Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 27.02.2004
Aktenzeichen: 11 U 103/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 649
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 103/03

Anlage zum Protokoll vom 27.02.2004

Verkündet am 27.02.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Wurm

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14.3.2003 (7 O 247/99) dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an die Klägerin 7.988,27 € (15.623,69 DM) nebst 9,5 % Zinsen seit dem 18.12.2001 Zug um Zug gegen Herausgabe folgender Gegenstände zu zahlen:

8 Rollos der Firma X gemäß Auftragsbestätigung der Firma X vom 09.03.1998 und Lieferschein der Firma X vom 13.03.1998 nebst Zubehör,

8 Stück dazugehörende Motoreinheiten (N-Haustechnik) gemäß Schreiben der Firma X vom 14.09.2000.

2.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte in erster Linie ihren Antrag auf Klageabweisung fort. Hilfsweise beantragt sie, nur Zug um Zug gegen Herausgabe der von der Klägerin für die Auftragsdurchführung erworbenen 8 Rollos und 8 Stück Motoreinheiten verurteilt zu werden. Sie begründet das Rechtsmittel wie folgt: Der Auftrag sei nicht oder nur unter der aufschiebenden Bedingung der Feststellung zustandegekommen, dass die Verfärbungen in dem Schwimmbad durch Lichteinfall verursacht seien. Jedenfalls habe die Klägerin gegen ihre Hinweispflichten verstoßen, wenn sie einen Vertrag ohne Vorbehalt abgeschlossen habe. Zumindest sei die Geschäftsgrundlage dadurch entfallen, dass sich nachträglich herausgestellt habe, dass die Verfärbung des Schwimmbades auf anderen Ursachen beruht hätten. Für der Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB fehle es an der Kündigungserklärung; diese sei nicht in dem Schreiben vom 01.03.1999 enthalten. Die Klägerin habe den Anspruch außerdem nicht richtig berechnet. Die Kosten für das Gerüst habe sich die Klägerin anrechnen zu lassen, da nach dem Angebot die Preise "incl. Montage" vereinbart seien. Das Begleitschreiben vom 09.07.1997, nach dem das Gerüst bauseits zu stellen sei, sei ihr - der Beklagten - nicht bekannt gewesen. Außerdem habe die Klägerin Montagearbeiten von mindestens zwei Tagen erspart. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 18.06.2001 (Bl. 158 d. A.) vorgenommene Kalkulation sei fiktiv und offenkundig nicht annähernd identisch mit der Ursprungskalkulation. Hilfsweise beantragt die Beklagte, nur Zug um Zug gegen Herausgabe der von der Klägerin für die Auftragsdurchführung erworbenen 8 Rollos und 8 Stück Motoreinheiten verurteilt zu werden. Zwar habe sie im Verhandlungstermin beim Landgericht vom 30.03.2000 erklärt, dass sie auf die Rollos keinen Wert lege und insoweit auch nicht eine Zug-um-Zug-Verurteilung begehre. Dabei sei sie aber überzeugt gewesen, dass ein Vertrag mit der Klägerin überhaupt nicht zustandegekommen sei. Das Landgericht habe ihr daher nochmals einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte Zug-um-Zug gegen Herausgabe folgender Gegenstände zu verurteilen:

8 Rollos der Firma X gemäß Auftragsbestätigung der Firma X vom 09.03.1998 und Lieferschein der Firma X vom 13.03.1998 nebst Zubehör,

8 Stück dazugehörende Motoreinheiten (N-Haustechnik) gemäß Schreiben der Firma X vom 14.09.2000.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Hinsichtlich des Hilfsantrages der Berufung wendet sie ein, die Erklärung der Beklagten in dem Termin vom 30.03.2000 beinhalte einen Verzicht, den die Klägerin durch ihren Antrag auf Verurteilung ohne Zug-um-Zug-Zahlung angenommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gerichteten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, soweit die Beklagte die völlige Abweisung der Klage begehrt. Hinsichtlich des Hilfsantrages hat die Berufung indes Erfolg.

1.

Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin einen Vergütungsanspruch nach § 649 Abs. 2 BGB zuerkannt.

a)

Das Landgericht hat richtig dargelegt, dass ein Vertrag zustandegekommen ist. Die von der Beklagten hiergegen bereits erstinstanzlich erhobenen Einwendungen zeigen keinen konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen begründen könnten, so dass diese nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend sind. Die von der Beklagten beauftragten Architekten haben das Angebot der Klägerin mit Schreiben vom 19.09.1997 ohne Vorbehalt angenommen. Es ist davon auszugehen, dass sie insoweit mit Vertretungsmacht handelten, zumal die Beklagte persönlich auf Seite 2 des Angebotes unter dem 15.07.1997 ihren mit Paraphe versehenen Vermerk "i.O." gesetzt hatte. Die Frage der Ursache der Verfärbung des Schwimmbades war bei der gebotenen Auslegung der beiderseitigen vertraglichen Erklärungen nach Treu und Glauben und unter besonderer Berücksichtigung der gegenseitigen Interessenlage (§§ 133, 157 BGB) nicht Sache der Klägerin, sondern der Beklagten und ihrer Architekten. Das Landgericht verweist insoweit zu Recht darauf, dass die Beklagte nicht erwarten konnte, dass die Klägerin mit nicht unerheblichen Aufwand und Kosten für sie tätig würde, ein Entgelt hierfür aber nur hätte erhalten sollen, wenn sich im nachhinein herausstellte, dass ein bestimmter von der Beklagten verfolgter Zweck mit dem Einbau der Rollos sich auch tatsächlich verwirklichte. Deshalb hat die Klägerin auch weder ihre vertraglichen Hinweispflichten verletzt, noch kommt eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht, zumal diese ohnehin nur zu einer Vertragsanpassung führen könnte, die sich an der Regelung des § 649 BGB orientieren müsste.

b)

Die Rüge, in dem Schreiben vom 01.03.1999 sei keine Kündigung zu sehen, greift ebenfalls nicht durch. In der Klageerwiderung hat die Beklagte selbst eine Kündigung i. S. v. § 649 BGB angenommen (Bl. 33 d. A.). Jedenfalls ist in den beiderseitigen Erklärungen der Parteien eine stillschweigende einvernehmliche Vertragsauflösung zu sehen (dazu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Auflage, Rn. 1334 f.).

c)

Das Landgericht hat den der Klägerin damit zustehenden Vergütungsanspruch aus § 649 Satz 2 BGB der Höhe nach zutreffend berechnet.

Soweit die Beklagte einwendet, die Gerüstkosten müsse sich die Klägerin anrechnen lassen, weil diese in den von der Klägerin übernommenen Montagekosten enthalten gewesen seien, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert. Nach Seite 3 des Angebotes vom 09.07.1997 sollte die Gerüststellung bauseits erfolgen (Bl. 8 und 203 d. A.). Die Beklagte behauptet, ihr sei dieses "Begleitschreiben" nicht bekannt gewesen. Darauf kommt es indes nicht an. Es handelte sich nicht nur um Begleitschreiben, sondern um die letzte Seite des Angebots. Dass dieses den Architekten der Beklagten in vollem Umfang zugegangen ist, ist nicht bestritten. Demnach ist die Tragung der Gerüstkosten durch die Beklagte Vertragsbestandteil geworden mit der Folge, dass sich die Klägerin insoweit keine Kostenersparnis anrechnen lassen muss.

Der weitere Einwand, die Montagearbeiten hätten nicht nur einen, sondern mindestens zwei Tage in Anspruch genommen, ist neu und damit nach § 531 ZPO verspätet. Erstinstanzlich ist die Behauptung der Klägerin, die Arbeiten hätten nur einen Tag erfordert, nicht bestritten worden. Das entsprechende Parteivorbringen wird auf Seite 8 des landgerichtlichen Urteils im übrigen mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) festgestellt. Zudem ist die entsprechende Feststellung des Landgerichts durch das richterliche Schätzungsermessen nach § 287 ZPO abgedeckt. Damit erweist sich dieser Berufungsangriff ebenfalls als unbegründet. Gleiches gilt für die sonstigen Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des Anspruchs, zumal sie sich auf die Berechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 18.06.2001 beziehen. Die Klägerin hat ihre Berechnung aber später mit Schriftsatz vom 07.12.2001 umgestellt (Bl. 204 ff. d. A.). Auf dieser späteren Berechnungsgrundlage hat das Landgericht die Klageforderung richtig berechnet.

