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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: 10 U 26/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

wird der Antrag des Klägers, wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, zurückgewiesen.

Gründe:

Die vom Kläger einzuhaltende Frist zur Begründung der Berufung lief am 12. Januar 2007 ab. Die Berufungsbegründung ging am 13. Januar 2007, also nach Ablauf der Frist, bei Gericht ein. Der Kläger hat wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Antrag ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Wiedereinsetzung war zu versagen, weil der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§§ 233, 236 Abs. 2 ZPO).

Der Kläger hat sein Wiedereinsetzungsgesuch wie folgt begründet:

Sein Prozessbevollmächtigter habe am 12. Januar 2007 um ca. 18:30 Uhr damit begonnen, den Text der Berufungsbegründung in den Personal Computer einzugeben. Wenige Minuten nach 23:00 Uhr sei die Berufungsbegründung fertig gestellt gewesen. Als sein Prozessbevollmächtigte gerade dabei gewesen sei, noch einige Tippfehler zu korrigieren, sei in einem separaten Fenster des Computers die sinngemäße Mitteilung erschienen: "WORD hat ein Problem festgestellt und muss beendet werden". Der Prozessbevollmächtigte, dem die Komplikation bekannt gewesen sei, habe das Programm WORD daraufhin über den sogenannten Task-Manager beendet und dann neu gestartet. Das Dokument sei dann wieder verfügbar gewesen, allerdings nur in der Fassung, die es bei der letzten automatischen Sicherung vor Auftreten der Komplikation gehabt habe. Alle späteren Eingaben und Korrekturen seien verschwunden gewesen. Von der Berufungsbegründung sei der Text des Abschnitts 1 a) gespeichert gewesen, nicht jedoch der Text des Abschnitts 1 b). In der verbleibenden sehr knappen Zeit habe der Prozessbevollmächtigte den Rest der Berufungsbegründung notdürftig wieder hergestellt. Hiermit sei er um ca. 23:50 Uhr fertig gewesen. Er habe das Dokument ausgedruckt und um 23:54 Uhr mit der Faxübersendung begonnen. Diese habe aber nicht rechtzeitig durchgeführt werden können, weil es an diesem Abend zu einer Störung gekommen sei. Das Faxgerät habe - wie üblich - im Zwei-Minuten-Takt "Wahlwiederholung" angezeigt und schließlich den Übermittlungsversuch um 0:17 Uhr abgebrochen. Nachdem klar gewesen sei, dass die Faxübersendung nicht rechtzeitig gelungen sei, habe der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz im Original zum Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts - wohl mit dem Fahrrad - gebracht, wo der Eingang zutreffend kalendarisch am 13. Januar 2007 vermerkt worden sei.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung hinreichend zu entschuldigen. Weder hinsichtlich der zeitlichen Verzögerung, die durch die Notwendigkeit, einen Teil des auf dem Computer erstellten Dokuments zu erneuern, eingetreten ist, noch hinsichtlich der fehlgeschlagenen Telefaxübermittlung kann ein dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden des Prozessbevollmächtigten ausgeschlossen werden.

