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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 28.06.2006
Aktenzeichen: 11 U 48/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 326 Abs. 1 Satz
BGB § 649
BGB § 649 S. 2
HGB § 128
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.2.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (86 O 128/02) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage werden die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2) als Gesamtschuldner - unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.1.2005 - verurteilt, an die Beklagte 18.269,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.1.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung unter Abweisung der weitergehenden Widerklage zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten ihrer Säumnis. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

1. Instanz: Die Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 31 %, die Beklagte zu 64 % und die Klägerin gesamtschuldnerisch mit der Widerbeklagten zu 2) zu weiteren 5 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese selbst zu 36 % und die Beklagte zu 64 %. Die außergerichtlichen Kosten der Widerbeklagten zu 2) tragen diese selbst zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.

2. Instanz: Die im Berufungsverfahren entstandenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten werden der Klägerin zu 29 %, der Beklagten zu 66 % und der Klägerin gesamtschuldnerisch mit der Widerbeklagten zu 2) zu weiteren 5 % auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese selbst zu 33 % und die Beklagte zu 67 %. Die außergerichtlichen Kosten der Widerbeklagten zu 2) trägt diese selbst zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte, die deutsche Niederlassung eines türkischen Bauunternehmens, durch einen am 25.4.2002 abgeschlossenen Werkvertrag (Anlage 2 zur Klageschrift) mit der Ausführung von Rohbauarbeiten am Wasserwerk der S. in W.. Ursprünglich geplanter Zeitpunkt für den Beginn der Arbeiten war der 2.5.2002; die Gesamtfertigstellung sollte zum 31.10.2002 und die Fertigstellung der Arbeiten an der Pumpen- und Filterhalle am 31.8.2002 erfolgen. Bereits kurz nach Baubeginn kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über den ordnungsgemäßen Fortgang der Arbeiten; die Klägerin warf der Beklagten vor, die Baustelle mit zu wenig Arbeitskräften zu besetzen und die Arbeiten nur zögerlich auszuführen. Dadurch seien die Fertigstellungstermine gefährdet. Schließlich kündigte die Klägerin wegen der nach ihrer Behauptung aufgetretenen und durch die Beklagte nicht mehr aufholbaren Bauverzögerungen den Vertrag am 3.6.2002 und beauftragte einen Drittunternehmer mit der weiteren Ausführung der Leistungen.

Mit der Klage macht sie die Differenz zwischen dem mit dem Drittunternehmer vereinbarten (höheren) Werklohn und dem mit der Beklagten vereinbarten Endpreis nebst einigen Nebenkosten als Schadensersatz geltend. Die Beklagte ihrerseits erachtet die Kündigung des Vertrages als nicht gerechtfertigt; sie verlangt deshalb, gestützt auf § 649 BGB, die Verurteilung der Klägerin - und mit ihr der Widerbeklagten zu 2) als persönlich haftender Gesellschafterin der Klägerin - zur Zahlung des vereinbarten Werklohns, den sie abzüglich ersparter Aufwendungen zunächst mit 252.684,23 € (Schriftsatz vom 19.5.2004; GA 283) und nunmehr (Schriftsatz vom 10.1.2006 (GA 670) mit 207.178,42 € beziffert hat.

Das Landgericht hat die Kündigung der Klägerin als gerechtfertigt angesehen und die Beklagte mit der angegriffenen Entscheidung, auf die wegen aller weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen, des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien und der dort gestellten Anträge verwiesen wird, zur Zahlung von 96.365,43 € verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag und das Ziel einer Verurteilung der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2) zur Zahlung des vereinbarten Werklohns weiterverfolgt.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Frage des Kündigungsgrundes und bekräftigt ihre Auffassung, mit dem Eintreffen der von ihr unter Vertrag genommenen türkischen Arbeitnehmer sei es ihr ohne weiteres möglich gewesen, die vereinbarten Termine einzuhalten. Für die kostenaufwändige Beauftragung eines Drittunternehmers habe daher kein Anlass bestanden; umgekehrt seien die Widerbeklagten zur Zahlung des vereinbarten Werklohnes - auch hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen - verpflichtet.

