondern stattdessen die Pfändung der Geschäftsanteile betrieben hat. Der Senat kann dahingestellt lassen, ob dieses Argument grundsätzlich geeignet ist, ein treuwidriges Verhalten zu begründen. Der Gesellschafter I3 kann in dem hier zu beurteilenden Fall jedenfalls deshalb nicht auf die Vollstreckung in andere Vermögensgegenstände der Kläger verwiesen werden, weil diese nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten kein sonstiges verwertbares Vermögen besitzen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann einem Gläubiger auch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlicherlichen Treuepflicht nicht abverlangt werden, auf die Durchsetzung berechtigter Forderungen zugunsten eines Mitgesellschafters zu verzichten.

bb)

Die Vollstreckung, die Grundlage der Ausschließung der Kläger aus der Beklagten ist, könnte sich dann als treuwidrig darstellen, wenn die Kläger im Falle der Erfüllung der Forderungen des Gläubigers I3 Ausgleichsansprüche gegen diesen oder die I GmbH in gleicher Höhe hätten. Das ist indes nicht der Fall.

Es fehlt an einer Ausgleichspflicht. Insbesondere folgt diese nicht aus dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs gem. § 426 BGB.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist durch die Übernahme der persönlichen Haftung seitens der Gesellschafter in unterschiedlicher Höhe am 17. März 1998 kein Gesamtschuldverhältnis zwischen ihnen begründet worden. Zwar ist denkbar, dass die Gesellschafter, die 1997 Höchstbetragsbürgschaften übernommen hatten, insoweit gem. § 769 BGB Mitbürgen und damit Gesamtschuldner geworden sind. Mehrere Höchstbetragsbürgen verbürgen sich für die gesamte Schuld, wenn auch summenmäßig beschränkt (Palandt-Sprau, 67. Aufl., § 769 Rdnr. 1 a. E.). Der Gesellschafter I3 vollstreckt jedoch aus der vollstreckbaren Urkunde vom 17. März 1998, in der die Gesellschafter die persönliche Haftung für die Zahlung bestimmter Beträge übernommen haben. In dieser Übernahme der persönlichen Haftung liegt ein Schuldbeitritt der Gesellschafter zu der Darlehensverbindlichkeit der Beklagten. Im Verhältnis zur Hauptschuldnerin, der Beklagten, führt dies zwar nach herrschender Auffassung zu einem Gesamtschuldverhältnis. Die beigetretenen Gesellschafter wären untereinander aber nur dann Gesamtschuldner geworden, wenn sich ihr Beitritt jeweils auf dieselbe Forderung erstreckt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Die interessengerechte Auslegung der Vereinbarung vom 17. März 1998 gelangt zu dem Ergebnis, dass die Gesellschafter nebeneinander haften wollten für den in der Urkunde genannten Betrag von insgesamt 5.910.500,00 DM. Dem Sicherungsinteresse der Gläubigerbank, das Anlass zu dem Schuldbeitritt gewesen ist, kann es nicht entsprochen haben, dass die Gesellschafter jeweils für den erstrangigen Betrag die Haftung übernommen haben, da dies im Ergebnis die Haftung auf den höchsten Teilbetrag, den von der I GmbH übernommenen Betrag von 2,3 Millionen DM, begrenzt hätte. Haften die Mitgesellschafter jedoch auf unterschiedliche Teilbeträge der Darlehensverbindlichkeit, ist gerade kein Gesamtschuldverhältnis begründet worden mit der Folge, dass ein Ausgleichsanspruch aus § 426 BGB nicht abgeleitet werden kann.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen kann ein Ausgleichsanspruch nach Inanspruchnahme der Sicherheiten auch aus folgendem Grund nicht angenommen werden:

Der Sicherungsgeber muss sich wegen seines Rückgriffs vorrangig an den Hauptschuldner, das ist hier die Beklagte, halten und nicht an weitere Sicherungsgeber. Dass ein Rückgriff bei der Beklagten keinen Erfolg verspräche, haben die Kläger nicht schlüssig vorgetragen.

