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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.09.2009
Aktenzeichen: 9 U 11/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 833
1. Kommt es bei der Erteilung von therapeutischem Reitunterricht zu einem durch Tiergefahr verursachten Unfall, kann sich der Reitlehrer als Tierhalter nach § 833 S. 2 BGB nur dann entlasten, wenn er solchen Unterricht berufsmäßig erteilt; dazu reicht eine nur gelegentliche Tätigkeit - neben einem sonst ausgeübten Hauptberuf - nicht hin.

2. Auch einem Reitverein, der satzungsgemäß therapeutisches Reiten anbietet, ist die Entlastung nach § 833 S. 2 BGB verschlossen, wenn die Haltung von Pferden nicht der Erzielung von wirtschaftlichem Gewinn dient; das ist bei einem Idealverein regelmäßig nicht der Fall.

3. Allein die Teilnahme eines körperlich beeinträchtigten Menschen am therapeutischen Reiten begründet nicht schon den Vorwurf des Mitverschuldens.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1) - das am 26. Januar 2009 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund Urteil abgeändert und so neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 20.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.7.2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 31.3.2005 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner 1.342,12 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.8.2007 an die S GmbH, U-Straße, ##### X zu Schaden-Nr. ##### zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Für den Beklagten zu 2) wird die Revision zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin begehrt zur Hauptsache Schmerzensgeld und Feststellung umfassender Ersatzpflicht beider Beklagter für eine Lendenwirbelfraktur, die sie sich am 31.3.2005 bei einem Sturz von dem Pferd "S2", dessen Halter der Beklagte zu 2) ist, zuzog. Dazu kam es, während der Beklagte zu 1) ihr und ihrer Tochter T in der Halle eine Reitstunde erteilte, in deren Verlauf ihr T auf dem Pferd "Q", dessen Halter der Beklagte zu 1) ist, in der Halle vorausritt. Die genaue Entwicklung des Reitunfalls ist zwischen den Parteien streitig. Während die Klägerin behauptet hat, Q sei unerwartet stehen geblieben und habe gegen den auflaufenden S2 mit der Hinterhand ausgekeilt, worauf dieser durchgegangen sei, haben die Beklagten behauptet, die Klägerin habe durch hysterische Zurufe an ihre Tochter ihr Pferd S2 zum Galopp veranlasst. Erst als sie mit S2 im Galopp Q in zu geringem Abstand überholt habe, habe diese "den Schweif gedreht", aber nicht ausgeschlagen. Rechtlich haben die Parteien um die Entlastungsmöglichkeit der Beklagten aus § 833 S. 2 BGB, namentlich um die Eigenschaft der beteiligten Pferde als Nutztiere im Sinne dieser Vorschrift gestritten.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen festgestellt, ein Ausschlagen von Q, in dem sich die typische Tiergefahr verwirklicht habe, habe S2 mit der Folge des Abwurfs der Klägerin durchgehen lassen. Es hat der Klage gegen den Beklagten zu 1) aus § 833 BGB stattgegeben, die gegen Beklagten zu 2) hat es abgewiesen. Es hat dem Beklagten zu 1) die Möglichkeit des Entlastungsbeweises nach § 833 S. 2 BGB mit der Begründung versagt, der Reitunterricht, für den er Q einsetze, sei seinem Umfang nach keine Erwerbstätigkeit, sondern Hobby. Unabhängig davon könne der Beklagte zu 1) sich auch nicht entlasten, vielmehr habe er die Tiergefahr erhöht, indem er die Tochter der Klägerin mit Q habe ohne die in vorhergegangenen Reitstunden als Führungsmittel verwendeten Sporen oder Gerte und zudem der Klägerin voraus reiten lassen. Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden entgegenhalten lassen, weil ihr weder die Teilnahme am gemeinsamen Reitunterricht mit Q, von deren Abwurf einer Reiterin sie nur in einem einzigen und deshalb nicht alarmierenden Fall gehört gehabt habe, noch ihr Verhalten unmittelbar vor dem Durchgehen von S2 vorzuwerfen seien. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung habe sie nämlich nur einmal gerufen, als Q bereits stehen geblieben sei; an der dann erfolgten Annäherung von S2 an Q sei sie wegen des abrupten Stehenbleibens von Q schuldlos. Dem Beklagten zu 2) stehe dagegen der Entlastungsbeweis des § 833 S. 2 BGB offen, weil der generelle Einsatz von S2 für den Vereinszweck - Angebot von therapeutischem Reiten - eine berufsmäßige Verwendung darstelle. Der Vortrag des Beklagten zu 2), mit der Auswahl des für den Reitunterricht geeigneten Pferdes S2 seiner Sorgfaltspflicht genügt zu haben, sei von der Klägerin nur pauschal bzw. mit der Behauptung eines früheren Durchgehens von S2 ins Blaue hinein, mithin nicht einlassungsfähig und unbeachtlich bestritten. Aus diesem Grund scheitere auch ein Anspruch aus einem - hinsichtlich seines Bestehens offen gelassenen - Vertragsverhältnis am Fehlen eines Verschuldens des Beklagten zu 2).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Der Beklagte zu 1) begehrt mit seiner Berufung weiterhin Klageabweisung.

