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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: 9 U 45/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ProdHG


Vorschriften:

ZPO § 156 Abs. 1
ZPO § 296 a
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 524 Abs. 1
BGB § 823
ProdHG § 1 Abs. 1 S. 2
1. Es ist verfahrensfehlerhaft, wenn das Landgericht neuen Vortrag, der mit dem Widerruf eines bedingten Vergleiches in den Rechtsstreit eingeführt wird, ohne Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung berücksichtigt. Ein solcher Verfahrensfehler schließt die Zurückweisung des entsprechenden Vortrages im Berufungsrechtszug nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO aus.

2. Der Zwischenhändler haftet dem gewerblichen Verwender nicht für eine Fehlerhaftigkeit von Thermostaten (hier für Weinkühlschrank) aus Delikt, wenn eine eigene Kontrollpflicht auf Fehlerfreiheit mangels verdächtiger Umstände wie etwa eine erkennbare Schadenshäufung nicht bestanden hat.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Dezember 2003 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: (gem. § 540 ZPO) I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, die ihm einen Thermostaten für einen Weinkühlschrank geliefert hat, Schadensersatz in Höhe von 10.343,15 EUR für eingefrorene Flaschenweine. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hierzu in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter, wobei er insbesondere die Verfahrensweise und die rechtliche Beurteilung des Landgerichts angreift. II. Die Berufung hat keinen Erfolg. 1. Kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte scheiden aus, da zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustandegekommen ist; weder über den ursprünglichen Kühlschrank als Ganzes, noch über das Ersatzteil Thermostat. Letzteres ist vielmehr - was zwischen den Parteien unstreitig ist- aus Kulanz von der Beklagten an den Kläger geliefert worden. 2. Auch Ansprüche aus einem Schenkungsvertrag sind nicht gegeben, da der Schenker nach § 524 Abs. 1 BGB für Sachmängel nur bei Arglist haftet, wozu vom Kläger nichts vorgetragen ist, und die im übrigen auch sonst nicht ersichtlich ist. 3. Eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz scheidet aus, da das Produkthaftungsgesetz bei Sachbeschädigung nach § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHG nur private, nicht aber gewerbliche Endkunden schützt. 4. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung - hier wegen schuldhafter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht - gem. § 823 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. a) Der Thermostat ist von der Beklagten selber als Einzelteil zugekauft worden. Der dahingehende Vortrag der Beklagten ist der Entscheidung zugrunde zu legen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, daß das Landgericht den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten, den diese erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung in einem Schriftsatz gebracht hat, mit dem sie den vor dem Landgericht geschlossenen Widerrufsvergleich widerrufen hat, entweder nach § 296 a ZPO nicht hätte berücksichtigen dürfen, oder - was hier die angemessene Verfahrensweise gewesen wäre - nach § 156 Abs. 1 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung hätte eintreten müssen. Dieser Verfahrensfehler des Landgerichts führt jedoch nicht dazu, daß der entsprechende Vortrag in der zweiten Instanz nach § 531 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig wäre. Denn der Rechtsstreit fällt in der Berufungsinstanz mit allen aktenkundigen Vorträgen zur Entscheidung an (BGH NJW 2004, S. 1876). Hierzu gehört vorliegend aber auch der Vortrag in dem vorgenannten Schriftsatz der Beklagten. Im übrigen: Hätte das Landgericht das gebotene Verfahren angewandt und wäre nach § 156 Abs. 1 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung eingetreten, hätte dies zur Berücksichtigung des entsprechenden Vortrages bereits in erster Instanz und damit - dann ganz unproblematisch - auch zur Berücksichtigungsfähigkeit des Vortrags in der zweiten Instanz geführt. Der Verfahrensfehler des Landgerichts, der außerhalb der Einflußmöglichkeiten der Beklagten gelegen hat, kann im Ergebnis nicht dazu führen, daß die Beklagte nunmehr mit ihrem Vortrag nach § 531 ZPO in der Berufungsinstanz ausgeschlossen wäre. b) Da die Beklagte den Thermostaten selber als Ersatz- bzw. Einzelteil zugekauft und an den Kläger weitergeleitet hat, ist sie insoweit nur als Zwischenhändlerin anzusehen. Als solche ist sie aber nach § 823 BGB auch dann nicht haftbar, wenn - was streitig ist- der Thermostat tatsächlich defekt gewesen wäre. Denn selbst bei einem Weiterverkauf träfe die Beklagte als Zwischenhändlerin kein Verschulden im Hinblick auf eine nicht erfolgte Funktionsprüfung des Thermostaten vor Weitergabe (BGH NJW 1981, S. 1269). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der Beklagten um eine Großhändlerin (BGH NJW 1981, S. 1269) oder um eine Einzelhändlerin (BGH VersR 1994, S. 319) handelt; dies schon deswegen, weil die Sachverhalte jeweils vergleichbar sind und nicht die ggf. fließende bzw. eher zufällige Abgrenzung, ob der Weiterverkäufer Groß- oder Einzelhändler ist, über das Ergebnis entscheiden kann. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Beklagten etwa häufige Fehler baugleicher Thermostate bekannt geworden wären, so daß die Beklagte in diesem Fall aus konkretem Anlaß ggf. hätte verpflichtet sein können, auch jeweils einzelne Thermostate vor Weitergabe auf ihre Funktionstauglichkeit hin zu überprüfen. Hierzu ist jedoch vom Kläger nichts vorgetragen und auch im übrigen nichts ersichtlich. Damit handelt es sich aber bei dem - insoweit den klägerischen Vortrag als richtig unterstellt - defekten Thermostaten allenfalls um einen "Ausreißer", für den selbst den Weiterverkäufer (Zwischenhändler) keine Deliktshaftung trifft. Das alles muß dann erst recht gelten, wenn das Produkt nicht verkauft, sondern wie hier verschenkt wird. c) Es kommt schließlich auch nicht darauf an, daß die Beklagte in ihrem Geschäftsbetrieb Kühlschränke herstellt und vor Auslieferung der Kühlschränke ggf. - was die Beklagte im übrigen auch gar nicht in Abrede stellt - auch dann zu einer Prüfung der kompletten Kühlschränke verpflichtet ist, wenn diese ganz oder zum Teil aus zugekauften Einzelteilen hergestellt worden sind. Hier ging es eben nicht um den kompletten Kühlschrank des Klägers, den dieser im übrigen noch nicht einmal bei der Beklagten gekauft hat, sondern ganz konkret um die "Bestellung" des streitgegenständlichen Thermostaten. III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1,101, 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

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