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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: 9 U 33/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
ZPO § 529
ZPO § 531 II
Netzrisse in der Fahrbahndecke (sog. Elefantenhaus) können Anzeichen einer bevorstehenden gefahrenträchtigen Ablösung der Verschleißdecke sein und bedürfen daher - erst recht bei einer Straße mit hohem Verkehrsaufkommen - regelmäßiger Kontrolle. Bei hoher Verkehrsbelastung wird eine wöchentliche Kontrolle der Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht gerecht. Netzrisse erfordern Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, wenn sich der Aufbruch der Fahrbahndecke durch Verbreiterung der Risse infolge Ablösens der Risskanten ankündigt.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Oktober 2003 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: I. Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er rügt eine Verkennung des Umfangs der von der Beklagten zu erfüllenden Verkehrssicherungspflicht durch das Landgericht. So sei zum einen die von der Beklagten eingeräumte Kontrolldichte hinsichtlich des Fahrbahnzustandes von nur einer Woche angesichts der Verkehrsbedeutung der B1 ( "Ruhrschnellweg" ) und der jahreszeitlichen Witterung zum Winterende mit regelmäßigen Tau- / Frostperioden für das rechtzeitige Erkennen drohender Fahrbahnaufbrüche nicht ausreichend gewesen. Bei geboten dichter Kontrolle - mehrmals wöchentlich, wenn nicht täglich - wäre der bereits in der Entstehung begriffene Fahrbahnschaden als bekanntermaßen große Gefahr für den späteren Asphaltaufbruch erkennbar und zu beseitigen gewesen. Bei auch in ihrer Art ausreichender Überprüfung hätte die Beklagte ebenfalls feststellen müssen, ob die Straße ordnungsgemäß erstellt wurde und der Straßenuntergrund die erforderliche Festigkeit aufwies. Zahlreiche - im einzelnen von der Beklagten mitzuteilende - Fahrbahnausbesserungen an der B 1 nach dem Schadensereignis belegten zudem einen größeren Reparaturstau, mithin die Erforderlichkeit einer schon früheren Sanierung, zumindest einer häufigeren Kontrolle des Zustandes. Schließlich sei das angefochtene Urteil fehlerhaft, indem es sich auf Angaben des Sachverständigen stütze, für die keine ausreichende Tatsachengrundlage bestanden habe. Der erst nach der Anhörung des Klägers im Kammertermin erschienene Sachverständige habe sich auf eine vermeintliche Schilderung des Schadenshergangs durch den Kläger - Herausbrechen einer größeren Asphaltfläche - gestützt, die dieser zu keiner Zeit vorgetragen gehabt habe. Der Kläger beantragt, abändernd die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.214,73 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.4.2002 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und hält daran fest, die Anforderungen an die Kontrolldichte hinsichtlich der Fahrbahn erfüllt zu haben. Allein das Auftreten kleiner Risse in der Fahrbahnoberfläche - sog. "Elefantenhaut" - begründe noch keinen Handlungsbedarf, sondern erst das Hinzutreten weiterer, vom Sachverständigen bezeichneter, hier jedoch fehlender Erscheinungen ( Verbreiterung der Risse, Abbröseln der Risskanten ). Der vom Sachverständigen angenommene Ablauf, bei dem sich eine größere Fläche der Deckschicht in einem Stück von ihrem Untergrund gelöst hat, sei ohne unzumutbares Abtragen der gesamten Schichten überhaupt nicht eingrenzbar voraus zu sehen. Die im Jahr 2002 von ihr, der Beklagten, turnusmäßig durchgeführten Straßenbauarbeiten hätten nichts mit der Ausbesserung einzelner Beschädigungen zu tun. II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache erfolglos, weil das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB nicht zu. Er hat nicht beweisen können, dass die Beklagte die ihr als Amtspflicht obliegende Verkehrssicherungspflicht bezüglich des hier betroffenen Teilabschnitts der Ortsdurchfahrt der B 1 schuldhaft verletzt hat. Der Umfang der Sicherungspflicht wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung sowie von dem äußeren Erscheinungsbild des Gefahrenbereiches maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes. Der Verkehrssicherungspflichtige hat im Rahmen des ihm wirtschaftlich Zumutbaren die Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des Verkehrs geeignet sind, die Gefahren abzuwenden, die bei einer bestimmungsgemäßen Benutzung der Straßen drohen. Nach diesem Maßstab stellte der in Teilbereichen mangelhafte Verbund der Asphaltdecke einen objektiv verkehrswidrigen Zustand im Sinne einer abhilfebedürftigen