Er rügt als Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, dass die erkennende Einzelrichterin die Zeugin T nach Übernahme des richterlichen Dezernats nicht erneut persönlich gehört, sondern ihre Überzeugung aus dem Protokoll der früheren Vernehmung, das jedoch entscheidende Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin fälschlich nicht vermittele, gewonnen habe. So sei neben der Widersprüchlichkeit der von der Zeugin nacheinander gegebenen unterschiedlichen Darstellungen unbeachtet geblieben, dass die Zeugin zunächst eine Aussage wie auswendig gelernt abgespult habe, dann aber auf konkrete Nachfragen ins Stottern geraten und in Tränen ausgebrochen sei und sich an Einzelheiten nicht mehr habe erinnern wollen.

Ihm, dem Beklagten zu 1), könne auch nicht vorgeworfen werden, die von Q ausgehende Tiergefahr dadurch erhöht zu haben, dass er T voraus und ohne Führungsmittel wie Gerte und Sporen habe reiten lassen. Das sei im Reitunterricht üblich und habe die Zeugin nicht überfordert. T habe auch keine Überforderung angegeben. Mit diesem Vorwurf setze sich das Landgericht auch in Widerspruch zu seiner Klagabweisung gegenüber dem Beklagten zu 2).. Wäre dieser Vorwurf berechtigt, so hätte der beklagte Verein, für den er, der Beklagte zu 1), das therapeutische Reiten durchführe, nämlich keineswegs den Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB geführt.

Dagegen habe das Landgericht ihm, dem Beklagten zu 1), die Möglichkeit des Entlastungsbeweises rechtsfehlerhaft verschlossen. Das angefochtene Urteil verkenne, dass Q wenn nicht seiner Erwerbstätigkeit und dem Unterhalt, so doch seinem Beruf i. S. v. § 833 S. 2 BGB diene, den er als freiberuflicher Reitlehrer - sei es auch ohne Gewinn - ausübe. Im Rahmen dieser schon seit Jahrzehnten andauernden Berufsausübung habe er sein eigenes Pferd zur Verfügung gestellt. Er sei auch im Sinne dieser Vorschrift entlastet, weil er den Reitunterricht sorgfältig durchgeführt habe. Die Angaben der Zeugin T, sie habe Q nicht gut unter Kontrolle gehabt, seien unwahr.

Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils sei der Klägerin auch ein Mitverschulden anzulasten. Zum einen habe sie sich im Bewusstsein ihrer körperlichen Beeinträchtigung, die ihr einen sicheren Halt auf einem galoppierenden Pferd versagte, in den Reitunterricht begeben. Darüber hinaus sei sie mit S2 fehlerhaft umgegangen, indem sie ihn durch ihr hysterisches Schreien beeinflusst habe. Soweit das Landgericht ein solches Verhalten nicht habe feststellen können, sei seine Beweiswürdigung fehlerhaft. Auch sei der Klägerin vorzuwerfen, den erforderlichen Sicherheitsabstand auf Q nicht eingehalten zu haben, wie der Aussage der Zeugin T zu entnehmen sei.

