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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.03.2001
Aktenzeichen: 8 U 64/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
8 U 64/00

Leitsatz

Ein Pferdezuchtverband, der im Jahre 1986 einem Pferdezüchter die unbeschränkte Eintragung seines Hengstes in das Zuchtbuch trotz erfolgter Körung verweigerte, weil der Hengst mit einem Stockmaß von nur 1,53 m den vom Verband verfolgten Zuchtzielen nicht entsprach, handelte nicht schuldhaft, weil er sich auf eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung stützen konnte und deren Änderung im Anschluss an die Beschlüsse des BVerfG vom 25.5. und 30.12.1993 nicht vorhersehen musste.

§ 276 BGB


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 64/00 OLG Hamm 4 O 479/99 LG Münster

Verkündet am 21. März 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey, die Richterin am Oberlandesgericht Betz und en Richter am Oberlandesgericht Lehmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 11. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abwenden, wenn der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Seiten wird nachgelassen, Sicherheit durch eine ungedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenenen Kreditinstituts zu erbringen.

Die Beschwer des Klägers liegt über 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger betreibt eine Deckhengststation in M - H und war von 1970 an Eigentümer des 1967 geborenen Vollblutaraberhengstes "Nalet OX". Er ist Mitglied des beklagten Zuchtverbandes und verlangt von diesem Schadensersatz wegen entgangener Deckgelder.

Im Hinblick auf das seinerzeit geltende zweistufige Verfahren zur Anerkennung von Pferden zur Zucht, bestehend aus der staatlichen Körung einerseits sowie der Zulassung durch einen anerkannten Züchterverband durch Eintragung in das Hengstbuch andererseits, beantragte der Kläger Anfang des Jahre 1986 die Zulassung seines bis dahin erfolgreich in der Kleinpferdezucht eingesetzten Hengstes durch den Beklagten zur Warmblutzucht.

Das Tier war zum fraglichen Zeitpunkte bereits seit mehren Jahren gekört und somit entsprechend dem Tierschutzgesetz vom 20.04.1976 (TierZG 1976) von staatlicher Seite zur Zucht zugelassen.

Der Beklage lehnte den Antrag unter Hinweis auf das zu geringe Stockmaß des Hengstes von 1,53 m insoweit ab, als er den Hengst lediglich für die Bedeckung von jährlich zehn Warmblutstuten - beschränkt auf die Deckperioden 1986 und 1987 - anerkannte. Zugleich wurde dem Kläger eine Entscheidung der Zuchtkommission über die weitere Anerkennung des Hengstes nach Vorstellung des ersten Fohlenjahrganges in Aussicht gestellt. Den mehrfach erhobenen Widerspruch des Klägers gegen die ausgesprochene Zulassungsbeschränkung wies der Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 14.07.1986 zurück.

Der Hengst "Nalet OX" wurde in den Jahren 1986 und 1988 nicht, im Jahre des 1987 zweimal zur Bedeckung von Warmblutstuten eingesetzt.

Der Kläger hat behauptet, dass seinem Hengst allein wegen der nur beschränkten Zulassung nicht mehr Stuten zugeführt worden seien. Bei unbeschränkter Zulassung hätten "Nalet OX" pro Jahr fünfzig Stuten zugeführt werden können. Angesichts eines zu erzielenden Deckgeldes von 600,00 DM pro Bedeckung sei ihm durch die nur beschränkte Anerkennung und entsprechende Eintragung in das Hengstbuch in den Jahren 1986 bis 1988 ein Gewinn in Höhe von 90.000,00 DM entgangen.

Diesen Schaden hatte der Kläger bereits in dem Verfahren 4 O 124/98 LG Münster mit der dort im März 1998 erhobenen Klage geltend gemacht. Jene Klage hat er in der mündlichen Verhandlung vom 20.08.1998 wieder zurückgenommen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, mangels wirksamer Ermächtigungsgrundlage für die Beschränkung der Zulassung habe der Beklagte die Eintragung des Hengstes in das Hengstbuch zu Unrecht verweigert; die damalige Satzung und Zuchtbuchordnung des Beklagten seien mangels hinreichender Bestimtheit rechtswidrig gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 90.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Einrede des Schiedsvertrages aufgrund der Schiedsgerichtsklausel in seiner früheren Satzung in der Fassung von 1982 (Bl. 47 ff GA) sowie die Einrede der Verjährung erhoben.

