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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: 8 UF 180/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO §§ 233 ff.
ZPO § 234 Abs. 1 S. 1
ZPO § 234 Abs. 2
ZPO § 236 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. August 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten der Berufung auferlegt.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 3.871 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung ist bereits unzulässig, weil die Berufungsfrist nicht gewahrt ist und der Klägerin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. den §§ 233 ff. ZPO gewährt werden kann.

1.

Die Schriftsätze der Klägerin vom 21.9.2006 (Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag einerseits und ein mit "Berufung und Berufungsbegründung" überschriebener und bereits unterzeichneter Schriftsatz andererseits), die am 23.9.2006 und damit noch innerhalb der (bis zum 25.9.2006 laufenden) Berufungsfrist beim hiesigen Oberlandesgericht eingegangen sind, können nicht in der Weise ausgelegt werden, dass damit schon eine unbedingte - nämlich von der Prozesskostenhilfebewilligung unabhängige - Berufungseinlegung gewollt war. Im Rahmen der Auslegung ist allerdings zu beachten, dass in solchen Fällen, in denen - wie hier - die gesetzlichen Anforderungen einer Berufungsschrift (und zudem einer sogleich erfolgten Berufungsbegründung) erfüllt sind, eine Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt ist, nur dann in Betracht kommt, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. dazu die Entscheidungen BGH NJW 2002, 1352; FamRZ 2004, 1553; FamRZ 2005, 1537 sowie zur Berufungsbegründung FamRZ 2006, 400). Dann kann die Erklärung, die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, entsprechend der Auffassung der Klägerin auch die Auslegung rechtfertigen, die Partei lege unbedingt Berufung ein und behalte sich lediglich für den Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vor (vgl. BGH FamRZ 2005, 1537 u. FamRZ 2004, 1553).

Vorliegend ergibt sich jedoch mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass eine unbedingte und sofortige Berufungseinlegung von der Klägerin gerade noch nicht gewollt war. Da der Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag vom 21.9.2006 und die vom gleichen Tag datierende "Berufung und Berufungsbegründung" gleichzeitig bei Gericht eingereicht worden sind, können im Rahmen der Auslegung die Schriftsätze nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang betrachtet werden. Der Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag vom 21.9.2006 enthält aber deutliche Anhaltspunkte dafür, dass eine sofortige Einlegung der Berufung nicht gewollt war. So wird der für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Säumnis der Berufungsfrist damit begründet, dass die Klägerin finanziell nicht in der Lage sei, die Kosten des Berufungsverfahrens selber zu bezahlen, und deshalb auch unverschuldet daran gehindert sei, die Berufungsfrist einzuhalten. Eine derartige Vorgehensweise und ein solcher Vortrag wären nicht verständlich und zudem gänzlich überflüssig gewesen, wenn die in dem weiteren Schriftsatz vom 21.9.2006 u. a. enthaltene Berufung schon unbedingt eingelegt werden sollte. Denn dann hätte weder von einer Säumnis der Berufungsfrist noch von deren unverschuldeter Nichteinhaltung die Rede sein können. Auch in ihren weiteren Schriftsätzen - nach Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit ihres Rechtsmittels - hat es die Klägerin nicht vermocht, den Sinn ihres Wiedereinsetzungsantrages in nachvollziehbarer Art und Weise zu erklären, sofern man entsprechend ihrer Auffassung eine schon unbedingte Berufungseinlegung unterstellen wollte. Auch die bereits im Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag vom 21.9.2006 zum Ausdruck gebrachte Interessenlage der Klägerin spricht entscheidend für eine solche Betrachtungsweise. Die Klägerin wollte nämlich ersichtlich vermeiden, dass bereits vor einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe von ihr kostenverursachende Prozesshandlungen vorgenommen würden. Dieses Ziel hätte sie aber nicht erreichen können, wenn der Erklärung, dass die Berufung nur im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe durchgeführt werden solle, nur die Bedeutung zugekommen wäre, dass sie sich eine spätere Zurücknahme des Rechtsmittels vorbehalten wollte.

2.

Geht man somit davon aus, dass eine sofortige und unbedingte Berufungseinlegung noch nicht gewollt war, so lag der Beifügung der bereits unterzeichneten Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 21.9.2006 offenbar die - verfehlte - Vorstellung zugrunde, dass diesem Schriftsatz - nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat - gleichsam "automatisch" der Charakter der Rechtsmitteleinlegung und -begründung zukommen würde. Dies kommt jedoch einer unzulässigen Berufung unter einer Bedingung gleich (vgl. dazu BGH FamRZ 2005, 1537). Da ein Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 21.9.2006 mithin noch nicht wirksam eingelegt war, hat sich der Senat gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO auch nach seinem Prozesskostenhilfebeschluss daran gehindert gesehen, den Wiedereinsetzungsantrag positiv zu bescheiden.

3.

Vielmehr kann eine Berufungseinlegung frühestens in den Schriftsätzen der Klägerin vom 15.1. oder 23.1.2007 erblickt werden, weil sie mit diesen Schriftsätzen zum Ausdruck gebracht hat, dass eine (etwaige) Bedingung für die Rechtsmitteleinlegung jedenfalls nunmehr in Wegfall gebracht werden solle. Insoweit kommt jedoch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus den mit Schriftsatz vom 21.9.2006 angeführten Gründen (Prozesskostenhilfebedürftigkeit der Klägerin) nicht mehr in Betracht. Dieses Hindernis für die Rechtsmitteleinlegung ist nämlich infolge der (teilweisen) Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senatsbeschluss vom 20.11.2006 entfallen, so dass durch dessen Zustellung am 28.11.2006 die zweiwöchige Frist gem. §§ 234 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO in Lauf gesetzt worden ist. Diese Frist konnte durch die Schriftsätze vom 15.1. bzw. 23.1.2007 demnach nicht mehr gewahrt werden.

4.

Soweit der Wiedereinsetzungsantrag mit Schriftsatz vom 15.1.2007 auch darauf gestützt werden soll, dass die Klägerin irrtümlich von einer bereits eingelegten (unbedingten) Berufung ausgegangen sei, ist fehlendes Verschulden gem. den §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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