Das zuerkannte Schmerzensgeld sei im Vergleich mit den Beträgen, die bislang zu ähnlichen Sachverhalten ausgeurteilt worden seien, zu hoch.

Soweit das Landgericht für vorgerichtliche Kosten die Erhöhung der Geschäftsgebühr mit der besonderen Schwierigkeit und dem Umfang der Rechtsverfolgung begründe, werde verkannt, dass solche Schwierigkeiten nur der Anspruchsverfolgung gegenüber dem Beklagten zu 2) anhafteten und die komplizierte Trennung zwischen den unfallbedingten Schadensfolgen und denen der Vorschädigung der Klägerin vorgerichtlich noch gar nicht erfolgt sei.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1) und verfolgt mit der eigenen Berufung ihre erstinstanzlichen Klageanträge gegenüber dem Beklagten zu 2), insoweit Abänderung beantragend, weiter.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung in der Verurteilung des Beklagten zu 1) und die ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen zum Unfallhergang, greift aber mit vertieften Rechtsausführungen die Auffassung des Landgerichts als unrichtig an, dem Beklagten zu 2) stehe auch als Idealverein, der seine Pferde entsprechend dem satzungsgemäßen Zweck, quasi "beruflich", zum Angebot therapeutischen Reitens einsetze, der Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB offen. Sie rügt insoweit auch als Verfahrensfehler, dass das Landgericht auf seine Rechtsauffassung, die nur einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des OLG Frankfurt folge, nicht vor Urteilserlass hingewiesen habe.

Jedenfalls habe das Landgericht den Entlastungsbeweis rechtsfehlerhaft als durch den Beklagten zu 2) geführt angesehen. Es habe nicht - schon gar nicht ohne entsprechenden Hinweis - davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin eine sorgfältige Auswahl eines auch für therapeutisches Reiten geeigneten Pferdes durch den Beklagten zu 2) mit der Zurverfügungstellung von S2 zugestanden und die Behauptung eines schon früheren Durchgehens dieses Pferdes fallengelassen habe. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Beklagten zu 2) habe schon einfaches Bestreiten ihrerseits genügt; außerdem würde sie auf eine entsprechenden Hinweis ergänzend zu einem früheren Durchgehen von S2 vorgetragen haben. Umgekehrt habe der Beklagte zu 2) zur Entlastung hinsichtlich der angeblichen Ungefährlichkeit S2 nicht ausreichend vorgetragen gehabt, speziell nicht für seinen Einsatz als Schulpferd für Behinderte, an den besondere Anforderungen zu stellen gewesen seien. S2 sei schon deshalb ungeeignet gewesen, weil er an einer Stelle wundgescheuert gewesen sei und der Klägerin auch nicht gehorcht habe.

Im Übrigen hält die Klägerin an einem vermeintlichen Anspruch aus Vertragspflichtverletzung fest, die sie damit begründet, der Beklagte zu 2) habe ihr mit S2 ein als Unterrichtspferd für Körperbehinderte ungeeignetes Tier zur Verfügung gestellt und habe den Reitunterricht nicht fachgerecht organisiert und durchgeführt.

Der Senat hat die Parteien bzw. ihren Vertreter persönlich gehört und die Zeugin T erneut vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Erklärungen und Aussagen wird auf den Berichterstattervermerk zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 25.8.2009 verwiesen.

B.

I. Zur Berufung des Beklagten zu 1):

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1) ist nicht begründet, weil die vom Landgericht zuerkannten Klageansprüche ihm gegenüber aus § 833 BGB begründet sind.