Er hat ferner behauptet, die fehlenden Anforderungen des Hengstes seien darauf zurückzuführen, dass die Züchter in der Warmblutzucht kein Interesse an einer Verwendung eines Hengstes mit einem Stockmaß von 1,53 in hätten; "Nalet.OX" wäre daher auch bei unbeschränkter Zulassung nicht frequentiert worden.

Der Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, dass seine Entscheidung sachlich gerechtfertigt und nicht pflichtwidrig gewesen sei. Außerdem seien eventuelle Schadensersatzansprüche des Klägers verwirkt. Hierzu hat der Beklagte behauptet, er habe darauf vertraut, dass der Kläger seinen vermeintlichen Schadensersatzanspruch nicht weiter verfolgen werde.

Ferner hat er gemeint, daß der Kläger durch die anläßlich der Klagerücknahme im Vorprozess unstreitig getätigte Außerung, er wolle den Schadensersatzanspruch,nicht weiter verfolgen, weil er bereits ein hohes Alter erreicht habe und völlig ungewiss sei, wann mit einer rechtskräftigen Entscheidung zu rechnen sei, auf die Forderung verzichtet habe. Das in dieser Erklärung liegende Angebot auf Abschluß eines Erlassvertrages habe seine Terminsvertreter angenommen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, der Anspruch des Klägers sei, selbst wenn er bestehen sollte, verwirkt.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten seiner Begründung sowie des Parteivorbringens in erster Instanz Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er den abgewiesenen Anspruch in vollem Umfang weiter verfolgt.

Unter Wiederholung und Vertiefungseines erstinstanzlichen Vorbringes im übrigen greift er die Auffassung des Landgerichts zur Verwirkung an. Es fehle bereits am erforderlichen Zeitmoment. Außerdem habe der Beklagte fortwährend damit rechnen müssen, dass er seine Ansprüche weiterverfolge. Er habe zwischenzeitlich das Ministerium und das Aufsichtsamt eingeschaltet und sich nie mit den Entscheidungen des Beklagten zufrieden gegeben. Die Erklärung der Klagerücknahme sei nicht mit der Abgabe einer bindenden Verzichtserklärung verbunden gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 90.000, 00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er stellt erneut zur Überprüfung, ob nicht gem. § 19 seiner Satzung in der Fassung von 1982 de Zuständigkeit des Schiedsgerichts bei der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe gegeben ist, und verteidigt in der Sache das angefochtene Urteil. Zu Recht sei das Landgericht von einer Verwirkung ausgegangen.

Ergänzend wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen. Unter näherer Darlegung im einzelnen führt er aus, dass der Kläger bei der Klagerücknahme im Vorprozess auf Schadensersatzansprüche verzichtet habe, dass ihm, dem Beklagten, keine Pflichtverletzung zur Last falle, insbesondere die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht einschlägig sei, dass es jedenfalls an einem Verschulden und auch an der erforderlichen Kausalität fehle und dem Kläger kein Schaden entstanden sei. Schließlich wiederholt er die Verjährungseinrede.

Wegen weiterer Einzelheiten des Paxteivorbringens in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Die Akte 4 O 494/87 LG Münster war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Ferner hat der Senat die Parteien gemäß § 141 ZPO gehört. Insoweit wird wegen des Ergebnisses auf den Inhalt des Berichterstattervermerks zur mündlichen Verhandlung vom 21. März 2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

A.

Die Klage ist zulässig. Die Schiedseinrede des Beklagten scheitert bereits daran, dass aufgrund des Urteils des Landgerichts Münster vom 11.12.1987 im Verfahren 4 O 494/87 mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien festgestellt worden ist, dass die fragliche Klausel in der Satzung des Beklagten unwirksam ist.

B.

Die Klage ist indes unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Ersatz entgangener Deckgelder verneint.

I.

