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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.03.2000
Aktenzeichen: 1 U 81/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 683
BGB § 677
BGB § 922 Satz 3
BGB § 922
BGB § 921
BGB § 946
BGB § 93
BGB § 94 Abs. 2
BGB § 1004
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 951
BGB § 242
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 81/99 15 O 70/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 09.03.2000

Verkündet am 09.03.2000

Lingnau, JHSŽin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2000 durch die Richterin am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht sowie die Richter am Oberlandesgericht Gundlach und Schmitz-Justen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Juni 1999 - 15 O 70/99 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn in Hürth. Die Giebelwand des im Jahre 1998 von der Klägerin erworbenen Hauses stand unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beklagten.

In den Jahren 1958/59 wurde auf dem Grundstück des Beklagten ein Haus errichtet. Die Giebelwand dieses Hauses mit einer Stärke von 12 cm wurde ohne Trennung und Isolierung an die vorhandene Giebelwand auf dem Grundstück der Klägerin angemauert. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Giebelwand auf dem Grundstück des Beklagten allein nicht standfest ist. Bei einem Abriss der Giebelwand auf dem Grundstück der Klägerin entsteht Einsturzgefahr für das Haus des Beklagten.

Die Klägerin beabsichtigte unter vollständigem Abriss des vorhandenen Gebäudes - einschließlich der Giebelwand zum Grundstück des Beklagten - ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage und acht Wohnungen zu errichten.

Die Klägerin behauptet, durch bauliche Maßnahmen, die zur Absicherung der vorhandenen Giebelwand erforderlich geworden seien, seien ihr Mehrkosten in Höhe von 97.131,84 DM entstanden. In diesem von der Klägerin errechneten Betrag ist auch eingeflossen, dass aufgrund der Erhaltung der vorhandenen Giebelwand die zu vermietende Fläche der Erdgeschosswohnung um 3,25 qm kleiner ausgefallen sei, was eine Verminderung des Verkaufspreises um 12.935,-- DM zur Folge gehabt habe. Unter Abzug von beim Abbruch der Giebelwand ohnehin angefallenen Kosten errechnet sie einen Aufwand zur Erhaltung der Giebelwand und einen Minderwert in Höhe von 80.985,69 DM.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 80.985,69 DM nebst 6,5 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 24.06.1999 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin nicht hinreichend substantiiert zum Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Parteien, der die Kostentragung für die Abstützungsmaßnahmen regelt, vorgetragen habe. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestünden deshalb nicht, weil die Klägerin bei der Abstützung des Giebels ausschließlich ein eigenes Geschäft geführt habe.

Gegen das ihr am 8.07.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 09.08.1999 (Montag) beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des stellvertretenden Vorsitzenden vom 07.09.1999 bis zum 09.11.1999 mit einem an diesem Tag beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie stützt ihren Anspruch auf Erstattung der zusätzlicher Baukosten auf §§ 683, 677, 670 BGB (GOA) sowie die Haftung unter dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Hilfsweise stützt sie ihr Begehren in Höhe von 15.000,-- DM auf eine mit dem Beklagten insofern zustande gekommene Kostenübernahmevereinbarung.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 24.06.1999 - 15 O 70/99 - den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 80.985,69 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 04.03.1999 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er steht auf dem Standpunkt, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Zahlung verpflichtet zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu.

1.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht Ansprüche der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 677, 670 BGB verneint. Bei den hier von der Klägerin durchgeführten Abstützungsmaßnahmen handelte es sich um ein objektiv eigenes Geschäft, zu dem sie nach § 922 Satz 3 BGB verpflichtet war.

Die durch den Anbau in den fünfziger Jahren entstandene Mauer auf der Grenze zwischen den Grundstücken der Parteien ist nämlich eine einheitliche, gemeinschaftliche Giebelwand im Sinne der §§ 921, 922 BGB. Zwar war die Giebelwand auf dem Grundstück der Klägerin als solche zunächst keine Grenzeinrichtung i.S.d. § 921 BGB, sondern eine sogenannte Grenzwand. Wird an eine solche angebaut, entsteht grundsätzlich weder Miteigentum noch eine gemeinsame Grenzeinrichtung (vgl. BGHZ 41, 177). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 36, 46 (49 f.); BGH NJW 1963, 1868) wird durch den Anbau einer Giebelwand an eine vorhandene Giebelmauer aber dann gemeinschaftliches Eigentum gemäß §§ 946, 93, 94 BGB begründet, wenn zwischen den beiden Mauern ein räumlicher Zusammenhang besteht, der so eng ist, dass sie dem unbefangenen Betrachter künftig als eine einheitliche Sache erscheinen und die angebaute Wand ohne die benachbarte Giebelmauer keine Standsicherheit besitzt (BGHZ 36, 46 (52)).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Wie auf den zu den Akten gereichten Fotos ersichtlich ist, ist die Mauer des Hauses des Beklagten unmittelbar an die vorhandene Giebelmauer auf dem Grundstück der Klägerin angebaut worden. Für den außenstehenden Betrachter, der keine Kenntnis von den bautechnischen Einzelheiten hat, ist insofern eine gemeinsame einheitliche Giebelwand entstanden.