Durch Versäumnisurteil des Senats vom 12.1.2005 (GA 331) ist die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden. Hiergegen hat sie rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil aufzuheben und unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abzuweisen und die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2) als Gesamtschuldnerinnen zu verurteilen, an sie 250.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 10.1.2003 zu verurteilen.

Die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2) beantragen,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und sind insbesondere weiterhin der Auffassung, dass die Kündigung aufgrund des Rückstandes der Beklagten gegenüber dem vereinbarten Bauzeitenplan notwendig gewesen sei. Die Klägerin habe nicht mehr darauf vertrauen können, dass die Beklagte die vereinbarten Fertigstellungstermine habe einhalten werde.

Der Senat hat den Parteien mehrfach Hinweise erteilt. Wegen des Inhalts wird auf die Beschlüsse vom 11.5. (GA 423) und vom 25.11.2005 (GA 652 f) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.5.2005 (GA 798 f) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Abweisung der Klage. Hinsichtlich der Widerklage hat die Berufung dagegen nur in geringem Umfang Erfolg, nämlich soweit die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2) zur Zahlung der Vergütung für die erbrachten Leistungen zu verurteilen ist (was auch vom Landgericht - als Abzugsposition im Rahmen der zuerkannten Klageforderung - berücksichtigt worden ist). Die Klägerin schuldet diesen Betrag aus dem mit der Beklagten geschlossenen Werkvertrag, die Widerbeklagte zu 2) haftet gemäß § 128 HGB. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der durch die Beauftragung des Drittunternehmers entstandenen Mehrkosten setzt einen wichtigen Grund zur Kündigung voraus. Liegt ein solcher vor, kann der Besteller etwaige Mehrkosten im Wege des Schadensersatzes geltend machen; im Gegenzug entfällt der Anspruch des Unternehmers auf die vereinbarte Vergütung für den noch ausstehenden Teil seiner Bauleistung; lediglich der Werklohnanspruch für die erbrachten Leistungen bleibt ihm erhalten.

Der Auftraggeber hat einen wichtigen Grund zur Kündigung, wenn Vertragsverletzungen des Auftragnehmers von solchem Gewicht vorliegen, dass eine Fortsetzung des Vertrages für ihn unzumutbar ist (BGH BauR 1996, 704 = ZfBR 1996, 267; BauR 2000, 1182; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage 2005 Rdn. 1314 ff). Das Recht zur Kündigung kann auch dann bestehen, wenn die schwerwiegende Vertragsverletzung zwar noch nicht eingetreten, ihr Eintritt jedoch sicher ist, denn es kann dem Auftraggeber in aller Regel nicht zugemutet werden, die Vertragsverletzung abzuwarten, um dann erst die rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1141, 1142; NJW 1983, 989, 990). Die Rechtslage ist insoweit vergleichbar mit den Fällen, in denen der Gläubiger vor Fälligkeit der Leistungsverpflichtung ohne Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bereits nach § 326 Abs. 1 Satz BGB vorgehen kann, wenn der Schuldner die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert (BGH NJW 1984, 48, 49; WM 1976, 75, 76). Eine Kündigung kann danach vor allem auch dann erfolgen, wenn feststeht oder doch zumindest nach allgemeiner Erfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Auftragnehmer eine Vertragsfrist aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht einhalten wird und diese Vertragsverletzung für den Besteller von so erheblichem Gewicht ist, dass ihm eine Fortsetzung des Vertrages mit dem Auftragnehmer nicht zumutbar ist. Grundsätzlich bedarf es darüber hinaus einer eindeutigen und bestimmten, im Regelfall auch mit einer Kündigungsandrohung verbundenen Aufforderung zur fristgemäßen Fortsetzung und Beendigung der Arbeiten (BGH BauR 2002, 782). Diese Androhung der Kündigung ist nur dann entbehrlich, wenn das Verhalten des Vertragspartners eine besonders schwere Vertragsverletzung darstellt (OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 151; Werner/Pastor Rdn. 1322).

