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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 11 U 72/07
Rechtsgebiete: VOB/B, VOB/A


Vorschriften:

VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/A § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. März 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 O 259/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma W. GmbH & Co. KG (nachfolgend W.). Die W. führte im Auftrag der Beklagten den Abbruch und die Entsorgung des Hauses C des D. in E. durch. In der zugrunde liegenden Ausschreibung (Ziffer 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses) war festgelegt, dass "das komplette Gebäude inkl. aller Keller, Fundamente, Bodenplatten, Außentreppen etc. und inkl. aller Deponie- und Entsorgungsgebühren abzubrechen, zu entfernen, zu transportieren, abzufahren, aufzubereiten" sei. Das Leistungsverzeichnis enthielt des Weiteren folgende Hinweise:

"...

Altlasten

Die Schadstoffsanierung muss dem eigentlichen Abbruch vorgeschaltet sein. Vorab erfolgte eine Überprüfung der Gebäude auf vorhandene Schadstoffe...

Folgende Schadstoffe wurden vorgefunden bzw. werden vermutet:

- schwachgebundenes Asbest in Heizungsanlagen und Brandschutztüren,

- KMF-haltige Produkte in Mineralwolle-Isolierung,

- asbesthaltige Dachplatten Haus W,

- lindanhaltige Fenster und Innentüren.

...

Die Gebäudeteile bestehen aus verputztem, massivem Ziegelsplittbetonmauerwerk."

Nach Beginn der Abbrucharbeiten stellte die W. nach Einschaltung der L. GmbH erhöhte Mengen an Sulfaten und Phenolen im Bauschutt fest und teilte der Beklagten mit, dass sie entsprechende Mehrkosten berechnen werde.

Der Kläger, der die streitgegenständliche Forderung mit Vertrag vom 19.04.2006 an die Firma W. Rückbau und Umwelt GmbH abgetreten hat, verlangt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten die Zahlung zusätzlichen Werklohns gemäß dem Nachtrag Nr. 3 zur Schlussrechnung vom 14.02.2005 (Anlage K 3), der die Entsorgung von "5793,96 to Bauschutt Z.2 zu 9,84 € je to" (= 57.012,57 € + 16 % MWST = 66.134,58 €) beinhaltet.

Wegen des Sachvorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil des Landgerichts, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, wendet sich die Berufung des Klägers, mit welcher das Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt wird.

Der Kläger macht unter Vertiefung seines Vorbringens erster Instanz im Wesentlichen geltend, im Leistungsverzeichnis sei von einer erhöhten Schadstoffbelastung des Mauerwerks im Gebäude C nicht die Rede und damit auch nicht zu rechnen gewesen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die W. Rückbau und Umwelt GmbH in H., hilfsweise an ihn 66.134,58 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die - zulässige - Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Zahlung zusätzlichen Werklohns abgewiesen, weil der W. wegen der Entsorgung des Bauschutts kein Anspruch auf Mehrvergütung nach § 2 Nr. 6 VOB/B zugestanden hat, der nunmehr nach Insolvenzeröffnung vom Kläger geltend gemacht werden könnte.

1.

Nach dem Wortlaut der Ziffer 1.2.10 der Leistungsbeschreibung war das "komplette Gebäude einschließlich aller Keller, Fundamente, Bodenplatten, Außentreppen etc. abzubrechen, zu entfernen, zu transportieren, abzufahren, aufzubereiten inklusive aller Deponie- und Entsorgungsgebühren". Aus dieser Leistungsbeschreibung ergibt sich für einen unbefangenen Bietinteressenten, dass ein Komplettabriss mit Komplettentsorgung angefragt und ausgeschrieben war.

Der in der allgemeinen Leistungsbeschreibung zu "Altlasten" enthaltene Hinweis darauf, dass vorab eine Überprüfung der Gebäude auf vorhandene Schadstoffe erfolgt sei und diese Überprüfung das Vorhandensein bzw. die Vermutung des Vorhandenseins bestimmter Schadstoffe - nämlich: schwachgebundenes Asbest, KMF-haltige Produkte, asbesthaltige Dachplatten und lindanhaltige Fenster - ergeben habe, stellte - wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat - ersichtlich keine abschließende Beschreibung vorhandener Schadstoffbelastungen dar. Aus dem Hinweis ergab sich nicht, dass die Beklagte die abzubrechenden Gebäude auf andere Schadstoffe hatte untersuchen lassen oder dass eine Beprobung nach den Regeln der LAGA erfolgt war.

