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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: I-15 Wx 89/08
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10
Den gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungseigentumsrechts über die Mehrheitsentscheidungen kann nicht ein zwingender Leitbildcharakter beigemessen werden. Es ist daher im Grundsatz möglich, dass die Wohnungseigentümer in Abweichung von dem Mehrheitsprinzip ein Einstimmigkeitsprinzip vereinbaren. Hiervon ausgenommen sind nur die Fälle, in denen nach dem Gesetz das Mehrheitsprinzip nicht ausgeschlossen werden kann.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

I-15 Wx 89/08 OLG Hamm

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.08.2008 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 23.02.2008 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 13.02.2008 durch

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung des Amtsgerichts werden unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Regelung in Nr. 8 der in der Teilungserklärung unter III vereinbarten Gemeinschaftsordnung "Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden", nicht gilt, soweit es um eine Abstimmung

- über die Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Abs. 4 S. 1 WEG,

- über die Änderung des Verteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 3 und 4 WEG,

- über eine modernisierende Maßnahme nach § 22 Abs. 2 S. 1 WEG,

- über die Bestellung und Abberufung des Verwalters nach § 26 Abs. 1 WEG

geht.

Im Übrigen verbleibt es bei der Zurückweisung des Feststellungsantrags der Beteiligten zu 1) und 2).

Die Gerichtskosten der zweiten und dritten Instanz werden den Beteiligten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die drei Beteiligten waren Eigentümer zu je 1/3 Anteil an dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück S-Straße in C. Das Wohnhaus verfügt über drei Wohnungen. Am 30.03.2000 teilten sie ihr Eigentum nach § 3 WEG in vier Miteigentumsanteile auf, von denen drei gleich große (320/1.000) jeweils mit dem Sondereigentum an einer Wohnung und eines mit dem Teileigentum an einem Raum im Dachgeschoss verbunden sind. Der mit dem Teileigentum verbundene Miteigentumsanteil von 40/1.000 gehört den Beteiligten zu je 1/3 Anteil.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligen in der dritten Instanz nur noch über die Gültigkeit der in Nr. 8 der Teilungserklärung vereinbarten Regelung "Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden."

In der in der Teilungserklärung unter III vereinbarten Gemeinschaftsordnung heißt es auszugsweise:

"2. Zweckbestimmung

Das gesamte Anwesen ist ausschließlich für Wohnzwecke bestimmt. Jede Änderung dieses Bestimmungszwecks bedarf der einstimmigen Vereinbarung aller Wohnungseigentümer.

Die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit in der jeweiligen Sondereigentumseinheit erfordert die vorherige Zustimmung aller Miteigentümer. Einzelheiten regelt die Hausordnung.

3. Nutzungsregelung für Gemeinschaftsräume und -flächen

(1) Vom Nutzen und Gebrauch der Grundstücks- und Gebäudeteile, die im "Sondernutzungsplan" gelb angelegt sind, sind alle Wohnungseigentümer ausgeschlossen mit Ausnahme der teilenden Eigentümer, solange diese auch nur Eigentümer einer Wohnungseigentumseinheit sind; gleiches gilt für denn im Aufteilungsplan mit FA. / Kl. bezeichneten Raum im Kellergeschoß. Sie sind berechtigt, an diesen Teilflächen, an denen das Mitgebrauchsrecht aller übrigen Eigentümer gemäß vorstehendem Satz ausgeschlossen ist, positive Sondernutzungsrechte durch Vereinbarung zugunsten einzelner Wohnungseigentumseinheiten zu begründen bzw. auf diese zu übertragen. Scheidet ein teilender Miteigentümer aus der Gemeinschafts der Wohnungseigentümer aus, steht dieses Recht den verbleibenden teilenden Miteigentümern zu.

(2) Bestimmungen über die Nutzung von dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Räumen können in einer von der Eigentümerversammlung zu beschließenden Hausordnung festgelegt werden. Änderungen der Hausordnung bedürfen eines einstimmigen Beschlusses aller Wohnungseigentümer.