cc)

Der Senat teilt auch nicht die vom OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 01. Juli 2008 (I-3 U 15/08) vertretene Auffassung, die Zwangsvollstreckung sei treuwidrig erfolgt, weil die Kläger von der Beklagten Befreiung von ihrer Haftung gegenüber dem Darlehensgläubiger verlangen und diesen Befreiungsanspruch auch gegen den Mehrheitsgesellschafter geltend machen können. Soweit der Gesellschafter I3 einem entsprechenden Befreiungsanspruch ausgesetzt wäre, wäre entweder bereits die Vollstreckung unzulässig, was zur Verneinung der Voraussetzung über die Ausschließung nach § 13 der Satzung führen könnte, oder jedenfalls die Stimmabgabe des Gesellschafters I3 bei der Beschlussfassung am 30. Januar 2007 treuwidrig. Hierfür fehlt es jedoch an den Voraussetzungen.

Die Kläger haben schon nicht einen Befreiungsanspruch gegen die Beklagte schlüssig dargelegt. Dieser folgte nicht aus § 775 BGB. Zwar ist die Vorschrift des § 775 BGB nicht auf die Bürgschaft beschränkt, sondern wird für andere Sicherungsrechte mit Ausgleichspflicht, etwa den sicherungshalber erfolgten Schuldbeitritt, entsprechend angewandt. Regelmäßig kann danach ein Gesellschafter nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft die Befreiung von seiner Bürgschaft verlangen (MünchKomm (BGB) - Habersack, 4. Aufl., § 775 Rdnr. 4).

Diese Situation war jedoch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Januar 2007 noch nicht gegeben, da die Kläger, wenn auch mit geringer Quote, noch Gesellschafter der Beklagten waren. Die Reduzierung ihrer Beteiligungsquote von insgesamt 26,6 % auf 0,06 % infolge der Kapitalerhöhung im Jahre 2003 steht einem Ausscheiden als Gesellschafter nicht gleich. Insbesondere vermag der Senat nicht die Auffassung zu teilen, dass seit der Kapitalerhöhung die Identität der wirtschaftlichen und persönlichen Interessen der Kläger und der Beklagten entfallen sei und die Kläger keine nennenswerten Gesellschafterrechte mehr innehätten. Ungeachtet der Höhe ihrer verbliebenen Beteiligungsquote waren sie noch Gesellschafter und konnten ihre Auffassungen in der Gesellschafterversammlung äußern und zur Meinungsbildung beitragen, wenn sie auch keine nennenswerte Stimmmacht hatten. Alle übrigen Rechte von Gesellschaftern standen ihnen zu. Die Kläger waren auch an der Fortdauer ihrer Gesellschafterstellung interessiert, was verschiedene Gründe haben mag. Jedenfalls standen sie ausgeschiedenen Gesellschaftern nicht gleich.

Unabhängig davon richtet sich ein eventueller Befreiungsanspruch gegen die Beklagte nicht auch gegen den Mehrheitsgesellschafter und Gläubiger. Insbesondere kann der Mehrheitsgesellschafter I3 unter Durchbrechung der Rechtsform der GmbH nicht mit der Beklagten gleichgesetzt werden, selbst wenn er unmittelbar und durch die von ihm beherrschte I GmbH mittelbar eine Mehrheit von über 99 % am Stammkapital hält und durch die Übernahme der Gläubigerstellung von der Besicherung des Darlehens durch Mitgesellschafter maßgeblich profitiert. Die Gleichsetzung des Gesellschafters mit der Gesellschaft, also der Durchgriff auf den hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter, wird vom Bundesgerichtshof nur in Ausnahmefällen angenommen. Grundsätzlich gilt, dass über die Rechtsform einer juristischen Person nicht leichtfertig und gedankenlos hinweggegangen werden darf (Baumbach/Hueck/Fastrich, § 13 Rdnr. 11 m. w. N.). Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine derartige Durchbrechung sind hier nicht gegeben.