Die Leistungsbeschreibung in Ziffer 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses stellt keine bewusste Irreführung von Bietern und damit keinen Verstoß nach § 9 VOB/A dar. Ziffer 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses enthielt eine "funktionelle Leistungsbeschreibung", bei der als Ziel der Leistung der Komplettabriss und die Komplettentsorgung im Vordergrund standen. Als Eckpunkt war lediglich vorgegeben, dass die "Schadstoffsanierung dem eigentlichen Abbruch vorgeschaltet" sein müsse. Die technische und tatsächliche Umsetzung des Abbruchs und der Entsorgung war nach der Ausschreibung erkennbar allein Sache des Auftragnehmers. Konkrete Vorgaben zu den einzelnen, dabei zu erbringenden Leistungen fehlten, so dass es - für jeden Bieter erkennbar - Sache des Bieters als potentiellem Auftragnehmer war, die nötigen Informationen zu Positionen des Leistungsverzeichnisses - vor Angebotsabgabe - einzuholen (vgl. BGH NJW 1997, 61; OLG Celle BauR 2005, 1776 ff.; OLG Brandenburg BauR 2007, 540 ff.; KG BauR 2008, 833, 835) und vorhandene Unklarheiten zu beseitigen, ohne dass hierin ein Verstoß gegen § 9 VOB/A zu erblicken wäre (vgl. BGH NJW 1997, 61, 62).

Das Vorhandensein von Sulfaten und Phenolen als weitere Schadstoffe bedeutete für die Insolvenzschuldnerin wie auch für jeden anderen Bieter kein außergewöhnliches Wagnis, auf welches seitens des Auftraggebers hinzuweisen gewesen wäre. Aus der Ausschreibung ergab sich, dass eine Untersuchung nur hinsichtlich bestimmter Schadstoffe vorlag. Dass diese Untersuchung abschließenden Charakter hatte, konnte - worauf auch der Sachverständige in seinem Gutachten hinweist - durch einen fachkundigen Bieter nicht angenommen werden.

2.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das Vorhandensein weiterer Schadstoffe - wie den hier später festgestellten Sulfaten und Phenolen - sei vor Angebotsabgabe durch die Insolvenzschuldnerin nicht feststellbar gewesen. Der vom Senat beauftragte Sachverständige Weibrecht hat ausgeführt, dass nach dem Text der Ausschreibung das Vorhandensein anderer Schadstoffe nicht ausgeschlossen werden könne und überdies in der Ausschreibung Angaben bezüglich des zu kalkulierenden Belastungsgrades des Bauschuttes fehlen, weshalb die Herbeiführung einer Klärung durch den Bieter bei der Vergabe vor Abgabe eines nicht spekulativen Angebotes notwendig gewesen sei. Der Insolvenzschuldnerin war als Fachbetrieb aufgrund der vorhandenen Leistungsbeschreibung bekannt, dass das Abbruchmaterial nicht unbelastet war. Den genauen Belastungsgrad konnte ein fachkundiger Bieter zwar nicht wissen; er hätte ihn aber - und dies bestätigt der Sachverständige mit überzeugender Begründung - zur Vermeidung eines spekulativen Gebotes und damit auch zur Eingrenzung des bestehenden Kalkulationsrisikos näher hinterfragen oder selbst - ggfls. durch Hinzuziehung eines Sonderfachmannes - klären oder - falls dies nicht möglich gewesen wäre - ihr Gebot mit entsprechendem Vorbehalt einschränken müssen.

Da die Insolvenzschuldnerin die ausgeschriebenen Abbruch- und Entsorgungsarbeiten mit einem Pauschalpreis von (netto) 81.300,00 € angeboten hatte, muss sie sich daran festhalten lassen und kann für die hier geltend gemachten Entsorgungsleistungen keine zusätzliche Vergütung beanspruchen.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 66.134,58 €

Ende der Entscheidung

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