Misst man das Verhalten der Beklagten und die Situation an der Baustelle zum Zeitpunkt der Kündigung an diesen Maßstäben, so lässt sich - entgegen der Auffassung des Landgerichts - ein wichtiger Grund zur Kündigung für die Klägerin letztlich nicht feststellen. Für ihre Sicht der Dinge - und ihre mit Rücksicht auf den von ihrem Auftraggeber seinerseits erzeugten Termindruck bestehende Befürchtung, dass die der Beklagten beauftragten Arbeiten nicht termingerecht abgeschlossen werden konnten - spricht allerdings, dass sie nach den Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten schon kurz nach dem Abschluss des Vertrages durchaus davon ausgehen konnte, dass die Baustelle kurzfristig mit 20 Leuten besetzt werden würde. Diese Erwartung begründet sich zum einen durch die Übergabe des Einsatzplanes (Anlage 5 zur Klage) und zum anderen durch die (von dem erstinstanzlich vernommenen Zeugen O. bestätigten) Versprechungen des Geschäftsführers der Beklagten zu einer kurzfristigen Aufstockung der Zahl der eingesetzten Kräfte. Die Klägerin befand sich also - nachdem die Beklagte auch etwa einen Monat nach Baubeginn nur mit wenigen Leuten auf der Baustelle vertreten war - in einem schwer zu lösenden Dilemma, da für sie nicht erkennbar war, wann die Beklagte ihren Zusagen nachkommen würde und ob zu einem späteren Zeitpunkt dann aufgetretene Verzögerungen noch aufzuholen waren.

Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte reicht die eingetretene Verzögerung im Ergebnis aber nicht aus: zum Zeitpunkt der Kündigung stand der Ablauf der ersten Zwischenfrist (nämlich der bis zur Fertigstellung der Pumpen- und der Filterhalle) keineswegs kurz bevor, sondern erst in knapp drei Monaten an. Die Zeit bis zum Ablauf der Gesamtfertigstellungsfrist betrug noch fast fünf Monate. Zwingende Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristen von der Beklagten trotz der weiter bestehenden Möglichkeit einer deutlichen Aufstockung der Zahl der an der Baustelle eingesetzten Arbeitskräfte nicht einzuhalten war, hat die Klägerin letztlich nicht vorgetragen. Es kommt hinzu, dass die genaue Zahl der einzusetzenden Arbeitskräfte vertraglich nicht vereinbart war (die Beklagte also insoweit einen eigenen Entscheidungsspielraum hatte) und es keinerlei schriftliche Aufforderungen zur Aufstockung der Zahl der Beschäftigten und in diesem Zusammenhang auch keine Kündigungsandrohung gab, sondern lediglich allgemein gehaltene Hinweise in Baubesprechungen (etwa der Besprechung vom 22.5.; Anlage 6 zur Klage). Ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass auch bei einem kurzfristigen Einsatz weiterer Leute, wie ihn die Beklagte beabsichtigte, die Zwischen- und Endfristen nicht eingehalten werden konnten, hat die Klägerin letztlich auch nicht ausreichend vorgetragen, sondern nur allgemein darauf verwiesen, dass die Bauzeit "knapp" gewesen sei. Soweit sie darauf abstellt, dass das Nachfolgeunternehmen mit einer erheblich größeren Zahl von Arbeitskräften gearbeitet habe, stellt auch das zwar ein Indiz für eine Unterbesetzung der Baustelle durch die Beklagte dar, schließt aber, jedenfalls nicht mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", aus, dass die Beklagte alle vereinbarten Termine letztlich einhalten konnte, wenn auch möglicherweise erst nach einer (nochmaligen) Aufstockung der Zahl ihrer Arbeitsnehmer. Auch aus den von der Klägerin im Einzelnen dargestellten, zu verbauenden Massen lässt sich letztlich nicht mit der genügenden Sicherheit schließen, dass die Beklagte zu rechtzeitiger Leistung nicht mehr in der Lage war.