Anders wäre allenfalls zu urteilen, wenn sich der Gesellschafter I3 treuwidrig und durch beanstandenswerte Vorgänge in die genannten Positionen gesetzt hätte. Das lässt sich aber nicht feststellen. Die Kläger haben seinerzeit der Kapitalerhöhung selbst zugestimmt und die damit einhergehenden Folgen in Kauf genommen. Der Gesellschafter I3 hat auch die Darlehensforderung mit Einschluss der für sie bestellten Sicherheiten auf eigenes Risiko mit eigenen Mitteln erworben, so dass insoweit die Kläger keine Einwendungen nach § 242 BGB erheben können. Der Senat sieht danach keine tragfähige Grundlage für eine Gleichsetzung des Mehrheitsgesellschafters I3 mit der Beklagten, so dass I3 sich einen eventuell gegen die Beklagte gerichteten Befreiungsanspruch nicht entgegenhalten lassen muss.

dd)

Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig und das Vorgehen des Mehrheitsgesellschafters I3 deshalb treuwidrig, weil der Sicherungsfall nicht eingetreten sei.

Die in der Urkunde vom 17. März 1998 abstrakt formulierte Übernahme der persönlichen Haftung u. a. durch die Kläger ist zwar durch eine Sicherungsabrede gebunden. Auch wenn die Parteien eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung nicht dargelegt haben, ist den Umständen zu entnehmen, dass die Haftungsübernahme zur Sicherung der Darlehensansprüche der damaligen Darlehensgläubigerin, der I2 AG (I2 AG) gegen die Beklagte erfolgte. Ein anderer Rechtsgrund ist nicht erkennbar, zudem die Haftungsübernahme in unmittelbaren Zusammenhang mit der Abtretung einer Grundschuld über 38 Millionen DM an die I2 AG gestellt worden ist. Dadurch ist zumindest konkludent eine entsprechende Sicherungsabrede des Inhalts getroffen worden, dass die Geltendmachung der Haftung erst zulässig sein sollte, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch nicht erfüllt wurde.

Diese Voraussetzungen lagen vor.

Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass und in welcher Höhe die auf den Gesellschafter I3 übergegangenen Darlehensrückzahlungsansprüche in den Jahren 2005 und 2006 nicht erfüllt wurden. Per 31.12.2006 standen Leistungen in Höhe von mehr als 620.000,00 € offen, wie etwa der Aufstellung Anlage B3 zum Schriftsatz vom 29. Juni 2007 zu entnehmen ist. Unter Berücksichtigung dieser Rückstände ist davon auszugehen, dass jedenfalls im Jahr 2006 der Sicherungsfall eingetreten ist. Den substantiierten Ausführungen der Beklagten sind die Kläger nicht entgegengetreten, so dass die Angaben in tatsächlicher Hinsicht zugrundezulegen sind.

Der Senat folgt den Klägern auch nicht in ihrer Auffassung, wonach der Gläubiger I3 die Zahlungsrückstände treuwidrig dadurch herbeigeführt habe, dass er die Differenz zwischen der Nominalforderung und dem von ihm an die Zedentin der Darlehensforderung gezahlten Kaufpreis von ca. 15 Millionen DM nicht an die Beklagte weitergegeben habe. Die Kläger meinen, die Treuepflicht hätte ein solches Handeln verlangt. Angesichts der dann deutlich geringeren Zins- und Tilgungsverpflichtungen wäre die Beklagte nicht in Zahlungsverzug geraten. Diese Auffassung überspannt die Reichweite der Treuepflicht, der ein Gesellschafter unterliegt. Insbesondere ist ein Gesellschafter nicht gehalten, bei Drittgeschäften mit der Gesellschaft auf die Realisierung eigener Gewinnen zu verzichten. Daraus folgt, dass der Gesellschafter I3 aufgrund des Umstandes, dass er die Darlehensforderungen zu einem unter dem Nominalwert liegenden Betrag erwerben konnte, nicht verpflichtet war, die Differenz der Beklagten gutzubringen. Immerhin hat er persönlich die Finanzierung der Restforderung und damit erhebliche Risiken auf sich genommen, wozu die Beklagte nicht bereit oder in der Lage war.

