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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.08.2004
Aktenzeichen: 11 U 169/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 169/03

Anlage zum Protokoll vom 11.08.04

Verkündet am 11.08.04

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 04.06.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper und Borzutzki-Pasing

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.10.2003 (21 O 242/03) mit dem zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsstreits - an das Landgericht verwiesen.

2. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagten 52.902,62 € nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 04.12.2002 zu zahlen.

3. Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erhoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Durch Verträge vom 25./27.08. sowie 22.09.1997 beauftragten die Beklagten die Klägerin mit Heizungs- und Sanitärarbeiten. Mit der Klage verlangt die Klägerin restlichen Werklohn in Höhe von 43.310,78 €. Die Beklagten haben sich mit der Rüge verteidigt, die Werkleistung weise erhebliche Mängel auf; insoweit haben sie auf das selbständige Beweisverfahren 21 OH 73/01 LG Köln Bezug genommen, dessen Akten Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Landgerichts waren. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten seien der Klageforderung trotz der ihnen in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise nicht entgegentreten und hätten die ihnen eingeräumte Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen lassen; da das Beweisverfahren noch nicht abgeschlossen sei, könnten die dort erstatteten Gutachten im Prozess nicht verwertet werden.

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung fort. Ferner beantragen sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, sowie im Wege der Widerklage, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten 52.902,62 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2003 zu zahlen. Als Begründung führen sie an, das Verfahren des Landgerichts sei fehlerhaft. Da im Termin vom 14.08.2003 die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 21 OH 73/01 LG Köln vorgelegen hätten und zum Gegenstand zur mündlichen Verhandlung gemacht worden seien, habe dessen Inhalt für den vorliegenden Rechtsstreit berücksichtigt werden müssen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung und den Widerklageantrag zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Landgerichts, die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen. Die Akten 21 OH 73/01 LG Köln waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung ist zulässig und insofern begründet, als das landgerichtliche Urteil wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

1.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet unter einem wesentlichen Mangel. Das Landgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagten seien der Klageforderung durch die Bezugnahme auf das laufende selbständige Beweisverfahren nicht in prozessual erheblicher Weise entgegengetreten. Zwar ist die Frage, inwieweit die Klageschrift bei sonstigen anwaltlichen Schriftsätzen auf Unterlagen, insbesondere auf Privatgutachten oder Vorbringen in anderen Verfahren, Bezug genommen werden darf, nicht ganz geklärt (vgl. Lange NJW 1989, 438; Lüke in: MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 253 Rdnr. 29; Stein/Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 253 Rdnr. 19 ff.; Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 130 Rdnr. 2 und § 253 Rdnr. 12 a). Die Rechtsprechung sieht derartige Bezugnahmen aber nur dann als unzulässig an, wenn dem Gericht überlassen wird, sich aus unfangreichen Unterlagen das herauszusuchen, was dem Begehren der jeweiligen Partei nützt, und es an einer geordneten Darstellung des Parteivorbringens fehlt (vgl. OLG Köln - 19. Zivilsenat - OLGR 2003, 124; OLG Schleswig MDR 1976, 50 f.; OLG Düsseldorf MDR 1993, 798; LAG Köln Urt. v. 21.11.1997 - 11 (13) Sa 845/97 Juris.Nr. KARE516540337; zum ganzen ferner OLG Düsseldorf MDR 1996, 415 f. sowie BVerfG NJW 1994, 2683; 2001, 1200, 1202). Danach kann insbesondere die Bezugnahme auf ein in einem selbständigen Beweisverfahren erstattetes Gutachten als Parteivortrag ausreichen (vgl. Senat BauR 1999, 259, 260 f.). Das gleiche gilt, wenn die Partei auf ihre in einem selbständigen Beweisverfahren eingereichten Schriftsätze verweist, sofern diese den Anforderungen an eine geordnete Darstellung des Parteivorbringens genügen.

Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihre Mängelrügen ausreichend vorgebracht. In den Schriftsätzen zum selbständigen Beweisverfahren, insbesondere in der Antragsschrift, haben sie eine Vielzahl von Mängeln benannt und unter Beweis gestellt. Dieser Vortrag war auch nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagten in dem Beweisverfahren nicht angegeben haben, welche Art von Mängelrechten und ggfs. in welcher Reihenfolge sie geltend machen. Dies war nicht erforderlich, da sie im selbständigen Beweisverfahren mit Schriftsatz vom 04.12.2001 behauptet haben, sie hätten die Abnahme wegen erheblicher Funktionsmängel verweigert (Bl. 3 d.A. 21 OH 73/01 LG Köln). Durften die Beklagten die Abnahme wegen der von ihnen vorgetragenen erheblichen Funktionsmängel aber verweigern, so ist die Klageforderung nicht fällig geworden (§ 641 BGB), so dass es für den Erfolg ihrer Verteidigung nicht darauf ankommt, welche Mängelrechte die Beklagten erheben.

Das Übergehen des erheblichen Verteidigungsvorbringens der Beklagten ist ein wesentlicher Verfahrensmangel. Da eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme zu den gerügten Werkmängeln erforderlich ist, liegen die Voraussetzungen für die von den Beklagten beantragte Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor.

2.

Die Widerklage, mit dem die Beklagten Ersatz des unstreitig am 05.12.2003 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrages von 52.902,62 € verlangen, ist aus § 717 Abs. 2 ZPO begründet. Zur Auslösung der nach dieser Vorschrift eintretenden Schadensersatzpflicht genügt die Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts aus verfahrensrechtlichen Gründen, weil damit die Grundlage der Vollstreckung wegfällt (vgl. BGHZ 136, 199, 201 = NJW 1997, 2601, 2602 m.w.N.). Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB i.V.m. § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

III.

Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens im übrigen ist dem Landgericht vorbehalten.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht gegeben sind.

Berufungsstreitwert: 52.902,62 € (vgl. Beschluss des Senats vom 02.04.2004, Bl. 221 d.A.).

Ende der Entscheidung

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