Für die rechtliche Bewertung nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB ist unerheblich, ob zwischen den beiden Wänden möglicherweise an einigen Stellen eine schmale Fuge verblieben ist oder ob sie nach baufachlichen Regeln ordnungsgemäß verbunden worden sind (vgl. BGH a.a.O. S. 49). Bei der Beurteilung der Frage, ob sich durch den Anbau der neu errichtete Giebel mit dem vorhandenen zu einer gemeinsamen Sache zusammenfügte, so dass er wesentlicher Bestandteil im Sinne des § 94 Abs. 2 wurde, ist nämlich nicht das bautechnische Detail maßgeblich. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob bei einer wertenden Betrachtung neben der räumlichen Nähe die neu errichtete Wand ohne die vorhandene ihre Funktion verliert und nicht sinnvoll ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn die angebaute Wand ohne die vorhandene ihre Standsicherheit einbüßt. Genau das ist zwischen den Parteien unstreitig.

Durch den Anbau auf dem Grundstück der Beklagten ist daher Miteigentum an der bislang im Alleineigentum des Voreigentümers der Klägerin stehenden Giebelwand geschaffen worden. Hierfür ist ohne Bedeutung, dass dieser rechtswidrige Eingriff möglicherweise vom Voreigentümer hätte gemäß § 1004 BGB abgewehrt werden können. Dies nicht getan zu haben, hat auf die Eigentumslage nach vollendeter Tat keinen Einfluss. Ziel der §§ 946, 93, 94 BGB ist nämlich, die Zerschlagung einmal geschaffener Werte zu verhindern.

Für die Eigentumsverhältnisse ist auch unerheblich, ob der seinerzeitige Anbau auf dem Grundstück des Beklagten baurechtswidrig war. Gemeinsames Eigentum entsteht unabhängig davon, ob die gemeinsame Sache öffentlich rechtlich erlaubt oder unerlaubt geschaffen worden ist (BGH NJW 1963, 1868 (1869)). Den Bestimmungen über das Entstehen einer neuen Sache (§§ 93 ff. BGB) ist nämlich immanent, dass nur auf die Sacheigenschaft abgestellt wird. Auch der Unredliche kann daher Eigentümer oder Miteigentümer einer von ihm neu geschaffenen Sache werden.

Für die Entstehung einer gemeinsamen Giebelwand im Sinne des § 921 BGB ist damit insbesondere nicht erforderlich, dass sie mit Zustimmung des Nachbarn errichtet worden ist. Soweit in der Kommentierung (Palandt-Bassenge, BGB, 59. Aufl., § 921 Rdnr. 1) insofern eine andere Auffassung vertreten wird, vermag der Senat dem schon aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Im übrigen stellt § 921 BGB seinem Wortlaut nach nicht auf einen gemeinsamen Errichtungswillen ab, sondern allein darauf, dass auf der Grundstücksgrenze eine im Sinne der §§ 94 ff. BGB einheitliche Mauer steht. Aus der von der Kommentierung zur Begründung herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (NJW-RR 92, 464) ergibt sich nichts anderes. In dem dort entschiedenen Fall war durch natürliche Erdbewegungen eine Stützmauer teilweise auf das Grundstück des Nachbarn talwärts gedriftet. Dieser Vorgang war schon deshalb für die Eigentumslage unerheblich, weil die Entstehung gemeinschaftlichen Eigentums der Nachbarn nach § 94 Abs. 2 vorausgesetzt hätte, dass die Mauer auf dem fremden Grundstück "eingefügt" (§ 94 Abs. 2 BGB) worden ist. Bei einem unwillkürlichen Vorgang fehlt es daran.