ee)

Zu erwägen ist weiter, ob der Gesellschafter I3 auf die Vollstreckungsmaßnahme hätte verzichten müssen oder jedenfalls daraus keine Konsequenzen im Hinblick auf die Ausschließung der Kläger hätte ziehen dürfen, wenn die Vollstreckung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben würde. Dann ständen dem Interesse der Kläger am Fortbestand ihrer Gesellschafterstellung kein schutzwürdiges Interesse des Mitgesellschafters I3 gegenüber. Dies setzt aber die Feststellung voraus, dass die Verwertung der Geschäftsanteile der Kläger keinen nennenswerten Ertrag versprach. Hierzu haben die Kläger keine tragfähigen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine solche Prognose rechtfertigten. Im Gegenteil muss berücksichtigt werden, dass die Pfändung des Gesellschafters I3 auch die Abfindungsansprüche der Kläger erfasste, die von diesen selbst als werthaltig angesehen werden.

ff)

Das Handeln des Mehrheitsgesellschafters I3 ist auch nicht als treuwidrig anzusehen mit der Begründung, die von den Klägern gesicherte Hauptforderung habe den Charakter eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens und könne deshalb von I3 nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die Beklagte sich im Jahr 2006 in der Krise befand und deshalb die von dem Gesellschafter I3 gewährten Darlehen kapitalersetzend waren mit der Folge, dass die Rückzahlungsansprüche nicht erfüllt werden durften. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, lässt sich daraus kein Hindernis für die Inanspruchnahme von Sicherheiten ableiten. Zwar folgt aus der Sicherungsabrede, dass der Gläubiger grundsätzlich die Sicherheit nur dann in Anspruch nehmen darf, wenn er auch die Hauptforderung geltend machen durfte. Das gilt jedoch dann nicht, wenn wie im Streitfall der Geltendmachung der Hauptforderung die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze der Kapitalbindung entgegenstehen. Grund für die Charakterisierung des Gesellschafterdarlehens als kapitalersetzend ist der Umstand, dass die Ausstattung der Beklagten mit ausreichendem Eigenkapital nicht mehr gewährleistet war, was seine Ursache in wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte. Da die Sicherheit aber gerade für den Fall der mangelnden Leistungsfähigkeit der Gesellschafter bestellt worden war, kann der Schuldner der Sicherheit sich nicht darauf berufen, nunmehr selbst nicht zu haften. Diese aus der Sicherungsabrede folgende Wertung entspricht derjenigen der gesetzlichen Regelung etwa im Bürgschaftsrecht. Der Bürge kann dem Gläubiger zwar die dem Schuldner zustehenden Einwendungen und Einreden entgegenhalten (§§ 767, 768 BGB); ihm stehen Einreden des Hauptschuldners jedoch nicht zu, soweit dies dem Sicherungszweck der Bürgschaft im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger widerspricht, insbesondere die Einrede auf einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners beruht (Palandt-Sprau, § 768 Rdnr. 7).

gg)