Im Übrigen war die Klägerin verpflichtet, vor der endgültigen Kündigung der Beklagten gegenüber eine klare und unmissverständliche Androhung dieser Maßnahme zu erklären. Daran fehlt es hier. Die Androhung war auch nicht wegen einer "besonders schweren Vertragsverletzung" des Auftragnehmers nach den Kriterien der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entbehrlich. Eine solche schwere Vertragsverletzung könnte allenfalls in der wiederholten - und objektiv nicht eingehaltenen - und in der Beweisaufnahme erster Instanz bestätigten Zusage des Geschäftsführers der Beklagten liegen, kurzfristig weitere Arbeitnehmer zur Baustelle zu bringen. Das reicht aber letztlich schon deshalb nicht aus, weil nicht auszuschließen ist, dass die Verzögerungen mit der zuvor erforderlichen Beschaffung der Arbeitserlaubnisse für die ausländischen Arbeitskräfte zusammenhingen, die für die Beklagte nicht beeinflussbar war.

2.

Die Widerklage hat nur insoweit Erfolg, als der Beklagten auf ihren Antrag der vereinbarte Werklohn für die tatsächlich erbrachten Leistungen zuzusprechen war. Diesen Betrag - in Höhe von 18.269,38 € - hat auch das Landgericht der Beklagten (im Wege eines Abzugs von dem von ihm angesetzten Schadensersatzanspruch der Klägerin) zugebilligt. Über seine sachliche Berechtigung besteht zwischen den Parteien auch - dem Grunde nach ebenso wie über die Höhe - kein Streit (Bl 52, 281).

Im Übrigen aber ist die Berechnung der Beklagten insgesamt - trotz der mehrfachen Nachbesserungsversuche aufgrund der durch den Senat erteilten Hinweise - widersprüchlich geblieben und damit letztlich unbeachtlich.

a.

Der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach einer "freien" Kündigung durch den Auftraggeber besteht von vornherein nur abzüglich der ersparten Aufwendungen und des Erwerbs durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft des Auftragnehmers. Der Anspruch ist also "unmittelbar um die ersparten Aufwendungen gekürzt (BGH BauR 1998, 185; BauR 1999, 635; OLG Köln NJW-RR 1997, 1040; Palandt/Sprau Kommentar zum BGB, 65. Auflage 2006, § 649 BGB Rdn. 8). Vorbringen zur Höhe ersparter Aufwendungen gehört mithin zur Schlüssigkeit des Vorbringens des Anspruchsstellers. Für die Abrechnung des Anspruches eines Unternehmers bei einem nach teilweiser Leistungserbringung durch Kündigung beendeten Pauschalpreisvertrag gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 1996, 3270; NJW 1997, 733; NJW 1999, 1253) gemäß § 649 S. 2 BGB folgendes:

Der Unternehmer hat zunächst die erbrachten Leistungen und die dafür anzusetzende Vergütung darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Die Höhe dieser Vergütung ist nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen; der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darlegen (vgl. BGH NJW 1995, 2712 = BauR 1995, 691. Darum geht es im vorliegenden Fall allerdings nicht; der Umfang der erbrachten Leistungen steht wie dargelegt fest.

Bezüglich der nicht erbrachten Leistungen muss sich der Unternehmer auf seinen Anspruch auf vertragliche Vergütung u.a. anrechnen lassen, was er durch die Kündigung an Aufwendungen erspart. Als erspart sind die Aufwendungen anzurechnen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf die Aufwendungen abzustellen, die durch die Nichtausführung des konkreten Vertrages entfallen sind. Was er sich in diesem Sinne als Aufwendung anrechnen lässt, hat der Unternehmer vorzutragen und zu beziffern, denn in der Regel ist nur er dazu in der Lage. Dazu muss er im Einzelfall die Grundlagen der Kalkulation des Preises für die vereinbarte Leistung offen legen. Hat er diesen Preis nur "im Kopf kalkuliert", so hat er die maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenzustellen und dabei die ersparten Aufwendungen konkret vorzutragen. Andernfalls wäre es dem für höhere Ersparnisse darlegungsbelasteten, aber über die Einzelheiten des Betriebes des Unternehmers in der Regel nicht unterrichteten Besteller nicht möglich, hierzu sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. zu diesen Grundsätzen BGH NJW 1996, 1282; NJW 1997, 733 und Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage 2005, Rdn. 1294).