Nach dem Vortrag des Klägers ist davon auszugehen, dass sein Prozessbevollmächtigter bei der Fertigung der Berufungsbegründung mit Hilfe des Computers nicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um das Schriftstück so rechtzeitig fertig zu stellen, dass die Frist zur Abgabe der Berufungsbegründung eingehalten werden konnte. Der Prozessbevollmächtigte hat es unterlassen, den von ihm in den Computer eingegebenen Text so zu sichern, dass etwaige Ergänzungen und Korrekturen mit einem geringen Zeitaufwand hätten vorgenommen werden können. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Schriftstück ohne das Auftreten von Komplikationen allenfalls eine Stunde vor Fristablauf fertiggestellt worden wäre und damit für einen rechtzeitigen Eingang bei dem Berufungsgericht ein Zeitraum von nicht mehr als einer Stunde zur Verfügung gestanden hätte, hätte der Prozessbevollmächtigte darauf achten müssen, dass der eingegebene Text ständig, d. h. in kurzen Zeitabständen - entweder automatisch oder durch entsprechende zusätzliche manuelle Maßnahmen - gespeichert worden wäre. Der Kläger trägt selbst vor, wenige Minuten nach 23.00 Uhr sei die Berufungsbegründung bereits fertiggestellt gewesen, der Prozessbevollmächtigte habe lediglich noch Tippfehler korrigiert, als es zum "Absturz" und teilweisen Verlust des Textes gekommen sei. Spätestens nach Fertigstellung der Berufungsbegründung war es aber dringend geboten, den vorhandenen Text durch - ggfs. manuelles - Abspeichern zu sichern. Bei Beachtung dieser Sicherheitsmaßnahme wäre das Schriftstück nicht erst unmittelbar vor Ablauf der Frist, sondern zu einem Zeitpunkt fertig gestellt gewesen, zu dem auch im Falle von Komplikationen hinreichend Zeit für Wiederholungsversuche bei der Faxübermittlung zur Verfügung gestanden hätte bzw. zu dem es möglich gewesen wäre, rechtzeitig den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts zu erreichen, wie es der Prozessbevollmächtigte für den Fall von Verzögerungen bei der Faxübermittlung geplant hatte. Die Beachtung solcher Sicherheitsmaßnahmen war im vorliegenden Fall insbesondere deswegen notwendig, weil der Prozessbevollmächtigte aufgrund der Art der Fertigstellung des Schriftstücks die gegebene Frist nahezu bis zur "letzten Minute" ausgeschöpft hatte und er nicht ausschließen durfte, dass sich die Übermittlung des Schriftstücks per Fax verzögern würde. Der Prozessbevollmächtigte hätte berücksichtigen müssen, dass die rechtzeitige Übermittlung per Fax unmittelbar vor Ablauf der Frist um Mitternacht auch deswegen auf Schwierigkeiten hätte stoßen können, weil die Möglichkeit bestand, dass das Empfangsgerät des Berufungsgerichts aufgrund der Übermittlung von Schriftstücken anderer Teilnehmer hätte belegt sein können, somit die rechtzeitige Übermittlung nicht an einem unvorhergesehenen Defekt der für die Übermittlung maßgeblichen Geräte, sondern an Umständen hätte scheitern können, die sich aus der Besonderheit des gewählten Übermittlungsweges ergaben.

Soweit der Kläger geltend macht, mit der Faxübermittlung sei um 23.54 Uhr begonnen worden, so dass angesichts einer üblichen Übermittlungsdauer von 17 bis 20 Sekunden pro Seite die Verspätung allein auf eine unverschuldete Störung bei der Übermittlung zurückzuführen sei, sind Sachvortrag und Glaubhaftmachung unsubstantiiert. Der Kläger trägt lediglich die nach seiner Darstellung am Faxgerät seines Prozessbevollmächtigten am fraglichen Abend festgestellten "Symptome" vor und fügt einen auf den 13. Januar 2007, 0.17 Uhr, datierten Sendebericht bei. Ausführungen zur Ursache der behaupteten Störung bei der Übermittlung fehlen ebenso wie Vorbringen dazu, dass das Faxgerät der Rechtsanwaltskanzlei am 12. Januar 2007 zuvor einwandfrei funktioniert hatte und auch in der Folgezeit fehlerfrei arbeitete. Ebensowenig ist dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Handhabung so geübt und sicher war, dass er beim Auftreten von Problemen nicht der Unterstützung durch eine erfahrene Bürokraft bedurfte, und dass ein Bedienungsfehler ausgeschlossen werden kann. Andererseits kann eine technische Fehlfunktion auf Empfängerseite nach den Umständen des Falles ausgeschlossen werden: Beim Oberlandesgericht waren zu dieser Zeit zwei Telefax-Empfangsgeräte im Einsatz. Eines von ihnen hatte ausweislich des Fax-Journals vom 12. Januar 2007 noch um 23.44 Uhr eine Sendung mit einer Übertragungsdauer von 1 Minute 18 Sekunden empfangen. Der nächste Empfang ist für den 13. Januar, 11.55 Uhr, verzeichnet, was der gerichtsbekannten Erfahrungstatsache entspricht, dass an Samstagen üblicherweise nur eine geringe Zahl von Telefaxsendungen eingeht. Etwaige Störungen, die bei Bekanntwerden im Fax-Journal hätten verzeichnet werden müssen, sind nicht vermerkt und sind, wie der Senat durch Nachfrage festgestellt hat, auch nicht bekannt geworden. Vor diesem Hintergrund reichen Sachvortrag und Glaubhaftmachung des Klägers nicht aus, um ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ausschließen zu können.

Der Kläger mag binnen einer Frist von 2 Wochen Stellung nehmen, ob er das Rechtsmittel weiter verfolgt. In diesem Falle beabsichtigt der Senat, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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