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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 9 U 133/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
Übernimmt jemand aushilfsweise für einen Tag die Verteilung eines Anzeigenblattes an Stelle des vertraglichen Boten und verursacht er dabei einen Fahrradunfall, haftet der etatmäßige Verteiler , dessen Vater den Vertreter bestellt hatte, dem Geschädigten nicht aus § 831 BGB, weil der Vertreter kein Verrichtungsgehilfe des vertraglichen Boten gewesen ist.

Auch das die Verteilung der Zeitungen besorgende Unternehmen haftet nicht aus § 831 BGB, wenn ihm die Bestellung des Vertreters nicht zuzurechnen ist. Ein Anspruch des Geschädigten aus § 823 Abs. 1 BGB gegen das Unternehmen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn vorher konkrete Verdachtsmomente dafür bestanden haben, dass sich ein Bote in der Vergangenheit auffällig über die Regelungen des Arbeitsvertrages hinweggesetzt hatte. An die Überwachung von Boten beim Austragen von Zeitungen dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. Januar 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz nach einem Unfall als Radfahrerin am 5. Juli 2006 um 12:10 Uhr innerorts von T.

Die Klägerin fuhr von der M-Straße kommend mit ihrem Fahrrad in Richtung des dortigen Einkaufsmarkt-Parkplatzes auf einem in beide Fahrtrichtungen freigegebenen gemeinsamen Fuß-/Radweg. Rechts neben ihr fuhr der Zeuge T2. Der Beklagte zu 1) fuhr mit seinem Fahrrad über den Parkplatz und wollte nach einer Linkskurve in entgegengesetzter Richtung den Weg befahren. In Sicht des Beklagten zu 1) hinter dem Übergang des Parkplatzes zum Fuß/Radweg kam es zur Kollision mit der Klägerin, bei der sich diese am Knie verletzte. Der Beklagte zu 1) war an diesem Tag damit beschäftigt, die Zeitung "X" auszutragen. Dabei hatte er an dem Tag die Verteilung an Stelle des Beklagten zu 2) aushilfsweise übernommen.

Der am 30. Juni 1992 geborene Beklagte zu 2) und dessen Vater als Erziehungsberechtigter hatten am 20. Oktober 2005 einen "Arbeitsvertrag für Mitarbeiter/innen im Verteildienst" mit der Beklagten zu 3) unterzeichnet. Darin heißt es auszugsweise:

"5. Der/die Verteiler/in ist verpflichtet, die Tätigkeit selbst wahrzunehmen.

(...)

12. Urlaub wird nicht in Freizeit gewährt, sondern finanziell abgegolten und ist bereits anteilig im Stücklohn enthalten.

(...)

16. Bei Verhinderung sollte der/die Verteiler(in) nach Möglichkeit rechtzeitig eine zuverlässige Ersatzkraft bestellen und diese dem Verlag bzw. dem/der Verlagskontrolleur/in melden, der sich das Einverständnis oder die Bestellung einer anderen Ersatzkraft vorbehält. "

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 1) hätte durch Schneiden der Linkskurve und überhöhte Geschwindigkeit den Unfall verursacht, bei dem sie eine Tibiakopffraktur erlitten habe und ihr Fahrrad beschädigt worden sei.

Der Beklagte zu 2) hafte ihrer Meinung nach neben dem Beklagten zu 1) nach § 831 BGB, weil er den Beklagten zu 1) als Verrichtungsgehilfen bestellt habe. Die Beklagte zu 3) hafte ebenfalls nach § 831 BGB und nach § 823 Abs. 1 BGB, weil sie interne Aufsichts- und Organisationspflichten verletzt habe und der Beklagte zu 1) auch als ihr Verrichtungsgehilfe anzusehen sei. Durch den Arbeitsvertrag mit dem Beklagten zu 2) sei diesem geradezu vorgegeben worden, eigenmächtig einen Vertreter zu stellen. Gleichzeitig erwarte sie, dass die Zeitung auch dann, wenn die Zusteller verhindert seien, pünktlich zugestellt werde.

Ihr sei ein materieller Schaden in Höhe von 3.110,98 Euro entstanden. Darin enthalten seien ein Haushaltsführungsschaden von 2.418,75 Euro und weitere materielle Schadenspositionen (u.a. Kostenpauschale, Telefonmehrkosten, Reparaturkosten für ihr Fahrrad nach Kostenvoranschlag, Zuzahlungskosten für Medikamente und Behandlungen, Praxisgebühren und Fahrtkosten).

