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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.08.2001
Aktenzeichen: 11 W 36/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, OEG, BVG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 445 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 823
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 846
BGB § 827
BGB § 852 Abs. 1
BGB § 852
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1 n.F.
StGB § 223
StGB § 223 a a.F.
OEG § 5 Abs. 1
OEG § 1 Abs. 1
OEG § 2 Abs. 1
OEG § 5
BVG § 81 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
11 W 36/01

Beschluss

In dem

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Richter am Oberlandesgericht Zoll, die Richterin am Oberlandesgericht Opitz und den Richter am Landgericht Ernst

am 08.08.2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.06.2001 - 18 O 584/00 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im Juli 1996 stach der Beklagte nach einer von der Eifersucht des Beklagten bestimmten verbalen Auseinandersetzung mit einem Messer auf seine damalige Lebensgefährtin ein und verletzte sie schwer. Wegen dieser Tat wurde der Beklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 223a StGB) rechtkräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Das zuständige Versorgungsamt des Klägers erbrachte für die Verletzte Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Im August 2000 stellte der Kläger den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gegen den Beklagten über eine Hauptforderung von 25.690,88 DM. Er nimmt den Beklagten im streitigen Verfahren auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch, der sich aus den Krankentransportkosten, den Behandlungskosten, dem Krankengeld und den Beiträgen der Geschädigten zur Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung während der Zeit der verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit zusammensetzt. Der Beklagte begehrt die Abweisung der Klage, da er nicht vorsätzlich gehandelt habe und der geltend gemachte Anspruch verjährt sei, jedenfalls Vorteile der Geschädigten anzurechnen seien. Das Landgericht hat den Antrag des Beklagten, ihm zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen, zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Landgericht hat die von dem Beklagten beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht verweigert, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

1.

a) Der Beklagte haftet für die Folgen der der Geschädigten zugefügten Verletzung nach § 823 Abs. 1 BGB, denn er hat vorsätzlich den Körper und die Gesundheit der Geschädigten verletzt. Er haftet auch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 223, 223a (a.F.) StGB als Schutzgesetz (vgl. RGZ 66, 251, 255), weil er die Geschädigte vorsätzlich mittels eines Messers körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt hat. Der Beklagte hat vorsätzlich gehandelt und zwar sowohl im zivilrechtlichen Sinne (vgl. dazu etwa MünchKomm-Hanau, 3.Aufl., § 276 Rn. 49 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 331 ff.; jeweils mit weiteren Nachweisen) als auch im strafrechtlichen Sinne (vgl. dazu etwa Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 15 Rn. 2 f. mit weiteren Nachweisen). Vorsatz ist danach das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Wer ein Messer ergreift und auf einen anderen einsticht, weiß, dass er den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht; sofern er die Verletzung des anderen nicht geradezu zielgerichtet will, nimmt er sie jedenfalls als notwendige Folge in seinen Willen auf und billigend in Kauf.

Der Vortrag des Beklagten, er habe sich zu der Tat aufgrund der verbalen Auseinandersetzung mit der Geschädigten hinreißen lassen, sei insbesondere durch deren Äußerung, sie werde jetzt fremdgehen, provoziert worden, ist für die Beurteilung der Tat als vorsätzliche unerheblich. Auch wenn der Beklagte in Erregung gehandelt hat, sind keine Umstände ersichtlich, aufgrund deren das Wissen und Wollen der Rechtsgutsverletzung und das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit zu verneinen sein könnten. Der Beweggrund des Handelns ist für die Bejahung des Vorsatzes ebenso unerheblich wie die Tatsache, dass der schließlich eingetretene Erfolg an sich unerwünscht war (vgl. MünchKomm-Hanau, a.a.O., Rn. 61). Der durch die Verletzungshandlung eintretende Schaden muss vom Vorsatz nicht umfasst sein; für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Täters reicht es aus, dass der Schaden als adäquate Folge der Verletzungshandlung vorhersehbar war (vgl. BGHZ 59, 30, 39; 75, 328, 329 f.; Deutsch, a.a.O., Rn. 342).