4. Übertragung von Wohnungseigentum

(1) Das Wohnungseigentum ist veräußerlich und vererblich. Die Veräußerung bedarf der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer. Dies gilt nicht im Falle der Veräußerung an den Ehegatten, Verwandter in gerader Linie oder Verwandte zweiten Grades in der Seitenlinie oder bei einer Veräußerung des Wohnungseigentums im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter....

(2) ...

(3) Will der Wohnungseigentümer die Wohnung bzw. die nicht für Wohnzwecke dienenden Raumeinheiten ganz oder zum Teil einem Dritten zur Benutzung überlassen, so bedarf es der schriftlichen Einwilligung der übrigen Wohnungseigentümer. Dies gilt nicht für den Fall der Überlassung an den Ehegatten, Verwandte in gerader Linie oder Verwandte zweiten Grades in der Seitenlinie. ...

(4) Bei einer Vermietung eines Wohnungseigentums oder Teilen davon steht den übrigen Wohnungseigentümern im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile ein Vormietrecht zu. Soweit einzelne Miteigentümer von dem Vormietrecht keinen Gebrauch machen, geht es auf den/die übrigen vormietberechtigten Wohnungseigentümer über.

Zur Ausübung des Vormietrechts hat der vermietungswillige Wohnungseigentümer das Mietobjekt den übrigen Wohnungseigentümern schriftlich unter Mitteilung der Vormietbedingungen anzubieten. Die zur Vormietung berechtigten - Wohnungseigentümer müssen innerhalb von einem Monat nach Zugang der Mitteilung ihr Recht schriftlich geltend machen; anderenfalls geht es verloren.

5. Instandhaltung, Bewirtschaftung

(1) ...

(2) ...

(3) Für die Verteilung der Kosten für die Versorgung mit Wärme und Warmwasser gelten die Bestimmungen der Heizkostenverordnung. Die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage werden dabei zu 30 % nach der Wohnfläche der beheizten Räume und zu 70 % nach dem erfaßten Wärmeverbrauch verteilt. Gleiches gilt für die Betriebskosten der zentralen Warmwasserversorgung. Die Wohnungseigentümerversammlung kann durch einstimmigen Beschluß einen anderen Verteilungsmaßstab für die Heiz- und Warmwasserkosten beschließen, der sich jedoch im Rahmen der Heizkostenverordnung halten muß.

...

8. Eigentümerversammlunq und Stimmrecht

(1) Eigentümerversammlungen finden nur bei Bedarf statt. Jeder Wohnungseigentümer kann die Einberufung einer Eigentümerversammlung verlangen, wenn er hierzu einen triftigen Grund angibt. Auf Eigentümerversammlungen gefaßte Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen. Jedes Wohnungseigentum gibt eine Stimme; steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben (§ 25 Abs. 2 WEG).

Beschlüsse können nur einstimmig gefaßt werden.

(2) Jeder Eigentümer kann sich in der Eigentümerversammlung durch einen Miteigentümer, einen anderen Wohnungseigentümer, einen Mieter des Wohnungseigentums, einen Erwerber des Wohnungseigentums oder durch seinen Ehegatten vertreten lassen. Soweit eine Vertretung danach zulässig ist, kann eine Person nur den/die Eigentümer einer Sondereigentumseinheit vertreten. Die Vertretung mehrerer Eigentümer verschiedener Sondereigentumseinheiten ist ausgeschlossen.

(3) Eine ordnungsgemäß eingeladene Eigentümerversammlung ist beschlußfähig, wenn alle Wohnungseigentümer vertreten sind. Ist eine Versammlung nicht beschlußfähig, so ist mit einer Einladungsfrist von mindestens einer Woche eine zweite Versammlung einzuberufen, die immer beschlussfähig ist. ...

