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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 11 U 121/04
Rechtsgebiete: ZPO, HOAI


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
HOAI § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.5.2004 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln (17 O 358/00) wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit der zunächst nur gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen einer mangelhaften Genehmigungsplanung der Beklagten zu 1) geltend. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhaltes und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 19.5.2004 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts hat die Klägerin am 21.6.2004, einem Montag, Berufung eingelegt, welche sie - nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis 19.8.2004 - mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet und ihre Klage zugleich gegen den Beklagten zu 2) erweitert hat.

Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Leistungsverlangen fest, wobei sie nunmehr die Verurteilung beider Beklagten in Gesamtschuldnerschaft begehrt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens beruft sie sich zur Begründung ihrer Berufung insbesondere darauf, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, der Bau sei nicht nach den Plänen der Beklagten zu 1), sondern bereits nach denen des Beklagten zu 2) begonnen worden. Im übrigen handele es sich entgegen den erstinstanzlichen Feststellungen bei der am 7.10.1998 auf die Planungen des Beklagten zu 2) hin erteilten 2. Baugenehmigung um eine Nachtragsbaugenehmigung, in welcher die ursprüngliche, am 27.3.1996 erteilte und mit Bescheid vom 7.5.1998 verlängerte Baugenehmigung fortgewirkt habe. Dementsprechend sei vom Landgericht zu Unrecht die Kausalität der Planungsfehler der Beklagten zu 1) für den eingetretenen Schaden verneint worden.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, der Beklagte zu 2) hafte als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1) für den eingetretenen Schaden, da auch die von ihm vorgelegte Genehmigungsplanung mangels Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen baurechtswidrig gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 14.5.2004 - 17 O 358/00 - als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 689.303,92 € zu zahlen, die Beklagte zu 1) zuzüglich 7,5 % Zinsen seit dem 21.12.2001, den Beklagten zu 2) zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 24.8.2004.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil: Das Landgericht sei rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es an der Kausalität zwischen etwaigen von ihr begangenen Planungsfehlern und dem geltend gemachten Schaden fehle.

Für den Beklagten zu 2), dem die Berufungsbegründung und Klageerweiterung ordnungsgemäß zugestellt worden ist, hat sich ein Prozessbevollmächtigter nicht bestellt. Es ist für ihn trotz ordnungsgemäßer Ladung auch im Termin niemand erschienen.

Die Klägerin hat insofern den Erlass eine Versäumnisurteils gegen den Beklagten zu 2) beantragt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu:

Es kann insofern dahinstehen, ob es nicht bereits an einer Anspruchsgrundlage der Klägerin im Hinblick auf die geltend gemachten Schäden fehlt. Eine solche ist zweifelhaft, weil einerseits der Architektenvertrag, aus dem sich Schadensersatzansprüche ergeben könnten, gerade nicht mit ihr, sondern mit ihren Rechtsvorgängern, den Eigentümern T und N, geschlossen worden ist, so dass die Klägerin aus abgetretenem Recht klagt, andererseits die geltend gemachten Schäden gerade nicht bei den Zedenten, sondern bei ihr selbst entstanden sein sollen. Ob insoweit die Grundsätze der Drittschadensliquidation oder des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eingreifen, erscheint fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Beurteilung.

Jedenfalls fehlt es - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - an der erforderlichen Kausalität zwischen den mangelhaften Planungsleistungen der Beklagten zu 2) und den von der Klägerin geltend gemachten Schäden:

a) Nach der Überzeugung des Senates ist die Bauausführung - entgegen dem auch in der Berufung aufrecht erhaltenen Vortrag der Klägerin - am 7.7.1998 nicht nach den Plänen der Beklagten zu 1), sondern nach denen des Beklagten zu 2) begonnen worden.

aa) Dies ergibt sich - worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2005 auch ausdrücklich hingewiesen worden ist - ohne weiteres bereits aus einem Vergleich der Feststellungen des von der Klägerin am 29.5.2001 mit einer Begutachtung des Bautenstandes beauftragten Sachverständigen I und den beiden in Rede stehenden Baugenehmigungen:

(1) Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin noch mit Schriftsatz vom 21.12.2001 (GA 141) befand sich das Bauvorhaben seit der Stillegung am 12. August 1998 in dem durch den Gutachter I am 29.5.2001 dokumentierten Zustand. In der Berufung behauptet die Klägerin nun allerdings mit Schriftsatz vom 12.1.2005 (GA 693) das Gegenteil: Der Bautenstand im Mai 2001 habe nicht dem zur Zeit der Stilllegung im August 1998 entsprochen. Es sei zunächst nach den Plänen des Beklagten zu 1) der Bau begonnen worden bis die neue Baugenehmigung erteilt worden sei.

