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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 11 U 16/03
Rechtsgebiete: WA


Vorschriften:

WA Art. 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 16/03

Anlage zum Protokoll vom 17.03.04

Verkündet am 17.03.04

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und den Richter am Oberlandesgericht Wurm

für Recht erkannt: Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Dezember 2002 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 91 O 234/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die Klägerin ist Transportversicherer einer Firma B.. Der Transportversicherungsvertrag war ursprünglich mit der H. Versicherungsbank VVaG (L.) abgeschlossen worden; das Versicherungsverhältnis ist aber in der Folgezeit wirksam auf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin übertragen worden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Versicherungsleistungen, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 02.05.2000 erbracht hat (§ 67 VVG). Grundlage ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Der Geschäftsführer der Firma B. war mit diversen technischen Geräten von Frankfurt/Main nach Israel und am 18. November 1999 mit der Beklagten von Tel Aviv zurück nach Frankfurt geflogen. Bei diesem Rücktransport übergab er der Beklagten drei von außen identische Kisten als gewöhnliches Reisegepäck, ohne auf den Inhalt der Kisten hinzuweisen. Rückschlüsse auf den Inhalt der Kisten waren von außen nicht möglich.

Nach der Ankunft in Frankfurt wurde festgestellt, dass zwar zwei Kisten mit einem Gesamtwert von 17.170,95 DM angekommen waren; eine Kiste des Versicherungsnehmers war jedoch nicht auffindbar, was umgehend dem Gepäckdienst mitgeteilt wurde. Die von der Beklagten noch am Abend des selben Tages eingeleitete (weltweite) Suche nach dem Gepäckstück (sog. Tracing-Verfahren) blieb im Ergebnis erfolglos. Auch eine seit dem 09.12.1999 erfolgte erweiterte Suche aufgrund einer durch den Geschäftsführer der Fa. B. übermittelten Inhaltsliste des vermissten Gepäckstückes blieb ohne Erfolg. Auch Spuren des Gepäckstückes, wie etwa abgerissene Identifikationslabel, sind nicht aufgefunden worden.

Die Beklagte hat für den Verlust des Gepäckstückes einen Betrag von 1.873 DM erstattet.

Die Klägerin verlangt als Rechtsnachfolgerin von der Beklagten die Erstattung eines (verbliebenen) Restbetrages in Höhe von 56.078,31 DM. Sie hat u.a. behauptet, der Verlust der dritten Kiste sei auf einen Diebstahl durch Personen zurückzuführen, deren sich die Beklagte zur Gepäckbeförderung bedient habe. Außerdem spreche der Umstand, dass das Gepäckstück nicht in Frankfurt angekommen sei, für eine mangelhafte Organisation der Beklagten; dieser obliege daher zunächst die sekundäre Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Organisation.

Die Beklagte ist den Behauptungen und Rechtsansichten der Klägerin entgegengetreten; sie hat die Ansicht vertreten, es seien hier keine Anhaltspunkte vorgetragen, die Anlass gäben, ihr - der Beklagten - eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen. Im Übrigen sei sie, sähe man das anders, auch ihre Darlegungslast insoweit hinreichend nachgekommen.

Durch Urteil vom 11. Dezember 2002 (Bl. 118 ff. d.A.), auf das wegen aller weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die Beklagte im Rahmen des Art. 22 WA bis zu der dort genannten Haftungshöchstgrenze Ersatz geleistet habe; die Beklagte hafte hier aber nicht unbeschränkt nach Art. 25 WA. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen Haftung seien von der Klägerin darzulegen und zu beweisen; hieran änderten im vorliegenden Fall auch nichts die Grundsätze über die sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Denn es fehle "hier bereits an objektiven Anhaltspunkten, die für ein derart hohes Organisationsverschulden der Beklagten sprechen, dass dieser im Wege der sekundären Darlegungs- und Beweislast eine substantiierte Darlegung aufzuerlegen wäre."

