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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 9 UF 24/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7
ZPO § 538 Abs. 2 S. 3
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 623 Abs. 1 S. 1
BGB § 1379
BGB § 1580
BGB § 1587e Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Teilurteil des Amtsgerichts Lemgo vom 9. Januar 2006 wird samt des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben übereinstimmend beantragt, ihre am 06.06.1998 geschlossene Ehe zu scheiden. Sie streiten um die Scheidungsfolgesachen Durchführung des Versorgungsausgleichs, Zugewinn und nachehelichen Unterhalt. Der Antragsteller beruft sich auf einen notariellen Ehevertrag vom 03.06.1996, aufgrund dessen die Antragsgegnerin nach der Scheidung keinerlei Ansprüche habe. Die Antragsgegnerin hält die gesamte Regelung für unwirksam und macht im Wege von Stufenklagen im Scheidungsverbundverfahren Ansprüche auf Zugewinn und nachehelichen Unterhalt geltend.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat beide Stufenklagen durch Teilurteil abgewiesen, hinsichtlich des nachehelichen Unterhaltes beschränkt auf die Auskunftsstufe, hinsichtlich des Zugewinnausgleiches auch auf der Leistungsstufe. Der Ausschluss des Zugewinnausgleiches halte der Inhaltskontrolle stand und der Antragsteller sei auch berechtigt, diesen Ausschluss geltend zu machen, weshalb die Klage insoweit abzuweisen sei. Der Ausschluss des nachehelichen Unterhaltes sei zwar grundsätzlich wirksam, müsse aber im Wege der sog. Ausübungskontrolle angepasst werden. Die Antragsgegnerin sei zumindest so zu stellen, wie sie vor der Eheschließung gestanden habe. Dafür sei ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 1.600-1.800€ notwendig. Insoweit sei der Antragsteller aber unstreitig leistungsfähig, so dass es keiner weiteren Auskünfte bedürfe und die Klage insoweit auf der Auskunftsstufe abzuweisen sei.

Dagegen wendet die Berufung der Antragsgegnerin ein, der Ehevertrag sei insgesamt sittenwidrig und ferner wegen Verstoßes gegen die Beurkundungsvorschriften unwirksam. Sie beantragt,

1.) den Antragsteller zur Folgesache Zugewinnausgleich entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag der Antragsgegnerin vom 6.6.2005 zu verurteilen, wobei das Verfahren hinsichtlich der 2. Stufe (Zahlungsstufe) zur Fortsetzung an das erstinstanzliche Gericht zurück zu verweisen ist;

2.) den Antragsteller zur Folgesache nachehelicher Unterhalt entsprechend den erstinstanzlichen Anträgen der Antragsgegnerin vom 28.11.2005 zu Ziff. 1.) und 2.) zu verurteilen.

Der Antragsteller verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Das erstinstanzliche Urteil war gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO mitsamt des zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und zur erneuten Verhandlung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Denn das angefochtene Urteil ist ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO in aller Regel vor (vgl. BGH WM 1994, 865; Zöller/Bearbeiter Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 538 Rn. 55). So ist es hier.

1.

Soweit das Amtsgericht die Klage hinsichtlich des Zugewinnausgleiches abschließend abgewiesen hat, liegt darin ein Verstoß gegen § 623 Abs. 1 S. 1 ZPO. Eine Vorab-Entscheidung durch Teilurteil war unzulässig gemäß § 301 ZPO, denn die Ansprüche wurden als Folgesachen im Scheidungsverbund geltend gemacht und müssen mit der Scheidungssache im Verbund entschieden werden. Es fehlt deshalb an der erforderlichen Unabhängigkeit von Teil- und Schlussurteil (vgl. Gottwald, FamRZ 2002, 1266; Zöller/Philippi, aaO, § 623 Rn. 38; Zöller/Vollkommer, aaO, § 301 Rn. 3 mwN). Zwar dürfen die vorbereitenden Auskunftsansprüche aus den §§ 1379, 1580 und 1587e Abs. 1 BGB mit den entsprechenden Folgesachen im Scheidungsverbund als Stufenklagen geltend gemacht werden (Musielak/Borth, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 623 Rn. 19 mwN); vorab entschieden werden darf dann aber allenfalls hinsichtlich der Auskunftsstufe, nicht hinsichtlich der Leistungsstufe (Musielak/Borth, aaO; Zöller/Philippi, aaO, Rn. 21 u. 21a mwN). Dass die Stufenklage nach herrschender Auffassung insgesamt abgewiesen werden darf, wenn auf die Leistung kein Anspruch besteht, steht dem nicht entgegen. Denn das gilt nicht im Fall des Scheidungsverbunds. Würde nämlich beispielsweise der Scheidungsantrag zurückgenommen oder vom Amtsgericht zurückgewiesen oder eine Partei versterben, bliebe der Ausspruch zur Folgesache dennoch wirksam. Dies zu verhindern ist Sinn und Zweck des Scheidungsverbunds gemäß § 623 Abs. 1 S. 1 ZPO.

2.

Auch soweit das Amtsgericht die Klagen in der Auskunftsstufe abgewiesen hat, war dies unzulässig, denn die Voraussetzungen für ein Teilurteil (genau genommen: für zwei Teilurteile) gemäß § 301 ZPO lagen nicht vor. Es ist das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil verletzt, welches in einem weiten Sinne zu verstehen ist und bereits die Fälle der sog. Präjudizialität erfasst (Zöller/Vollkommer, aaO, § 301 Rn. 7 mwN). Die Entscheidung über den Rest des Streites darf nicht eine Vorfrage für den (erledigten) Teilstreit umfassen (BGH, NJW-RR 2003, 303). So liegt der Fall aber hier. Es besteht nämlich die Gefahr divergierender Entscheidungen. Präjudiziell ist konkret die Frage der Nichtigkeit des Ehevertrages vom 03.06.1996.

a)

Diese ist nur aufgrund einer Gesamtschau der getroffenen Vereinbarungen zu beurteilen (vgl. BGH, FamRZ 2005, 26; FamRZ 2005, 185). Dazu zählen beispielsweise auch die Regelungen zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Käme das Amtsgericht im Zuge des Reststreites doch zu dem Ergebnis, der Ehevertrag sei insgesamt nichtig und führte darauf hin den Versorgungsausgleich durch, so entstünde ein Widerspruch zu den vorangegangenen Teilentscheidungen, bei denen das Amtsgericht von der Wirksamkeit des Ehevertrages ausgegangen ist.

b)

Ferner könnte die Frage der Nichtigkeit des Ehevertrages von Amtsgericht und Senat unterschiedlich beurteilt werden. Auch dies könnte - abhängig vom Umfang der Anfechtung - ohne weiteres zur Widersprüchlichkeit führen. Denn bei der Beurteilung der Widerspruchsfreiheit ist die Möglichkeit abweichender Entscheidungen im Instanzenzug unstreitig einzubeziehen (vgl. BGH, NJW 2004, 1452; FamRZ 2002, 1097; Zöller/Vollkommer, aaO, Rn. 7 mwN).

3.

Dass die Antragstellerin nur teilweise die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat, ist unschädlich, wie sich aus § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO ergibt.

4.

Die Kostenentscheidung ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1987, 1152).

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