Abgesehen davon, dass dieses nunmehrige Vorbringen als widersprüchlicher Parteivortrag wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 ZPO ohnehin unbeachtlich ist (vgl. allgemein etwa BGH NJW-RR 1987, 1469), ist es auch in sich unschlüssig:

Die auf der Planung des Beklagten zu 2) beruhende 2. Baugenehmigung wurde unstreitig erst am 7.10.1998 erteilt, also zu einem Zeitpunkt, als die Baustelle längst stillgelegt war. Der Weiterbau wurde dann seitens des Verwaltungsgerichtes Köln erst unter dem 25.9.1999 gestattet. Zu diesem Zeitpunkt wiederum hatte die Stadt L als zuständige Bauordnungsbehörde - und zwar mit Bescheid vom 22.9.99 (GA 36) - bereits die beiden Baugenehmigungen vom 27.3.1996 und 7.10.1998 zurückgenommen und statt ihrer die Baugenehmigung vom 24.9.1999 erlassen, die den teilweisen Rückbau des bereits errichteten Baus vorsah. Dass die Klägerin in dieser Situation und in Kenntnis ihrer bereits angeordneten teilweisen Rückbauverpflichtung (!) noch nach den alten, genehmigungsrechtlich bereits nicht mehr zulässigen Plänen weitergebaut hätte, kann schlechterdings nicht angenommen werden und wird in dieser Form von ihr auch nicht behauptet.

Vergleicht man weiter die Fotografien des Sachverständigen I insbesondere der Vorderseite des Objektes (GA 153 f.) mit denen des erstinstanzlich beauftragten Gutachters Q (GA 422), die den Zustand nach Fertigstellung des Hauses zeigen, so ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Besichtigung des Sachverständigen I am 29.5.2001 offensichtlich auch der Rückbau gemäß Bescheid vom 24.9.1999 noch nicht erfolgt bzw. begonnen worden war. Dies läßt keinen anderen Schluß zu als den, dass - entsprechend dem ursprünglichen Klägervortrag - der Bautenstand per 29.5.2001 dem zum Zeitpunkt der Stilllegung der Baustelle am 12.8.1998 entsprach.

(2) Ein Vergleich der vom Sachverständigen im Mai 2001 gefertigten Fotos (GA 153 ff.) - die nach obigen Darlegungen den Bautenstand am 12.8.1998 wiedergeben - mit den den beiden Baugenehmigungen zugrunde liegenden Bauplänen, zeigt eindeutig, dass - entgegen dem Vorbingen der Klägerin - dem Bau in seiner tatsächlichen Ausführung bereits die noch nicht genehmigten Pläne des Beklagten zu 2) zugrunde lagen. So finden sich an der Vorderseite des Gebäudes im Erdgeschoß nicht etwa - wie in der Baugenehmigung vom 27.3.1996 vorgesehen - Garagen, sondern - entsprechend der Baugenehmigung vom 7.10.1998 - Wohnräume mit Fenstern. Gleiches gilt für das Obergeschoß: Auch hier waren - entgegen der Baugenehmigung vom 27.3.1996 - Balkone mit Balkontüren statt bloßen Fenstern errichtet worden, was der späteren Baugenehmigung vom 7.10.1998 entsprach. Eine weitere Abweichung ergibt sich aus der leichten Vormauerung im Bereich des Treppenhauses: Auch diese findet sich lediglich in der Baugenehmigung vom 7.10.1998 wieder. Weiterhin zeigen die Fotos des Sachverständigen I (GA 166 f.) im Kellerbereich die gegenüber der ursprünglichen Planung stark vergrößerten Fenster zur Gartenseite hin.

