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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 11 U 191/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 637 Abs. 3
BGB § 633 a.F.
ZPO § 531 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 191/02

Anlage zum Protokoll vom 23.03.2005

Verkündet am 23.03.2005

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23.02.2005 durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Küpper, Borzutzki-Pasing und Gurba

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Berufung der Streithelferin der Beklagten wird das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.08.2002 (18 0 364/00) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an die Kläger 25.216,85 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % für die Zeit vom 16.06.2000 bis zum 31.12.2001 und in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2002 zu zahlen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 58,5 % und die Beklagte zu 41,5 %. Die erstinstanzlichen Kosten der Streithelferin tragen die Kläger zu 58,5 % und die Streithelferin zu 41,5 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 45 % und die Streithelferin zu 55 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts vom 14.7.1997 ist die Beklagte rechtskräftig zur Vorschusszahlung für die Beseitigung von Mängeln an den Balkonen der Wohnanlage der Kläger verurteilt worden; außerdem ist rechtskräftig festgestellt worden, dass die Beklagte die den Vorschuss übersteigenden Kosten der Mängelbeseitigung zu tragen hat. Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Erstattung über den Vorschuss hinausgehenden Mangelbeseitigungsaufwandes. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Streithelferin der Beklagten ihren erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Klage in vollem Umfange weiter. Sie rügt, sie habe bereits erstinstanzlich in ihren Schriftsätzen vom 07.12.2000 und 07.02.2002 gegen die der Klage zugrundeliegende Abrechnung der Fa. Q vom 14.07.1999 eingewendet, dass diese nicht prüfbar sei. Sie sei nicht dahingehend prüfbar, ob die Kläger die im Vorschussurteil im einzelnen als notwendig angesehenen Maßnahmen zur Mängelbeseitigung tatsächlich ergriffen hätten und ob die der Klageforderung zugrunde liegenden Baumaßnahmen deckungsgleich seien mit denen, die dem Vorschussurteil zugrunde liegen. Die fehlende Prüfbarkeit ergebe sich insbesondere daraus, dass die Klägerin umgeplant habe, wie die Zeugenvernehmung des Architekten X in der ersten Instanz ergeben habe. Dies führe dazu, dass die insoweit darlegungspflichtige Klägerin den Klageanspruch habe substantiieren müssen, nachdem die Beklagte bzw. Streithelferin ihn bestritten hätten. Daran fehle es, so dass die Klage abzuweisen sei.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie sind der Auffassung, dass die Einwendungen der Streithelferin durch die Rechtskraftwirkung des Vorschussurteils ausgeschlossen seien. Im übrigen seien sie unsubstantiiert.

Der Senat hat durch Beweisbeschluss vom 29.03.2002 ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt. Zum Ergebnis wird auf das Gutachten des Sachverständigen C vom 27.09.2002 (Bl. 287 ff.) verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Zu Recht wendet sich die Streithelferin der Beklagten dagegen, dass das Landgericht ihre Einwände nicht berücksichtigt hat, die in der Rechnung der Fa. Q vom 14.07.1999 in Ansatz gebrachten Preise seien überhöht und die unter 2.13 der Rechnung in Ansatz gebrachten Kernbohrungen an den Balkonen im Erdgeschoss seien zur Mangelbeseitigung nicht erforderlich gewesen. Diese Einwendungen hat die Streithelferin bereits in der Klageerwiderung 7.12.2000 (Bl. 38 ff. d. A.) vorgebracht und im Schriftsatz vom 07.02.2002 (Bl. 125 ff. d. A.) wiederholt. Diese Einwendungen waren substantiiert und - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht durch die Rechtskraft des im Vorschussverfahren ergangenen Urteils ausgeschlossen. Diese kann sich nach dem Rechtsgedanken des § 767 Abs. 2 ZPO lediglich auf Umstände erstrecken, die der Werkunternehmer in dem Vorschussprozess bereits hätte geltend machen können. Sie hindert ihn jedoch nicht daran, seine Einwendungen auf neue Umstände zu erstrecken (vgl. BGHZ 94, 330, 335 = NJW 1985, 2325 = BauR 1985, 569; OLG Düsseldorf OLGR 1993, 163; Pastor in: Werner-Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1603 f.; Groß in: Festschrift für Walter Jagenburg, S. 253, 261 ff.). Die genannten Einwendungen hätte die Beklagte in dem Vorschussprozess noch nicht erheben können, da sie sich auf Umstände beziehen, die sich erst durch die Mängelbeseitigung ergeben haben. Insbesondere lag der Vorschussklage kein Kostenvoranschlag der Fa. Q zugrunde, anhand dessen die Beklagte Einwendungen gegen die Angemessenheit der Preise hätte vortragen können und müssen (dazu LG Hannover MDR 1984, 229; Pastor a.a.O. Rdn. 1603).

