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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.01.2009
Aktenzeichen: 1 ARs 69/08
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 14
RVG § 42
RVG § 42 Abs. 1
RVG § 51
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller war Wahlverteidiger im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Amtsgerichts Schleiden vom 31. Januar 2007, durch das der Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Diesem lag zur Last, auf dem Dachboden des gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnten Wohnhauses eine Marihuanaplantage betrieben zu haben. Im Berufungsrechtszug wurde der Angeklagte freigesprochen.

Mit seinem Antrag vom 7. November 2007 begehrt der Antragsteller die Festsetzung einer Pauschgebühr in Höhe von 3.000,-- €. Er macht geltend, die Verteidigung habe zahlreiche in erster Instanz nicht vernommene Zeugen zu ermitteln bzw. daraufhin zu befragen gehabt, ob sie sachdienliche Hinweise für die Entkräftung des Vorwurfs geben könnten.

II.

Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr gemäß § 42 RVG ist zulässig, da der Wahlverteidiger bislang Kostenfestsetzung noch nicht beantragt hat (OLG Celle, B. v. 29.07.2008 - 1 ARs 46/08 - StraFo 2008, 398 = NStZ-RR 2009, 31); er ist indessen nicht begründet. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die Mühewaltung des Wahlverteidigers mit den gesetzlichen Rahmengebühren ausreichend abgegolten werden kann.

1.

Nach § 42 Abs. 1 RVG wird dem gewählten Verteidiger auf Antrag eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte festgesetzt, wenn auf Grund des besonderen Umfanges oder der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren eines Wahlanwaltes nicht zumutbar sind.

Die Prüfung der Unzumutbarkeit schließt die Berücksichtigung der weiteren Umstände, die nach § 14 RVG bei der Bemessung der Rahmengebühren durch den Verteidiger maßgeblich sind, nämlich der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, ein. Denn nur dann kann beurteilt werden, ob der Höchstbetrag der Rahmengebühr für den Verteidiger nicht zumutbar ist. Eine Pauschgebühr nach § 42 RVG wird vorrangig dann in Betracht kommen, wenn bereits die Bedeutung der Sache für den Angeklagten und/oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers überdurchschnittlich sind sowie zusätzlich ein besonderer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bzw. eine besondere Schwierigkeit derselben gegeben ist. Insoweit unterscheidet sich die Festsetzung der Pauschgebühr nach § 42 RVG, auch wenn der Gesetzeswortlaut fast identisch ist, wesentlich von der Festsetzung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG (vgl. BGH, B. v. 03.04.2007 - 3 StR 486/06 -, RVGReport 2007, 264; OLG Jena, B. v. 26.08.2005 - 1 AR (S) 51/05 -, NJW 2006, 933; OLG Jena, B. v. 18.09.2006 - 1 AR (S) 38/06 -, RVGReport 2007, 119; OLG Köln, 2. Strafsenat, B. v. 7.11.2006 - 2 ARs 127/06 und v. 19.12.206 - 2 ARs 151/06).

2.

Von diesen Grundsätzen ausgehend kam vorliegend die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht in Betracht.

Die Einkommensverhältnisse des Angeklagten sind mit einen monatlichen Nettoeinkommen von 1.400,-- € durchschnittlich. Allerdings war die Bedeutung der Angelegenheit für diesen überdurchschnittlich. Der zuvor unbestrafte Angeklagte war nämlich durch das Amtsgericht zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dies rechtfertigt Rahmengebühren des Wahlverteidigers im oberen Bereich des Gebührenrahmens.