bb) Hinzu kommt, dass die Stilllegungsverfügung der Stadt L vom 19.8.1998 (GA 33) sich ausdrücklich auf eine Abweichung von der - zu diesem Zeitpunkt einzigen - Baugenehmigung vom 27.3.1996 stützt und ausführt, es habe vor Zugang der Baugenehmigung - gemeint kann hier lediglich die zweite, zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassene Genehmigung sein - nicht mit der Bauausführung begonnen werden dürfen. Auch dies spricht dafür, dass der Bau am 7.7.1998 nicht nach den ursprünglichen Plänen der Beklagten zu 1), die der Baugenehmigung vom 27.3.1996 zugrunde lagen, begonnen worden war. Selbst wenn im Übrigen - wie die Klägerin behauptet - die tatsächliche Motivation für die Baustillegung der festgestellte Abstandsflächenverstoß gewesen sein sollte - die behördliche Verfügung vom 19.8.1998 enthält hierfür keinerlei Anhaltspunkte -, so würde dies nicht bedeuten, dass die gegebene Begründung der Abweichung von der bestehenden Baugenehmigung sachlich unzutreffend gewesen wäre.

Im übrigen war nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift (GA 6) (ein) Grund für die durch den Beklagten zu 2) geänderte Planung gerade ein Änderungswunsch im Kellerbereich. Hierzu passt jedoch, dass die von der Behörde festgestellte Abweichung von der genehmigten Planung gerade diesen Kellerbereich betraf - wobei zum Zeitpunkt der Begehung durch den zuständigen Mitarbeiter der Stadt L J am 4.8.1998 ausweislich seines Vermerks (GA 699) erst das Kellergeschoß errichtet war.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dem besagten Vermerk des Zeugen J (GA 699) auch nicht entnehmen, dass der Bau nach den Plänen der Beklagten zu 1) begonnen worden wäre. Der Zeuge J hatte seinerzeit nämlich lediglich festgestellt, dass die Außenmaße des Baus im Kellerbereich denen der genehmigten Planung entsprachen; unstreitig sind insoweit beide Planungen jedoch identisch. Darüber hinaus verweist der Zeuge J zudem ausdrücklich auf vorliegende Abweichungen der Innenaufteilung des Kellergeschosses; diese waren jedoch gerade - wie erwähnt - (auch) Gegenstand der geänderten Bauplanung des Beklagten zu 2).

cc) Nicht zuletzt hat - worauf auch das Landgericht zutreffend verwiesen hat - der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige K in seinem Gutachten (GA 447 ff.) überzeugungskräftig festgestellt, es bestünden keine Zweifel daran, dass die Bauausführung nicht nach den Plänen der Beklagten zu 1), sondern bereits nach der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht genehmigten Planung des Beklagten zu 2) begonnen worden sei.

dd) Schließlich widerspräche es auch jeder Lebenserfahrung, einerseits am Tag nach dem notariellen Erwerb des Grundstücks den Beklagten zu 2) mit einer Änderungsplanung zu beauftragen und am 18.6.1998 den entsprechend geänderten Bauantrag einzureichen, um dann wenige Wochen später, nämlich am 7.7.1998 nach den eigentlich überholten Plänen den Bau zu beginnen - mit dem Risiko, später, nämlich nach Erteilung der geänderten Baugenehmigung, den bereits zum Teil errichteten Bau der neuen Baugenehmigung anpassen zu müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

ee) Der Senat hat angesichts dieser klaren Sachlage, die sich insbesondere aus dem Vergleich des von der Klägerin selbst in den Prozeß eingeführten Gutachtens des Sachverständigen I und den vorgelegten Bauplänen ergibt, keine Veranlassung gesehen, den von Klägerseite auch in der Berufung aufrecht erhaltenen Beweisanträgen (GA 534 und 692) auf Vernehmung der Zeugen L - dessen schriftliche Stellungnahme (GA 700) im Übrigen wenig für die Behauptungen der Klägerin hergibt - und D X nachzugehen. Was den erstmals in der Berufung gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen J (GA 692) angeht, so handelt es sich um ein neues Angriffsmittel, welches ohnehin nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen ist.

b) Der Beklagte zu 2) war nach dem mit der Klägerin geschlossenen Planungsvertrag vom 8.5.1998/20.7.1998 (GA 623) mit den Leistungsphasen 4 und 5 gem. § 15 HOAI beauftragt, wobei hinsichtlich der Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) ausdrücklich die Änderung der vorliegenden Baugenehmigung vorgesehen war. Insofern schuldete er - wie die Klägerin selbst einräumt (GA 694) - eine genehmigungsfähige Planung (vgl. allgemein etwa BGH NJW 1999, 1105; OLG Stuttgart IBR 2004, 28; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1234). Gegenstand der zu erbringenden Leistungen ist damit auch die Prüfung, ob das Bauvorhaben im Einklang mit dem Bauordnungs- und Bauplanungsrecht steht, wozu auch die Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen gehört (vgl. allgemein etwa OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Hamm BauR 2000, 918). Es kommt insofern auch nicht darauf an, ob die von der Klägerin gewünschten Änderungen "abstandsflächenrelevant" waren oder nicht: Dem Beklagten zu 2) oblag es seinerseits, die gesamten Voraussetzungen für die Genehmigungsfähigkeit seiner Planung zu schaffen.