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie materiellen Schadensersatz sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 10.000,- Euro, zu zahlen und die Feststellung der umfassenden Haftung für künftige materielle und immaterielle Schäden geltend gemacht.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte zu 1) hat behauptet, der Unfall sei für ihn unvermeidbar gewesen. Die Klägerin sei zu weit links gefahren und hätte seine Vorfahrt missachtet.

Der Beklagte zu 2) hat behauptet, der Beklagte zu 1) sei ehemaliger Arbeitskollege seines Vaters und als Postzusteller bei einem privaten Zustelldienst tätig gewesen. Deshalb habe sein Vater den Beklagten zu 1) gebeten, das Verteilen an diesem Tag zu übernehmen. Der Beklagte zu 1) sei seinem Vater als zuverlässiger Postzusteller bekannt gewesen und habe den Beklagten zu 2) auch in der Vergangenheit schon einmal vertreten. Der Beklagte zu 1) sei seiner Meinung nach nicht sein Verrichtungsgehilfe gewesen, jedenfalls habe er den Beklagten zu 1) sorgfältig ausgewählt.

Die Beklagte zu 3) hat geltend gemacht, dass eine Haftung nach § 831 BGB sei ebenso wenig schlüssig dargelegt wie ein Verstoß gegen sonstige Aufsichts- und Organisationspflichten. Die Bestellung des Beklagten zu 1) durch den Vater des Beklagten zu 1) sei ihr, was unstreitig ist, nicht einmal bekannt gewesen. Es bestehe nach dem Vertrag auch keine Verpflichtung der eingestellten Boten, Vertreter zu bestellen. Vorgeschlagene Vertreter müssten von ihr jeweils genehmigt werden. Das sei dem Beklagten zu 2) auch so erläutert worden.

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung der Parteien und Vernehmung der Zeugen T2 und X2 sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang abgewiesen, soweit sie gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichtet war. Der Klage gegen den Beklagten zu 1) hat es dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 1/3 stattgegeben.

Die Klage gegen den Beklagten zu 2) sei unbegründet, weil der Beklagte zu 1) von diesem nicht als Verrichtungsgehilfe bestellt worden sei. Der Beklagte zu 1) sei von dem Vater des Beklagten zu 2) beauftragt worden. Jedenfalls sei die Haftung nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen.

Die Beklagte zu 3) hafte weder aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 831 BGB. Sie habe den Beklagten zu 1) nicht selbst zur Verteilung beauftragt und von dem Vorgang auch nichts gewusst. Aus dem Arbeitsvertrag des Beklagten zu 2) mit der Beklagten zu 3) ergebe sich auch nicht, dass der Beklagte zu 2) eigenverantwortlich und ohne Zustimmung der Beklagten zu 3) für einen Vertreter habe sorgen müssen. Die Organisation der Vertretung liege vielmehr bei der Beklagten zu 3). Ihr könne deshalb auch kein Organisationsverschulden vorgeworfen werden, weil sie dies in die Hände der Verteiler gelegt habe.

Wegen der weiteren Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie die Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3) nach ihren erstinstanzlichen Klageanträgen, während sie die Berufung, soweit sie eine weitergehende Verurteilung des Beklagten zu 1) zum Gegenstand hatte, im Senatstermin vom 20. Januar 2009 zurückgenommen hat.

Die Klagen gegen die Beklagten zu 2) und 3) seien aus Rechtsgründen zu Unrecht abgewiesen worden. Auf eine Bestellung des Beklagten zu 1) durch den Vater des Beklagten zu 2) komme es nicht an. Der Vortrag zur Exkulpation sei von der Klägerin bestritten worden. Damit hätte das Gericht davon nicht ohne Beweisaufnahme ausgehen dürfen. Bei der Haftung der Beklagten zu 3) sei nicht berücksichtigt worden, dass die Vertreterbestellung durch die Regelungen in dem Arbeitsvertrag faktisch in die Hände der Zusteller gelegt worden sei. Der Beklagte zu 2) sei nicht auf die vertragliche Regelung hingewiesen worden, sondern es sei von ihm erwartet worden, einen Vertreter zu stellen. Auf die fehlende Kenntnis der Beklagte zu 3) von der konkreten Bestellung komme es deshalb nicht an. Die Beklagte zu 3) hätte die persönliche Leistungserbringung durch den Beklagten zu 2) regelmäßig kontrollieren müssen.

