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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.02.2002
Aktenzeichen: 8 U 97/01
Rechtsgebiete: KO


Vorschriften:

KO § 106
Zu den Aufgaben und Befugnissen eines Sequesters gehört in der Regel nicht die Prozeßführung, etwa um durch Aktivprozesse Masse herbeizuschaffen.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 97/01 OLG Hamm

Verkündet am 20. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Hütte und von der Beeck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 19.03.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor Beginn der Vollstreckung in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000,00 €.

Tatbestand:

Durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 06.01.1999 wurde über das Vermögen der Firma W C Wohnungsbaugesellschaft mbH die Sequestration angeordnet und der Kläger zum Sequester bestellt. Der Sequestrationsbeschluss lautet auszugsweise wie folgt:

"... Es wird zur Sicherung der Masse und zum Schütze der Gläubiger folgendes angeordnet: Gegen die Schuldnerin wird ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen. Ihr wird insbesondere untersagt, Gegenstände ihres Vermögens zu veräußern, zu belasten und Forderungen einzuziehen...."

Zum Aufgabenkreis des Klägers ist darin bestimmt:

"...Er soll das konkursbefangene Vermögen der Schuldnerin in Verwahrung und Verwaltung nehmen sowie Außenstände einziehen und auf ein von ihm einzurichtendes Anderkonto nehmen...."

Wegen der weiteren Einzelheiten der getroffenen Anordnungen wird auf die Ablichtung des Beschlusses (Bl. 12 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin.

Mit der Klage hat ihn der Kläger auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 94.190,47 DM in Anspruch genommen, der sich als Sollsaldo zu Gunsten der Gemeinschuldnerin aus dem Gesellschafter-Verrechnungskonto "1503" ergibt und sich zur Begründung der Forderungshöhe auf eine Summen- und Saldenliste aus Oktober 1998 mit Stand 12.02.1999 sowie auf einen Ausdruck des Verrechnungskontos "1503" mit Stand 12.02.1999 bezogen.

Der Beklagte hat die geltend gemachte Forderung als nicht nachvollziehbar bestritten. Der Kläger habe nicht dargelegt, wie die Forderung im Einzelnen entstanden sei.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der gestellten Anträge verwiesen wird, hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die Forderung sei der Höhe nach durch die Summen- und Saldenliste und eine Buchungsübersicht belegt. Einwendungen gegen das vom Kläger vorgelegte Zahlenwerk habe der Beklagte nicht erhoben.

Gegen dieses am 05.04.2001 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 07.05.2001 eingelegten Berufung, die er mit am 05.07.2001 eingegangenem Schriftsatz innerhalb der auf rechtzeitigen Antrag vom 23.05.2001 bis zum 09.07.2001 verlängerten Begründungsfrist begründet hat.

Er verfolgt seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er behauptet, dass die Kontokorrentabrechnung unvollständig sei und in die Abrechnung noch Ansprüche aus seinem Spesenverrechnungskonto einzustellen seien, da er über das Konto seiner Ehefrau Zahlungen in Höhe von 745.814,81 DM an verschiedene Gläubiger der Gemeinschuldnerin geleistet habe. Hilfsweise erklärt er mit den sich daraus ergebenden Ansprüchen die Aufrechnung.

Der Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreitet, dass dem Beklagten noch zu verrechnende oder aufrechenbare Gegenansprüche zustehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf die zulässige Berufung war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen. Der Kläger ist als Sequester nicht prozessführungsbefugt.

1. Die Bestellung eines Sequesters nach, § 106 KO dient der Sicherung des Zwecks des Insolvenzverfahrens, der in der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger besteht; die Aufgaben und Befugnisse des Sequesters beschränken sich nach dem Recht der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf Maßnahmen der Sicherung und Erhaltung der Masse (BGHZ 86, 190, 195 f.; 118, 374, 378; 130, 38, 41). Dazu gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in aller Regel nicht die Prozeßführung, da auch bei Erlaß eines allgemeinen Verfügungsverbots das Prozeßführungsrecht des Schuldners bestehen bleibt (BGH, Beschl. v. 13. Juli 1987 - II ZB 48/87, ZIP 1987, 1195, 1196).

2. Soweit in Rechtsprechung und Literatur dennoch ausnahmsweise dem Sequester ein Prozeßführungsrecht zuerkannt wird, beschränkt sich dies auf unaufschiebbare Notmaßnahmen, die zur Sicherung der Masse erforderlich sind und in denen die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens nicht abgewartet werden kann (vgl. OLG Hamburg ZIP 1987, 385, 386; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 106 Rdnr. 13 l; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 106 KO Anm. 4; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. vor § 50 Rdnr. 26; Hess, 5. Aufl., KO, § 106, Rdnr. 52). Solche prozessualen Massnahmen ohne Mitwirkung oder gar gegen den Willen des Schuldners können unter Umständen in Betracht kommen, wenn es gilt, den Eintritt der Rechtskraft eines gegen den Schuldner ergangenen Urteils mit den sich daraus für die Masse ergebenden Nachteilen zu verhindern (vgl. BGH ZIP 2000,116 = WM 2000, 974). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend ersichtlich nicht gegeben.

3. Die Prozeßführungsbefugnis des Sequesters läßt sich auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass die Verfolgung und Beitreibung des Anspruchs erst die Voraussetzung für die Eröffnung des anderenfalls masselosen Konkursverfahrens schaffen soll. Zu den Aufgaben des Sequesters gehört es nicht, durch Führung von Aktivprozessen Masse herbeizuschaffen (vgl. OLG Celle, WM 1987, 513), auch wenn ihm im Interesse der Sicherung der Masse die Einziehung ausstehender Forderungen übertragen ist.

Seine Befugnis ist vielmehr, von den bereits dargelegten Ausnahmefällen abgesehen, auf außergerichtliche Einziehungsbemühungen beschränkt.

4. Schließlich folgt eine Prozeßführungsbefugnis des Klägers auch nicht daraus, dass ihm im Sequestrationsbeschluss aufgegeben worden ist, das Vermögen der Schuldnerin "in Verwahrung und Verwaltung" zu nehmen. In Fällen der sogenannten Verwaltungssequestration wird der Sequester zwar weitergehend als befugt angesehen, hinsichtlich des seiner Sequestration unterliegenden Vermögens auch Prozesse zu führen (vgl. Kuhn-Uhlenbruck a. a. O., § 106, Rdnr 13 I). Dem Kläger ist jedoch nicht - unbeschadet der Frage, ob eine solch weitreichende Maßnahme hier überhaupt rechtswirksam möglich gewesen wäre - die Führung des von der Schuldnerin betriebenen Geschäfts im Sinne einer umfassenden Verwaltungssequestration übertragen worden. Die Anordnungen im Sequestrationsbeschluss erfolgten ausschließlich "zur Sicherung der Masse und zum Schütze der Gläubiger", so dass dem Klägers als Sequester damit auch keine über das zur Sicherung der Masse erforderliche Maß hinausgehende Verwaltungs- und Prozessführungsbefugnis eingeräumt werden sollte.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und angesichts der dargelegten gefestigten Rechtsprechung auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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