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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 11 U 39/01
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 1 Abs. 1
AGBG § 1 Abs. 2
BGB § 642
BGB § 320
BGB § 322
BGB § 326
BGB § 273
BGB § 640
BGB § 641
BGB § 651 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 39/01

Anlage zum Terminsprotokoll vom 19.09.2001

Verkündet am 19.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und den Richter am Landgericht Ernst

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.02.2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 O 318/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages über die Lieferung der Einbauküche, da die Klägerin mit Schreiben vom 21.06.2000 - nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung durch Schreiben der Rechtsanwälte der Klägerin vom 09.06.2000 - wirksam von dem Vertrag zurückgetreten ist (§§ 636 Abs. 1 Satz 2, 326, 327 Satz 1, 346 Satz 1 BGB). Die Beklagte befand sich im Verzug mit der ihr obliegenden Leistung, weil sie trotz der Leistungsaufforderung der Klägerin (Schreiben vom 30.05.2000) die Vertragserfüllung von der Vorauszahlung von 15.000,00 DM abhängig machte. Die von den Parteien getroffene Vereinbarung, diesen Betrag bei Anlieferung vor Montage zahlen zu müssen, ist gemäß § 9 AGBG unwirksam.

1. Das Vertragsverhältnis der Parteien unterliegt Werkvertragsrecht. Die Beklagte hatte der Klägerin zur Einrichtung der Einbauküche nicht nur serienmäßig hergestellte Küchenmöbel und die bestellten Elektrogeräte zu liefern. Die - farblich bearbeiteten - Einbaumöbel und die Geräte sollten vielmehr nach der vorgesehenen, auf den Grundriss des Küchenraums abgestellten Einbauplan an Ort und Stelle eingepasst und montiert werden sowie an das Wasser- und Elektronetz angeschlossen werden; ferner sollten eine individuell zugeschnittene Granitarbeitsplatte und Fensterbank montiert werden. Damit war unter Verwendung vertretbarer Sachen ein unvertretbares, gerade für die Bedürfnisse und Zwecke der Klägerin geeignetes Werk herzustellen, so dass nach § 651 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB im Wesentlichen Werkvertragsrecht Anwendung findet (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 787, 788; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2001, 55, 56 = NZBau 2000, 330 f.).

2. Nach § 642 BGB ist beim Werkvertrag die geschuldete Vergütung bei der Abnahme zu errichten. Die Fälligkeit der Vergütung ist mithin davon abhängig, dass der Besteller die von dem Unternehmer erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß anerkennt (§ 640 BGB). Diesen gesetzlichen Vorgaben ist die Beklagte nicht gerecht geworden, als sie sich weigerte, den Einbau der Küche und die Lieferung der nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme noch fehlenden Teile vorzunehmen, bevor nicht die Klägerin 15.000,00 DM auf den (mit 7.600,00 DM bereits angezahlten) Gesamtpreis von 27.600,00 DM gezahlt hatte. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dies habe der vertraglichen Vereinbarung entsprochen; denn diese ist gemäß § 9 AGBG unwirksam.

a) Bei der Vereinbarung, die Restzahlung sei bar bei Anlieferung vor Montage zu zahlen, handelt es sich um eine von der Beklagten gestellte allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG. Das Bestellformular vom 23.10.1999 weist aus, dass der Auftrag zu den Zahlungs- und Lieferungsbedingungen der Beklagten erfolge. Die Erörterung mit dem Geschäftsführer der Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten im Senatstermin hat ergeben, dass die Beklagte die dargestellte Zahlungsmodalität bei den von ihr abgeschlossenen Verträgen mehrfach verwendet, weil sie sie für erforderlich hält, um sich ausreichend gegen eine Kaufreue des Kunden abzusichern und unberechtigten Mängelrügen vorzubeugen.

Bei dieser Sachlage ist unerheblich, dass dem Senat die vorgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht vorliegen und die betreffende Vertragsklausel lediglich handschriftlich in dem Bestellformular erscheint und Bestandteil der Auftragsbestätigung vom 05.11.1999 ist. Nach der Rechtsprechung liegt eine vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingung auch dann vor, wenn die betreffende Vereinbarung nicht schriftlich niedergelegt, aber zum Zwecke künftiger Verwendung "im Kopf" des Verwenders oder seiner Abschlussgehilfen gespeichert ist und die Anweisung an die Abschlussvertreter des Verwenders besteht, die Klausel in geeigneten Fällen schriftlich in den Vertragstext aufzunehmen oder mündlich von dem Kunden akzeptieren zu lassen (BGH, NJW 1988, 410; 1999, 2180, 2181; OLG Dresden, OLGR 1998, 426, 427; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.). So liegt es im Streitfall.

b) Als allgemeine Geschäftsbedingung ist die Vereinbarung, der Besteller habe vor der Abnahme die wesentliche Zahlung zu erbringen ("Vorleistungsklausel"), unwirksam. Sie benachteiligt den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 AGBG), weil sie praktisch die Vorleistungspflicht des Unternehmers aushöhlt, damit die dem Besteller zustehenden Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechte unzumutbar einschränkt und deshalb mit den Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen in den §§ 320, 322, 273, 640, 641 BGB nicht zu vereinbaren ist. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung zutreffend bereits mehrfach Vorleistungsklauseln im Werkvertragsrecht, die die gesetzliche Vorleistungspflicht des Werkunternehmers aushöhlen, für unwirksam gehalten (BGH, NJW 1985, 855, 857; 1986, 3199, 3200 f.; 1993, 3264, 3265; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1047 f.; vgl. auch BGH, NJW 1999, 2180 ff.; OLG Dresden, a.a.O., zur Vorleistungspflicht bei Kaufverträgen im Möbelhandel).

c) Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf berufen, die Vorleistungspflicht der Klägerin sei mit dieser im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG individuell ausgehandelt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann von "Aushandeln" nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen "gesetzesfremden" Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Auch wenn es schließlich bei der gestellten Klausel verbleibt, muss der Verwender sie vorher grundsätzlich zur Disposition gestellt, d.h. sich deutlich und ernsthaft zur Änderung bereit erklärt haben (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 54; NJW 1988, 410; 1991, 1678, 1679; 1992, 2759, 2760; 2000, 1110, 1111). Dafür ist nichts im Streitfall bezogen auf den Vertragsabschluss nichts ersichtlich.

Allerdings haben die Parteien sich im Januar 2000 auf eine Änderung der Vorleistungsklausel dahin geeinigt, dass bei Anlieferung vor Montage nicht der gesamte Restbetrag von 20.000,00 DM zu zahlen war, sondern ein Betrag von 15.000,00 DM, während die Restsumme von 5.000,00 DM "successive mit Fortschritt der Montage" gezahlt werden sollte. Darin liegt indes keine Individualvereinbarung betreffend die grundsätzliche Vorleistungspflicht der Klägerin mit einem erheblichen Teil des Werklohns. Denn ausgehandelt haben die Parteien im Streitfall lediglich, dass bei Anlieferung nicht bereits der gesamte Restbetrag bezahlt werden sollte, sondern ein um 5.000,00 DM reduzierter Betrag, wobei sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 03.06.2000 ergibt, dass dieser Betrag in etwa dem Wert der Granitplatte und des Stuhles entsprach. Dass die Beklagte auch im Übrigen die nach ihren Geschäftsbedingungen bestehende Vorleistungspflicht ernsthaft zur Disposition gestellt haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Es mag durchaus davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im Rahmen der Nachtragsvereinbarung ihre Vorleistungspflicht hinsichtlich des verbleibenden Betrages bestätigt hat. Für ein Aushandeln im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG reicht es aber nicht aus, dass das eine Geschäftsbedingung dem Vertragspartner bekannt ist und dass deren Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht, wenn nicht dem Verhandlungspartner die bereits beschriebene Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird (BGH, NJW 1991, 1678, 1679; 2000, 1110, 1111). Dies muss auch dann gelten, wenn es zu einer nachträglichen Vertragsänderung hinsichtlich des von der unwirksamen Geschäftsbedingung betroffenen Regelungsbereichs kommt. Dabei kann dahinstehen, ob die nachträgliche Vertragsänderung in der Regel oder ausnahmsweise als Individualvereinbarung anzusehen ist und ob eine solche Änderung dann am Maßstab des AGBG zu messen ist, wenn die Abänderungsvereinbarung darauf abzielt, einer unwirksamen, aber von den Parteien irrtümlich für wirksam gehaltenen Klausel nachträglich einen anderen Inhalt zu geben (so Kötz in: MünchKomm zum BGB, 3. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 22; a.A. Basedow in: MünchKomm zum BGB, 4. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 40; Ulmer in: Ulmer/ Brandner/ Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 1 Rn. 46, vgl. aber auch Rn. 57).

Kommt der Klauselverwender dem Vertragspartner nach Vertragsabschluss teilweise entgegen, ohne den Kerngehalt der durch die Geschäftsbedingung getroffenen Regelung ernsthaft zur Disposition zu stellen, so kann nach Ansicht des Senats in dem Einverständnis des Kunden mit der "Milderung" der Vereinbarung kein nachträgliches Aushandeln der gesamten Regelung gesehen werden. So liegt es aber im Streitfall. Die Beklagte hat nicht die mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbare Vorleistungspflicht zur Disposition gestellt, sondern nur deren Höhe. Auch nach der geänderten Vereinbarung hatte die Klägerin noch mehr als 80% der vereinbarten Vergütung bis zur Anlieferung zu zahlen, lediglich hinsichtlich des Restbetrages wurde eine abgewandelte Vorleistungspflicht begründet. Dies reicht für ein nachträgliches Aushandeln der ursprünglichen Regelung, soweit es dabei blieb, nicht aus (vgl. auch BGH, NJW 1991, 1678, 1679).

3. Die Geltendmachung der sich aus § 326 BGB ergebenden Rechte begegnet keinen Bedenken, da das Werk der Beklagten nicht abgenommen ist (vgl. BGH NJW 1999, 2046, 2047). Ob ein Grund bestand, der Anregung des Landgerichts zu folgen und von der Wandelungsklage Abstand zu nehmen, kann daher dahinstehen. Ergänzend sei hinzugefügt, dass in Anbetracht der aus den vorliegenden Fotos ersichtlichen Mängel der gelieferten Küchenteile, die Klägerin auch mit dem - auf Anregung des Landgerichts fallen gelassenen - Wandelungsanspruch durchgedrungen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Berufungsstreitwert: 27.600,00 DM

Ende der Entscheidung

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