2.

Begründet ist die Berufung hinsichtlich des Hilfsantrages, mit dem die Beklagte die Verurteilung lediglich Zum um Zug gegen Herausgabe der für die Durchführung des Auftrages angeschafften Rollos und Motoreinheiten begehrt. Bei den Kosten für dieses Material handelt es sich nicht um ersparte Aufwendungen nach § 649 Satz 2 BGB. Derartige Kosten zählen nur dann zu den ersparten Aufwendungen, wenn das Material in absehbarer und unzumutbarer Zeit anderweitig verwendet werden kann (vgl. BGH NJW 1996, 1282, 1283; Palandt-Sprau § 649 Rdn. 5; Werner/Pastor, Rn. 1296). Handelt es sich - wie hier - dagegen um Materialien, die speziell für das Bauwerk des Auftraggebers beschafft wurden und sich nicht anderweitig verwenden lassen, so muss sich der Auftragnehmer insoweit keine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Allerdings ist er dann nach Treu und Glauben verpflichtet, dem Auftraggeber das Material herauszugeben und zu übereignen (Palandt/Sprau, BGB, 63. Auflage, § 649 Rn. 5). Das hat allerdings nur auf Verlangen des Auftraggebers zu geschehen (vgl. zu dem gleichgelagerten § 8 Nr. 1 VOB/B Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10. Auflage, § 8 Rn. 5; Nicklisch/Weick, VOB, § 8 Rn. 8; Vygen in: Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Auflage, B § 8 Nr. 1 Rn. 49) Dieses Verlangen hat die Beklagte erstmals im Berufungsverfahren mit dem Antrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung gestellt. Hieran ist sie nicht dadurch gehindert, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausdrücklich abgelehnt hat. Prozessual ist sie dadurch nicht gehindert, diesen Antrag nunmehr zu stellen. In der Erklärung vor dem Landgericht lässt sich auch kein materiell-rechtlicher Verzicht auf den Anspruch auf Herausgabe der Gegenstände sehen. Die entsprechende Erklärung allein beruhte auf der für alle Beteiligten erkennbaren Vorstellung der Beklagten, ein Vertrag sei nicht zustandegekommen. Ein Erlass- oder Verzichtswillen lässt sich deshalb nicht mit der hinreichenden Sicherheit entnehmen, zumal es ein Erfahrungssatz ist, dass ein Erlass bzw. Verzicht im Zweifel nicht anzunehmen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, § 397 Rn. 4 m. w. N.). Das jetzige Verlangen verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen venire contra factum proprium. Diese Berechtigung dieses Einwand setzt regelmäßig eine Vertrauensdisposition des anderen Teils voraus (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 Rn. 55). Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn die Klägerin die Gegenstände im Vertrauen auf die Erklärung der Beklagten beseitigt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin weiterhin im Besitz der Gegenstände.

3.

Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des vom Landgericht angewendeten § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor, da die Zuvielforderung der Beklagten mit über 10 % des Streitwertes nicht verhältnismäßig geringfügig war (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Auflage, § 92 Rn. 10 m. w. N.); bei der Quote des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens war überdies angemessen zu berücksichtigen, dass die Beklagte entgegen dem Antrag der Klägerin nicht uneingeschränkt, sondern nur Zug um Zug zu verurteilen ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind der Beklagten nach § 97 Abs. 1 und 2 ZPO aufzuerlegen. Soweit sie mit dem Hilfsantrag Erfolg hat, beruht dies auf neuem Vorbringen, so dass § 97 Abs. 2 ZPO zur Anwendung gelangt. Da die Klägerin die zur Durchführung des Auftrages erworbenen Materialien nicht von sich aus, sondern lediglich auf Verlangen der Beklagten herauszugeben hatte, hat das Landgericht die Beklagte zu Recht uneingeschränkt verurteilt. Der (teilweise) Erfolg der Berufung beruht demnach auf neuem Vorbringen, dass die Klägerin schon im früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 7.988,27 €.

Ende der Entscheidung

Zurück