Da nach alledem von einer die Grundstücksgrenze scheidenden, im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Giebelmauer auszugehen ist, war die Klägerin gemäß § 922 Satz 3 BGB verpflichtet, das Recht des Beklagten an der ungehinderten Nutzung der gemeinsamen Wand sicherzustellen. Sie war daher gehindert, die im gemeinsamen Eigentum stehende Wand ohne Zustimmung des Beklagten abzureißen, oder ihre Standfestigkeit zu beeinträchtigen (vgl. BGH NJW 1981, 866; NJW 1989, 2541). Das Recht der Klägerin mit ihrem Grundstück gemäß § 903 BGB nach eigenem Gutdünken zu verfahren ist beschränkt durch das Recht des Beklagten auf Schonung und Unterhaltung der gemeinsamen Grenzeinrichtung. Die von der Klägerin unternommenen Maßnahmen zur Abstützung waren damit ihr objektiv eigenes und nach § 922 Satz 3 BGB obliegendes Geschäft.

2.

Die Klägerin kann ihr Zahlungsbegehren auch nicht auf § 922 Satz 2 BGB stützen. Nach dieser Bestimmung sind die Unterhaltungskosten für die im Miteigentum stehende Giebelwand zu gleichen Teilen zu tragen.

Zwar ist das gemeinsame Eigentum an der Giebelwand nicht durch den Abriss des Hauses auf dem Grundstück der Klägerin untergegangen. Eine im Miteigentum stehende Giebelmauer bleibt nämlich nach gefestigter Rechtsprechung auch nach dem Abriss eines der Häuser im gemeinsamen Eigentum (BGH NJW 1981, 866; BGHZ 57, 245).

Bei den hier von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen handelt es sich aber nicht um Unterhaltungsmaßnahmen in diesem Sinne. Nach ihrem eigenen Vorbringen hatte die Klägerin nämlich vor, die Giebelmauer, soweit sie auf ihrem Grundstück stand, abzureißen und durch eine neue zu ersetzen. Sie sah sich darin lediglich gehindert, weil entgegen ihrer Erwartung durch den Anbau des Beklagten eine gemeinsame, nicht einseitig abtragbare Giebelwand entstanden war. Ihre ursprüngliche Absicht war damit schon im Ansatz nicht auf die Pflege und Erhaltung des gemeinsamen Eigentums gerichtet, sondern auf dessen Zerstörung. Hierzu war die Klägerin nach § 922 Satz 3 BGB nicht befugt. Den Neubau unter Einbeziehung der vorhandenen gemeinsamen Giebelwand zu errichten, entsprach ihrer auf Bewahrung des gemeinsamen Eigentums gerichteten rechtlichen Verpflichtung (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1972, 948). Die dadurch veranlassten Kosten des Neubaus dienten im Ansatz nicht der Erhaltung der bis dahin standkräftigen Wand, sondern waren Folge der von ihr veranlassten und ausschließlich im eigenen Interesse betriebenen besseren Ausnutzung des eigenen Grundstücks. Die Notwendigkeit der Stützmaßnahme im Zuge des Neubaues war dabei gerade nicht Ausfluss des bestehenden Zustands der Sache (Unterhaltung), sondern Konsequenz des Bauwunsches der Klägerin und bei einem Neubau zu berücksichtigender Kostenfaktor.

3.

Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB stehen der Klägerin nicht zu. Zum einen hat der Beklagte nicht ihr Eigentum verletzt und zum anderen ist auch kein Schaden vorgetragen.

Eine Eigentumsverletzung mag vorgelegen haben, als auf dem Grundstück des Beklagten durch den Anbau einer Giebelwand an die vorhandene Giebelwand auf dem Grundstück der Klägerin Miteigentum an der dadurch entstandenen (doppelschaligen) Giebelwand geschaffen wurde. Dieser zur teilweisen Enteignung des Nachbarn führende Eingriff war aber bereits vollendet, als das Haus auf dem Grundstück des Beklagten in den fünfziger Jahren errichtet wurde. Zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin ihr Grundstück erwarb, bestand Miteigentum an der gemeinsamen Giebelwand, so dass ihr gegenüber keine Eigentumsverletzung vorlag, weil sie von Anfang an durch das Miteigentum des Beklagten belastetes Eigentum an der Giebelwand erworben hat.

Aus diesem Gesichtspunkt ist auch für eine Schaden der Klägerin nichts erkennbar. Sie hat von Anfang an beim Kauf des Hauses nur eine Miteigentümerstellung an der Giebelwand erlangt.

4.

