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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.07.1999
Aktenzeichen: 1 U 27/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
BGB § 823
BGB § 847
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 27/99 15 O 250/98 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 29.07.1999

Verkündet am 29.07.1999

Lingnau, JHSŽin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Pillmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Laumen und Schmitz-Justen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 07.01.1999 - 15 O 250/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Gem. § 543 Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)

Entscheidungsgründe:

Die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche wegen des durch das Unfallgeschehen angeblich erlittenen Schocks nicht zu. Die von ihr behaupteten psychischen Folgen des Schrecks über das auf das Fahrzeug ihres Ehemanns schlagende Kabel sind nach dem Schutzzweck der §§ 823, 847 BGB nicht erstattungsfähig sondern als Ausfluß des allgemeinen Lebensrisikos von der Klägerin selbst zu tragen.

Die Berufung geht zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch psychische Folgen eines Verletzungsgeschehens grundsätzlich dazu geeignet sind, eine Schadensersatzpflicht auszulösen (BGH MDR 1997, 549; MDR 1998, 157; MDR 1998, 159). Dies gilt insbesondere für Beschwerden, die sich im Rahmen dessen halten, was als psychische Folge eines schlimmen Ereignisses regelmäßig zu erwarten ist (BGHZ 56, 163 (167)).

Ein Anspruch auf Schadensersatz für eine "unmittelbare Schockfolge" setzt aber zumindest eine medizinisch feststellbare geistig seelische Folge voraus, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung als Verletzung der Gesundheit betrachtet werden kann (BGH a. a. O.). Es mag im vorliegenden Fall letztlich offen bleiben, ob die Klägerin hierzu hinreichend substantiiert vorgetragen hat. Angebliche negative Auswirkungen des Unfalls vom 25.11.1997 hat sie erstmals am 17.12.1997 gegenüber ihrem Hausarzt geschildert. In seinem Attest vom 09.01.1998 hat der behandelnde Arzt sehr zurückhaltend von "subjektiven Angaben" seiner Patientin berichtet, die einen Zusammenhang zwischen ihrem reduzierten Allgemeinzustand nach einer vorangegangenen Operation und dem streitgegenständlichen Unfall herstellten. Er hat sich indessen nicht in der Lage gesehen zu beurteilen, ob der Heilverlauf nach der Operation durch den unmittelbar danach erlebten Unfall verzögert worden ist oder eine davon unabhängige Verschlimmerung der schon vorher festgestellten Depression vorlag. Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung bereits deutlich gemacht hat, hätte es vor diesem Hintergrund der näheren Darlegung dazu bedurft, in welchem Umfang die Klägerin vor dem Unfall unter Schlafstörungen und sonstigen psychischen Beeinträchtigungen litt, wie der Zustand nach dem Unfall war, wie er heute ist und inwiefern sich genau ihre Angstzustände vermehrt haben. Welcher Vortrag im Einzelnen von der Klägerin zu einer des Sachverständigenbeweises zugänglichen Darlegung einer unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigung zu erwarten war, mag letztlich offen bleiben.

Von der Rechtsprechung ist nämlich anerkannt, daß eine Zurechnung des psychischen Folgeschadens dann ausgeschlossen ist, wenn das schädigende Ereignis nicht schwerwiegend ist oder eine Bagatelle darstellt, so daß es bei einem durchschnittlich Empfindenden nicht geeignet ist, eine krankhafte seelische Reaktion hervorzurufen (BGH MDR 1998, 158; MDR 1998, 159). Diese Begrenzung der Schadensersatzpflicht bei psychischen Folgen eines schlimmen Ereignisses wird auch in der Literatur im Ergebnis allgemein für richtig erachtet (Münchener Kommentar - Heinrichs, 3. Aufl., BGB, Vorbemerkung vor § 249 Rn. 55 a; Staudinger-Schiemann, 13. Aufl., BGB, § 249 Rn. 40). Ist die geistig-seelische Reaktion im Hinblick auf den Anlaß völlig ungewöhnlich, geht die Überempfindlichkeit des Betroffenen auf das Schreckereignis zu seinen Lasten. Die krankhafte Verarbeitung des Unfallgeschehens beruht in diesen Fällen nämlich ausschließlich auf der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen. Das schädigende Ereignis ist nur zufälliger Anlaß und Kristallisationspunkt (BGH MDR 1993, 1066) für die psychische Fehlverarbeitung des Geschehens. Es würde zu einer uferlosen und nicht mehr adäquaten Ausweitung deliktischer Haftung führen, wenn vergleichsweise banale Ereignisse wegen der Disposition des Betroffenen zu deren Fehlverarbeitung als Schädigung i.S.d. §§ 823 BGB zugerechnet würden. Völlig ungewöhnliche Reaktionen eines Übersensiblen auf ein erschreckendes Geschehen gehören damit letztlich zum Lebensrisiko des Betroffenen und fallen nicht in den Schutzbereich der §§ 823 ff BGB.

Der im äußeren Ablauf unstreitige Unfall genügt zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs danach nicht. An dem Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin ist ein verhältnismäßig geringfügiger Sachschaden entstanden. Körperliche Verletzungen durch das Unfallgeschehen hat keiner der Fahrzeuginsassen davongetragen. Auch wenn der Unfallhergang durch das Herabstürzen des die Baustellenampeln verbindenden Kabels ungewöhnlich war, war er nicht dazu angetan, einen durchschnittlich Empfindenden psychisch erheblich zu beeinträchtigen. Bei ruhiger Betrachtung handelte es sich im objektiven Ergebnis um ein Schadensereignis mit geringem Sachschaden, wie er im dichten Strassenverkehr tagtäglich ist. Es war damit das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin, den Schreck über das herabstürzende Kabel ungewöhnlich verarbeitet zu haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Kläger 41.220,00 DM

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