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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.07.2001
Aktenzeichen: 11 U 201/00
Rechtsgebiete: BGB, StPO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 440 Abs. 2
BGB § 433 Abs. 1 Satz 1
StPO § 94
StPO § 205
ZPO § 539
ZPO § 713
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 201/00

Anlage zum Terminsprotokoll vom 25.07.2001

Verkündet am 25.07.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.05.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und den Richter am Landgericht Ernst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.10.2000 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 18 O 458/97 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist führt zu einem vorläufigen Erfolg des Klägers.

Das Landgericht hat die Klage verfahrensfehlerhaft abgewiesen. Nach dem Verfahrensstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hätte dem Vortrag des Klägers nachgegangen oder er zumindest zu weiterem Beweisantritt aufgefordert werden müssen.

1. Der Senat folgt dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung nicht, soweit dort davon ausgegangen wird, auf die Frage, ob das Fahrzeug seinerzeit gestohlen wurde, komme es nicht an. Falls das Fahrzeug dem Vorbesitzer R.V. nicht gestohlen, sondern von diesem zum Zweck des Versicherungsbetruges weggegeben wurde, hat der Kläger gutgläubig Eigentum erworben (§§ 932 Abs. 1, 935 Abs. 1 BGB). Der Beklagte haftet in diesem Fall nicht für die Nichterfüllung der ihm nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegenden Eigentumsverschaffungspflicht, mithin auch nicht gemäß § 440 Abs. 2 BGB. Das fehlende Eigentum hat der Kläger als Käufer zu beweisen (Palandt/Putzo, 60.Aufl., §§ 440, 441 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch § 442 BGB).

Dieser Beweis erübrigt sich nicht deshalb, weil das Fahrzeug im Rahmen der Ermittlungen wegen des Diebstahlsverdachts sichergestellt wurde und deshalb von einem Rechtsmangel auszugehen ist. Der Kläger beruft sich darauf, die Sicherstellung sei gemäß § 94 StPO erfolgt. Bereits daran bestehen nach dem Inhalt der Ermittlungsakte Zweifel. Es ist daraus nicht klar zu erkennen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Sicherstellung erfolgte. Ebenso wenig ist erkennbar, auf welcher Grundlage der Kläger es gestattet hat, dass die streitverkündete belgische Versicherungsgesellschaft das Fahrzeug durch ein Transportunternehmen bei ihm hat abholen lassen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das an das Landgericht gerichtete Schreiben des Polizeipräsidiums T. vom 30.06.1998, Bl. 61 d.A., und die darauf folgende Mitteilung der Kammer vom 13.07.1998, Bl. 42 R d.A.). Nach dem Akteninhalt liegt dem wohl die in dem Schreiben des Bundeskriminalamtes an die KI W. vom 13.07.1998 (Bl. 46 d.A.) vertretene Auffassung zugrunde, die belgische Versicherungsgesellschaft sei "die legale Eigentümerin", das Fahrzeug könne an sie ausgehändigt werden (tatsächlich wurde das Fahrzeug der Rückholfirma am 22.07.1998 übergeben, vgl. Schriftsatz des Klägers vom 14.09.1998, Bl. 50 d.A., und die Übergabebescheinigung, Bl. 51 d.A.). Worauf allerdings die Einschätzung des Bundeskriminalamtes beruhte, ist nicht nachvollziehbar. Ein berechtigter Anlass zur Herausgabe an den Versicherer, den der Beklagte gegen sich gelten lassen muss, bestand jedenfalls nur dann, wenn das Fahrzeug tatsächlich gestohlen worden war, der Kläger es also an den Eigentümer bzw. den diesen entschädigenden Versicherer herausgeben durfte. Die Sicherstellung des Fahrzeugs als solche, auch soweit sie gemäß § 94 StPO erfolgt sein sollte, begründet keinen Rechtsmangel und mithin keinen Anspruch des Klägers aus § 440 Abs. 2 BGB (vgl. LG Bonn NJW 1977, 1822 f.; Palandt/Putzo, a.a.O., § 434 Rn. 7; Soergel/Huber, 12.Aufl., § 434 Rn. 69; Staudinger/Köhler, 13.Aufl., § 434 Rn. 11; zweifelnd MK-H.P. Westermann, 3.Aufl., § 434 Rn. 10; a.A. Erman/Grunewald, 10.Aufl., § 434 Rn. 5).

2. Fehlerhaft ist das Landgericht davon ausgegangen, es könne den Kläger hinsichtlich der danach streitentscheidenden Frage, ob das Fahrzeug gestohlen war, als beweisfällig ansehen und die Klage abweisen. Damit hat das Landgericht verfahrensfehlerhaft seiner Pflicht zur Beweiserhebung und seiner Hinweispflicht (§ 139 Abs. 1 ZPO) nicht genügt.

Der Kläger hat sich in erster Instanz für den Diebstahl des Fahrzeugs auf das Zeugnis der ermittelnden Polizeibeamten bezogen; der Beklagte hat für den von ihm behaupteten Versicherungsbetrug ebenfalls den KOK B. und weitere Zeugen, darunter den (früheren) Eigentümer und einen Mitarbeiter der Streitverkündeten, benannt und ferner Beweis für Indiztatsachen angetreten, die gegen einen Diebstahl sprechen können.