Mit der selben Überlegung scheiden auch bereicherungsrechtliche Ansprüche nach §§ 951, 812 BGB aus. Die Klägerin ist schon deshalb nicht durch die Baumaßnahmen in den 50-er Jahren entreichert worden, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eigentümerin des Grundstücks war. Sie hat vielmehr von Anfang an gemeinschaftliches Eigentum an der Giebelwand erlangt. Es wurde lediglich ihre Erwartung beim Abschluss des Grundstückskaufvertrages enttäuscht. Hierin liegt kein bereicherungsrechtlicher Eingriff des Beklagten.

5.

Nach Auffassung des Senats kommen auch nach Grundsätzen der Haftung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses Ausgleichsansprüche der Klägerin nicht in Betracht.

Die Rechtsprechung hat unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses Zahlungsansprüche in Einzelfällen zur Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs zwischen den Nachbarn aus § 242 BGB abgeleitet. Eine verschuldensunabhängige Ausgleichspflicht entsteht danach insbesondere dann, wenn die Geltendmachung eines Abwehranspruchs aus § 1004 BGB nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf das nachbarliche Zusammenleben auszuschließen ist (BGH NJW 1977, 1447 (1448)). Bei der Versagung eines Abwehranspruchs aus § 1004 wird als Ausgleich ein Anspruch auf Entschädigung bejaht. Der Bundesgerichtshof hat deshalb in einem Fall, in dem im Rahmen der Errichtung eines Neubaus eine Giebelwand wegen der Auswirkungen auf das Nachbargrundstück nicht abgerissen werden konnte, die Voraussetzungen eines derartigen Entschädigungsanspruchs angenommen. In der angesprochenen Entscheidung lag indessen keine gemeinsame, im Miteigentum stehende Giebelmauer vor. Der Bundesgerichtshof ging vielmehr von einer bloße Mitbenutzung der Giebelwand auf dem Grundstück der dortigen Kläger durch die Beklagten des dortigen Verfahrens aus. Da im vorliegenden Fall eine im gemeinsamen Eigentum stehende Giebelwand anzunehmen ist, unterscheiden sich schon die Verhältnisse. Der Klägerin stand im übrigen zu keinem Zeitpunkt ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB gegen den Beklagten zu. Sie hatte bereits beim Erwerb des Hausgrundstücks durch die Miteigentumssituation belastete und in §§ 921, 922 BGB geregelte Rechte erworben. Insofern fehlt es im Verhältnis der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits an einer besonderen Härte, die nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des nachbarlichen Verhältnisses einen Ausgleich gebietet.

6.

Schließlich kann die Klägerin vom Beklagten auch nicht Entschädigung in Höhe von 12.935,- DM für die geringere Ausnutzbarkeit ihres Grundstücks mit der Begründung verlangen, sie habe die gemeinsame Giebelwand erhalten müssen. Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere nicht analog § 912 BGB. Auch wenn die Bestimmungen über den Überbau nicht unmittelbar einschlägig sind, da nicht auf das Grundstück der Klägerin übergebaut wurde, ist die dadurch herbeigeführte Situation - nämlich der Mitbeanspruchung des Nachbargrundstücks durch die bauliche Maßnahme - dem in § 912 BGB geregelten Fall zwar vergleichbar. Der Senat verkennt nicht, dass durch die Schaffung des gemeinsamen Eigentums durch das Anbauen in den fünfziger Jahren dem Nachbarn die Möglichkeit der uneingeschränkten Benutzung des eigenen Grundstücks entzogen worden ist, indem Miteigentum geschaffen und damit eine Situation herbeigeführt wurde, die bezüglich der Giebelmauer die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigte. Eine Überbaurente analog § 912 BGB scheidet aber deshalb aus, weil die Rechtsverhältnisse an der gemeinsamen Giebelwand in § 921 f. BGB abschließend geregelt sind, so dass es an einer für die Annahme einer Analogie erforderlichen Regelungslücke fehlt.

7.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin das Zustandekommen eines Vertrages, nach dem sich der Beklagte zur anteiligen Zahlung von Kosten für die Erhaltung der Giebelwand verpflichtete, nicht schlüssig vorgetragen hat. Nach ihrem eigenen Vorbringen kam es gerade deshalb nicht zum Vertragsschluss, weil die Angebote des Beklagten, sich an den Kosten zu beteiligen, der Klägerin unzureichend erschienen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insofern auf die Ausführungen im angegriffenen landgerichtlichen Urteil Bezug genommen werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Beklagte: 80.985,69 DM.

Ende der Entscheidung

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