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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 11 U 23/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 313a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 14
BGB § 14 Abs. 1
BGB § 90 a S. 3
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 284
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 325
BGB § 346 Abs. 1
BGB § 434 Abs. 1
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 437 Nr. 3
BGB § 440
BGB § 474
BGB § 476
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 12.01.2007 (2 O 123/06) wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.692,17 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.900,00 € seit dem 11.11.2005 und aus 1.125,44 € seit dem 22.12.2005 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache in vollem Umfange Erfolg. Die Klage ist aus §§ 434 Abs. 1 , 437 Nr. 2 und 3, 440, 346 Abs. 1, 280 Abs. 1, 284, 325 BGB begründet.

1.

Die Stute S, die die Klägerin von der Beklagten gekauft hat, litt im Zeitpunkt des Gefahrüberganges am 09.01.2005 an einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB.

a)

Als Sachmangel kommt zum einen die Anlage für das Entstehen des bei der Stute aufgetretenen Ovar-Tumors in Betracht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. C in seinem schriftlichen Gutachten handelt es sich um ein Teratom, und zwar um eine angeborene, durch Entwicklungsstörungen entstandene embryonale Geschwulstart. Bei seiner mündlichen Anhörung hat er angegeben, dass die Anlage des Tumors höchstwahrscheinlich bereits bei der Geburt des Pferdes vorhanden gewesen sei. Ein solcher Tumor entstehe typischerweise infolge undifferenzierter Stammzellen, die bereits embryonal vorhanden seien. Es sei zwar theoretisch denkbar, dass auch im späteren Leben sich normale Zellen in Stammzellen umwandelten. Die Anlage sei aber mit größter Wahrscheinlichkeit schon vorhanden gewesen. Nicht angeben konnte er, ob und ggf. in welcher Größe der Tumor bereits im Januar 2005 ausgeprägt gewesen sei. Der Senat neigt jedoch dazu, bereits die Anlage zur Tumorbildung, die nach den Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen des § 286 ZPO als bewiesen anzusehen ist, als Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB einzuordnen. Allerdings bewertet der Bundesgerichtshof eine genetische Disposition zur Entwicklung von Krankheiten erst dann als Mangel, wenn sich das Tier bei Gefahrübergang in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (BGH NJW 2006, 2250, 2254 = BGHZ 167, 40). Das Vorhandensein undifferenzierter Stammzellen geht jedoch über eine solche genetische Disposition hinaus und stellt nach Ansicht des Senats bereits für sich betrachtet eine Abweichung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit des Tieres dar, weil ein durchschnittlicher Käufer bei Kenntnis dieses Umstandes von einem Kauf des Tieres Abstand nähme oder auf einer Verringerung des Kaufpreises bestehen würde.

b)

Diese Frage bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung, weil die Stute außerdem an einer Podotrochlose litt. Diese wurde zwar erst im Juni 2005, also fünf Monate nach Gefahrübergang, diagnostiziert. Zu Gunsten der Klägerin streitet aber § 476 BGB, wonach vermutet wird, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Diese Vermutung greift vorliegend ein.

aa)

Die Beweislastumkehr nach § 476 BGB gilt im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufes nach § 474 BGB. Die Stellung der Klägerin als Verbraucher (§ 13 BGB) ist nicht im Streit. Nach dem beiderseitigen Vorbringen im Berufungsverfahren ist die Beklagte im Rahmen des Kaufvertrages auch als Unternehmerin tätig geworden. Unternehmer ist nach der Legaldefinition des § 14 Abs. 1 BGB eine Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt - jedenfalls - ein selbstständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen voraus. Nicht erforderlich ist, dass der Verkäufer mit seiner Geschäftstätigkeit die Absicht verfolgt, Gewinn zu erzielen (BGH NJW 2006, 2250, 2251 ff.). Es genügt deshalb, wenn die Pferdezucht nur als Hobby betrieben wird und die damit einhergehenden Geschäfte nur dazu dienen, die Verluste zu reduzieren (BGH a.a.O.). Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung und in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, im Zeitraum ab 1992 immer wieder Pferde veräußert zu haben. Insbesondere hat sie in größerem Umfange Pferde im Internet und in Zeitschriften angeboten. Außerdem hat sie Kleintiere sowie Kutschen- und Reitzubehör veräußert. Ob es sich bei den Pferden - wie sie einwendet - teilweise um Tiere handelte, die anderen Eigentümern gehörten und aus deren Verkauf sie kein eigenes Entgelt erzielen wollte, ist für die Unternehmereigenschaft nach § 14 Abs. 1 BGB unerheblich. Der Unternehmerbegriff des § 14 ist nach objektiven Merkmalen zu bestimmen. Unter dem Gesichtspunkt des für die Anwendung der Verbraucherschutzbestimmungen maßgebenden Schutzbedürfnisses des Verbrauchers ist maßgebend, ob der Verkäufer am Markt nach seinem gesamten Erscheinungsbild als Unternehmer auftritt (vgl. BGH a.a.O.; Staudinger-Habermann, BGB, Bearbeitung 2004, § 14 Rn. 35). Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte als Unternehmerin aufgetreten. Ebensowenig wie auf eine Gewinnerzielungsabsicht kann es bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise darauf ankommen, in wessen Namen die Sachen veräußert werden, zumal die Beklagte in den Internetauftritten und Zeitschrifteninseraten nicht deutlich gemacht hat, dass die Pferde im Namen anderer Eigentümer angeboten würden.

