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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.06.2002
Aktenzeichen: 11 W 16/02
Rechtsgebiete: ZRHO, ZPO


Vorschriften:

ZRHO § 33 Abs. 3
ZPO § 888
ZPO § 887
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 891 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

11 W 16/02

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor und die Richter am Oberlandesgericht Zoll und Dr. Schmidt

am 03.06.2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.01.2002 - 15 O 709/00 - abgeändert.

Gegen die Schuldnerin wird wegen der Nichterfüllung der sich aus dem Teilversäumnisurteil des Landgerichts Köln - 15 O 709/00 -, zugestellt am 05.09.2001, ergebenden Pflichten, nämlich der Klägerin durch Abgabe der Quartals-Istzahl-Meldungen III bis IV/1999 sowie I bis III/2000 Auskunft darüber zu erteilen, wie viele mit dem Zeichen "Der GRÜNE PUNKT" versehene und von der Beklagten vertriebene Verpackungen in der Zeit vom 01.07.1999 bis 30.09.2000 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgesetzt worden sind;

der Klägerin durch die Abgabe der Jahresabschlussmeldung 1999 auf dem dazu vorgesehenen Formblatt Auskunft darüber zu erteilen, wie viele mit dem Zeichen "DER GRÜNE PUNKT" versehene und von der Beklagten vertriebene Verkaufsverpackungen in dem Geschäftsjahr der Beklagten 1999 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgesetzt worden sind;

die Richtigkeit der in der Jahresabschlussmeldung 1995, 1996, 1997, 1998 sowie 1999 gemachten Angaben auf ihre Kosten von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer auf der Grundlage der von der Klägerin herausgegebenen Richtlinien und unter Verwendung der von der Klägerin herausgegebenen Formulare oder per von der Klägerin zugelassenen Datenträgern gegenüber der Klägerin bescheinigen zu lassen (Testat 1995, 1996, 1997, 1998 sowie 1999),

ein Zwangsgeld von 2.500,00 € festgesetzt und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je 250,00 € ein Tag Zwangshaft angeordnet, die an den im Rubrum dieses Beschlusses genannten Vertretern der Schuldnerin zu vollstrecken ist.

Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens, einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, hat die Schuldnerin zu tragen.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin hat die Rechtsform einer SpA; sie hat ihren Sitz in Italien. Das Landgericht hat die Schuldnerin durch Teilversäumnisurteil zur Erteilung der im Rubrum dieses Beschlusses näher bezeichneten Auskünfte verurteilt. Die Gläubigerin hat beantragt, gegen die Schuldnerin wegen der Nichterfüllung der sich aus dem Urteil ergebenden Auskunftspflichten ein Zwangsgeld festzusetzen. Das Landgericht hat dies durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt, da die Festsetzung eines Zwangsgeldes die Grenzen deutscher Staatsgewalt überschreite und auf eine Vollstreckung im Ausland hinauslaufe, ferner eine Zustellung des Zwangsgeldbeschlusses abgelehnt werden müsste. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 793 ZPO) und in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie ist auch begründet. Gegen die Schuldnerin ist auf Antrag der Gläubigerin gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, wie aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlich anzuordnen.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Die Gläubigerin ist im Besitz eines Vollstreckungstitels, nach dessen Inhalt die Schuldnerin bestimmte Auskünfte zu erteilen hat. Das Urteil ist der Schuldnerin zugestellt worden. Die Vollstreckungsklausel ist während des Beschwerdeverfahrens erteilt worden.

2. Zu Recht hat die Gläubigerin einen Antrag nach § 888 ZPO gestellt. Dabei kann dahin stehen, ob einzelne der von der Schuldnerin vorzunehmenden Handlungen durch Dritte vorgenommen werden könnten, mithin an sich eine Vollstreckung nach § 887 ZPO in Betracht kommt. Ist die Vollstreckung auf eine im Ausland vorzunehmende Handlung gerichtet, so kann der Vollstreckungsgläubiger auch hinsichtlich an sich vertretbarer Handlungen nach § 888 ZPO vorgehen, weil eine Vollstreckung nach § 887 ZPO - sofern sie überhaupt möglich ist - in nicht zumutbarer Weise zu einer Erschwerung und Verzögerung der Vollstreckung führt (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2001, 72, 73 = RIW 2001, 379 f., mit Anmerkung von Schuschke in EWiR 2001, 243 f.; OLG Stuttgart, ZZP 97 [1984], 487, 488, mit Anmerkung von Münzberg, S. 489 ff.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rn. 3228 f.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 887 Rn. 29). Ob etwas Anderes gilt, wenn davon auszugehen ist, dass sich der Schuldner einer Ersatzvornahme nicht widersetzen würde (so OLG Hamm, InVo 1999, 32), kann dahin stehen; eine solche Fallgestaltung liegt nicht vor.