Dafür, dass ein vorsätzliches Handeln bzw. die Haftung dafür im Hinblick auf die - im Strafverfahren strafmildernd berücksichtigte - Alkoholisierung des Beklagten zur Tatzeit zu verneinen sein könnte, ist nichts ersichtlich. Aufgrund der etwa 40 Minuten nach der Tat erfolgten Blutentnahme ergab sich ausweislich der Strafakte eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille. Eine Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) sind folgerichtig im Strafverfahren nicht in Erwägung gezogen worden. Dem entsprechend liegen auch die Voraussetzungen des § 827 BGB nicht vor.

b) Möglicherweise will der Beklagte mit seinen Einwendungen geltend machen, dass die Geschädigte ein Mitverschulden (§§ 254 Abs. 1, 846 BGB) treffe. Dies ist indes zu verneinen. Zwar kann ein Mitverschulden in Betracht kommen, wenn der Geschädigte dem Täter Grund zur Eifersucht gibt (vgl. OLG Köln, NJW 1982, 2260 f.; LG Paderborn, NJW 1990, 260 ff.). Der Beklagte trägt aber keine Tatsachen vor, denen sich auch nur ansatzweise entnehmen lässt, die Geschädigte könne für den schwer wiegenden, strafrechtlich relevanten Angriff mit dem Messer mitverantwortlich sein. Nach den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen, insbesondere auch der Einlassung des Beklagten in der Hauptverhandlung, war es so, dass er eine Fremdbeziehung der Geschädigten nur vermutete und nicht wusste, wohin sie an dem fraglichen Abend noch gehen wollte, und dass er im Anschluss an die daran anknüpfende verbale Auseinandersetzung das Messer in der Küche an sich nahm, zu der Geschädigten hinging und auf sie einstach. Dem widerspricht der jetzige Vortrag, die Geschädigte habe ihm provozierend gesagt, sie werde an diesem Abend noch fremdgehen. Für diesen Vortrag ist auch kein Beweis angetreten; der Beweisantritt durch eigene Parteivernehmung des Beklagten ist unzulässig (§ 445 Abs. 1 ZPO). Selbst wenn es so gewesen sein sollte, trifft den Beklagten im Übrigen ein weit überwiegendes Verschulden, das eine Mithaftung der Geschädigten ausschließt. Nicht jedes Verhalten des Partners, das Anlass zur Eifersucht gibt, kann als ausreichender Anlass für eine gewaltsame Reaktion angesehen werden (vgl. auch MünchKomm-Hanau, a.a.O., § 254 Rn. 29). Die jetzt vorgetragene Äußerung der Geschädigten ließe eine besondere emotionale Erregung des Beklagten als verständlich erscheinen, war aber kein nachvollziehbarer Grund für die schwer wiegende Straftat, zu der der Beklagte sich hat hinreißen lassen.

2.

Das klagende Land ist Inhaber des geltend gemachten Anspruchs. Nach den §§ 5 Abs. 1 OEG, 81a BVG geht ein gesetzlicher Anspruch, der dem Opfer einer Gewalttat aufgrund der Schädigung gegen Dritte zusteht, auf das Land über, das als Kostenträger zur Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz verpflichtet ist. Diese Vorsaussetzungen liegen hier vor.

a) Im Streitfall entstanden wegen der der Geschädigten bei dem Angriff mit dem Messer zugefügten Verletzung gegen den Beklagten gesetzliche Ansprüche aus § 823 BGB; dies ist oben unter 1) ausgeführt.