Nach dem ergänzenden Gutachten des Sachverständigen C belaufen sich die angemessenen Mängelbeseitigungskosten unter Berücksichtigung der Einwände der Streithelferin und des nach dem Vorschussurteil vorzunehmenden Abzuges neu für alt auf insgesamt 167.722,49 DM netto. Diese Berechnung des Sachverständigen ist überzeugend und von den Parteien nicht angegriffen worden. Von diesem Betrag sind 6 % Nachlass, 3 % Skonto und 0,3 % für Strom und Wasser abzuziehen, so dass sich ein Nettobetrag von 152.124,30 DM und brutto von 176.464,18 DM ergibt. Nach Anrechnung der geleisteten Zahlung von 149.781,03 DM beträgt die restliche Forderung 26.683,15 DM.

In Bezug auf das zu erstattende Honorar des Architekten X verbleibt es zu den Leistungsphasen 1 - 4 bei den vom Landgericht auf der Grundlage des erstinstanzlichen Gutachtens des Sachverständigen ermittelten Beträgen von 3.306,69 und 10.046,73 DM, die zu einer Quote von 85,39 % (Urteil des Landgerichts S. 12 oben) = 11.402,49 DM zu erstatten sind. Hinsichtlich der Leistungsphase 8 - 9 hat der Sachverständige das Honorar zutreffend nach anrechenbaren Kosten von netto 157.659,14 DM auf 6.926,85 DM berechnet. Zuzüglich 7,5 % Nebenkosten und 16 % MWSt. ist ein von Honorar 22.636,73 DM zu erstatten.

Die zuzuerkennenden Mängelbeseitigungskosten belaufen sich demnach auf insgesamt 49.319,88 DM, das entspricht 25.216,85 €.

2.

Im übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Der Einwand der Streithelferin, die Abrechnung der Klägerin sei nicht dahingehend überprüfbar, ob die Klägerin die im Vorschussurteil im Einzelnen als notwendig angesehenen Maßnahmen tatsächlich ergriffen habe und ob die der Klage zugrundeliegenden Baumaßnahmen mit denen deckungsgleich seien, die dem Vorschussurteil zugrunde liegen, greift jedenfalls deshalb nicht durch, da er erst verspätet im Berufungsverfahren erhoben worden ist (§ 531 Abs. 2 ZPO).