Der Rechtsstreit nahm sodann folgenden Verlauf: Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 12.03.1998 die Parteien darauf hingewiesen hatte, dass möglicherweise eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen sei (Bl. 29 f. d.A.). In dem Hinweisbeschluss vom 23.10.1998 (Bl. 65 ff. d.A.) hat das Landgericht sodann Zweifel an der Identität des vom Kläger gekauften Fahrzeugs mit dem in der Ermittlungsakte behandelten Fahrzeug geäußert. Mit Verfügung vom 02.12.1998 (Bl. 83 f. d.A.) hat der Berichterstatter sodann darauf hingewiesen, dass es sich empfehle, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens auszusetzen, insbesondere um im Rahmen des vorliegenden Zivilrechtsstreits eine zeit- und verfahrensaufwendige Rechtshilfevernehmung der "zentralen Zeugen" in Belgien zu vermeiden. Die Aussetzung ist sodann erfolgt. Mit Schriftsatz vom 03.08.1999 hat der Kläger um Fortsetzung des Rechtsstreits gebeten, da sich der Diebstahl des PKW aus der Ermittlungsakte ergebe. Mit dem Hinweis, dass die beigezogenen Ermittlungsakten für das "Verschwinden des Fahrzeugs" nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wenig aufschlussreich seien und wegen der Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO (Verschwinden des Beschuldigten) weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten seien, hat das Landgericht sodann die Anordnung der Aussetzung des Rechtsstreits aufgehoben (Bl. 95 d.A.) und nach mündlicher Verhandlung das angefochtene Urteil verkündet.

Das Landgericht hat offenbar gesehen, dass die Klage in Anbetracht des Verfahrensablaufs nicht ohne Weiteres mit der Begründung abgewiesen werden durfte, die Beweisantritte des Klägers seien unzureichend. Es führt in dem angefochtenen Urteil aus, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe im Verhandlungstermin erklärt, die benannten Zeugen hätten keine über den Inhalt der Strafakte hinaus gehenden Erkenntnisse. Der Kläger bestreitet in der Berufungsbegründung unter Beweisantritt, dass sein Prozessbevollmächtigter eine solche Äußerung im Termin getan habe. Dem muss nicht weiter nachgegangen werden. Selbst wenn der Anwalt sich derart geäußert haben sollte, reichte es nicht aus, ihn - wie in dem angefochtenen Urteil weiter ausgeführt wird - nunmehr im Termin darauf hinzuweisen, die früher erwogene Beweislastumkehr komme angesichts des Inhalts der Ermittlungsakte nicht in Betracht, die Kammer halte den Kläger für beweispflichtig und dieser Beweis sei nicht geführt. Es erscheint bereits verfehlt, die Erklärung des Anwalts dahin zu interpretieren, aus einer Vernehmung der Polizeibeamten würden keine über den zum Teil unklaren Inhalt der Ermittlungsakte hinaus gehenden Erkenntnisse gewinnen lassen. Immerhin ergeben sich aus der Akte, insbesondere dem Vorgang der zur Aushändigung des Fahrzeugs an den Versicherer geführt hat, Anhaltspunkte für einen über den Akteninhalt hinaus gehenden Kenntnisstand der Ermittlungsbehörden, von denen der Kläger keine Kenntnis hat und zu denen er naturgemäß keine Einzelheiten vortragen kann. Darüber hinaus hätte der Kläger mit ausreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen werden müssen, dass nach der nunmehr, nach fast dreijähriger Prozessdauer, von der Kammer vertretener Auffassung eine Klageabweisung nur durch Ergänzung der Beweisangebote, etwa durch Benennung der "zentralen" belgischen Zeugen auch durch den Kläger verhindert werden konnte. Aus dem der angefochtenen Entscheidung zu entnehmenden Hinweis, auf den der Terminsvertreter des Klägers offensichtlich nicht richtig reagiert hat, ergab sich dies nicht.

Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß. Bei zutreffender Verfahrensweise hätte sich der Kläger - wie jetzt in der Berufungsbegründung - ergänzend Beweis durch Benennung des Zeugen V. antreten können.

3. Der Senat verweist den Rechtsstreit gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurück. Über den bisher unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit der Bestellung eines zugelassenen Anwalts gestellten Antrag des Streitverkündeten soll daher ebenfalls nicht im Berufungsverfahren entschieden werden; ob und mit welchen Anträgen die Streitverkündete ihr mit Schriftsatz vom 04.05.2001 angekündigtes Rechtsschutzziel weiter verfolgen will, wird anlässlich der Fortsetzung des Rechtsstreits in erster Instanz zu klären sein.

Von einer eigenen Sachentscheidung (§ 540 ZPO) hat der Senat abgesehen, da die Streitverkündete, der belgische Versicherer, aufgrund der erst im Berufungsverfahren erfolgten Streitverkündung erstmals dort aufgetreten ist, und es daher nicht sinnvoll erscheint, erstmals in zweiter Instanz Beweis zu erheben.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht zu übertragen, da noch nicht feststeht, welche Partei endgültig obsiegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,00 DM.

Berufungsstreitwert: 48.200,00 DM

Ende der Entscheidung

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