Das Stimmverhalten des Gesellschafters I3 in der Gesellschafterversammlung vom 30. Januar 2007 war schließlich nicht deswegen treuwidrig, weil mit der Ausschließung eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Kläger verbunden war, wie diese andeuten. Ob dieser Gesichtspunkt überhaupt geeignet ist, von einem Gesellschafter auf der Grundlage seiner Treuepflicht zu verlangen, die satzungsmäßig vorgesehenen Maßnahmen nicht zu ergreifen, kann dahinstehen. Der Senat kann nämlich nicht erkennen, dass allein die Ausschließung der Kläger aus der Beklagten für diese eine existenzgefährdende Wirkung hat. Eine derartige Wirkung geht eher von den Vollstreckungsmaßnahmen als solchen aus, etwa von der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung, sowie dem Umstand, dass eigene Ansprüche gegen die Beklagte nicht durchgesetzt werden können. Beides ist indes nicht Folge des Ausschließungsbeschlusses.

d)

Der angefochtene Ausschließungsbeschluss ist auch nicht deshalb nichtig, weil die Beklagte nach Darstellung der Kläger nicht in der Lage ist, ihre Abfindungsansprüche aus freiem Vermögen zu erfüllen.

Zwar erweist sich der Einziehungsbeschluss wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 3 GmbH-Gesetz als nichtig, wie unten zu Ziffer II. noch auszuführen sein wird. Dies wirkt sich auf die beschlossene Ausschließung jedoch nicht aus. Insbesondere ist die Verknüpfung der Ausschließung mit der Abfindung dann nicht gegeben, wenn die Satzung der Gesellschaft vorsieht, dass der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung unabhängig von der Abfindungszahlung mit sofortiger Wirkung verliert (BGH NZG 2003, 871). Das ist hier der Fall:

§ 13 Abs. 2 der Satzung regelt, dass die Ausschließung unabhängig davon wirksam wird, ob der betroffene Gesellschafter ein Entgelt beanspruchen kann.

Die Nichtigkeit des Beschlusses betreffend die Einziehung der Geschäftsanteile der Kläger führt auch nicht nach § 139 BGB zur Nichtigkeit der Ausschließungsbeschlüsse. Beide Beschlussgegenstände haben eine eigenständige Bedeutung. Insbesondere ist der Ausschließungsbeschluss nicht hinfällig oder für die Gesellschafter von geringem Interesse, wenn nicht auch wirksam die Einziehung der Geschäftsanteile beschlossen werden kann. Die Satzung der Beklagten sieht in § 13 Abs. 4 die Vollziehung eines Ausschließungsbeschlusses nicht allein durch die Einziehung des Geschäftsanteils vor, sondern nennt als weitere Möglichkeit die Abtretung des Geschäftsanteils an einen Mitgesellschafter oder an einen von der Gesellschaft zu benennenden Dritten. Da diese Option weiterhin offen steht, geht der Senat weiter davon aus, dass die Nichtigkeit des Einzugsbeschlusses sich nicht auf die Beschlussfassung über den Ausschluss der Kläger auswirkt.

II.

Die als Nichtigkeitsfeststellungsklage auszulegende Klage betreffend die Beschlussfassung zur Einziehung der Geschäftsanteile der Kläger ist zulässig und begründet.

Der Einziehungsbeschluss ist nichtig.

Nach § 34 Abs. 3 GmbH-Gesetz ist ein Einziehungsbeschluss dann nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung über die Einziehung feststeht, dass die geschuldete Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft nicht geleistet werden kann und der Beschluss nicht klarstellt, dass die Zahlung nur bei Vorhandensein ungebundenen Vermögens erfolgen darf (BGHZ 144, 365, 369 f). Dieser Fall liegt hier vor.

Der Kläger hätte nach dem beiderseitigen Sachvortrag ein Abfindungsguthaben in solcher Höhe, das es die Beklagte aus ihrem nicht gebundenen Vermögen nicht aufbringen kann. Das ergibt die überschlägige Ermittlung dieses Guthabens, die für die vorliegende Entscheidung hinreichend ist und zur Zeit weiterer Konkretisierung nicht bedarf.