Die Klägerin beantragt nunmehr noch, die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1) zu verurteilen an sie

1.) 3.110,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.990,28 Euro seit 21. Juli 2006, aus 51,90 Euro seit 5. Juli 2007 und aus 61,60 Euro seit Rechtshängigkeit des Schriftsatzes vom 21. Januar 2008 zu zahlen,

2.) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch 10.000,- Euro, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 21. Juli 2006 und

3.) weiter 446,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Ferner beantragt sie,

4.) festzustellen, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die ihr anlässlich des Verkehrsunfalls entstanden sind, zu ersetzen.

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihrer bereits in erster Instanz dargelegten Rechtsansichten.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Münster 82 Js 5893/06 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Nach Zurücknahme der den Beklagten zu 1) betreffenden Berufung, ist in der Hauptsache nur noch über die Berufung gegen die Abweisung der Klagen gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) zu entscheiden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage gegen diese beiden Beklagten zu Recht abgewiesen.

1) Eine Haftung des Beklagten zu 2) ergibt sich nicht, wie die Klägerin meint, aus § 831 Abs. 1 BGB. Denn der Beklagte zu 1) war nicht als Verrichtungsgehilfe des Beklagten zu 2) tätig, als es zu dem Unfall mit der Klägerin kam. Damit kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 2) den ihm bei Anwendung des § 831 BGB obliegenden Entlastungsbeweis (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB) geführt hat. Die Eigenschaft als Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Beklagte zu 1) von Weisungen des Geschäftsherrn - also des Beklagten zu 2) - abhängig und in dessen Einflussbereich tätig gewesen sein muss. Das lässt sich nicht feststellen. Die Weisungsabhängigkeit muss zwar nicht die Einzelheiten der übertragenen Verrichtung betreffen, sie muss aber tatsächlich jedenfalls so weit ausgeprägt sein, dass die Tätigkeit des Verrichtungsgehilfen jederzeit beschränkt, entzogen oder nach Zeit und Umfang bestimmt werden kann (BGH WM 1998, 257; NJW-RR 1989, 723; BGHZ 45, 311; Palandt/Sprau, BGB, § 831 Rn. 6). Die Eigenschaft als Verrichtungsgehilfe setzt also eine faktische Einflussmöglichkeit auf die konkrete Art und Weise der Aufgabenerledigung durch den Verrichtungsgehilfen voraus.

Der Beklagte zu 1) war am 5. Juli 2006 mit der einmaligen Vertretung des Beklagten zu 1) beim Austragen des X betraut. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bzw. wie oft der Beklagte zu 1) bereits in der Vergangenheit im Einzelfall die Vertretung des Beklagten zu 2) übernommen hatte. Denn die Vertretung war nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls nicht auf Dauer oder für bestimmte Verhinderungsfälle regelmäßig angelegt, sondern ausschließlich für den einen Tag, an dem der Unfall geschehen ist, vereinbart, ohne dass eine Absprache über eine künftige Vertretung des Beklagten zu 2) getroffen worden ist.

Der Beklagte zu 1) sollte an diesem Tag 150 Exemplare des X verteilen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 2) oder sein Vater dabei irgendwelche Weisungen an den Beklagten zu 1) erteilt hätten bzw. woraus sich ergeben könnte, dass sie bei der Durchführung dieser Tätigkeit dem Beklagten zu 1) gegenüber weisungsbefugt sein sollten. Es handelt sich vielmehr um ein einem Werkvertrag nach § 631 Abs. 2 BGB vergleichbares Rechtsverhältnis. Denn geschuldet war lediglich ein durch eine Dienstleistung des Beklagten zu 1) herbeizuführender Erfolg, nämlich das Verteilen der 150 Zeitungen auf die Haushalte in einem bestimmten Gebiet der Stadt T. Der Beklagte zu 1) konnte die übertragene Tätigkeit selbstständig erledigen. Dass dem Beklagten zu 1) dazu erläutert werden musste, wo er die Zeitungen abzuholen und in welchem Gebiet er sie auszutragen hatte, stellt keine Weisung für die Art der Durchführung des Vertrages dar. Es handelt sich dabei lediglich um die Inhaltsbeschreibung des vom Beklagten zu 1) geschuldeten Erfolges. Wie der Beklagte zu 1) diese Verpflichtung erfüllt, war - soweit aus dem Vortrag der Parteien ersichtlich - allein seine Angelegenheit.