Dies gilt umso mehr, als entgegen der Auffassung der Klägerin die von ihr gewünschten Änderungen gegenüber der Planung der Beklagten zu 1) durchaus nicht unerheblich waren, wie im übrigen bereits der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige K überzeugungskräftig festgestellt hat (GA 452): Abgesehen von Modifikationen hinsichtlich der Grundrisse im Inneren wurden zusätzliche Fenster und Austritte vorgesehen (etwa an den Giebelseiten) sowie die vorhandenen zum Teil vergrößert - etwa auf der rückseitigen Front. Im Obergeschoß sah die Planung des Beklagten zu 2) zur Straßenseite hin Balkone statt bloßer Fenster vor. Weiterhin sollte die Dachform geändert werden und - nicht zuletzt - die zunächst als Garagen vorgesehenen Flächen im Erdgeschoß zu Wohnräumen umgewandelt werden. Insgesamt sollte die Wohnfläche hierdurch um etwa 1/4, nämlich von 454,22 m² auf 563,25 m² erhöht werden.

Angesichts des tatsächlichen Umfangs der vorgesehenen Änderungen der ursprünglichen Planung kommt es nach Auffassung des Senates auch nicht darauf an, ob es sich bei der Baugenehmigung vom 7.10.1998 um eine Nachtragsbaugenehmigung im Rechtssinne gehandelt hat oder nicht: Der Beklagte zu 2) hätte jedenfalls in zivilrechtlicher Hinsicht auch die Abstandsflächenproblematik eigenständig einer Überprüfung unterziehen müssen, und zwar unabhängig von der öffentlich-rechtlichen Frage nach der Bindungswirkung der ersten Baugenehmigung für die zweite.

Im Übrigen ist diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass auch die Baubehörde die seitens des Beklagten zu 2) vorgelegte neue Bauplanung - unabhängig von der Frage nach der von Klägerseite behaupteten rechtlichen Bindungswirkung der Erstgenehmigung - sehr wohl jedenfalls hinsichtlich der Abstandsflächenproblematik eigenständig zu überprüfen hatte und tatsächlich auch überprüft hat: Ihr lag nämlich seit dem 3.8.1998 der Widerspruch des Nachbarn Y, der gerade auf einen Abstandsflächenverstoß gegründet war, vor, was letztlich auch zur Folge hatte, dass die Baugenehmigung vom 7.10.1998 - anders als die Genehmigung vom 27.3.1996 - diesbezüglich ausdrücklich einen Dispens vorsah. Bereits insoweit kann das Argument der Klägerin nicht verfangen, der Beklagte zu 2) habe der Sache nach eine Nachtragsbaugenehmigung beantragt mit der Folge, dass die alte Baugenehmigung sich jedenfalls hinsichtlich der - hier allein relevanten - Abstandsflächenproblematik rechtlich in der neuen Genehmigung fortgesetzt habe.

c) Angesichts vorstehender Umstände kann - wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat - der von der Klägerin behauptete Schaden der Beklagten zu 1) aus Wertungsgesichtspunkten nicht mehr angelastet werden. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Planungsverschulden der Beklagten zu 1) und den finanziellen Einbußen, die die Klägerin ihrem Vortrag zufolge aus der Stillegung der Baustelle und der anschließenden teilweisen Rückbauverpflichtung erlitten hat, ist unterbrochen worden.