Gefahrenquelle dar. Der Kläger hat jedoch ein Verschulden der Beklagten nicht beweisen können. Es ist auch nicht erwiesen, dass der Zustand der Fahrbahndecke für die Beklagte schon vorher erkennen ließ, dass die Ablösung jedenfalls bei den herrschenden Witterungsverhältnis und der Verkehrsbelastung kurz bevorstand und sie deshalb für eine rechtzeitige ( provisorische ) Ausbesserung sorgen oder - soweit diese witterungsbedingt am Winterende noch nicht tunlich war -, der Gefahr eines kurzfristigen Aufbrechens der Verschleißdecke durch entsprechende Verkehrsbeschränkungen vorzubeugen musste. Allerdings ist eine Kontrolldichte von nur einer Woche für eine Straße mit dieser gerichtsbekannt hohen Verkehrsbedeutung und zudem - nach eigenem Vorbringen der Beklagten - nicht mehr völlig einwandfreier Fahrbahndecke ( "Elefantenhaut" ) nicht ausreichend. Der Sachverständige hat nämlich ausgeführt, dass eine Rissbildung durchaus innerhalb von zwei Tagen so schadhaft werden kann, dass sie aufbricht. Auch lässt der Umstand, dass der fragliche Straßenabschnitt durch Polizeifahrzeuge besonders stark frequentiert sein soll, eine Verringerung der gebotenen eigenen Überwachung durch den Verkehrssicherungspflichtigen nicht zu. Auf diese Erwägungen kommt es jedoch für die Entscheidung nicht an. Selbst durch noch engmaschigere Überwachungen wäre der Schadensfall des Klägers nicht verhindert worden, weil erst am Tage vor dem Unfall, am 28.2.2002, die letzte Kontrollfahrt durchgeführt worden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die erkannte Haarrissbildung bereits als solche der Beklagten Veranlassung zum Tätigwerden hätte geben müssen. Das kann nach dem Sachverständigengutachten nicht festgestellt werden. Danach geboten die der Beklagten bekannten Netzrisse in der Verschleißdecke ein Eingreifen erst, wenn sich der Aufbruch durch eine Verbreiterung der Risse infolge Abbröselns der Risskanten als bevorstehend angekündigt hätte. Solche Anzeichen hätte der Streckenkontrolleur nicht übersehen dürfen. Es steht aber nicht fest, dass die Risse bereits dieses Ausmaß erreicht hatten. Das lässt sich auch nicht aus dem schadensursächlichen Aufbrechen der Asphaltdecke schon am Tag nach der Kontrolle folgern, denn der Gutachter benennt dafür eine weitere mögliche und nach der Darstellung des Klägers vom Schadenseintritt sogar wahrscheinliche Ursache, die für die Beklagte selbst aufgrund der Haarrisse nicht vorhersehbar war, nämlich die Ablösung größerer Teilflächen der Verschleißdecke von ihrem Unterbau. Diese Ablösung ist durch äußerliches Betrachten regelmäßig nicht früher erkennbar. Eine darüber hinausgehende Prüfung war der Beklagten nicht zumutbar, solange nur unverfängliche Netzrisse vorlagen. Diese Möglichkeit der flächigen Ablösung von Teilen der Verschleißdecke vom Fahrbahnunterbau hat der beweispflichtigen Kläger nach dem Beweisergebnis nicht ausgeschlossen. Der Sachverständige schließt plausibel aus der Schilderung des Klägers vom Aufriss der Fahrbahn und der Verteilung der Teerbrocken, dass sich ein größeres, flaches Teilstück der Verschleißdecke - für ihn erklärbar nur durch deren flächige Ablösung von dem Unterbau - infolge des Drucks des Lkw-Gewichts gelöst hat. Soweit der Kläger dem jetzt entgegenhalten will, er habe solches nicht vorgetragen und der Sachverständige sei bei seiner Anhörung noch nicht zugegen gewesen, kann er damit nicht durchdringen. Er und sein Prozessbevollmächtigter waren bei der mündlichen Gutachtenerstattung zugegen und hätten den Ausführungen des Sachverständigen entgegentreten müssen, wenn sie dessen Annahme für ungerechtfertigte Spekulation hielten. Tatsächlich hat der Kläger jedoch vor der Kammer eine Schilderung gegeben gehabt und bei seiner Anhörung vor dem Senat wiederholt, die durchaus auf die von dem Sachverständigen angenommene flächige Ablösung einer größeren Asphaltmenge von ihrem Unterbau hindeutet. Mit diesem - auch inhaltlich unberechtigten - Angriff gegen das Sachverständigengutachten kann der Kläger daher gemäß §§ 529, 531 II ZPO nicht mehr gehört werden. Letzteres gilt in gleicher Weise für den - im Übrigen unsubstanziierten - neuen Vortrag, zahlreiche weitere Ausbesserungsmaßnahmen nach dem Vorfall belegten einen schon vor dem Schadensereignis für die Beklagte offensichtlichen Reparaturstau. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger gemäß § 97 ZPO zu tragen. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 II ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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