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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.06.2004
Aktenzeichen: 11 U 153/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 276
ZPO § 138
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 153/03

Anlage zum Protokoll vom 04.06.2004

Verkündet am 4. Juni 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Wurm für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.06.2003 (15 O 642/02) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und der im Berufungsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Im wesentlichen macht er wiederum geltend, er habe die Klage in dem Vorprozess auch gegen die Ehefrau des Verkäufers richten dürfen, weil diese Mitverkäuferin gewesen sei. Außerdem sei diese Vorgehensweise dadurch gerechtfertigt gewesen, dass die Ehefrau als Zeugin ausgeschaltet worden sei.

Der Kläger und der Streithelfer beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag zum - der Höhe nach unstreitigen - Schadenersatz verurteilt.

1.

Nach fester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der um eine Beratung ersuchte Rechtsanwalt zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung seines Auftraggebers verpflichtet, solange dieser nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf. Der Anwalt muss den ihm vorgegebenen Sachverhalt daraufhin überprüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolgt herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinen Mandanten erörtern. Er muss seinen Auftraggeber nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Mandant in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfanges über sein weiteres Vorgehen entscheiden kann (ständige Rechtsprechung des BGH, Nachweise bei Borgmann, NJW 2000, 2953, 2955; vgl. ferner Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 280 Rn. 76 ff.).

Danach hat der Beklagte pflichtwidrig gehandelt. Er durfte die Ehefrau des Verkäufers nicht mitverklagen, weil sich aus der Kaufvertragsurkunde und den unstreitigen Umständen eindeutig ergab, dass diese nicht Kaufvertragspartei war. Der Beklagte wendet ein, dass die Ehefrau in dem notariellen Kaufvertrag vom 30.06.1996 (Bl. 12 ff d.A.) unter der Überschrift "1. als Verkäufer" mitaufgeführt sei. Aus dem Gebrauch des Begriffs "Verkäufer" im weiteren Vertragstext in der Form der Einzahl folge nicht, dass nur eine Person Verkäufer gewesen sei. Es entspreche der üblichen Formulierung in notariellen Verträgen, dass auch bei einer Mehrzahl von Personen auf einer Vertragsseite für die Bezeichnung der Vertragsparteien immer die Einzahl verwendet werde. So habe es auch der vorliegend beurkundende Notar gehandhabt. Dass die Ehefrau nicht Miteigentümerin gewesen sei, stehe ihrer Stellung als Verkäuferin nicht entgegen. Es habe durchaus Sinn gemacht, dass sie als Verkäuferin mit in Erscheinung getreten sei, um wegen der im Vertrag gegebenen Zusicherung mitverpflichtet zu werden.

Dies alles verfängt nicht. Dabei ist neben den vom Landgericht zutreffend angeführten Gesichtspunkten folgender Umstand - auf den in der Berufungserwiderung hingewiesen wird - von wesentlicher Bedeutung: Ziffer I. 1. des Notarvertrages enthält die Klausel, dass der Verkäufer im Grundbuch eingetragener Eigentümer des verkauften Grundbesitzes ist. Unstreitig war lediglich der Ehemann, nicht dagegen die Ehefrau als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Daraus und aus den vom Landgericht genannten Gründen geht eindeutig hervor, dass allein der Ehemann Verkäufer sein sollte und dass die Ehefrau ihre Zustimmung lediglich im Hinblick auf den - nicht ausdrücklich angeführten - § 1365 Abs. 1 BGB erklärt hat. Über diese Rechtslage hat der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag den Kläger nicht informiert und damit nicht umfassend aufgeklärt. Insbesondere ergibt sich diese Aufklärung nicht aus dem von ihm vorgelegten Aktenvermerk vom 07.05.1997 (Bl. 120 d.A.). Zu einer zutreffenden Aufklärung über die dargelegte, eindeutige Rechtslage wäre der Beklagte jedoch verpflichtet gewesen, um den Kläger nicht der Gefahr auszusetzen, dass eine Klage gegen die Ehefrau des Verkäufers mit Kostennachteilen für den Kläger abgewiesen würde.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass er aus prozesstaktischen Gesichtspunkten die Ehefrau mitverklagt hat. Sollte er davon ausgegangen sein, dass diese möglicherweise ebenfalls Vertragspartei war, so hat er gegen seine Vertragspflichten dadurch verstoßen, dass er die Rechtslage unzutreffend beurteilt und den Beklagten nicht sorgfältig sowie umfassend über die dieser Auslegung widersprechenden Gesichtpunkte informiert hat. Sollte ihm dagegen bewusst gewesen sein, dass die Ehefrau nicht Vertragspartei war, so hat er zum einen ebenfalls gegen seine Informationspflicht verstoßen; denn aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht, dass er den Kläger auf eine derartig eindeutige Rechtslage hingewiesen hat. Zum anderen hätte er dann die Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO verletzt. Danach darf keine Partei zu ihren Gunsten Erklärungen wider besseren Wissens abgeben; sie darf nicht lügen (vgl. Reichold in: Thomas-Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rn. 3; Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rn. 3 jeweils m.w.N.). Prozesstaktische Gesichtspunkte können einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht nicht rechtfertigen.