Zwar unterbricht in der Regel das Dazwischentreten Dritter den Zurechnungszusammenhang nicht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und dem schädigenden Ereignis so entfernt ist, dass ein Einstehenmüssen des Schädigers unzumutbar erscheint, was etwa dann zu bejahen ist, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis völlig unerheblich war, die Zweitursache die Erstursache also völlig verdrängt hat bzw. aufgrund einer Veränderung des Geschehensablaufs der Schaden bei wertender Betrachtungsweise in keinem inneren Zusammenhang mit der ersten Ursache mehr zu sehen ist (vgl. etwa BGH NJW-RR 2003, 850; NJW 2002, 1117, 1120; BauR 1991, 745; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1234, 1235; OLG Frankfurt OLGR 1993, 2; Münchener Kommentar-Oetker, 4. Aufl., § 249 Rdn. 137 f.; Palandt-Heinrichs, Vor § 249 Rdn. 73).

Der Umstand, dass zum einen die Planungen der Beklagten zu 1) der tatsächlichen Bauausführung gar nicht mehr zugrunde gelegen haben und zum anderen der Beklagte zu 2) bei seinen tatsächlich dem Bau zugrunde liegenden Planungen deren dauerhafte Genehmigungsfähigkeit auch hinsichtlich der Abstandsflächenproblematik nicht gewährleistet hat, ist als Verursachungsbeitrag so entscheidend, dass der Beklagten zu 1) die hieraus - nach der Behauptung der Klägerin - entstandenen Schäden nicht mehr zugerechnet werden können. Der Planungsfehler der Beklagten zu 1) hat sich insofern in dem tatsächlich erstellten Bau und damit in den von Klägerseite geltend gemachten Schäden nicht niedergeschlagen; er ist, und zwar insbesondere von dem Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 2) verdrängt worden. Es kann insoweit auch nicht angenommen werden, die Beklagte zu 1) habe mit ihrer unzureichenden Beachtung der erforderlichen Abstandsflächen gleichsam eine "Gefahrenlage" geschaffen, die sich in der Planung des Beklagten zu 2) fortgesetzt und verwirklicht habe; denn zum einen der Umstand, dass nach diesen Plänen gar nicht gebaut wurde, und zum anderen das Verhalten des Beklagten zu 2), ungeprüft die mangelnde Einhaltung der Abstandsflächen bei seiner ansonsten erheblichen Umplanung des Bauwerks zu übernehmen, haben den Geschehensablauf dermaßen verändert, dass nach Wertungsgesichtspunkten der Schaden nicht mehr in einem inneren Zusammenhang zu dem Planungsfehler der Beklagten zu 1) steht.

1. Soweit die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 19.8.2004 und damit in der Berufungsinstanz die Klage gegen den Beklagten zu 2) erweitert hat (§ 533 ZPO); ein Versäumnisurteil konnte nicht ergehen ( § 539 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz ZPO) ist die Klage unzulässig;

Eine erst in zweiter Instanz erfolgte Ausdehnung eines Rechtsstreits auf einen weiteren Beklagten hat Ausnahmecharakter. Sie setzt daher grundsätzlich dessen Zustimmung voraus (vgl. etwa BGH NJW 1997, 2885; NJW-RR 1986, 356; KG BauR 2004, 551; OLG Rostock OLGR 2005, 126). Diese muß ausdrücklich oder zumindest konkludent - etwa durch rügelose Einlassung auf das Klagevorbringen - erklärt werden (vgl. etwa Musielak, ZPO, 4. Aufl., 2005 § 263 Rdn. 6). Eine Einwilligungsfiktion dergestalt, dass die Säumnis des Bekl. zu 2) dessen Einwilligung ersetzen würde, scheidet aus, da die vermutete Einwilligung nur auf das Verhalten der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Partei gestützt werden darf (vgl. allgemein Zöller, Gummer/Heßler., ZPO, 25. Aufl., § 539 Rdn. 17). Der Beklagte zu 2) hat sich trotz ordnungsmäßer Zustellung der gegen ihn gerichteten Klageerweiterung sowie der Terminsladung zur Sache weder schriftsätzlich eingelassen noch ist er bzw. ein von ihm bestellter Prozessbevollmächtigter zum Termin erschienen. Eine Zustimmung zu der gegen ihn gerichteten Klageerweiterung kann in diesem Schweigen nicht gesehen werden.

Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Verweigerung der Zustimmung seitens des Beklagten zu 2) rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. allgemein etwa BGH NJW 1997, 2885; NJW-RR 1986, 356), braucht nicht entschieden zu werden, denn irgendwelche Anhaltspunke hierfür ergeben sich nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Ein Anlass, i.S.v. § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

5. Gegenstandswert der Berufung: 689.303,92 €

Ende der Entscheidung

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