Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 07.04.2000
Aktenzeichen: 11 U 210/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 559 Satz 1
BGB § 559 Satz 3
BGB § 559
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 811
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 210/99 10 O 215/99 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 7.4.2000

Verkündet am 7.4.2000

Nagel, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3.3.2000 durch den Richter am Oberlandesgericht Zoll, die Richterin am Oberlandesgericht Opitz und den Richter am Landgericht Wurm

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 31.8.1999 - 10 O 215/99 - teilweise dahingehend abgeändert, daß die Widerklage abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, daß das in die von ihr zum Betrieb eines Sonnenstudios angemieteten Räume im Hause des Klägers eingebrachte Inventar nicht dem Vermieterpfandrecht des Klägers unterliege. Zur Begründung hat es ausgeführt, die eingebrachten Sonnenbänke seien ebenso wie das übrige Inventar nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar, da bei dem Sonnenstudio nicht die Nutzung des Betriebskapitals, sondern die persönliche Leistung der Beklagten als Betreiberin im Vordergrund stehe.

Dem vermag der Senat nicht beizutreten.

1.

Die Widerklage ist auch nach der - im Verlaufe des Berufungsverfahrens erfolgten - Räumung der Gegenstände in die Pfandkammer zulässig. Das Pfandrecht ist zwar infolge der Verbringung der vom Kläger als Pfandobjekte beanspruchten Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher in die Pfandkammer erloschen (§ 560 BGB). Die Berechtigung des Klägers zur Befriedigung hinsichtlich der offenstehenden Mietzinsansprüche aus dem Verkauf der Pfandgegenstände hängt aber vom (ursprünglichen) Bestehen des Vermieterpfandrechts ab. Daraus ergibt sich das rechtliche Interesse der Beklagten an der begehrten Feststellung (§ 256 ZPO).

2.

Die Widerklage ist jedoch unbegründet.

a)

Nach § 559 Satz 1 BGB hat der Vermieter eines Grundstücks oder von Räumlichkeiten (§ 580 BGB) für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein besitzloses gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters. Dieses Pfandrecht erstreckt sich nach § 559 Satz 3 BGB allerdings nicht auf solche Sachen, die der Pfändung nicht unterworfen sind. Darunter fallen die nach § 811 ZPO unpfändbaren Sachen und damit solche Gegenstände, die Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstiger persönlicher Leistung ihren Erwerb ziehen, zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit dienen (§ 811 Nr. 5 ZPO). Die Vorschrift soll den Erwerb durch persönliche Arbeit schützen und den Schuldner in die Lage versetzen, seine Arbeitskraft trotz der Vollstreckungsmaßnahmen weiter zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und Personen einzusetzen, denen gegenüber er unterhaltspflichtig ist (Zöller, Kommentar zur ZPO, 21. Auflage 1999, § 811 ZPO, Rdn. 24; Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 58. Aufl. 2000, § 811 ZPO Rdn. 33; Amtsgericht Dortmund, DGVZ 1988, 158).

Deshalb kommt nach allgemeiner Meinung der Pfändungsschutz nach dieser Bestimmung Schuldnern nur zugute, wenn im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit die persönliche Leistung gegenüber der Kapitalnutzung überwiegt. Die Abgrenzung orientiert sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls am wirtschaftlichen Charakter der Schuldnertätigkeit.

b)

Danach handelt es sich im vorliegenden Fall bei der Tätigkeit der Beklagten nicht um eine überwiegend durch persönliche Arbeitsleistung bestimmte Erwerbstätigkeit, sondern ihrem Schwerpunkt nach um den Einsatz sachlicher Betriebsmittel. Für den durchschnittlichen Kunden eines Sonnenstudios steht nicht eine persönliche Serviceleistung des Betreibers, sondern die Benutzung der aufgestellten Geräte im Vordergrund. Dazu bedarf es allenfalls einer einmaligen Einweisung, nicht dagegen einer wiederholten oder gar ständigen Betreuung, wie sich auch daran zeigt, daß in Sonnenstudios nicht selten münzbetriebene Geräte verwendet werden, die der Kunde selbständig in Gang setzen kann. Serviceleistungen wie der von der Beklagten angeführten Bereitstellung von Hilfsmitteln wie Augenschutz oder Handtüchern kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu, ebenso etwaigen Beratungsleistungen, die schon deshalb keinen maßgebenden Einfluß haben können, weil ein Kunde ihrer in der Regel nur einmal oder gelegentlich, nicht jedoch ständig bedarf. Beim Betrieb eines Sonnenstudios der hier vorliegenden Art steht deshalb - unabhängig vom Zeitwert der fraglichen Gegenstände - die Kapitalnutzung im Vordergrund; das verwendete Inventar ist pfändbar (so auch LG Oldenburg, DGVZ 1993, 12 f; zustimmend Zöller, aaO, Rdn. 29; Baumbach-Lauterbach, aaO, Rdn. 42; Schuschke-Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Auflage 1997; § 811 ZPO, Rdn. 21) und unterliegt daher auch dem Pfandrecht des § 559 BGB.

c)

Die Pfändbarkeit ist im übrigen nicht aufgrund der Sicherungsübereignung der fraglichen Gegenstände an den Ehemann der Beklagten, wie sie von ihr erstinstanzlich vorgetragen worden ist, ausgeschlossen; einer lastenfreien Eigentumsübertragung steht jedenfalls die fehlende Gutgläubigkeit des Erwerbers (§ 936 Abs. 2 BGB) entgegen, wie das Landgericht mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, angenommen hat.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert und Beschwer der Beklagten: 15.000 DM

Ende der Entscheidung

Zurück