1. Die Klägerin ist durch ein Tier des Beklagten zu 1) verletzt worden. Die zweitinstanzlich ergänzte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass ein unberechenbares Tierverhalten von Q letztlich den Sturz der Klägerin von S2 und ihre Wirbelsäulenverletzung herbeigeführt hat. Eine insoweit gegebene mittelbare Verursachung ist ausreichend. Unstreitig ist Q beim Reiten im Zirkel von ihrer Reiterin T ungewollt so langsam geworden, dass S2 mit der aufsitzenden Klägerin aufschloss und außen an Q vorbei lief. Ob Q in diesem Augenblick gebuckelt, oder - wie vom Beklagten zu 1) eingeräumt - nur "den "Schweif gedreht" hat, ist unerheblich. Beides stellt eine eigenwillige Abwehrbewegung dar, die S2 weiteres Bewegungsverhalten bis hin zu dessen abrupten Stehenbleiben, das auch der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung vor dem Senat bekundet hat, auslöste. Unerheblich ist auch, ob S2 sich beim Überholen von Q bereits - auf vom Beklagten angeordnetes Kommando der Klägerin - im Galopp befand, wie die Klägerin erklärt und die Zeugin T bestätigt hat, oder in den Galopp fiel, weil er durch das Anhalten von Q und darauf folgende, unkontrollierte Zurufe der Klägerin irritiert war, wie von den Beklagten behauptet.

Die Klägerin konnte sich nicht mehr im Sattel halten, weil S2 nach dem Passieren der stehen gebliebenen Q nun seinerseits zumindest abrupt stehen blieb, wie der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung eingeräumt hat. Darauf, ob S2 zusätzlich - wie von der Klägerin behauptet - gebuckelt hat, kommt es nicht an. Auslöser seines abrupten Bremsens, vielleicht sogar Buckelns, das der Klägerin den Halt auf seinem Rücken nahm, war das vorausgegangene Verhalten von Q, ohne das S2 nicht derart irritiert worden wäre. Hieran hat der Senat keinen Zweifel, weil der zeitliche Zusammenhang zwischen dem "Bocken" beider Pferde entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) sehr eng ist - S2 war nur etwa 20 bis 30 m weiter galoppiert -, und eine andere, nicht von Q in Gang gesetzte Ursachenkette dafür nicht erkennbar ist. Dass die Klägerin durch eigenes, objektiv ungeschicktes Verhalten die Irritation von S2 verstärkt haben mag, unterbricht den Kausalzusammenhang nicht. Denn auch dann bleibt das Stehenbleiben und mindestens "Schweifdrehen" von Q (mittelbar) Urache für den Unfall..

2. Die Entlastungsmöglichkeit des § 833 S. 2 BGB steht dem Beklagten zu 1) nicht offen, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat.

Der Beklagte zu 1) macht mit der Berufung geltend, Q sei seinem Beruf als Reitlehrer zu dienen bestimmt gewesen. Anhaltspunkt dafür ist allein, dass die Klägerin selbst in der Klageschrift den Beklagten als "freiberuflichen Reitlehrer" bezeichnet hat. Er setzt zumindest Q zur Erteilung von Reitunterricht ein. Indes genügt das nicht zur Feststellung einer entsprechenden Berufsausübung, selbst wenn diese sich von einer Erwerbstätigkeit durch - hier fehlende - Gewinnerzielungsabsicht unterscheiden mag. Ob, wie das OLG Frankfurt in der im angefochtenen Urteil zitierten Entscheidung in OLGR 2006, 342 meint, die im Gesetz bezeichneten, die Entlastungsmöglichkeit eröffnenden Tierhaltungszwecke sämtlich ein gewisses wirtschaftliches "Darauf-Angewiesensein" voraussetzen und Zweck der Haftungserleichterung der Schutz der Personen ist, die ihren Lebensunterhalt wenigstens zu einem erheblichen Anteil aus der Tierhaltung erwirtschaften, kann dahinstehen. Beruf i. S. d. § 833 S. 2 BGB ist - selbst ohne wirtschaftliches Angewiesensein auf seine Ausübung - eine fortdauernde, selbstgewählte und den Lebenszweck eines Menschen bildende Tätigkeit; vgl. Staudinger/Eberl-Borges, BGB 2008, Rz. 127 zu § 833 unter Verweis auf RGZ 76, 225/7. Dafür, dass die Erteilung von Reitunterricht den "Lebenszweck" des Beklagten bildete, fehlt es an Sachvortrag. Nicht nur seine geringen Einnahmen daraus weisen auf einen nur untergeordneten zeitlichen Umfang dieser Tätigkeit hin. Der Beklagte hat seine Reitlehrertätigkeit schon erstinstanzlich selbst als Hobby bezeichnet. Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat er das dahin ergänzt, er gebe die Reitstunden nur "hobbymäßig", nicht als Beruf, während sein Hauptberuf die selbständige kaufmännische Tätigkeit im Bereich Beschallungsanlagen sei.

