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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 11 U 40/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.02.2007 (17 O 143/04) wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner über den vorgerichtlich gezahlten Betrag von 2.500,00 € und den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 6.500,00 € hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2002 aus 11.000,00 € und seit dem 14.10.2005 aus 4.000,00 € zu zahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.134,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2005 zu zahlen.

3. Der Feststellungsantrag wird hinsichtlich der Schäden, die Gegenstand des vor dem Landgericht Köln anhängigen Verfahrens 27 O 326/07 sind, als unzulässig verworfen und im übrigen als unbegründet abgewiesen.

4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 52 % und die Beklagten zu 48 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagten zu 40 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz nur der Höhe nach streitigen materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall vom 7.10.2002 in Anspruch.. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat dem Kläger ein über den vorgerichtlichen Betrag von 2.500,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld von weiteren 6.500,00 € zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger und begründet dies im wesentlichen damit, dass das Landgericht die Folgen der weiteren Wirbelsäulenoperation vom 22.06.2005 nicht berücksichtigt habe. Dieser Operation habe er sich unterzogen, weil er als Folge der unfallbedingten Fraktur im Bereich des 12. Brustwirbelkörpers unter starken Schmerzen gelitten habe. Die Operation sei aus medizinischer Sicht erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Köln vom 16.02.2007 (17 O 143/04)

1.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 2.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2002 zu zahlen,

2.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger (als Teilbetrag bis zur letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz) ein in das Ermessen des Gerichtes gestellten Schmerzensgeldbetrag zu zahlen - mindestens jedoch über den vorgerichtlich gezahlten Betrag von 2.500,00 € und den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag von 6.500,00 € weitere 31.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2002 für den Betrag von 11.000,00 € und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2005 für den Betrag von 20.000,00 € zu zahlen,

3.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 07.10.2002, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind, zu ersetzen,

4.

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.134,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2005 zu zahlen,

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Dem Kläger steht über den vorgerichtlich geleisteten Betrag von 2.500,00 € und und den vom Landgericht zuerkannten Betrag von 6.500,00 € hinaus ein weiteres Schmerzensgeld zu. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist auch die weitere Wirbelsäulenoperation vom 22.06.2005 im Bereich des 12. Brustwirbels zu berücksichtigen. Der 12. Brustwirbel wurde durch den Unfall gebrochen. Dies haben die Beklagten in der Klageerwiderung eingeräumt. Sie haben allerdings das Fortbestehen einer gravierenden Beeinträchtigung bestritten und behauptet, der Bruch sei stabil ausgeheilt. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige B. ist in seinem Gutachten vom 06.09.2006 (Bl. 245 ff. d.A.), zu dem Ergebnis gelangt, dass die Operation dem Unfallereignis zuzurechnen sei (Seite 39 des Gutachtens). Zu der Frage der Instabilität hat er ausgeführt (Seite 37 ff. des Gutachtens), dass deren Maß nicht mehr geklärt werden könne. Es verbleibe die Feststellung einer sogenannten klinischen Instabilität. Es finde sich bei diesem Begriff die Kombination einer deutlichen Deformität, die der Patient als intolerabel empfinde sowie ein "invalidisierender Schmerz", der mit Medikamenten kaum zu beeinflussen sei. Es handele sich um eine subjektive, patientenorientierte Instabilitätsdefinition. Dieses vom Sachverständigen überzeugend festgestellte Maß an Beeinträchtigung und die Ursächlichkeit des Unfallgeschehens hierfür ist nach dem insoweit geltenden Beweismaßstab des § 287 ZPO als bewiesen anzusehen.

Die sich daran anschließende rechtliche Frage, ob das bewiesene Maß an Instabilität und das ebenfalls bewiesene Schmerzsyndrom ausreichen, um die Operation als durch die Unfallverletzung bedingt anzusehen, so dass sie auch im Rahmen der Schmerzensgeldfestsetzung Berücksichtigung finden kann, ist zu bejahen. Schadensrechtlich relevant sind alle Heilbehandlungen, die vom Standpunkt eines verständigen Menschen bei der gegebenen Sachlage medizinisch zweckmäßig erscheinen (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 3. Aufl., Rn. 226; Dressler in: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., 52. Kap. Rn. 2; Pardey in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 4. Kap. Rn. 27). Die Zurechnung setzt nicht voraus, dass die Heilbehandlungsmethode medizinisch zwingend erforderlich ist. Vielmehr reicht es aus, dass sie sinnvoll ist; dies ist nach den Ausführungen des Sachverständigen B. vorliegend der Fall.