Die Darstellung der Beklagten ist gemessen an diesen Grundsätzen vom Ansatz her nicht plausibel. Sie behauptet (im Schriftsatz vom 3.6.2005 (GA 427 ff), den von der Klägerin im Angebot verlangten Betrag für die jeweiligen Positionen durch Multiplikation des jeweils erwarteten Zeitaufwandes mit dem Stundenlohn ihrer Mitarbeiter und der Beaufschlagung u.a. eines Gewinnanteils von 28 % ermittelt zu haben. Das allein ist zunächst in sich plausibel, wenn auch - im Hinblick auf die Höhe des kalkulierten Gewinns - alles andere als lebensnah. Es steht jedoch in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu dem Umfang der von der Beklagten behaupteten Aufwendungen. Wenn sie nämlich tatsächlich mit einem Gewinnanteil von 28 % kalkuliert hätte, hätten ihre Aufwendungen bei vollständiger Durchführung des Vertrages zwangsläufig nur 72 % der Auftragssumme betragen dürfen. Der Umfang der von der Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreits behaupteten Aufwendungen (und zwar der ersparten und der nicht ersparten) ist jedoch weit höher und erreicht nahezu die Netto- Pauschalpreissumme von 311.891,58 €. Die Beklagte setzt nämlich (im Schriftsatz vom 10.1.2006; GA 666 ff) ersparte Aufwendungen für in Deutschland zeitweise schon eingesetzte Mitarbeiter und nicht mehr abzuführende Sozialabgaben von 146.065,81 € sowie für eine nicht geleistete Containermiete von 8.550 € an. Zu diesen bei hypothetisch vollständiger Auftragsdurchführung ja tatsächlich anfallenden Kosten kommen die Aufwendungen in Höhe von 132.135,00 € (vgl. zu diesem Betrag GA 88 sowie die von der Beklagten vorgelegte Anlage B 9) hinzu, die die Beklagte nach ihrem (allerdings - wie noch auszuführen sein wird - nicht glaubhaften) Vorbringen für die Arbeitnehmer, die aus der Türkei anreisen sollten, zu zahlen hatte. Das ergibt insgesamt einen Betrag von 286.750,81 €. Bei Aufwendungen in dieser Höhe verbleibt allerdings bezogen auf den Netto-Pauschalpreis ein Gewinn von deutlich weniger als 10 % (ohne dass es darauf ankommt, von welcher Basis aus dieser zu berechnen wäre), so dass entweder die Darstellung der Beklagten zu ihrer Gewinnkalkulation oder zur Höhe ihrer Aufwendungen nicht richtig sein kann, ihr Vortrag insgesamt jedenfalls aber nicht plausibel ist. Schon deshalb kann die Widerklage keinen Erfolg haben, wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 10.5.2006 ausführlich erörtert worden ist.

b.

Im Übrigen ist auch die Darlegung der Beklagten zu den aus ihrer Sicht ersparten bzw. nicht ersparten Aufwendungen im Schriftsatz vom 10.1.2006 (Bl 666 ff), in dem sie schon zuvor erteilte Hinweise des Senats aufgegriffen hat, nicht frei von Bedenken. Das betrifft namentlich die Aufwendungen für die Arbeitnehmer, die nach dem Vorbringen der Beklagten Anfang Juni 2002 aus der Türkei kommend auf der Baustelle eingesetzt werden sollten. Die Beklagte hat dazu zuletzt vorgetragen, an diese Arbeitnehmer bereits unmittelbar nach der Kündigung durch die Klägerin den vollen Werklohn für die vorgesehene Einsatzzeit bis Ende Oktober 2002 ausgezahlt zu haben; Aufwendungen habe sie insoweit also nicht erspart. Dieses Vorbringen ist schon lebensfremd, wie in der mündlichen Verhandlung mehrfach ausführlich erörtert worden ist, und von der Beklagten weder durch den Nachweis des Zahlungsweges noch durch Darstellung der betrieblichen Unterlagen plausibel gemacht worden. Es widerspricht aber auch ihrem erstinstanzlichen Sachvortrag, nach dem (GA 20) die Arbeiter noch während des Prozesses - nämlich im Januar 2003 (Schriftsatz vom 3.1.2003) - nicht etwa schon bezahlt waren, sondern "in der Türkei Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen", und erst recht der - völlig neuen - Darstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 10.5.2006, in der der Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt hat, erst einen Teil des berechneten Betrages - und zwar an die "Muttergesellschaft" der Beklagten in der Türkei, die wiederum die Löhne an die Arbeiter gezahlt habe - erstattet zu haben.