Vor diesem Hintergrund sind die zusätzlichen Ausführungen des landgerichtlichen Urteils dazu, dass der Beklagte zu 1) auch den Entlastungsbeweis nicht habe führen können, er vielmehr die von Q ausgehende Tiergefahr bei dem konkreten Unterrichtseinsatz verstärkt habe, gegenstandslos.

3. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin ist nicht durch ein Mitverschulden gemäß § 254 I BGB gemindert.

Dass die Klägerin durch ihr Reitverhalten oder durch Schreie das Aufgaloppieren von S2 auf die anhaltende Q vorwerfbar verursacht hätte, hat der Beklagte nicht beweisen können. Insoweit wird auf die zutreffende Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils verwiesen. Bei ihrem Ausbildungsstand als Reitschülerin, den der Beklagte als den eines "guten Anfängers" bezeichnet, war der Klägerin ein umsichtigeres Verhalten noch nicht abzufordern.

Der Klägerin ist gleichfalls nicht als eigener Verursachungsbeitrag anzulasten, dass sie sich trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung im Gebrauch beider Beine, die einen stets ausreichenden Schenkeldruck in Frage stellte, dem Risiko des Reitunterrichtes ausgesetzt hat. Denn nachdem der Beklagte als auch hinsichtlich des therapeutischen Reitens nicht unerfahrener Lehrer ihren Unterricht in voller Kenntnis ihrer Behinderung übernommen hatte, durfte die Klägerin erwarten, dass er unter entsprechender Rücksichtnahme darauf durchgeführt werden würde. Wenn sie gleichwohl mit dem insoweit bestehenden Risiko hätte belastet bleiben sollen, hätte es der Vereinbarung eines ausdrücklichen Haftungsauschlusses zwischen den Beteiligten bedurft.

4. Ohne Erfolg bleibt die Berufung auch hinsichtlich der Höhe des erstinstanzlich zuerkannten Schmerzensgeldes. Die tatsächlichen, wesentlich auf das Sachverständigengutachten des Prof. I gestützten Feststellungen des Landgerichts zur Verletzung der Klägerin, dem Heilungsverlauf und ihren fortbestehenden Beschwerden greift die Berufung nicht an. Mit diesen tatsächlichen Grundlagen muss sich der auszuurteilende Schmerzensgeldbetrag in das gesamte System der im Laufe der Zeit entwickelten Schmerzensgeldjudikatur einfügen. Das bedeutet, dass seine Größenordnung dem Betragsrahmen entsprechen muss, der in der überwiegenden Spruchpraxis für vergleichbare Fälle zuerkannt wurde. Diese Orientierung darf allerdings nicht auf eine schematische Übernahme bereits ausgeurteilter Schmerzensgeldbeträge hinauslaufen, da die diesen Beträgen jeweils zugrunde liegenden Verletzungen in ihrer Komplexität und Zusammensetzung in der Mehrzahl der Fälle nur sehr begrenzt vergleichbar sind. Bei Betrachtung der im landgerichtlichen Urteil dazu angeführten Entscheidungen aus dem Tabellenwerk von Hacks-Ring-Böhm, Schmerzensgeldbeträge sowie weiterer Urteile zu vergleichbaren Verletzungen ist der vom Landgericht zugesprochene Betrag von 20.000 € auch nach Auffassung des Senats nicht unangemessen. Zwar war die Klägerin schon ohne die Reitverletzung durch die Syringomielitis aus dem Tauchunfall erheblich in ihrem Wohlbefinden und ihrer Lebensfreude eingeschränkt. Der Sachverständige hat die gesundheitlichen Folgen des Sturzes aber von denen des Tauchunfalls abzugrenzen vermocht. Diese und die von der Klägerin dem Senat glaubhaft geschilderten, fortbestehenden Beschwerden, die noch immer regelmäßige orthopädische und krankengymnastische Behandlungen veranlassen, und die Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % rechtfertigen das zuerkannte Schmerzensgeld.