10. Wirtschaftsplan

Für ein Kalenderjahr ist jeweils ein Wirtschaftsplan aufzustellen, der von der Eigentümerversammlung zu beschließen ist. Die Eigentümerversammlung kann das Wirtschaftsjahr auch anders festlegen.

Die Aufstellung erfolgt in gemeinsamer Absprache.

...

12. Verwalterbestellung

Ein Verwalter wird vorerst nicht bestellt; seine Bestellung kann jedoch jederzeit verlangt werden (§ 20 Abs. 2 WEG).

13. Anpassungsklausel

Ist ein Teil dieser Teilungserklärung unwirksam, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hierdurch nicht berührt. Die unwirksame Bestimmung ist so zu ändern, wie es dem Sinn und Zweck der Teilungserklärung entspricht und dies in gesetzlich zulässiger Weise erreicht werden kann."

(Die Hervorhebungen mit Fettdruck erfolgten durch den Senat)

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind der Ansicht, dass die Regelung der Teilungserklärung in Nr. 8, nach der Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen, nichtig sei. Sie widerspreche den grundlegenden Gedanken des Wohnungseigentumsrechts, wonach ein Mehrheitsprinzip gegeben sei. Eine Klausel, die eine ordnungsgemäße Verwaltung der Gemeinschaft von einer Einstimmigkeit abhängig mache, widerspreche dem Sinn und Zweck des Wohnungseigentums. Denn bei einer Blockadehaltung nur eines einzigen Eigentümers sei eine Verwaltung nicht möglich. Eine Einstimmigkeit könne daher nur in besonderen Fallgestaltungen wirksam vereinbart werden, wie etwa bei der Änderung der Teilungserklärung oder des Kostenschlüssels oder bei der Zustimmung zu baulichen Veränderungen. Wollten die Eigentümer zur Deckung der laufenden Unkosten einen Wirtschaftsplan beschließen und sei auch nur ein Eigentümer in der Eigentümerversammlung nicht zugegen, habe dies zur Folge, dass kein Wirtschaftsplan für das laufende Wirtschaftsjahr beschlossen werden könne. Bevor die Gerichte darüber entschieden, sei die Gemeinschaft nicht mehr zahlungsfähig, da keine fälligen Hausgeldansprüche bestünden.

Ein Eigentümer, der erheblich gegen seine Verpflichtungen verstoße, könne seitens der Gemeinschaft niemals belangt werden. § 18 WEG würde ins Leere laufen. Ermessensentscheidungen der Gemeinschaft wären nunmehr justiziabel. Es bestünde ferner eine Teilnahmeverpflichtung zur Versammlung. Allein das (unverschuldete) Fernbleiben von einer Versammlung wäre ein wirtschaftliches Risiko, da die übrigen Eigentümer per Gerichtsbeschluss den Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung durchsetzen müssten. Es wäre noch nicht einmal mehr möglich, sich einer Abstimmung zu enthalten, da anderenfalls sofort eine Klage drohe mit dem Kostenrisiko für beide Seiten.

Die Antragsteller beantragen daher, festzustellen, dass die Bestimmung in der Teilungserklärung, nach der Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden können, nichtig ist.

Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 06.11.2007 den Antrag zurück. Die hiergegen von den Beteiligten zu 1) und 2) eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2).

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG a.F., 62 WEG n.F. statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde keinen Erfolg hatte. In der Sache ist das Rechtsmittel teilweise begründet.

Das Landgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit des Feststellungsantrags (§ 256 ZPO) ausgegangen. Die Feststellung der Nichtigkeit bewirkt nämlich, dass mit bindender Wirkung festgestellt wird, dass die entsprechende Regelung keine Rechtswirkungen entfalten konnte und es auch in Zukunft nicht mehr kann.

Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet zwischen Gegenständen, die die Wohnungseigentümer durch (Mehrheits-) Beschluss (§§ 10 Abs. 4, 25 WEG) und solchen, die sie durch Vereinbarung, d.h. nur einstimmig, regeln können (§ 10 Abs. 2 S. 2 und 3 und Abs. 3 WEG). Die von den Wohnungseigentümern getroffene Regelung über das Erfordernis der Einstimmigkeit bei Beschlussfassungen betrifft einen Gegenstand, über den (nur) im Wege einer Vereinbarung entschieden werden kann, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG). Das Wohnungseigentumsgesetz räumt den Wohnungseigentümern für die Regelung ihres Verhältnisses untereinander in weitem Umfang Vertragsfreiheit ein. Die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer soll nicht mehr als notwendig beschränkt werden (BGH NJW 1985, 2832; NJW 1987, 650).

Im Rahmen der Vertragsfreiheit waren die beteiligten Wohnungseigentümer daher nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG nicht gehindert, die Regelungen des WEG über die Mehrheitsbeschlüsse durch Vereinbarung anders zu regeln als es im WEG vorgesehen ist, soweit nicht das Gesetz etwas anderes ausdrücklich bestimmt. Der zwingende Charakter einer Norm, die eine abweichende Vereinbarung iSd § 10 Abs. 2 S. 2 WEG "ausdrücklich" ausschließt, kann sich zwar nach zutreffender Auffassung auch durch Auslegung im Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Vorschriften ergeben (Staudinger/Bub, BGB, 13. Bearbeitung 2005, § 25 WEG Rn 22). Jedoch kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde den gesetzlichen Vorschriften über das Mehrheitsprinzip bei der Beschlussfassung in der WEG nicht ein zwingender Leitbildcharakter beigemessen werden. Nach der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung im Bereich des Stimmrechts (vgl. BGH FGPrax 2003, 13 = NJW 2002, 3704; BayObLG NJW-RR 1997, 1305 = ZMR 1997, 369; KG FGPrax 1998, 135 = NZM 1998, 520; OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 775) kann nicht von einer Begrenzung der Dispositivität der gesetzlichen Regelung ausgegangen werden.

So hat der BGH (a.a.O.) für die Fälle der Majorisierung durch ein Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen ausdrücklich entschieden, dass Abweichungen von dem Kopfstimmrecht des § 25 Abs. 2 S. 2 WEG vereinbart werden könnten. Wertungsmäßig betrachtet gilt dies in gleicher Weise für den hier vorliegenden umgekehrten Fall der Installation einer Sperrminorität (Bub, a.a.O. § 25 Rn. 32). In einem mit dem hier vorliegenden vergleichbaren Fall eines vereinbarten Vetorechts für einen einzelnen Miteigentümer hat auch das BayObLG (a.a.O.) zutreffend die Regelung der Teilungserklärung für wirksam erachtet. Dem lag der Fall zugrunde, dass in einer aus drei Wohnungen bestehenden Wohnanlage nach der Teilungserklärung für das Stimmrecht die unterschiedliche Größe der Miteigentumsanteile maßgebend sein sollte, gegen die Stimme des teilenden Eigentümers aber ein Eigentümerbeschluss nicht gefasst werden konnte, solange ihm auch nur eine Wohnung gehört. Das BayObLG hat diese Regelung für wirksam erachtet und dazu ausgeführt, nach allgemeiner Meinung sei eine Stimmrechtsregelung, die in Abweichung von dem gesetzlichen Kopfstimmrecht des § 25 Abs. 2 WEG getroffen werde und einem Wohnungseigentümer die Mehrheit der Stimmen verschaffe, nicht von vorneherein unwirksam. Gegenüber dem Fall, dass ein Wohnungseigentümer von vorneherein die Stimmenmehrheit habe, würden die Rechte anderer Wohnungseigentümer weniger eingeschränkt, wenn ein Wohnungseigentümer nicht die Stimmenmehrheit, sondern lediglich ein Vetorecht habe. Entscheidend sei dabei, dass der Wohnungseigentümer, dem das Vetorecht zustehe, zwar einen Eigentümerbeschluss verhindern könne, auch wenn er weniger als die Mehrheit der Stimmen inne habe, aber im Gegensatz zu dem Fall einer Stimmenmehrheit in der Hand eines Wohnungseigentümers selbst keine Beschlüsse gegen den Willen anderer Wohnungseigentümer durchsetzen könne.