2.

Der Beklagte wendet zudem ein, selbst dann, wenn er den Notarvertrag unrichtig ausgelegt habe, träfe ihn hieran kein Verschulden. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass gegen ein Verschulden des Beklagten schon die Tatsache spreche, dass seine Rechtsauffassung durch ein Kollegialgericht, nämlich die Kammer des Landgerichts Bonn durch das Urteil im Ausgangsverfahren geteilt worden sei. Wenn einem Kollegialgericht mit drei Berufsrichtern dieselbe vermeintlich unrichtige Auslegung des notariellen Vertrages unterlaufen sein sollte, müsse davon ausgegangen werden, dass ein derartiger Rechtsirrtum schuldlos gewesen sei. Auch dem ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nach der Rechtsprechung ein Verschulden in der Regel nicht nur deshalb entfällt, weil ein Kollegialgericht die Rechtsansicht des Rechtsanwalts geteilt hat (BGHZ 85, 252, 260; NJW-RR 1986, 1281; w. N. bei Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 78 a E.), greift dieser Einwand schon deshalb nicht durch, weil das Landgericht die beklagte Ehefrau verurteilen musste, da ihre Passivlegitimation nicht bestritten war. Erst im Berufungsverfahren wurde das Fehlen der Passivlegitimation gerügt (vgl. Berufungsbegründung in dem Vorverfahren vom 23.06.2000, Seite 3, und Urteil des Senats vom 18.12.2000 - 11 U 70/00 - Seite 4). Das Nichtbestreiten der Passivlegitimation beruhte offensichtlich auf einem Versehen der damaligen Beklagten bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten. Entlastend hätte für den Beklagten allenfalls wirken können, wenn die Frage der Passivlegitimation in dem Vorprozess Gegenstand einer eingehenden Prüfung gewesen wäre und diese zu der Entscheidung des Landgerichts geführt hätte.

3.

Durch seine Vertragsverletzung hat der Beklagte den - in der Höhe unstreitigen - Schaden verursacht. Nach dem Grundsatz aufklärungspflichtigen Verhaltens ist davon auszugehen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung von einer Erstreckung der Klage auf die Ehefrau des Verkäufers abgesehen hätte (vgl. Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 76 und 39 m.w.N.).

Der Beklagte kann auch nicht haftungsmindernd geltend machen, dass der Streitverkündete als Berufungsanwalt in dem Vorverfahren den Schaden dadurch (mit-)verursacht habe, dass er die fehlende Passivlegitimation der beklagten Ehefrau unstreitig gestellt habe. Bedient sich der Mandant des weiteren Anwaltes nicht, um einen Schaden zu beheben, so kommt die Anrechnung eines Mietverschuldens nicht in Betracht. Weder ein späterer Prozess- noch der Berufungsanwalt entlasten den ersten Anwalt (vgl. BGH NJW 1998, 749, 751; 2002, 1117, 1120 f.; Borgmann NJW 2000, 2953, 2966 und NJW 2002, 2145, 2151; Palandt/Heinrichs, § 278 Rn. 38 jeweils m.w.N.). Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Streitverkündete seine anwaltlichen Pflichten verletzt hat. Schon im Hinblick auf § 138 Abs. 1 ZPO blieb ihm nichts anderes übrig, als nicht zu bestreiten, dass ausschließlich der beklagte Ehemann Kaufvertragspartei war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Berufungsstreitwert: 7.284,21 €

Ende der Entscheidung

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