bb)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der in § 476 BGB geregelten Vermutung im übrigen sind erfüllt. Die Prodotrochlose hatte sich bei dem verkauften Pferd im Juni 2005, damit innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt. Das Auftreten dieses Sachmangels begründet eine - lediglich in zeitlicher Hinsicht - wirkende Vermutung, dass dieser Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrüberganges vorlag (BGHZ 159, 215 = NJW 2004, 2999; NJW 2006, 2250, 2252). Dies gilt nach § 476 BGB allerdings dann nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Dies ist hier indes nicht der Fall.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 476 BGB gemäß der für Tiere maßgeblichen Verweisung in § 90 a S. 3 BGB auf die für Sachen geltenden Vorschriften auch beim Kauf eines Pferdes entsprechend anzuwenden sei (BGH NJW 2006, 2250- Pferdekauf ; zuletzt Urteil vom 11.7.2007 - VIII ZR 110/06 - Katzenkauf). Sie kann freilich wegen der Art des Mangels bei bestimmten Tierkrankheiten ausgeschlossen sein (BGH NJW 2006, 2250). Wie der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BT-Dr 14/6040, S. 245) ferner ausgeführt hat, ist die Frage, ob die Vermutung des § 476 BGB mit der Art des Mangels unvereinbar ist, nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht für alle erdenklichen Erkrankungen und sonstigen Mängeln von Tieren einheitlich zu bejahen oder zu verneinen, sondern je nach Art der Erkrankung oder des sonstigen Mangels differenziert zu beurteilen. Maßgeblich dafür sind einerseits der Sinn und Zweck des § 476 BGB - Privilegierung des Verbrauchers aufgrund typischerweise besserer Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers über den Zustand des Tiers bei Gefahrübergang - und andererseits die dabei zu berücksichtigenden Besonderheiten bestimmter Tierkrankheiten oder sonstiger Mängel, aus denen sich aufgrund der spezifischen Natur des Tieres die in der Gesetzesbegründung zu § 476 BGB beispielhaft aufgezeigten Grenzen für eine Beweislastumkehr ergeben können (BGH NJW 2006, 2250, 2253). Dass die Krankheit typischerweise jederzeit auftreten kann und deshalb keinen hinreichenden Rückschluss darauf zulässt, dass er schon bei Gefahrübergang vorlag, reicht für den Ausschluss der Vermutung nicht aus. Außerdem hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch ausgesprochen, dass die Vermutung des § 476 BGB nicht schon dann mit der Art des Mangels unvereinbar ist, wenn der Mangel, falls er schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat, für den Verkäufer ebenso wie für den Käufer nicht erkennbar war. Die Vermutung setzt nicht voraus, dass der Verkäufer in Bezug auf den betreffenden Mangel bessere Erkenntnismöglichkeiten hat als der Käufer (BGH Urteil vom 11.7.2007 - VIII ZR 110/06).

Danach ist die Podotrochlose kein Sachmangel, mit dem die Beweislastumkehr aus § 476 BGB unvereinbar wäre. Diese Erkrankung lässt sich durch eine entsprechende tierärztliche Untersuchung - ggf. durch eine Röntgenuntersuchung - feststellen. Für einen Ausschluss der Vermutung unter dem in der Gesetzesbegründung zu § 476 BGB hervorgehobenen Gesichtspunkt einer der Aufklärung nicht zugänglichen Ungewissheit über den Zeitpunkt der Entstehung der Krankheit (BT-DR 14/6040, S. 245; BGH NJW 2006, 2250, 2253) ist kein Raum. Im übrigen kommt es nach Vorgesagten auf eine im Einzelfall bessere Erkenntnismöglichkeit des Verkäufers nicht an. Sonstige Gründe, aus denen sich eine Unvereinbarkeit mit der Vermutung des § 476 BGB ergeben könnte, sind bei der Podotrochlose nicht gegeben oder ersichtlich.

Die Beklagte hat den ihr nach § 476 BGB obliegenden Beweis dafür, dass die Podotrochlose im Zeitpunkt des Gefahrüberganges am 09.01.2005 noch nicht vorlag, nicht anbieten können. Daher hat sie für diese Erkrankung als Sachmangel einzustehen.

3.

Die Klage ist auch in der Höhe in vollem Umfange begründet. Die Beklagte ist als Folge des Rücktritts vom Kaufvertrag nicht nur zur Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 2.900,00 € (§ 437 Nr. 2, 346 Abs. 1 BGB), sondern unter dem Gesichtspunkt des Schadens- und Aufwendungserersatzes zur Erstattung der - im übrigen unstreitigen - Schäden und Aufwendungen der Klägerin verpflichtet (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 284, 325 BGB). Dass sie den Sachmangel zu vertreten hat, wird vermutet; das Gegenteil hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

4.

Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges und der Rechtshängigkeit nach §§ 286, 288, 291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht gegeben sind.

Berufungsstreitwert: 4.692,17 €

Ende der Entscheidung

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