Daher ist es nach Auffassung des Senats im Grundsatz möglich, dass die Wohnungseigentümer in Abweichung von dem Mehrheitsprinzip ein Einstimmigkeitsprinzip vereinbaren (so auch Bub, a.a.O. § 25 Rn 16). Von dieser Möglichkeit geht auch der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 WEG aus, wonach bei schriftlichen Beschlüssen Gültigkeitsvoraussetzung ist, dass alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären. Ein vergleichbares Ergebnis, dass Beschlüsse nur im Einvernehmen aller Wohnungseigentümer gefasst werden könnten, ergibt sich zudem bei einer aus zwei Wohnungen bestehenden Gemeinschaft als notwendige Folge des vom Gesetz vorgesehenen Kopfstimmrechts (vgl. BayObLG NJW-RR 1986, 566).

Die grundsätzlichen Bedenken der Beteiligten zu 1) und 2) gegen das vereinbarte Prinzip der Einstimmigkeit widersprechen der Zielrichtung der Teilungserklärung und der in ihr enthaltenen Gemeinschaftsordnung, die alle Beteiligten selbst durch Teilung nach § 3 WEG ausgehandelt haben und die ihnen nicht etwa durch einen Bauträger im Rahmen einer Vorratsteilung nach § 8 WEG aufgezwungen wurde. Ziel dieser Einstimmigkeit, die sich auch im Übrigen wie ein roter Faden durch die gesamte Gemeinschaftsordnung zieht, war es offensichtlich, dass nicht durch das Mehrheitsprinzip zwei der drei Wohnungseigentümer ihre Interessen gegen den Willen des Dritten durchsetzen können sollten. Dass eine einstimmige Verwaltung ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen erfordert und an eine allseitige Kompromissbereitschaft geknüpft ist, war gewollt. Und dass das Prinzip der Einstimmigkeit, von dem sich die Beteiligten gegenüber dem Mehrheitsprinzip die größeren Vorteile versprachen, auch Probleme nach sich zieht, ist in der Teilungserklärung so angelegt, weil dies dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten entsprach.

Daher geht das jetzige Lamentieren der Rechtsbeschwerde über die Nachteile des Einstimmigkeitsprinzips gegenüber dem Mehrheitsprinzip an den Vereinbarungen der Beteiligten in der Gemeinschaftsordnung völlig vorbei. Soweit sie in diesem Zusammenhang meint, es könne durch Stimmenthaltung eine Verwaltung boykottiert werden, ist dies nicht richtig. Denn das Einstimmigkeitsprinzip wird durch das Recht eines Wohnungseigentümers zur Stimmenthaltung nicht ausgehebelt. Enthält sich ein Wohnungseigentümer der Stimme, so zählt seine Enthaltung weder als Ja-Stimme noch als Nein-Stimme, seine Enthaltung wird daher in die Berechnung nicht einbezogen (BGH NJW 1982, 1585; 1989, 1090). Denn mit seiner Enthaltung gibt der Wohnungseigentümer zu verstehen, dass er sich dem Votum der anderen anschließt, will er dies nicht, muss er mit Nein stimmen.