Ein etwaiger Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 Abs. 6 S. 1 TierZG 1976 ist angesichts der Verjährungsfrist von 3 Jahren ab dem Zeitpunkt, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, § 852 Abs. 1, 1. Fall BGB, jedenfalls verjährt.

II.

Der Beklagte haftet aber auch nicht aus § 31 BGB i.V.m. den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (pVV).

1. Allerdings finden angesichts des vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen den Parteien die Grundsätze der pVV Anwendung. Die personenrechtliche Beziehung zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern begründet Mitgliedschaftsrechte, deren Verletzung durch den Vorstand Schadensersatzpflichten - ähnlich wie bei der positiven Vertragsverletzung - zur Folge hat, für die der Verein nach § 31 BGB haftet (vgl. BGHZ 90, 92, 95 = NJW 1984, 1884; NJW 1990, 2877, 2878; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 7. Aufl. 1999, Rdn. 1956).

2. Objektiv liegt auch eine Pflichtverletzung des Beklagten vor, weil der Kläger gem. § 5 Abs. 6 Satz 1 TierZG 1976 einen Anspruch auf Eintragung seines gekörten Hengstes in das Zuchtbuch des Beklagten hatte. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ("hat ... einzutragen") ergibt sich nämlich, dass die Körung des Hengstes durch die zuständige Körbehörde die einzige Voraussetzung für die Eintragung des Tieres in das Zuchtbuch der anerkannten Züchtervereinigung darstellte. Zusätzliche Voraussetzungen für die Eintragung durfte die zuständige Züchtervereinigung danach nicht aufstellen (vgl. BGH, NJW RR 2000, 758).

Für eine irgendwie geartete Ermessensentscheidung war nach positiver Körentscheidung kein Raum.

Dieser Anspruch des Klägers auf Eintragung seines Hengstes in das Zuchtbuch ist auch durch die Satzung in Verbindung mit der Zuchtbuchordnung des Beklagten nicht wirksam beschränkt worden.

Das zweistufige Anerkennungssystem des TierZG 1976 bedeutete eine enge Verknüpfung von öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren und vereinsrechtlicher Anerkennung, die letztlich dazu führte, dass dem beklagten Zuchtverband die Befugnisse einer Genehmigungsbehörde zukamen. Deshalb ist die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die aus dieser Position heraus ergriffen wurden, an den gleichen Maßstäben zu messen, die bei öffentlich-rechtlichem Tätigwerden anzulegen wären. Danach bedurfte es für die Beschränkung einer Eintragung in das Hengstbuch trotz Körung angesichts des im TierZG 1976 verankerten Anspruchs auf Eintragung einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Die züchterische Tätigkeit des Klägers ist vom Schutzbereich des Artikel 12 Abs. 1 GG umfaßt. Private Regelungen können aber nur dann zur Grundlage staatlicher Maßnahmen mit grundrechtsbeschränkender Wirkung gemacht werden, wenn sie den rechtsstaatlichen Anforderungen an staatliche Normen, namentlich dem Bestimmtheitsgrundsatz, entsprechen (vgl. BVerfGE 88, 366, 379; BGH, a.a.O.).

Diesen Anforderungen genügte die Zuchtbuchrdnung des Beklagten in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung nicht. Indem sie nur die Kriterien "a) Rasse- und Geschlechtstyp,

b) Qualität des Körperbaues, c) Korrektheit des Ganges,

d) Schwung und Elastizität des Ganges, e) Gesamteindruck und Entwicklung" (Ziff. 4.2 = Bl. 63 GA) für die der Bewertung des äußeren Erscheinungsbildes nannte, ließ sie unmittelbar keinerlei Rückschlüsse auf die Anforderungen eines Stockmaßes eines Hengstes als Voraussetzung zur Zulassung zur Warmblutzucht zu und konnte mithin mangels hinreichender Bestimmtheit nicht als Grundlage zur Beschränkung des gesetzlich gewährten Eintragungsanspruches aus diesem Grunde dienen.

