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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.03.2002
Aktenzeichen: 9 U 188/01
Rechtsgebiete: StVG, PflVG, StVO, ZPO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 18
StVG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVG § 17 Abs. 1 Satz 2
PflVG § 3 Nr. 1
StVO § 3
StVO § 7
StVO § 7 Abs. 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 188/01 OLG Hamm

Verkündet am 15. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schmitz, den Richter am Oberlandesgericht Rupp und die Richterin am Landgericht Bleistein

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. September 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit für einen Verkehrsunfall, der sich am 12.8.2000 - auf der BAB Gemarkung - ereignet hat.

Der Zeuge befuhr an diesem Tage gegen 08.55 Uhr mit dem bei der Klägerin gemieteten PKW Ford Mondeo die linke Fahrspur der im Bereich dreispurigen BAB in Fahrtrichtung. Zur selben Zeit befuhr der Beklagte zu 1) mit dem Omnibus der Beklagten zu 2) den rechten Fahrstreifen der BAB in dieselbe Richtung. Dabei führte der Beklagte zu 1), ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, einen Fahrstreifenwechsel auf die mittlere Fahrspur aus. Hierdurch zwang er die mit einem Van (Opel Zintra) und einer Geschwindigkeit von ca. 130 km/h auf der mittleren Spur fahrende Zeugin zu einem plötzlichen Fahrstreifenwechsel auf die linke Spur, wo der Zeuge sich mit dem gemieteten Ford Mondeo bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h näherte. Um ein Auffahren auf den Van zu vermeiden, führte der Zeuge eine Vollbremsung durch und lenkte den PKW der Klägerin gegen die linke Leitplanke. Hierbei wurde das Fahrzeug beschädigt.

Die Klägerin macht die Beklagten für den ihr entstandenen Schaden allein verantwortlich und meint, der Unfall sei für den Zeugen unabwendbar gewesen. Mit der Klage hat sie zunächst ihren gesamten mit 12.780,62 DM bezifferten Schaden und nach Zahlung eines Teilbetrages (3.554,41 DM) durch die Beklagte zu 3) noch den restlichen Schaden geltend gemacht.

Die Beklagten sind diesem Begehren entgegengetreten und haben eine über die Quote von 1/4 hinausgehende Verantwortung des Beklagten zu 1) für den Unfall bestritten.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und Anhörung des Beklagten zu 1) der Klage in vollem Umfang stattgegeben (12.780,62 DM ./. 3.554,41 DM). Es hat ein schuldhaft verkehrswidriges Verhalten des Beklagten zu 1) als alleinige Unfallursache bejaht und die Kollision als unabwendbar für den Zeugen angesehen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung, soweit der Klägerin ein über die Quote von 3/4 hinausgehender Ersatzanspruch zuerkannt worden ist. Sie meinen, die Klägerin müsse sich die mit einem Anteil von 1/4 zu bewertende Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges anrechnen lassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin hat wegen des Verkehrsunfalls vom 12. August 2000 gegen die Beklagten gemäß §§ 7, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 6.534,63 € (12.780,62 DM) erlangt. Nach der während des Rechtsstreits durch die Beklagte zu 3) erfolgten Zahlung von 1.817,34 € (3.554,51 DM) steht ihr noch eine restliche Forderung in Höhe von 4.636,26 € (9.226,11 DM) zu.

1.

Dass der Unfall von dem Beklagten zu 1) durch einen verkehrsgefährdenden Fahrstreifenwechsel mit einem bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Kraftomnibus der Beklagten zu 2) verursacht worden ist und damit die Haftungstatbestände der §§ 7 Abs. 1 und 18 Abs. 1 Satz 1 StVG erfüllt sind, steht außer Streit.

2.

Der Senat stimmt dem Landgericht im Ergebnis zu, dass die Klägerin sich keine Anspruchsminderung entgegenhalten lassen muss.

a)

Allerdings reicht das bisherige Beweisergebnis nicht aus, um gem. § 7 Abs. 2 StVG eine Unabwendbarkeit des Unfalles für den Zeugen feststellen zu können.

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist die Unabwendbarkeit eines Autobahnunfalles für Fahrzeugführer, die die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschreiten, grundsätzlich zu verneinen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn derjenige, der sich auf § 7 Abs. 2 StVG beruft, den Nachweis führt, dass es auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit ZH einem Unfall mit vergleichbar schweren Schäden gekommen wäre (BGHZ 117, 337 ff.).

Diese positive Feststellung kann nach der Beurteilung des Senats - entgegen der Beweiswürdigung des Landgerichts - durch die Aussagen der Zeugen sowie nicht hinreichend sicher getroffen werden. Zwar ist auch der Senat nach den Bekundungen der Zeugen davon überzeugt, dass der Zeuge im Zeitpunkt des erzwungenen Spurwechsels der Zeugin bereits nahe an dieses Fahrzeug herangefahren war. Dies folgt insbesondere aus der Darstellung der Zeugin, sie habe den vor ihr fahrenden Omnibus der Beklagten zu 2) nach dem Unfall nicht mehr überholt, sondern hinter diesem angehalten. Ein solches Verhalten ist nur denkbar, wenn das Ausscheren des Busses, der Spurwechsel der Zeugin und das zu dem Schaden führende Ausweichen des Zeugen sich in einem sehr engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang abgespielt haben. Dennoch reicht auch dieser enge Zusammenhang nicht zu der positiven Feststellung aus, dass der Zeuge auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit nicht wesentlich anders reagiert und seine Reaktion auch in einem solchen Fall zu einem vergleichbar schweren Schaden geführt hätte. Eine hinreichend sichere Feststellung dieser Umstände hätte vielmehr die Hinzuziehung eines verkehrstechnischen Sachverständigen vorausgesetzt, um die Unfallschilderung der Zeugen etwa durch eine Zeit-Wege-Analyse der einzelnen Teilakte des Unfallherganges und eine Plausibilitätskontrolle der Zeugenangaben aus naturwissenschaftlich-technischer Sicht zu überprüfen.