Es ist insbesondere nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 1) an den Inhalt des Vertrages des Beklagten zu 2) mit der Beklagten zu 3) gebunden war und der Beklagte zu 2) bzw. sein Vater zur Überwachung der darin enthaltenen Nebenpflichten berechtigt und in der Lage war. Es ist noch nicht einmal vorgetragen, dass dieser Vertrag dem Beklagten zu 1) überhaupt zur Kenntnis gebracht worden ist. Der Beklagte zu 1) handelte vergleichbar einem selbstständigen Subunternehmer oder sonstigen Handwerker, der regelmäßig nicht als Verrichtungsgehilfen des Hauptunternehmers angesehen wird (BGH NJW 1994, 2756; OLG Stuttgart, VersR 2002, 587; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 831 Rn. 12; Haag, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 17. Kap. Rn. 5), selbst wenn sich der Prinzipal eine Oberaufsicht bei der Durchführung der Tätigkeit vorbehalten hat (OLG Brandenburg, VersR 2003, 215). Eine Weisungsgebundenheit könnte man allenfalls darin erblicken, dass der Beklagte zu 2) bis zur Durchführung jederzeit in der Lage war, die Vereinbarung mit dem Beklagten zu 1) zu kündigen, ihm damit die Tätigkeit zu entziehen. Das allein reicht aber für die notwendige Weisungsabhängigkeit nicht aus, denn abzustellen ist auf ein während der Dauer und des Fortbestehens der Aufgabenerledigung vorhandenes Abhängigkeitsverhältnisses des Verrichtungsgehilfen einerseits und eine Einflussnahmemöglichkeit des Geschäftsherrn andererseits. Der Streitfall unterscheidet sich auch maßgeblich von dem eines ärztlichen Praxisvertreters, der an bestimmte Vorgaben für die Dauer seiner lägerfristigen Tätigkeit gebunden ist (vgl. dazu BGH NJW 1956, 1834). Dass Vergleichbares hier zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) vereinbart worden ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Andere Anspruchsgrundlagen für eine Haftung des Beklagten zu 2) sind nicht ersichtlich.

2) Die Haftung der Beklagten zu 3) kann ebenfalls nicht auf § 831 BGB gestützt werden. Denn sie muss nur für Personen als ihre Gehilfen einstehen, die sie zu einer Verrichtung bestellt hat. Dass die Beklagte zu 3) bzw. einer ihrer Vertreter oder Mitarbeiter überhaupt Kenntnis davon hatte, dass der Beklagte zu 1) an Stelle des Beklagten zu 2) die Auslieferung der Zeitung am Tag des Unfalls übernommen hatte, wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Der Geschäfsherr muss die Bestellung des Verrichtungsgehilfen zwar nicht selbst vornehmen, sondern kann dazu auch andere Personen beauftragen und bevollmächtigen. Eine Ermächtigung zur Bestellung eines Verrichtungsgehilfen durch den Beklagten zu 2) ist aber nicht in der Regelung der Nr. 16 des Arbeitsvertrages zwischen der Beklagten zu 3) und dem Beklagten zu 2) enthalten. Der Wortlaut dieser Regelung beinhaltet keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, im Falle seiner Verhinderung einen Vertreter zu bestellen. Denn dort ist lediglich geregelt, dass der Verteiler eine Ersatzkraft "nach Möglichkeit" bestellen "sollte". Dass die Beklagte faktisch die Bestellung einer Ersatzkraft erwartet und die Verteiler einschließlich des Beklagten zu 2) eine entsprechende Verpflichtung empfunden hätten, hat die Klägerin nicht konkret dargelegt und unter Beweis gestellt. Hinzu kommt, dass die einschlägige Klausel des Arbeitsvertrages die Verpflichtung des Verteilers vorsieht, die Ersatzkraft rechtzeitig vor dem Vertretungsfall der Beklagten zu 3) zu melden, damit diese ihr Einverständnis erteilen oder eine andere Ersatzkraft bestellen kann. Der Beklagte zu 2) war auch nach Nr. 5 des Vertrages verpflichtet, die Tätigkeit grundsätzlich selbst wahrzunehmen. Inhalt dieser vertraglichen Regelungen ist damit keine Ermächtigung der Verteiler, selbstständig Vertreter zu bestellen. Die Bestellung erfolgte danach ausschließlich durch die Beklagte zu 3), indem sie ihr Einverständnis mit dem vorgeschlagenen Vertreter erklärte oder aber selbst einen Vertreter beauftragte.