Gravierender allerdings sind die Widersprüche in der Darstellung der Beklagten zu den mit den türkischen Arbeitnehmern geschlossenen Verträgen. Erstinstanzlich hat die Beklagte zunächst angegeben (GA 20), dass sie die Arbeitnehmer für einen Zeitraum von fünf Monaten engagiert habe; das hat sie auch in der Berufungsinstanz zunächst mehrfach bekräftigt (Bl 282, 352). Dieser Vortrag deckt sich mit der Erklärung z.B. des Arbeitnehmers T. über den angeblichen Erhalt des Lohnes ("In dem Arbeitsvertrag zwischen mir und der Beklagten wurde vereinbart, dass ich in der Zeit vom 1.6.02 bis zum 31.10.02 für fünf Monate in Bauarbeiten in Deutschland für einen Nettolohn von ...monatlich arbeiten soll."). Das kann nur bedeuten, dass es vor Mai 2002 keine vertraglichen Vereinbarungen der Beklagten mit den angeblichen türkischen Arbeitnehmern gab, ihr Einsatz also auf den Zeitraum von fünf Monaten beschränkt sein sollte. Bei dieser Sachlage bestand aber schon auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Beklagten keine Verpflichtung zur Entlohnung der türkischen Arbeitnehmer, denn sie hat durchgehend vorgetragen (und durch die in Übersetzung vorgelegten Dokumente B7 und B 8, GA 470 ff, auch belegt), dass nach dem aus ihrer Sicht maßgeblichen türkischen Recht Arbeitnehmer nur bei Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages und unter der weiteren Voraussetzung einer bereits mindestens 6 Monate andauernden Beschäftigung Anspruch auf Lohnzahlungen hatten. Beide Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall aber nach diesem Vortrag der Beklagten nicht vor.

Daran ändert - ungeachtet prozessualer Bedenken gegen die Beachtlichkeit des Vortrags (§ 531 ZPO) - auch nichts die erstmals im Schriftsatz vom 3.6.2005 (GA 431) und in einem nicht erklärten Widerspruch zu dem vorherigen Sachvortrag aufgestellte Behauptung, die Verträge mit den Arbeitnehmern seien nicht erst im Mai 2002, sondern bereits im Januar 2001 geschlossen worden. Zum einen ergibt sich aus den vorgelegten Verträgen selbst, dass es sich keineswegs um unbefristete, sondern um auf den Zeitraum von zwei Jahren abgeschlossene Verträge handelte (so auch die Beklagte selbst GA 671), zum anderen hat die Beklagte auch nicht behauptet, dass die Arbeitnehmer vor Mai 2002 bereits tatsächlich für sechs Monate beschäftigt worden seien. Aus dem Wortlaut der Verträge (die eher den Charakter eines "Rahmenabkommens" mit dem Inhalt der Bereitstellung von Arbeitskraft haben) ergibt sich auch kein solcher Beschäftigungsanspruch.

Aus dieser Vertragslage kann nur der Schluss gezogen werden, dass es für eine Bezahlung der türkischen Arbeitnehmer ohne tatsächliche Arbeitsleistung keine rechtliche Grundlage gab. Unabhängig von der Frage (zu der eine Beweisaufnahme demzufolge nicht erforderlich war), ob solche Zahlungen tatsächlich erfolgt sind, war die Beklagte dazu deshalb jedenfalls nicht verpflichtet. Die angesetzten Zahlungen wären daher im Rechtsverhältnis zur Klägerin als ersparte Aufwendungen zu betrachten, sofern es darauf, was wie ausgeführt im Hinblick auf die fehlende Plausibilität des Vorbringens der Beklagten allerdings nicht der Fall ist, angekommen wäre.

3.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

4.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 92, 97 Abs. 1, 539 Abs. 3, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 346.365.43 € (für das Verfahren betreffend die Widerbeklagte zu 2) 250.000 €).

Ende der Entscheidung

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