Die von dem Kläger in der Berufungsbegründung angeführte Sacrumfraktur im Bereich S 2/3 hat das Landgericht zu Recht nicht berücksichtigt. Soweit die Berufung auf den Bericht des sachverständigen Zeugen M. vom 29.08.2003 verweist, wonach im Bereich des Steißbeines eine Prellung mit einem "fraglichen unverschobenen Bruch" vorgelegen habe (Bl. 141 d.A.), ist dem entgegen zu halten, dass der sachverständige Zeuge in seinem Bericht vom 21.05.2005 den Steißbeinbruch als nicht gesichert angesehen hat (Bl. 137 d.A.).

Unter Berücksichtigung sämtlicher vom Landgericht bereits angeführter Umstände sowie der Beeinträchtigungen und Schmerzen im Bereich des 12. Brustwirbels und der zur Folgebehebung als sinnvoll zu betrachtenden Wirbelsäulenoperation vom 22.06.2005 erscheint ein Schmerzensgeld in einer Gesamthöhe von 24.000,00 € (unter Einschluss der bereits gezahlten 2.500,00 € und des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 6.500,00 €) angemessen. Da weitere Schäden nicht zu befürchten sind (vgl. unten 4.), handelt es sich nicht nur um ein auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu begrenzendes Teilschmerzensgeld, sondern um eine abschließende Entschädigung der immateriellen Schäden.

2.

Hinsichtlich des materiellen Schadenersatzes sind dem Kläger auf den Klageantrag zu 4. hin die Fahrtkosten für die Ehefrau nach C. X., wo die Operation vom 22.06.2005 durchgeführt worden ist, in Höhe von 1.134,00 € zuzusprechen. Diese Kosten hat der Kläger nach § 287 ZPO hinreichend belegt (Anlage 15 zum Schriftsatz vom 27.09.2005, Bl. 188 d.A.). Sie sind in dieser Höhe auch angemessen.

3.

Anders verhält es sich mit dem im Rahmen des Klageantrages zu 1. geltend gemachten Mehraufwand für Gartenarbeit in den Jahren 2003 und 2004. Einen entsprechenden Anspruch hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil.

4.

Den Feststellungsantrag hat das Landgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass weitere Unfallfolgen ausgeschlossen sind, da der Wirbelkörperbruch folgenlos ausgeheilt und ein sekundärer Verschleiß der anschließenden Bandscheibenräume nicht zu erwarten ist. Das hat das Landgericht aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen B. und L. überzeugend festgestellt. Soweit der Kläger in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.12.2007 behauptet, es bestehe die Möglichkeit einer Verschiebung oder Lösung des bei der Operation vom 22.06.2005 eingebrachten Materials, so dass eine Nachoperation erforderlich und Zukunftsschäden möglich seien, handelt es sich um Vorbringen, das im Berufungsverfahren neu und nach § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre und deshalb keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt. Soweit der Kläger das Feststellungsinteresse im Hinblick auf die in dem anhängigen Verfahren vor dem Landgericht Köln - 27 O 326/07 - geltend gemachten materiellen Schäden begründet, ist dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die Feststellungsklage insoweit als unzulässig zu verwerfen ist. Es handelt sich um Schäden, die im Zeitpunkt der Erhebung des Feststellungsantrages im Jahre 2004 noch nicht mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden konnten. Mit der Erhebung einer selbständigen Leistungsklage ist hinsichtlich dieser Schäden das ursprünglich zu bejahende Rechtschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage entfallen (vgl. den ähnlich gelagerten Fall bei der negativen Feststellungsklage Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 256 Rn. 7 d und 16), so dass die Feststellungsklage insoweit als unzulässig zu verwerfen ist. Damit ist der Kläger durch die Rechtskraftwirkung des vorliegenden Verfahrens nicht gehindert, die Schadenspositionen in dem beim Landgericht anhängigen weiteren Verfahren geltend zu machen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die dafür nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Berufungsstreitwert: 39.734,00 € (2.600,00 € Antrag zu 1., 31.000,00 € Antrag zu 2., 5.000,00 € Antrag zu 3., 1.134,00 € Antrag zu 4.).

Ende der Entscheidung

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