3. Der Ansicht des Landgerichts, gegen einen im Ausland ansässigen Schuldner, der durch ein deutsches Urteil zu einer unvertretbaren Handlung verurteilt ist, könne kein Zwangsgeld festgesetzt werden, kann nicht gefolgt werden. Eine solche Festsetzung greift nicht in die Hoheitsrechte des ausländischen Staates ein, in dem der Schuldner seinen Sitz hat.

a) Bei der Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO wird ein staatlicher Zwang nur im Inland ausgeübt, auch wenn die zu erzwingende Handlung im Ausland vorzunehmen ist (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Nürnberg IPRspr. 1974/188; OLG Stuttgart, a.a.O.; Geimer, a.a.O., Rn. 400 f., 1221, 3226 f., 3228 f.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 60. Aufl., § 888 Rn. 2; Stein/Jonas/Brehm, a.a.O., § 888 Rn. 8; Thomas/Putzo, 23. Aufl., § 888 Rn. 9; vgl. jetzt auch OLG Köln, OLGR 2002, 67 f. = JMBl.NW 2002, 100 f., wonach das deutsche Gericht gegen den ausländischen Schuldner auch die Zwangshaft festsetzen kann). Jedenfalls durch die Festsetzung des Zwangsgeldes wird die Souveränität des ausländischen Staates in keiner Weise berührt. Das Gleiche gilt für die Vornahme der zu erzwingenden Handlung selber, und zwar auch dann, wenn sie im Ausland vorzunehmen ist; Hoheitsrechte können im Inland vorgenommene Maßnahmen eines ausländischen Staates berührt werden, nicht aber durch die Handlung eines Staatsangehörigen, der dem Rechtsspruch eines ausländischen Gerichts Folge leistet. Deshalb kommt es nicht einmal darauf an, dass nach dem Inhalt des von der Gläubigerin erwirkten Titels die von der Schuldnerin vorzunehmenden Handlungen - jedenfalls zum Teil - in Deutschland vorzunehmen sind.

b) Zu Unrecht meint das Landgericht, darauf abstellen zu können, dass die Festsetzung des Zwangsgeldes zu weiteren Maßnahmen (Beitreibung; Inhaftierung) führe, die im Ausland vorzunehmen wären. Dieser Überlegung kann schon im Ansatz nicht gefolgt werden.

aa) Erwirkt der Gläubiger den Zwangsgeldbeschluss, so wird bereits dadurch ein gewisser Druck auf den Schuldner ausgeübt. Er wird sich diesem Druck möglicherweise beugen, zumal die Vollstreckung eines bereits verhängten Zwangsgeldes durch Vornahme der geschuldeten Handlung abgewendet werden kann (vgl. Zöller/Stöber, 23. Aufl., § 888 Rn. 13). Ein Eingriff in fremde Hoheitsrechte erfolgt bei dieser Fallgestaltung ersichtlich nicht.

bb) Auch gegen einen ausländischen Vollstreckungsschuldner sind Vollstreckungsmaßnahmen im Inland denkbar. Der Zwangsgeldbeschluss ist ein auf eine Geldleistung gerichteter Vollstreckungstitel (vgl. Zöller/ Stöber, a.a.O.). Gegen dessen Vollstreckung in Deutschland bestehen ersichtlich keine Bedenken, auch wenn der Schuldner Ausländer ist. Die Schuldnerin liefert Kosmetika nach Deutschland, so dass sich die Möglichkeit einer Vollstreckung des Zwangsgeldes durch Zugriff auf ihre hierher gelieferten Waren oder ihre hier begründeten Forderungen ergeben kann. Ebenso kommt eine Vollziehung der Zwangshaft an ihren etwa geschäftlich in Deutschland anwesenden Vertretern in Betracht (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Auch bei dieser Fallgestaltung findet ein Eingriff in fremde Hoheitsrechte nicht statt.