Die Einwände gegen den mit Klage verfolgten Nachforderungsanspruch waren vom Landgericht nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen nicht vom Amts wegen, sondern nur in dem Umfang zu berücksichtigen, in dem sie unter Beachtung der den Parteien obliegenden Substantiierungsanforderungen vorgebracht worden sind. Demgemäß war der geltend gemachten Mängelbeseitigungsaufwand nur hinsichtlich der prozessual ordnungsgemäß erhobenen Einwendungen zu überprüfen. Aus dem von der Berufung angeführten materiellrechtlichen Gesichtspunkt, dass der Werkbesteller dem Unternehmer über die Verwendung des Vorschusses vollständig Auskunft zu geben hat und der Unternehmer dementsprechend nach § 259 BGB Rechenschaftslegung verlangen kann (vgl. Pastor a.a.O. Rdnr. 1605 m. w. N.), ergeben sich keine verfahrensrechtlichen Besonderheiten. Erstinstanzlich hat die Streithelferin zwar die mangelnde Prüffähigkeit gerügt. Die von den Klägern vorgelegte Rechnung war indes grundsätzlich prüffähig, wie sich auch daraus ergibt, dass die Streithelferin sie nicht nur in der Klageerwiderung, sondern auch im Berufungsverfahren (Schriftsatz der Streithelferin vom 9.1.2004, S. 256 ff. d.A.) einer eingehenden Überprüfung unterzogen hat. Die Beklagte und die Streithelferin durften sich deshalb nicht darauf beschränken, die Abrechnung allgemein zu bestreiten, sondern mussten konkrete Einwände erheben. Das gilt auch für den Gesichtspunkt der Umplanung. Allerdings hat erst die Zeugenvernehmung des Architekten X vom 03.08.2001 Hinweise auf derartige Umplanungen erbracht (Bl. 81 f. d. A.). Diese haben aber weder die Beklagte noch deren Streithelferin zum Anlass genommen, insoweit die Prüffähigkeit der Rechnung in Frage zu stellen. Selbst in ihrer Stellungnahme vom 07.02.2002 zu dem Gutachten des Sachverständigen C ist die Streithelferin hierauf nicht eingegangen, sondern hat lediglich angemerkt, dass nach wie vor eine Berücksichtigung ihrer Einwendungen zur Frage der Höhe der Abrechnung Q ausstehe. Ihre sonstigen in der Stellungnahme erhobenen Einwendungen betrafen ausschließlich die von dem Zeugen X erbrachten Architektenleistungen. Den Gesichtpunkt der Umplanung hat die Streithelferin erst in der Berufung aufgegriffen. Das Landgericht hatte keine Veranlassung, die Prüfbarkeit der Abrechnung wegen vorgenommener Umplanungen zu verneinen oder insoweit einen gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO zu erteilen. Vielmehr war es Sache der Beklagten und der Streithelferin die Prüfbarkeit auch unter diesem Gesichtspunkt zu bestreiten, nachdem der Zeuge X von Umplanungen berichtet hatte. Dass die Streithelferin ihn erst in der Berufung vorgebracht hat, beruht auf einer Nachlässigkeit (§ 531 Abs.2 Satz Nr. 3 ZPO). Es handelt sich auch nicht um einen Gesichtspunkt, den das Landgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), oder infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Damit ist die Beklagte mit diesem Einwand wegen Verspätung ausgeschlossen. Unerheblich ist, dass zu anderen Einwänden der Streithelferin ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen war. § 531 Abs. 2 ZPO stellt im Gegensatz zur früheren Regelung des § 528 Abs. 2 ZPO a. F. nicht darauf ab, ob die Berücksichtigung des Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde oder nicht. Soweit ein Beweismittel in der Berufungsinstanz zu mehreren Beweisthemen beantragt wird, ist deshalb für jedes einzelne von ihnen zu prüfen, ob der Beweisantritt verspätet ist oder nicht (Ball in: Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 531 Rdnr. 15). Dies gilt für im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesene Beweismittel, die nach § 531 Abs. 1 ZPO ungeachtet einer etwaigen die Erledigung des Rechtsstreits verzögernden Wirkung ausgeschlossen bleiben (vgl. BGH NJW 1980, 1102, 1103, Ball a.a.O. Rdn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 531 Rdn. 8; Reichold in: Thomas-Putzo; ZPO. 26. Aufl., § 531 Rdn. 9; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar, 2. Aufl., Aktualisierungsband § 531 Rdnr. 16). Für § 531 Abs. 2 ZPO kann nichts anderes gelten, da es auch nach dieser Vorschrift auf eine Verzögerung nicht mehr ankommt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 ZPO. Da die Berufung ausschließlich von der Streithelferin der Beklagten eingelegt worden ist und letztere sich an ihr nicht beteiligt hat, sind die Kosten hinsichtlich des zurückgewiesenen Teils der Berufung allein der Streithelferin aufzuerlegen (vgl. Zöller-Vollkommer, 25. Aufl., § 67 Rdnr. 6).

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Die mit der Berufung aufgeworfene Frage der Prüffähigkeit des Nachforderungsanspruches begründet schon deshalb nicht die Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage, weil die Streithelferin mit ihrem Einwand aus rein prozessualen Gründen ausgeschlossen ist.

Berufungsstreitwert: 45.677,53 €

Ende der Entscheidung

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