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zulässigen Berufung. Sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag (Bl. 184 ff.; Bl. 246 ff.; Bl. 302 ff., Bl. 342 ff. d.A.) und meint, die Beklagte habe die ihr obliegenden Darlegungs- und Beweisobliegenheiten nicht in der erforderlichen Weise genügt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt von einem qualifizierten Verschulden nach § 435 HGB auszugehen sei. Entscheidend komme es hier auf die Schnittstellenkontrollen an, die während des Transportes zwischen den einzelnen Transportabschnitten angestellt werden. Hierzu fehle es aber an hinreichenden Angaben durch die Beklagte. Sämtliche Transportabschnitte bei der Beklagten blieben undurchleuchtet, und dies, obwohl das Gepäckstück mit einem Label versehen werde (Bl. 250). Das Kontrollsystem entspreche damit nicht dem internationalen Standard. Auch eine geringe "Verlustquote" im Rahmen des Reisegepäcks könne noch nicht den Schluss rechtfertigen, dass die von der Beklagten vorrätig gehaltene Organisation für Reisegepäck ordnungsgemäß sei (Bl. 306 d.A.). An die Organisation des Gepäckversandes könnten keinesfalls geringere Anforderungen gestellt werden als an den Frachtversand (Bl. 344 d.A.).

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 28.672,39 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2000 zu zahlen.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen der gesamten weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die von den Parteien zu den Akten gereichten Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Beklagte haftet nicht für den Verlust des Micromap Profilometer gemäß Art. 25 des Warschauer Abkommens (WA) in der durch Art. 22 WA vorgesehenen Haftungsgrenze hinaus; das hat das Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen:

1.

Nach Art. 1 gilt das Warschauer Abkommen für jede internationale Beförderung von Personen, Reisegepäck oder Gütern, die durch Luftfahrzeuge gegen Entgelt erfolgt; dass dies hier der Fall war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach Art. 18 Abs. 1 WA hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, wenn das Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde, während der Luftbeförderung eingetreten ist. Soweit dieser Tatbestand erfüllt ist, kann ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 24 Abs. 1 WA nur unter den Voraussetzungen und Beschränkungen geltend gemacht werden, die im Warschauer Abkommen vorgesehen; ein Rückgriff auf nationales Recht scheidet insoweit aus.

Der Verlust eines Gutes nach Art. 18 Abs. 1 WA ist dann anzunehmen, wenn der Frachtführer die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Gut verloren hat und es ihm unmöglich ist, dem Empfänger Besitz daran zu verschaffen. Nach den Art. 18 (und 19) WA haftet der Luftfrachtführer für die in diesen Vorschriften genannten Schädigungen, soweit sie "während" und "bei der Luftbeförderung erfolgen. Die Luftbeförderung umfasst gemäß Art. 18 Abs. 2 WA u.a. den Zeitraum, während dessen sich das Reisegepäck oder die Güter auf einem Flughafen unter der Obhut des Luftfrachtführers befinden. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Luftfrachtführer so lange Obhut an dem Gepäck oder sonstigen Transportgut, als es sich mit seinem Willen derart in seinem Einwirkungsbereich befindet, dass er in der Lage ist, das Gepäck oder Frachtgut gegen Verlust und Beschädigung zu schützen. Dazu ist ein körperlicher Gewahrsam durch den Luftfrachtführer nicht zwingend erforderlich. Es genügt, dass der Luftfrachtführer auf die Behandlung des Transportgutes Einfluss nehmen kann.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin ist hier mit seinen diversen technischen Geräten (in drei Kisten) von Frankfurt nach Israel und am 18. November 1999 sodann mit der Beklagten von Tel Aviv nach Frankfurt zurückgeflogen. Bei diesem Rücktransport hat er der Beklagten die drei Kisten als gewöhnliches Reisegepäck übergeben. Zur Beförderung des ihr anvertrauten Reisegepäcks hat die Beklagte bereits in erster Instanz umfänglich vorgetragen (vgl. u.a. Bl. 24 ff.), worauf verwiesen wird. Hierbei hat sie auch detailliert dargelegt, wie sich die Beförderungspraxis in Bezug auf den Flughafen Tel Aviv darstellt. Danach hat

"der Versicherungsnehmer der Klägerin am 18.11.1999 in Tel Aviv drei Reisegepäckstücke am Schalter aufgegeben für den Flug L. xxx, mit dem er nach Frankfurt reiste. Die Entgegennahme von drei Reisegepäckstücken hat die Beklagte durch Ausgabe des sogenannten Baggage-Identification-Tag (vgl. Anlage K 1 zur Klage), der einen bar-code zur Identifizierung enthält, dokumentiert. Jeder, der schon einmal geflogen ist und Reisegepäck aufgegeben hat, weiß, dass das aufgegebene Stück gewogen wird, es wird aber weder von der Größe, noch vom Inhalt her erfasst. Der Identification-Tag dokumentiert lediglich die Annahme eines Stückes, ohne dieses Stück zu konkretisieren. Das ist international üblich."