Die Beteiligten haben bei ihrer Regelung über das Erfordernis der einstimmigen Beschlussfassung jedoch nicht bedacht, dass das Gesetz in einigen wenigen Fällen vorsieht, dass das Mehrheitsprinzip nicht ausgeschlossen werden kann. Solche Regelungen fanden sich im Zeitpunkt der Fassung der Gemeinschaftsordnung in den § 26 WEG, aufgrund der zum 01.07.2007 in Kraft getretenen WEG-Reform sind insoweit noch Einschränkungen in den §§ 12, 16 und 22 WEG hinzugetreten. Zwingendes Recht in Bezug auf das Mehrheitsprinzip enthalten

(1) gemäß § 12 Abs. 4 S. 2 WEG die Regelungen in § 12 Abs. 4 S. 1 WEG

(2) gemäß § 16 Abs. 5 WEG die Regelungen in § 16 Abs. 3 und 4 WEG,

(3) gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 WEG der Anspruch nach § 22 Abs. 2 S. 1 WEG,

(4) gemäß § 26 Abs. 1 S. 5 WEG der Anspruch hinsichtlich der Bestellung und Abberufung des Verwalters nach § 26 Abs. 1 WEG; § 26 Abs. 1 S. 5 gilt hingegen nicht für die Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters (Palandt/Bassenge, 66. Aufl., § 26 Rn 6).

(1) Nach § 12 Abs. 4 S. 1 WEG können die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit beschließen, dass eine nach § 12 Abs. 1 WEG vereinbarte Veräußerungsbeschränkung aufgehoben wird. Diese Befugnis kann nach § 12 Abs. 4 S. 2 WEG nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Den Wohnungseigentümern ist es daher nicht möglich, insoweit ein Einstimmigkeitsprinzip zu vereinbaren.

(2) Nach § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer abweichend von Abs. 2 durch Stimmenmehrheit beschließen, dass die Betriebskosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB, die nicht unmittelbar gegenüber Dritten abgerechnet werden, und die Kosten der Verwaltung nach Verbrauch oder Verursachung erfasst und nach diesem oder nach einem anderen Maßstab verteilt werden, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Nach § 16 Abs. 4 S. 1 WEG können die Wohnungseigentümer im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von Abs. 2 regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Der Beschluss zur Regelung der Kostenverteilung nach S. 1 bedarf einer Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile. Diese Befugnisse zur Abänderung der Kostenverteilung durch Mehrheitsbeschluss können gemäß § 16 Abs. 5 WEG durch abweichende Vereinbarungen nicht zu Ungunsten der dort vorgesehenen Mehrheiten abgeändert werden. Den Wohnungseigentümern ist es daher nicht möglich, insoweit ein Einstimmigkeitsprinzip zu vereinbaren. Dies gilt auch für Gemeinschaftsordnungen, die vor dem 01.07.2007, also im Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten des WEG-Reformgesetzes vom 26.3.2007 bereits bestanden (BT-Drucks. 16/887 S. 25).

(3) Nach § 22 Abs. 2 S. 2 WEG können bauliche Veränderungen i.S.d. Abs. 1 S. 1, die der Modernisierung entsprechend § 559 Abs. 1 BGB oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen, abweichend von Abs. 1 durch eine Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. Diese Befugnis kann nach Abs. 2 S. 2 durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Damit stellt Abs. 2 S. 2 wie die parallelen Vorschriften von § 12 Abs. 4 S. 3 und § 16 Abs. 5 sicher, dass die Neuregelung durch abweichende geltende oder künftige Vereinbarungen nicht zu Ungunsten der vorgesehenen Mehrheit der Wohnungseigentümer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann, so dass das Einstimmigkeitsprinzip insoweit keine Geltung haben kann.

(4) Gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer über die Bestellung und Abberufung des Verwalters mit Stimmenmehrheit. Die Bestellung darf nach S. 2 auf höchstens fünf Jahre vorgenommen werden, im Falle der ersten Bestellung nach der Begründung von Wohnungseigentum aber auf höchstens drei Jahre. Die Abberufung des Verwalters kann nach S. 3 auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden. Ein wichtiger Grund liegt nach S. 4 regelmäßig vor, wenn der Verwalter die Beschluss-Sammlung nicht ordnungsmäßig führt. Andere Beschränkungen der Bestellung oder Abberufung des Verwalters sind gemäß S. 5 nicht zulässig. Aus S. 5 folgt daher, dass Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, nach denen der Verwalter durch mit qualifizierter Mehrheit (BayObLG WuM 1994, 230; OLG Köln NZM 2003, 685; OLG Karlsruhe Justiz 1983, 412) oder sogar nur einstimmig bestellt werden kann, nichtig sind.

