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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.10.2005
Aktenzeichen: 9 UF 134/05
Rechtsgebiete: FGG, BGB, IntFamRVG


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 22
BGB § 1684 IV
IntFamRVG § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
9 UF 134/05 (bisher 29 W 13/05)

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamm vom 28. Januar 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, vertreten durch den Generalbundesanwalt, begehrt die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Beschlusses des Amtsgerichts Lubin / Polen vom 27.9.2001, mit dem ihm der begleitete Umgang mit seiner Tochter K, geboren am 25.12.1999, zweimal monatlich für jeweils zwei Stunden am Wohnort der Mutter des Kindes in M bewilligt worden ist. Der Antragsteller und die Mutter des Kindes, die Antragsgegnerin des vorliegenden Verfahres, sind nicht miteinander verheiratet. Mutter und Kind leben inzwischen in H.

Das Amtsgericht hat den Antrag umgehend zurückgewiesen, weil der Zeitablauf und der Ortswechsel Umstände darstellten, die gemäß Art.10 I b Europäisches Sorgerechtsübereinkommen vom 20.5.1980 - EuSorgeRÜ - zur Verweigerung der Anerkennung berechtigten; eine Anpassung der Regelung an die veränderten Umstände nach Art.11 EuSorgeRÜ komme nicht in Betracht.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Nachdem sich im Beschwerdeverfahren die Antragsgegnerin in anwaltlicher Vertretung geäußert hat, hat der Senat dem Antragsteller auf Antrag des Generalbundesanwalts unter Beiordnung eines Rechtsanwalts Prozeßkostenhilfe bewilligt.

II.

Die gemäß § 8 Abs.2 des bei Einlegung des Rechtsmittels noch geltenden Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetzes vom 5.4.1990 i.V.m. § 22 FGG zulässige Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, weil die Entscheidung Ermittlungen voraussetzt, die zweckmäßiger Weise durch das Eingangsgericht betrieben werden(vgl. Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rz.21), und weil die Verbindung mit weiterreichenden Verfahren zur Umgangsregelung in Betracht kommt, die nicht beim Beschwerdegericht anhängig gemacht werden könnten, für die aber das AG Hamm gemäß § 13 Internationales Familienverfahrensrechtsgesetz - IntFamRVG - ebenfalls zuständig wäre.

III.

Das Amtsgericht hat die Bedeutung der Art.10 (1) b und 11 (2) EuSorgeRÜ verkannt.

1.

Der schlichte Umzug des Kindes nach Deutschland und der - bislang ungeklärte - zeitliche Abstand zwischen dem letzten Treffen des Antragstellers mit der Antragsgegnerin und dem Kind rechtfertigen noch nicht ohne weitere Ermittlungen die Verweigerung der Anerkennung der gerichtlichen Regelung eines zweimal zweistündigen Umgangs pro Monat in Begleitung der Mutter und einer dritten (amtlichen) Person. Die Anerkennungsverweigerung ist nur zulässig, wenn die Wirkungen der Entscheidung des Erstgerichts mit dem Wohl des Kindes offensichtlich, eindeutig und in gravierendem Maße nicht mehr vereinbar sind, weil sich seit Erlaß der Entscheidung die Verhältnisse wesentlich verändert haben (Staudinger/Pirrung, BGB, 1994, Vorbem. 790 zu Art.19 EGBGB unter Bezugnahme auf den Bericht zum Übereinkommen). Dazu liegen nunmehr nach der Einlassung der Antragsgegnerin erste, wenngleich prüfungsbedürftige Erkenntnisse vor, um die schon das Amtsgericht sich gemäß § 12 FGG hätte bemühen müssen. Dazu ist es auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung verpflichtet und es kann ggf. auch die Behörden im Entscheidungsstaat einbeziehen (Art.15 I b EuSorgeRÜ). Immerhin hatte das polnische Gericht den Umgang trotz des damaligen Alters des Kindes von nicht einmal zwei Jahren angeordnet. Es ist zu vermuten, daß die Antragsgegnerin einen Teil der jetzt erhobenen Einwände schon damals vorgetragen hat oder hätte vortragen können. Die Behauptung, daß der Antragsteller das Kind nicht kennt bzw. daß es schon drei Monate nach Geburt nach Deutschland verzogen ist, läßt sich mit dem Datum der mündlichen Verhandlung vor dem seinerzeit unangefochten zuständigen polnischen Gericht ebenso wenig vereinbaren wie mit der Behauptung, der Antragsteller hätte sich bei den - also doch - stattgefundenen Treffen nie um das Kind , sondern nur um die Antragsgegnerin gekümmert.

Schon gar nicht läßt sich die Anerkennungsverweigerung damit rechtfertigen, daß der Umgang des Antragstellers eigentlich auszuschließen wäre, wie die Antragsgegnerin geltend macht, denn dafür sprechende zwingende Erfordernisse des Kindeswohls, auf die der angesichts des nunmehrigen Aufenthaltes des Kindes in Deutschland anzuwendende § 1684 IV BGB verweist, ergeben sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht.

2.

Ohne eine Stellungnahme der Antragsgegnerin, hätte die Anerkennung offensichtlich näher gelegen. Einer Modifikation der Umgangsregelung in der Weise, daß sie nunmehr am neuen Wohnort der Antragsgegnerin und unter Mitwirkung des deutschen Jugendamtes stattzufinden hätte, steht Art.11 (2) EuSorgeRÜ nicht entgegen. Die Bestimmung läßt erheblich weiterreichende Modifikationen zu (vgl. Pirrung, aaO, Rz.797). Schließlich hätte das Amtsgericht die angefochtene Entscheidung nicht treffen dürfen, ohne vorher das Kind anzuhören oder darzulegen, warum das Kind nicht anzuhören war (Art.15 I a EuSorgeRÜ), was wiederum zwingend die Anhörung der Antragsgegnerin voraussetzte. Allerdings bedeutet eine weigerliche Haltung des Kindes allein nicht ohne weiteres einen Grund zur Anerkennungsverweigerung (Pirrung, aaO, Rz.811).

IV.

Sollten nach den vorzunehmenden Ermittlungen Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung verbleiben, kommt angesichts der umfassenden Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamm nach § 13 IntFamRVG auch eine Neuregelung des Umgangs in Betracht, mit der der Antragsteller offensichtlich einverstanden wäre. Im Falle der Anerkennung könnte die Antragsgegnerin ggf. beim Amtsgericht ihres Wohnortes die Abänderung der anerkannten Regelung betreiben.

Ende der Entscheidung

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