5. Hinsichtlich der Zulässigkeit und Begründetheit der Feststellungsklage macht sich der Senat die Ausführungen des Landgerichts zu Eigen.

6. Der Beklagte zu 1) schuldet Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe der in Rechnung gestellten, nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr. Hierzu wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. In Streit steht nur noch die Überschreitung des gewöhnlichen Ansatzes des 1,3-fachen der Rahmengebühr. Vorliegend sind überdurchschnittlicher Aufwand und Schwierigkeit der Tätigkeit aber selbst dann zu bejahen, wenn man - dem Berufungsangriff entsprechend - die Problematik der Haftungsklärung bzw. der Klärung der "gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse" zwischen dem Zweitbeklagten und dem anderen Reitverein, die der Erstbeklagte nicht veranlasst hat, außer Acht lässt. Die Auseinandersetzung mit zwei als Anspruchsgegnern in Betracht kommenden Tierhaltern und die Notwendigkeit einer Abgrenzung des Unfallschadens von der Vorschädigung rechtfertigen hier die maßvolle Überschreitung der gewöhnlichen Gebühr.

7. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB entsprechend den Daten der Zustellung der Klage und der Klageerweiterung.

II. Zur Berufung der Klägerin

Die Berufung der Klägerin ist begründet, weil die Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderung aus § 833 BGB auch gegen den Zweitbeklagten besteht.

1. Eine Verletzung der Klägerin durch das Pferd S2 des Beklagten zu 2) liegt unproblematisch vor, da die Klägerin unstreitig von S2 stürzte, weil S2 aufgrund eines unberechenbaren, selbständigen Tierverhaltens aus dem Galopp heraus zumindest abrupt stehen blieb, wenn nicht sogar hinten hoch ging und also buckelte.

2. Die Entlastungsmöglichkeit gemäß § 833 S. 2 BGB besteht entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch für den Beklagten zu 2) nicht.

Das Landgericht hat sie in Anlehnung an das Urteil des OLG Frankfurt in VersR 1995, 1362 angenommen, weil der Beklagte zu 2) S2 zu seinem "Beruf", nämlich zur Verfolgung seines satzungsgemäßen Zwecks, therapeutisches Reiten anzubieten, eingesetzt habe.