Der Senat hatte weiter zu prüfen, ob unter Berücksichtigung einer besonderen Schwierigkeit und/oder eines besonderen Umfangs der Sache die Höchstgebühren, die der Antragsteller zutreffend mit 2.280,-- € (Grundgebühr, Verfahrensgebühr, drei Terminsgebühren à 470,-- € zuzüglich einer Terminsgebühr i. H. v. 100,-- € für den Termin vom 20.09.2007, der lediglich 17 Minuten dauerte) beziffert, für den Wahlanwalt nicht zumutbar sind. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass einerseits die Verfahrensgebühr nach allgemeiner Auffassung die Sammlung der Beweismittel mit abgilt und eigene Ermittlungen des Wahlverteidigers zum Abgeltungsbereich dieser Gebühr gehören (Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage 2007, Nrn. 4104, 4105 VV RVG Rz. 5; Burhoff, RVG, 2. Auflage 2007, Nr. 4104 Rz. 12), dass andererseits eigene Ermittlungen des Rechtsanwalts aber auch die Zuerkennung einer Pauschgebühr rechtfertigen können (Hartmann a. a. O. § 42 RVG Rz. 6 - 10 i.V.m. § 51 Rz. 10; Burhoff a. a. O. § 42 Rz. 5 i.V.m. § 51 Rz. 81). Vor diesem Hintergrund vermag nicht jede eigene Tätigkeit des Wahlanwalts zur Sachverhaltsaufklärung eine Pauschgebühr zu rechtfertigen; abzustellen ist vielmehr auf das Gewicht und den Umfang der entfalteten Tätigkeit.

Insoweit macht der Antragsteller geltend, er habe - nach einem Erstgespräch mit dem Mandanten, das 11/2 Stunden gedauert habe - eine Ortsbesichtigung im Hause des Angeklagten durchgeführt, die 21/2 Stunden gedauert habe. Bei gleicher Gelegenheit habe er die - in erster Instanz nicht als Zeugin vernommene - Ehefrau des Angeklagten zu möglichen Zeugen befragt, die Angaben über die Nutzung des Dachbodens im angenommenen Tatzeitraum oder andere sachdienliche Angaben machen könnten. Mit diesen Zeugen habe er Telefonate geführt, welche ihn insgesamt 1 Stunde und 5 Minuten in Anspruch genommen hätten; zudem habe er drei Schreiben an Zeugen gerichtet. Darüber hinaus hat der Antragsteller mehrere Schriftsätze (u.a. vom 14.08.2007 mit 10 Seiten und vom 20.09.2007 mit 3 Seiten) verfasst, mit welchen er zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen und die Zeugen gegenüber dem Gericht benannt hat.

Nach Auffassung des Senats rechtfertigt diese Mühewaltung die Zuerkennung der Höchstgebühren, nicht aber einer darüber hinausgehenden Pauschgebühr gemäß § 42 RVG. Die von dem Wahlverteidiger entfaltete Tätigkeit geht über das durchschnittliche Maß anwaltlicher Bemühungen (noch) nicht in einem Maße hinaus, dass die Abgeltung der Tätigkeit durch die Rahmen(höchst)gebühren als unzumutbar bezeichnet werden müsste. Eine über das - im Rahmen der Bewilligung einer Pauschgebühr ohnehin nicht berücksichtigungsfähige - Erstgespräch und das Aktenstudium hinausgehende Tätigkeit in eine Umfang von (gut) 31/2 Stunden kann noch mit den gesetzlichen Rahmengebühren abgegolten werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Ergebnisse der Recherchen des Antragstellers noch schriftsätzlich niedergelegt werden mussten.

Zu keiner abweichenden Bewertung konnte schließlich das Vorbringen des Antragstellers führen, er habe Ermittlungen im Hinblick auf ein in den Briefkastenschlitz des Angeklagten eingeworfenes Pflanzenteil angestellt, das entfernte Ähnlichkeit mit einer Hanfpflanze aufgewiesen, sich schlussendlich aber als Farn entpuppt habe. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass bei der Frage der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren auch solche eigene Ermittlungen des Wahlanwalts berücksichtigungsfähig sein können, die sich ex post als nicht verfahrensrelevant erweisen. Das kann aber keine Geltung beanspruchen für solche Ermittlungen, bei denen von vornherein auf der Hand liegt, dass sie das Prozessergebnis nicht zu beeinflussen vermögen. Das trifft hier auf die Ermittlungen des Wahlverteidigers zu dem eingeworfenen Pflanzenteil zu; bereits dessen Zuordnung zu dem (Hauptbelastungs-)Zeugen Steilen beruht nämlich auf bloßer Mutmaßung.

Ende der Entscheidung

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