Nachdem der Versicherungsnehmer seinen Verlust angezeigt hat, ist nach dem Reisegepäck im Ergebnis erfolglos gesucht worden. Hierzu hat die Beklagte in erster Instanz bereits (zusammenfassend) u.a. folgendes vorgetragen:

"Nach der Verlustmeldung durch den Passagier meldet die Beklagte den Verlust gleichzeitig an den Abgangsort, hier also Tel Aviv in Israel, sowie an die zentrale Gepäckermittlungsstelle der Beklagten in Frankfurt unter gleichzeitiger Eingabe in das Tracing-System für weltweite Suche. Gleichzeitig werden am Abgangs- und Zielort auf dem Vorfeld sowie in allen Bereich gesucht, die mit der Gepäckbeförderung in Berührung gekommen waren. Die computerisierte Dokumentensuche wird also durch eine körperliche Suche ergänzt."

Wie dieser Tracing-System ausgestaltet ist und arbeitet, hat die Beklagte im Schriftsatz vom 19. August 2002, Seite 12 ff. (= Bl. 80 ff. d.A.) in Einzelnen erläutert, worauf ebenfalls Bezug genommen wird.

Damit hat die Beklagte aber in jedem Falle hinreichend dargetan, dass von einem "Organisationsmangel" nicht gesprochen werden könne. Die Einwendungen der Klägerin, die in dem Berufungsverfahren nochmals besonders herausgestellt werden, rechtfertigen nach Ansicht des Senats keine andere Beurteilung.

Anhaltspunkte dafür, dass "Leute" der Beklagten den Schaden vorsätzlich (etwa durch eine strafbare Handlung) herbeigeführt haben, sind weder ersichtlich noch dargetan; und die Klägerin hat auch nicht ansatzweise plausibel dargestellt, dass durch ein irgendwie geartetes "Organisationsverschulden" der Beklagten das Reisegepäck in Tel Aviv verlustig gegangen ist. In Anbetracht der besonderen Sicherungsvorkehrungen, die die Klägerin für den Flughafen in Tel Aviv nicht in Abrede stellen kann, ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte in ihrer Funktion als Frachtführerin in besonders grasser Weise über die Sicherungsinteressen der ihr anvertrauten Güter im Bereich des Flughafens von Tel Aviv hat hinwegsetzen können.

2.

Nichts anderes gilt für den Bereich des Frankfurter Flughafens. Die Beklagte hat auch insoweit überzeugend dargelegt, wie das Gepäck insoweit erfasst, dokumentiert und üblicherweise transportiert wird und welche Aufklärungs- und Suchanstrengungen zur Wiedererlangung unternommen worden sind. In Anbetracht des dargestellten Massentransports entsprechen auch die für den Frankfurter Flughafen von der Beklagten im Einzelnen dargestellten Arbeitsabläufe den üblichen Standards des Massenverkehrs und begründen allein noch nicht den Vorwurf eines groben Organisationsverschuldens. Insoweit stimmt auch der Senat der Entscheidung des 15. Senats des OLG Köln vom 11. August 1998 - 15 U 12/98 = TranspR 1999, 107 darin zu, dass dem Vorwurf eines (groben) Organisationsmangels durch den Hinweis auf das weltweit praktizierte Tracing-Verfahren, was im Verlustfall von der Beklagten angewendet werden muss, hinreichend begegnet werden kann. Demgegenüber basiert auch das Berufungsvorbringen der Klägerin weitgehend auf Vermutungen und einer anderen Beurteilung der Darlegungs- und Beweislastregeln. Der gesamte Klägervortrag legt ein grob fahrlässiges Verschulden ("leichtfertiges" Verhalten) in Bezug auf die Abwicklung des Frachtgeschäftes nicht mit der erforderlichen gewissen Wahrscheinlichkeit nahe; und es ergeben sich solche Anhaltspunkte für ein Verschulden auch nicht aus dem beiderseits vorgetragenen Sachverhalt.

3.

Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 28.672,39 €.

Ende der Entscheidung

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