Gemäß § 13 Abs. 5 in Verbindung mit § 16 der Satzung bestimmt sich die Vergütung eines ausscheidenden Gesellschafters - auch im Fall der Einziehung - nach dem Inhalt einer von der Gesellschaft aufzustellenden Abfindungsbilanz, deren Stichtag das dem Auscheiden vorangehende Quartalsende ist. Darin sind "alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände der Gesellschaft ohne Ansatz eines Firmenwerts mit ihren wirklichen Werten einzusetzen, abgestellt auf den Zeitpunkt der Abfindung". Aus dem nach Abzug aller Verbindlichkeiten, Gesellschafterdarlehen und Abzug des Eigenkapitals im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB i.V.m. § 272 HGB ermittelten Gesamtwert erhält dann der Ausgeschiedene den ihm nach näherer Bestimmung zukommenden prozentualen Anteil, im Falle der Kläger unstreitig 26,6 %.

Für den hier maßgeblichen Stichtag - 31. Dezember 2006, das ist das Quartalsende vor den Beschlüssen vom 30. Januar 2007 - liegt dem Senat eine Bilanz nicht vor. Die wesentlichen Grundzüge der Vermögensbestandteile können aber dem Jahresabschluss per 31. Dezember 2005 entnommen werden, den der Kläger als Anlage zum Schriftsatz vom 10. September 2007 (Bl. 159 ff d.A., Anlagen auf gesondertem Hefter bei Bd. 1, Bilanz per 31.12.2005 dort Bl. 170) vorgelegt hat. Sie haben sich nach dem beiderseitigen Vorbringen zwar im Jahr 2006 für die Klägerin ungünstig weiter entwickelt. Mag dadurch auch eine deutliche Verschlechterung der Vermögenssituation der Klägerin im Laufe des Jahres 2006 eingetreten sein, so ändert dies jedoch nichts daran, dass dem Kläger ein Abfindungsguthaben in Höhe eines beachtlichen Betrages zusteht. Wenn von dem durch Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, T, vom 19. Februar 2003 ausgegangen würde, hätte man einen Verkehrswert des Grundstücks in C von 30 Mio Euro zu berücksichtigen, der in die Berechnung des Abfindungsguthabens einzubeziehen wäre. Daraus ergeben sich sog. stille Reserven in Höhe von gut 13 Mio. Euro. Das Abfindungsguthaben des Klägers kann allerdings nicht direkt aus dem Wert des Grundstücks mit dem Faktor 26,6 % ermittelt werden, wie der Kläger meint. Vielmehr sind dazu zunächst dem gesamten Aktivvermögen die in § 16 der Satzung genannten Passivposten gegenüberzustellen. Daraus ergäbe sich bei im Übrigen unveränderten Werten ein für das Abfindungsguthaben maßgebliches Vermögen der Klägerin von deutlich über 10 Mio. Euro und dementsprechend ein Abfindungsguthaben des Klägers von mehr als 2 Mio. Euro. Angesichts der Relationen, wie sie sich aus der vorgelegten Bilanz per 31.12.2005 ersehen lassen, kann der Senat auf eine weitere Konkretisierung des Abfindungsguthabens durch eine Stichtagsberechnung auf den 31.12.2006 verzichten, weil nach dem Akteninhalt auszuschließen ist, dass sich dabei ergeben könnte, dem Beklagte stehe überhaupt keine Abfindung zu.

Eine Abfindung in Höhe eines nennenswerten, nach dem Akteninhalt mit Gewissheit sechsstelligen Eurobetrags konnte die Klägerin nicht aus sog. freiem Vermögen erbringen.

Bereits bei Fassung des Einziehungsbeschlusses am 30. Januar 2007 stand fest, dass die Beklagte die innerhalb von 12 Monaten nach Feststellung des Abfindungsbetrages fällige Abfindung nicht ohne Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsgrundsätze würde leisten können. Dies kann der Senat aufgrund der vorgelegten Urkunden sowie der unstreitigen Tatsachen feststellen. Zwar hat die Beklagte eine Bilanz per 31. Dezember 2006 bisher nicht festgestellt, wie sie im Senatstermin erklärt hat. Erst Recht gibt es keine Bilanz für folgende Zeiträume. Eine hinreichende Grundlage für die genannte Feststellung bietet jedoch der Jahresabschluss zum 31.12.2005 in Verbindung mit dem Vortrag der Parteien zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten.