Dass der Beklagte zu 2) sich über diese vertraglichen Regelungen hinwegsetzte und ohne Benachrichtigung der Beklagten zu 3) eine Ersatzkraft bestellte, musste die Beklagte zu 3) nicht voraussehen. Die Klägerin hat jedenfalls keinerlei Umstände vorgetragen, aus denen sich hätte ergeben können, dass die Beklagte zu 3) damit auch nur hätte rechnen müssen. Sie konnte vielmehr grundsätzlich darauf vertrauen, dass die vertraglichen Regelungen vom Beklagten zu 2) eingehalten werden. Damit kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zu 3) die Vertreterbestellung - wie die Klägerin meint - "faktisch" in die Hände der Verteiler gelegt hat. Die vertraglichen Regelungen sprechen dagegen. Diese sind mangels konkreter abweichender Anhaltspunkte maßgebend für die Beurteilung, ob der Beklagte zu 2) wirksam Verrichtungsgehilfen für die Beklagte zu 3) bestellen konnte.

Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Beklagte zu 3) ausreichende Sicherungsvorkehrungen unterlassen und so ermöglicht habe, dass die Zeitung durch unzuverlässige und nicht von ihr überprüfte Boten ausgetragen wird, liegt darin der Vorwurf einer Verletzung von Kontroll- und Überwachungspflichten, die aber allenfalls unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB zu einer Haftung der Beklagten zu 3) führen kann. Während sich die Beklagte zu 3) im Anwendungsbereich des § 831 BGB dahingehend entlasten muss, dass sie die von ihr beauftragten Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt, ausreichend angeleitet und kontrolliert hat, hat im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB die Klägerin die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen ihr obliegende Kontrollpflichten darzulegen und zu beweisen. Dafür finden sich aber im Vortrag der Klägerin keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zu berücksichtigen ist, dass das Maß der Überwachung auch davon abhängt, wie gefahrenträchtig die von den Beschäftigten der Beklagten zu 3) ausgeübte Tätigkeit war. An die Überwachung der Boten beim Austragen von Zeitungen wird man daher keine allzu hohen Anforderungen stellen dürfen. Diese Anforderungen wären überzogen, wenn man von der Beklagten zu 3) regelmäßige Kontrollen verlangten wollte, dass und wie die von ihr eingesetzten Verteiler die Zeitungen persönlich austragen. Die Beklagte zu 3) musste sich die Übernahme der zu verteilenden Zeitungen deshalb auch nicht etwa regelmäßig persönlich von den Boten quittieren lassen. Eine regelmäßige Kontrolle kann allenfalls dann verlangt werden, wenn konkrete Verdachtsmomente dafür bestanden hätten, dass sich ein Bote in der Vergangenheit mehrfach über die Regelungen des Arbeitsvertrages hinweggesetzt hatte. Dazu hat die Klägerin aber nichts vorgetragen. Sie hat vielmehr bestritten, dass der Beklagte zu 2) den Beklagten zu 1) in der Vergangenheit als Vertreter eingesetzt hat. Darüber hinaus ist nicht vorgetragen worden, dass derartige Unregelmäßigkeiten der Beklagten zu 3) auch rechtzeitig bekannt geworden wären. Dass der Beklagte zu 2) aufgrund seines jugendlichen Alters nicht ausreichend geschäftlich erfahren gewesen sein könnte, ist für sich genommen ebenfalls nicht ausreichend. Die Behauptung der Klägerin, die vertraglichen Regelungen seien dem Beklagten zu 2) nicht bei Vertragsschluss erläutert worden, hat die Beklagte zu 3) bestritten, ohne dass die Klägerin ihre Behauptung unter Beweis gestellt hätte.

Danach ist auch eine Haftung der Beklagten zu 3) nach § 823 Abs. 1 BGB für ein etwaiges Organisations- und Überwachungsverschulden nicht festzustellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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