3. Der Anspruch des Klägers scheitert jedoch am fehlenden Verschulden des Beklagten.

Allerdings wirkt ein Rechtsirrtum des Verpflichteten nur dann entschuldigend, wenn die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen (BGHZ 74, 281, 284 f.; 89, 296, 303) erfüllt sind, dass der Schuldner sich mit Sorgfalt um die Klärung der zweifelhaften Frage bemüht und nicht das Risiko, dass seine Beurteilung unzutreffend ist, dem Gläubiger zugeschoben hat (BGH WM 1992). Jedoch scheidet ein Verschulden danach regelmäßig bereits dann aus, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht das Verhalten des Schuldners aufgrund sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes als objektiv rechtmäßig gebilligt hat (BGH NJW 1990, 3206 m.w.N.). Ob dieser letztgenannte Grundsatz einer generellen Einschränkung dahingehend unterliegt, dass den Schuldner die Pflicht trifft, die Rechtslage eigenständig und besonders sorgfältig zu prüfen, wenn es sich um eine Spezialmaterie handelt, mit der die Gerichte relativ selten befaßt werden, während sie im Mittelpunkt der Tätigkeit des Schuldners steht (so BGH NJW-RR 2000, 758, 759), lässt der Senat offen. Denn auch bei einer solchen eigenständigen und besonders sorgfältigen Prüfung konnte der Beklagte hier im Zeitpunkt seiner Entscheidung über den Antrag des Klägers nicht erkennen, dass ungeachtet seiner mit der nur beschränkten Zulassung verfolgten Zuchtziele ein Anspruch des Klägers auf unbeschränkte Zulassung zur Zucht bestand.

Der Beklagte konnte sich nämlich bei seiner Entscheidung im Jahre 1986 nicht nur auf die Entscheidung (irgend-)eines einzelnen Kollegialgerichts, sondern auf eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung stützen, deren Änderung er nicht vorhersehen konnte und musste. An ihn können hinsichtlich des Umfangs seiner Prüfungspflichten aber keine höheren Anforderungen gestellt werden als an einen Rechtsanwalt, oder Notar, der seine beratende Tätigkeit ebenfalls an der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten hat, in der Regel auf deren Fortbestand vertrauen darf und nur höchst ausnahmsweise deren Änderung in Rechnung stellen muß (BGH NJW 1993, 3323, 3324 f; vgl. zum fehlenden Verschulden eines Notars bei Ausübung seiner Amtstätigkeit ferner BGH NJW 2001, 70).

Danach stellte sich die Situation im Jahre 1986 so dar, dass der BGH bereits 1983 entschieden hatte, dass eine anerkannte Züchtervereinigung berechtigt sei, an die Eintragung eines gekörten Hengstes in das Zuchtbuch höhere Anforderungen zu stellen, als sie für die Körung verlangt werden (BGH AgrarR, 1983, 283). Die Züchtervereinigung sei frei in der Wahl eines Zuchtprogrammes, soweit es geeignet sei, die Ziele des TierZG zu fördern. Dies setze voraus, dass sie aus eigenem Recht die Anforderungen festlegen könne, die sie - vorbehaltlich der staatlichen Anerkennung - zur sachgerechten Durchführung des selbstgewählten Programmes für notwendig halte.

Aus alldem folge, dass der Eigentümer eines gekörten Hengstes nur dann einen Anspruch auf Eintragung seines Pferdes in das Zuchtbuch habe, wenn dieses die von der Züchtervereinigung aufgestellten Anforderungen an den Zuchtwert der einzutragen den Tiere erfülle (BGH, a.a.O., S. 284).

Selbst die unrechtmäßige Niederlegung der Zuchtziele nicht in der Verbandsatzung, sondern in einer getrennten Zuchtbuchordnung ließ der BGH nicht genügen, um Pferdehaltern, denen auf dieser Rechtsgrundlage die Eintragung verweigert worden war, einen Anspruch auf Zulassung ihrer Tiere zuzusprechen. Aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht folge für die Eigentümer vielmehr das Verbot der Ausnutzung ihrer formalen Rechtsposition; der Verband müsse zunächst Gelegenheit zur Satzungsanpassung erhalten (BGH, a.a.O.).