Dem Ausgangspunkt des OLG Frankfurt kann gefolgt werden: Ist eine juristische Person Tierhalter, so treten grundsätzlich an die Stelle des Berufes die Aufgaben, die für die juristische Person durch ihre Zweckbestimmung gegeben sind; so schon OLG Celle VersR 1972, 469. Im Fall des OLG Celle betrieb der beklagte Reitverein auch kommerziell eine Reitschule, deren Einnahmen er zur Erfüllung seiner sonstigen, ideellen Satzungszwecke einsetzte. Dass die von einem Verein gehaltenen Pferde als grundsätzlich Luxustiere auch einem erwerbswirtschaftlichen Nebenzweck dienten, hat indes schon der Bundesgerichtshof ausdrücklich entgegen dem OLG Celle nicht als ausreichend zur Eröffnung der Entlastungsmöglichkeit angesehen; so BGH NJW 1982, 1589. Erforderlich ist dafür vielmehr, dass der Halter das Pferd nicht (nur) zur Ausübung des Reitsports nutzt, sondern seine hauptsächliche Zweckbestimmung dem Erwerb dient; BGH NJW 1986, 2501/2, Wagner in MüKo, 5. Aufl. Rz. 42 zu § 833 BGB. Entscheidend aber steht die Auffassung des OLG Frankfurt in Widerspruch zur gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Tiere, die ein Idealverein zu einem Gebrauch durch seine Mitglieder hält, keine Nutztiere sind, wenn dieser Gebrauch - wären die Mitglieder selbst Tierhalter - nicht die Voraussetzungen des § 833 S. 2 BGB erfüllte, z. B. die von einem Idealverein gehaltenen Reitpferde, die den sportlichen Zwecken seiner Mitglieder zu dienen bestimmt sind. Dass die Haltung zu diesem Zweck auf den Verein verlagert wurde, der damit seinerseits zwar seiner satzungsgemäßen Aufgabe nachkommt, aber keinen Gewinn erstrebt, ändert daran nichts. Die Pferde werden dadurch, dass die Haftung auf den Verein verlagert ist, nicht zu Nutztieren i. S. des § 833 S. 2 BGB; BGH NJW 1982, 763; Staudinger- Eberl-Borges, BGB 2008, Rz. 125 zu § 833. Es reicht entgegen OLG Celle und OLG Frankfurt a. a. O. nicht schon, dass ein Verein die Tiere zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Zwecke einsetzt, sondern es kommt darauf an, ob diese Zwecke der Einnahmenerzielung dienen. Nur dann läge auch eine von § 833 S. 2 erfasste Zweckbestimmung vor, was bei einem Idealverein aber regelmäßig nicht der Fall ist. Wäre ein Vereinsmitglied des Beklagten zu 2) persönlich Halter von S2 für eigenes therapeutisches Reiten gewesen, wäre ihm die Entlastungsmöglichkeit verschlossen. Das ist für einen Idealverein, dessen Zweck es ist, seinen Mitgliedern das therapeutische Reiten zu ermöglichen, analog der BGH-Rechtsprechung nicht anders. Auch hier wird "Luxus"-Tierhaltung nur gebündelt. Darauf, wie achtbar der satzungsmäßige Zweck sein mag oder ob der Verein "gemeinnützig" i. S. d. Steuerrechts ist, kommt es für § 833 S. 2 BGB nicht an; privilegiert ist nach noch geltendem Recht nur eine kommerzielle Zwecksetzung. Die dadurch gegebene Diskriminierung ideeller oder sogar gemeinnütziger Zwecke mag als gesetzgeberisch verfehlt empfunden werden, wird aber auch von Wagner in Müko, BGB 5. Aufl., Rz. 44 zu § 833 - entgegen OLG Frankfurt -bis zu einer Gesetzesänderung für unvermeidlich gehalten.

Der Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten bei der Haltung von S2 ist vor diesem Hintergrund unerheblich.

3. Zum fehlenden Mitverschulden der Klägerin gelten die gleichen Erwägungen wie hinsichtlich des Anspruchs gegen den Beklagten zu 1). Auch dem Beklagten zu 2) war die körperliche Behinderung der Klägerin bekannt, als er ihr S2 zum Reiten zur Verfügung stellte.

4. Gleiches gilt für die Höhe des Schmerzensgeldes, der Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags, des Anspruchs auf vorgerichtliche Kosten und die Verzugszinsen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 IV, 97 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Das Gericht lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO für den Beklagten zu 2) zu, weil die Rechtssache mit der Frage der Entlastungsmöglichkeit des § 833 S. 2 BGB für einen Idealverein, der seine Pferde - ohne Gewinnerzielungsabsicht -zur Verfolgung seiner als gemeinnützig anerkannten, satzungsmäßigen Zwecke hält, grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat mit dem vorliegenden Urteil in dieser Frage von der Auffassung des OLG Frankfurt in dessen Entscheidung vom 14.06.1994 (14 U 20/93) abweicht.

Ende der Entscheidung

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