cc) Die Vollstreckung und Beitreibung eines nach § 888 ZPO verhängten Zwangsgeldes obliegt zudem nicht dem deutschen Staat (der Justiz), sondern dem Gläubiger; sie erfolgt nicht von Amts wegen und nach Maßgabe der Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung, sondern auf Antrag des Gläubigers nach den allgemeinen Regeln des Vollstreckungsrechts (vgl. etwa BGH, NJW 1983, 1859 f.; Zöller/Stöber, a.a.O.). Der Gläubiger hat die Wahl, ob er im Urteilsstaat ein Zwangsgeld beantragt und den so erwirkten Titel über eine Geldleistung im Ausland vollstrecken lässt oder ob er den auf Auskunft gerichteten Titel im Wohnsitzstaat des Schuldners für vollstreckbar erklären lässt und sich der dortigen Vollstreckungsmöglichkeiten bedient (Gottwald in: Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Auflage, Art. 43 EuGVÜ Rn. 7). Entscheidet sich der Gläubiger für den Antrag nach § 888 ZPO, so erhält er lediglich einen (inländischen) Vollstreckungstitel, für dessen Durchsetzung er selbst sorgen muss. Ob ihm dies im Ausland angesichts der dortigen Vollstreckungsvorschriften und der dortigen Auslegung des EuGVÜ (bzw. jetzt der EuGVVO) gelingt, mag durchaus ungewiss sein. Dies zu beurteilen, ist aber nicht Aufgabe der deutschen Gerichte. Diese haben dem Gläubiger im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und unter Beachtung der Grenzen ihrer Hoheitsgewalt zu einer effektiven Durchsetzung der titulierten Forderung zu verhelfen. Ein dem Gesetz entsprechender Antrag des Gläubigers darf nur abgelehnt werden, wenn eine stattgebende Entscheidung zur Rechtsdurchsetzung auf keinen Fall beitragen kann, mithin das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ein solcher Fall liegt hier offensichtlich nicht vor.

c) Zu Unrecht verweist das Landgericht für seine abweichende Ansicht auf Artikel 43 EuGVÜ (jetzt Artikel 49 EuGVVO). Die Vorschrift bestimmt, dass ausländische Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgeldes lauten, in dem Vollstreckungsstaat nur vollstreckbar sind, wenn die Höhe des Zwangsgeldes durch die Gerichte des Ursprungsstaates endgültig festgesetzt ist; sie geht also von der Möglichkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen einen ausländischen Vollstreckungsschuldner aus. Die Frage, ob die Vollstreckungsregeln des EuGVÜ auch dann anwendbar sind, wenn das Zwangsgeld, wie bei der deutschen Regelung des § 888 ZPO, nicht dem Gläubiger, sondern der Staatskasse zufließt (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O.), wird zwar in der Tat unterschiedlich beantwortet (bejahend etwa: Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 5. Auflage, Art. 43 Rn. 1; Gottwald in: Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Auflage, Art. 43 EuGVÜ Rn. 3 ff.; jeweils mit weiteren Nachweisen auch zur abweichenden Meinung). Diese Frage spielt aber im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Die an Artikel 43 EuGVÜ anknüpfende Diskussion betrifft die Frage, wie in dem Vollstreckungsstaat mit einem ausländischen Zwangsgeldbeschluss zu verfahren ist. Im vorliegenden Fall geht es aber nur darum, ob das inländische Gericht einen Zwangsgeldbeschluss als mögliche Grundlage für eine Vollstreckung (auch) im Ausland erlassen darf.

d) Nicht zu folgen ist auch der Ansicht des Landgerichts, das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 888 ZPO fehle, weil die Zustellung des Zwangsgeldbeschlusses im Ausland nach § 33 Abs. 3 ZRHO abzulehnen sei. Die genannte Vorschrift findet - was auch das Landgericht nicht verkennt - auf die Zustellung von Zwangsgeldbeschlüssen keine Anwendung. Der Auffassung, unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Grenzen deutscher Staatsgewalt sei sie entsprechend anzuwenden, ist nicht zu folgen. Einen Zwangsgeldbeschluss kann und muss erforderlichenfalls die deutsche Justiz dem Zustellungsadressaten in seinem Sitzstaat zuleiten, das heißt zur Kenntnis bringen; in die fremde Souveränität wird dadurch nicht eingeriffen (vgl. auch Geimer, a.a.O., Rn. 402 f.); hier gilt nichts Anderes als für andere Vollstreckungstitel.

4. Der angefochtene Beschluss kann demnach nicht bestehen bleiben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Weitere Feststellungen sind nicht zu treffen. Die Schuldnerin hatte auch aufgrund der Übersendung der Schriftsätze der Gläubigerin und der Beschlüsse des Landgerichts ausreichend Gelegenheit, sich zu dem Antrag der Gläubigerin zu äußern.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) besteht kein Anlass. Die Frage, ob der Erlass eines Zwangsgeldbeschlusses eine rein inländische Maßnahme ist, die die Hoheit anderer Staaten nicht berührt, ist eindeutig zu bejahen und bedarf - ungeachtet der insoweit abweichenden Ansicht des Landgerichts - keiner Klärung durch den Bundesgerichtshof.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 891 Satz 2 ZPO.

Beschwerdewert: 4.000,00 €

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