Danach nahm der BGH mit Beschluß vom 23.01.1984 die Revision gegen ein Urteil des OLG Celle (AgrarR 1983, 226), das der Klägerin den Anspruch auf Eintragung in das Zuchtbuch abgesprochen hatte, nicht an, weil er die materiell-rechtliche Hauptfrage mit dem zuvor zitierten Urteil bereits im Sinne des Berufungsgerichts entschieden habe. Dieser Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass die Eintragung eines Hengstes mit der Begründung versagt worden war, "er sei mit 152 cm zu klein, zu unbedeutend und im Rahmen zu wenig." Das OLG Celle (a.a.O.) hatte sich auf den Standpunkt gestellt, aus der Körung eines Hengstes ergebe sich noch kein Anspruch des Tierhalters auf Eintragung des Tieres in die Abteilung Hengste des jeweiligen Zuchtbuches; vielmehr dürften die Zuchtbuchordnungen der jeweiligen Züchterverbände weitergehende Anforderungen an ein Tier stellen, das als Zuchttier eingetragen werden solle, ohne damit gegen die Buchstaben oder den Geist des Tierzuchtgesetzes zu verstoßen.

Die später vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 25.05.1993 (AgrarR 1993, 390) und 30.12.1993 (NJW-RR 1994, 663) festgestellte Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsprechung und ihre darauf beruhende Änderung musste der Beklagte um so weniger vorhersehen, als seine damals geltende Satzung und Zuchtbuchordnung von dem zuständigen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, ebenfalls einer Fachbehörde mit einschlägigen Spezialkenntnissen, mit Schreiben vom 30.10.1980 .(Bl. 69 GA) genehmigt worden war. Diese Satzung sah vor, dass die Zuchtziele im Zuchtprogramm in der jeweils gültigen Fassung festgelegt werden, § 2 Abs. 2 (Bl. 48 GA), d.h. auf der Grundlage von Vereinsbeschlüssen geregelt werden. Dementsprechend ist die beschlossene Zuchtbuchordnung auf der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 02.04.1982, welche die Einzelheiten der Zucht regelte, zum Bestandteil der Satzung gemacht worden (Bl. 60 GA).

Nach alledem konnte der Beklagte davon ausgehen, dass er die von ihm verfolgten Zuchtziele bei seiner Entscheidung über die nur beschränkte Zulassung von "Nalet OX" berücksichtigen durfte. Hinreichende Anzeichen für eine zu erwartende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung waren im Jahre 1986 noch nicht ersichtlich. Ganz im Gegenteil hat der BGH sogar noch im Oktober 1990 zwei Revisionen, mit denen der Eigentümer eines Hengstes seinen Anspruch auf Eintragung seines gekörten Tieres in das Hengstbuch zweier Züchtervereinigungen verfolgte, mangels grundsätzlicher Bedeutung und Erfolgsaussichten nicht angenomnen, nachdem das Land- und das Oberlandesgericht den Anspruch unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH verneint hatten. In seinem Beschluß II ZR 26/90 vom 15.10.1990 (mitgeteilt in Bundesverfassungsgericht, NJW-RR 1994, 663, 664) führte der BGH aus, das Berufungsurteil sei im Ergebnis richtig, weil der Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, das Tier schon aufgrund der Körung in sein Hengstbuch einzutragen. Er habe die Eintragung vielmehr von seiner Überzeugung abhängig machen dürfen, dass es auch seinen eigenen tierzüchterischen Anforderungen genüge.

Die Änderung der Rechtsprechung des BGH erfolgte erst im Anschluß an die erwähnten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 25.05. und 30.12.1993, mit denen unter anderem die zitierten Beschlüsse des BGH vom 23.01.1984 und 15.10.1990 aufgehoben wurden. Nach Auffassung des Senats würde es die Anforderungen an den Beklagten überspannen, wollte man von ihm verlangen, dass dieser im Gegensatz zum BGH die vom Bundesverfassungsgericht bejahte Grundrechtsverletzung durch die zuvor gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hätte erkennen sollen. Deshalb kann ihm ein Vorwurf daraus, dass er von der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens ausging, nicht erwachsen.

c.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 7 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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