b)

Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist hier aber letztlich entbehrlich und die Frage des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, da bei der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren die durch ein grob verkehrswidriges Fahrverhalten des Beklagten zu 1) wesentlich erhöhte Betriebsgefahr des Kraftomnibusses so schwer wiegt, dass demgegenüber die unfallursächlich gewordene Betriebsgefahr des Kläger-PKW vollständig zurücktritt.

Der von dem Beklagten zu 1) vorgenommene verkehrsgefährdende Fahrstreifenwechsel von der rechten auf die mittlere Fahrspur des Bundesautobahn stellt einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift des § 7 Abs. 5 StVO auch für Autobahnen gilt. Bejaht man dies, folgt die grobe Verkehrswidrigkeit aus dem besonders strengen Sorgfaltsgebot des § 7 Abs. 5 StVO, wonach Fahrstreifenwechsel nur zulässig sind, wenn dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Wendet man § 7 StVO hingegen auf Autobahnen nicht an, ergibt sich die Qualifizierung als grobe Verkehrswidrigkeit aus der mit unvermuteten Fahrstreifenwechseln im Schnellverkehr verbundenen hohen Unfallgefahr. Das erhöhte Gewicht eines solchen Verkehrsverstoßes beruht in beiden Fällen darauf, dass das grundsätzliche Einhalten von Fahrstreifen und ein Spurwechsel nur unter der Voraussetzung äußerster Vorsicht Kernbedingungen für einen berechenbaren und möglichst gefahrlosen Verkehrsfluss darstellen. Durch diesen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) hat sich eine wesentlich gesteigerte Betriebsgefahr des von ihm geführten Kraftomnibusses bei dem Unfall ausgewirkt.

Demgegenüber kann kein verkehrswidriges Verhalten des Zeugen als gefahrerhöhender Umstand des klägerischen PKW festgestellt werden. Die von der Klägerin eingeräumte Geschwindigkeit von ca. 160 km/h überschreitet zwar die vorgeschlagene Richtgeschwindigkeit, begründet aber keinen Verstoß gegen § 3 StVO. Auch unaufmerksames Verhalten oder ein sonstiger Fahrfehler des Zeugen ist nicht bewiesen.

Die somit verbleibende und in die Abwägung einzustellende allgemeine Betriebsgefahr des PKW Ford Mondeo wiegt nach den Umständen des Falles gegenüber der durch groben Fahrfehler des Beklagten zu 1) deutlich erhöhten Betriebsgefahr des Kraftomnibusses so gering, dass sie im Ergebnis vernachlässigt werden kann und muss. Dieses Abwägungsergebnis steht nicht im Widerspruch zu der grundsätzlichen Auffassung des Bundesgerichtshofs. Zwar hat dieser in seinem in BGHZ 117, 337 ff. veröffentlichten Urteil ein Zurücktreten der Betriebsgefahr eines schneller als mit Richtgeschwindigkeit fahrenden Kraftfahrzeuges verneint, hätte diese in dem von ihm zu entscheidenden Falll jedoch nicht gegen die durch verkehrsgefährdenden Fahrstreifenwechsel deutlich erhöhte Betriebsgefahr des gegnerischen Fahrzeuges abzuwägen. In dem vorliegenden Fall ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die feststellbare Geschwindigkeit von 160 km/h keine wesentliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit darstellt und der klägerische PKW nach der - oben dargelegten - Überzeugung des Senats bei Beginn des von dem Beklagten zu 1) erzwungenen Fahrstreifenwechsels der Zeugin bereits nahe an deren Fahrzeug herangefahren war, so dass jedenfalls nicht positiv festgestellt werden kann, dass sich die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit in einem nennenswerten und für eine Anspruchsminderung ausreichenden Maße auf die Entstehung des Unfalls tatsächlich ausgewirkt hat. Diese besonderen Umstände gebieten bei der Abwägung im Ergebnis das vollständige Zurücktreten der Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs.

3.

Die von der Klägerin mit 6.534,63 € (12.780,62 DM) bezifferte Schadenshöhe sowie der während des ersten Rechtszuges gezahlte Betrag von 1.817,34 € (3.554,41 DM) sind nicht bestritten und der Zinsausspruch des Landgerichts nicht angegriffen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 543 ZPO n.F.). §§ 7, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG einen Schadenersatzanspruch in Höhe §§ 7 Abs. 1 und 18 Abs. 1 Satz 1 StVG erfüllt sind, § 7 Abs. 2 StVG eine Unabwendbarkeit des Unfalles f § 7 Abs. 2 StVG beruft, den Nachweis führt, dass es § 7 Abs. 2 StVG bedarf hier keiner abschließenden E § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der § 7 Abs. 5 StVO auch für Autobahnen gilt. Bejaht ma § 7 Abs. 5 StVO, wonach Fahrstreifenwechsel nur zul § 7 StVO hingegen auf Autobahnen nicht an, ergibt s § 3 StVO. Auch unaufmerksames Verhalten oder ein so § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufi § 708 Nr. 10 ZPO. Für die Zulassung der Revision be

Ende der Entscheidung

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