Nach der Bilanz zum 31. Dezember 2005 war das Eigenkapital von nominell 11.472.940,00 € durch den Verlustvortrag sowie den Jahresfehlbetrag für das Jahr 2005 auf 18.595,59 € reduziert. Vor der Auszahlung etwaiger Beträge an Gesellschafter hätte es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 30 GmbH-Gesetz zunächst der Auffüllung der Stammkapitalziffer in Höhe von mehr als 11,4 Millionen € und darüber hinaus des Betrages bedurft, in Höhe dessen die Auszahlung erfolgen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass der massive Kapitalverlust in den Jahren 2006 und 2007 kompensiert worden wäre oder dies zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in absehbarer Zeit zu erwarten war, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 29. Juni 2007 selbst vorgetragen, dass die Mieteinnahmen aus dem Objekt in C wegen erheblicher Leerstände stark zurückgingen und eine Neuvermietung kaum möglich sei. Dies habe dazu geführt, dass sie, die Beklagte, zur Bedienung der fälligen Darlehensraten nicht in der Lage gewesen sei. Angesichts dieser erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten, die sich über den Zeitpunkt der Beschlussfassung im Januar 2007 hinaus unverändert darstellt, konnte zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung vom 30. Januar 2007 nicht davon ausgegangen werden, dass in absehbarer Zeit, in der Abfindungszahlungen fällig würden, auch nur die Stammkapitalziffer wieder aufgefüllt werden könnte.

Der vorstehenden Beurteilung steht nicht entgegen, dass die zugrunde gelegte Bilanz nach eigener Darstellung der Kläger in erheblichem Maße stille Reserven enthält. Die Kläger behaupten unter Bezugnahme auf eine entsprechende sachverständige Bewertung aus dem Jahre 2003 einen Verkehrswert der Immobilie in C von 30 Millionen €, was stille Reserven in Höhe von ca. 13,3 Millionen € zur Folge hätte. Bei der hier vorzunehmenden Beurteilung ist jedoch von fortgeführten Buchwerten auszugehen und nicht von dem Verkehrswert. Anders wäre es nur, wenn die Beklagte die stillen Reserven hätte aktivieren dürfen, was etwa im Fall der Veräußerung der Immobilie zum Verkehrswert der Fall gewesen wäre. Eine derartige Veräußerung zur Erfüllung der Abfindungsansprüche war jedoch nicht vorgesehen, zumal damit weitreichende steuerliche Konsequenzen verbunden gewesen wären. Entsprechende Pläne oder Erwägungen hat die Beklagte auch nicht vorgetragen.

Nach alledem stand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung fest, dass die Leistung einer Abfindung, in welcher Höhe auch immer, an die Kläger aus ungebundenem Vermögen der Beklagten nicht möglich war, ohne dass ein entsprechender Vorbehalt in die Beschlussfassung aufgenommen wurde. Dies führt nach § 34 Abs. 3 i. V. m. § 30 GmbH-Gesetz zur Nichtigkeit der Beschlussfassung.

III.

Der Hilfsantrag, mit dem die Aufstellung einer Abfindungsbilanz begehrt wird, ist nicht zur Entscheidung durch den Senat gestellt worden. Da die Klage jedenfalls im Hinblick auf die Beschlussfassung zur Einziehung der Geschäftsanteile Erfolg hat, ist die Bedingung, unter der dieser Antrag gestellt worden ist, nicht eingetreten.

IV.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Die vorliegende Entscheidung weicht teilweise von tragenden Erwägungen des OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 01. Juli 2008 (I-3 U 15/08) ab.

Ende der Entscheidung

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