Kann demnach die Bestimmung in Nr. 8 der Gemeinschaftsordnung "Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden" wegen der zwingenden Vorschriften in § 12 Abs. 4 S. 2, § 16 Abs. 5, § 22 Abs. 2 S. 2 und § 26 Abs. 1 S. 5 WEG nicht für Beschlüsse über die Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Abs. 4 S. 1 WEG, die Änderung des Verteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 3 und 4 WEG, eine modernisierende Maßnahme nach § 22 Abs. 2 S. 1 WEG und die Bestellung und Abberufung des Verwalters nach § 26 Abs. 1 WEG angewandt werden, ist die genannte Regelung insoweit teilweise unwirksam.

Eine Aufhebung der ganzen Regelung kam nicht in Betracht, weil anzunehmen ist, dass die Regelung auch ohne den nichtigen Teil getroffen worden wäre (§ 139 BGB). Dabei ist zunächst zu sehen, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung nur in Bezug auf § 26 WEG eine Nichtigkeit vorlag. Die Bestellung oder Abberufung eines Verwalters war zu diesem Zeitpunkt aber kein Thema in der Gemeinschaft, was sich aus Nr. 12 der Gemeinschaftsordnung ergibt. Darüber hinaus war den Beteiligten das Prinzip der Einstimmigkeit so wichtig, dass es wiederholt in der Gemeinschaftsordnung anklingt, so in Nr. 2, Nr. 3 (1) und (2), Nr. 4 (1) und (3), Nr. 5 (3) und Nr. 10 S. 3. Schließlich haben die Beteiligten unter Nr. 13 eine Anpassungsklausel vereinbart, wonach für den Fall, dass ein Teil der Teilungserklärung unwirksam ist, die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt werden sollte und die unwirksame Bestimmung so zu ändern ist, wie es dem Sinn und Zweck der Teilungserklärung entspricht und dies in gesetzlich zulässiger Weise erreicht werden kann.

Die Frage, ob die Vorschrift des § 18 Abs. 4 WEG dahin zu verstehen ist, dass die Bestimmung in § 18 Abs. 3 S. 1 und 2 WEG, wonach die Wohnungseigentümer über das Verlangen auf Veräußerung des Wohnungseigentums durch Stimmenmehrheit beschließen und der Beschluss einer Mehrheit von mehr als der Hälfte der stimmberechtigten Wohnungseigentümer bedarf, nicht dahin abgeändert werden darf, dass für die Beschlussfassung Einstimmigkeit erforderlich ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Regelung in Nr. 8 über das Einstimmigkeitserfordernis bezieht sich nicht auf den Fall der Entziehung des Wohnungseigentums. Dieser Fall ist abschließend in Nr. 11 der Gemeinschaftsordnung geregelt (vgl. auch BayObLGZ 1999, 177 = NJW-RR 2000, 17).

Der Senat hält es für angemessen, die Beteiligten zu 1) und 2) allein mit den Gerichtskosten für den Feststellungsantrag zu belasten, aber von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen, § 47 WEG. Die Feststellung der Teilunwirksamkeit im Tenor des Senatsbeschlusses hat - bezogen auf die Billigkeit der Kostenentscheidung - eher den Charakter einer von Amts wegen hinzugefügten Klarstellung. Denn nach dem Akteninhalt kann nicht festgestellt werden, dass die Beteiligte zu 3) in den genannten Entscheidungsbereichen für sich das Recht in Anspruch genommen hat, dass ein Beschluss nur mit ihrer Zustimmung zustandekommen kann.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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