b) Das klagende Land war der Geschädigten zu Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz verpflichtet. Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält derjenige, der infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes. Die Geschädigte war das Opfer eines derartigen Angriffs. Für den Anspruch nach § 1 Abs. 1 OEG reicht jeder tätliche Angriff aus, der eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung darstellt (BSG, NJW 1991, 2590 mit weiteren Nachweisen). Im Gegensatz zum Strafrecht ist es nicht einmal erforderlich, dass sich der Täter weiterer Folgen der unmittelbaren körperlichen Einwirkung bewusst ist; der Vorsatz muss sich nur auf den Angriff als solchen, nicht aber auf den entstandenen Körperschaden gerichtet haben, wobei selbst der natürliche Vorsatz ausreicht (BSG, NJW 1999, 2207 f. mit weiteren Nachweisen). Auch darauf, ob der entstandene Schaden gewollt ist, kommt es nicht an (BSG, NJW 1991, 2590, 2591; 1993, 880). Da, wie oben unter 1 a) ausgeführt, eine vorsätzliche Körperverletzung im strafrechtlichen und zivilrechtlichen Sinne zu bejahen ist, liegt mithin auch ein vorsätzlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG vor; dass der Angriff mit einem Messer auf eine Person in feindseliger Willensrichtung erfolgt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Aus den Ausführungen zum Mitverschulden (oben 1 b) ergibt sich zugleich, dass Versagungsgründe nach § 2 Abs. 1 OEG (dazu im Zusammenhang mit einem Ehebruch des Opfers: BSG, NJW 1997, 965) nicht vorliegen.

3.

Der geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt. Das klagende Land und das Landgericht stellen für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist zutreffend auf den Zeitpunkt ab, in dem der zuständigen Dienststelle des Landesversorgungsamts die Mitteilung des Versorgungsamtes über den Vorgang zuging. Dies war der 08.12. 1999, so dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB bei Eintritt der Rechtshängigkeit noch nicht abgelaufen war. Die Rechtsprechung stellt für den Beginn der Verjährungsfrist betreffend die von einem Land verfolgten Regressansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz auf die Kenntnis der zuständigen Bediensteten des klagenden Landes im Sinne des § 852 BGB ab (BGH, NJW 1986, 2315, 2316; 1992, 1381, 1382; 1995, 2413, 2415; OLG Celle, OLGR 2000, 195, 196; OLG Hamm, OLGR 2000, 40, 42; OLG Koblenz, OLGR 1999, 9, 11). Dem folgt der Senat. Der Grund liegt darin, dass in den Fällen, in denen - wie hier - angesichts der gesundheitlichen Schädigung des Opfers von Anfang an die Möglichkeit von Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in Betracht kommt, sich der Anspruchsübergang auf das klagende Land nach den §§ 5 OEG, 81a BVG bereits im Augenblick der Verletzungshandlung des Täters vollzieht. Allein das Land ist von vornherein anspruchsberechtigt, allein ihm obliegt die Geltendmachung des Anspruchs gegen den Schädiger, der Eintritt der Verjährung beeinträchtigt allein ihm zustehenden Anspruch. Es muss deshalb auf die Kenntnis der für die Verfolgung solcher Regressansprüche zuständigen Stelle des Landes abgestellt werden.

4.

Die Verteidigung des Beklagten hat auch insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, als er sich gegen die Höhe des geltend gemachten Anspruchs wendet. Das klagende Land macht ausschließlich kongruente Schadenspositionen geltend. Häusliche Ersparnisse der Geschädigten während der Zeit ihres Krankenhausaufenthalts sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, bei der Berechnung der Klageforderung in ausreichendem Umfang berücksichtigt. Auf ersparte Fahrtkosten der Geschädigten zu ihrer Arbeitsstelle kommt es nicht an, da diese auf den - hier nicht geltend gemachten - Verdienstausfall anzurechnen wären.

5.

Zu Recht hat das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch verweigert, soweit das klagende Land Zinsen nach Maßgabe des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. verlangt. Zwar ist die Klage offensichtlich unbegründet, soweit der danach verlangte Zinssatz den früheren gesetzlichen Zinssatz übersteigt; die Neufassung der genannten Vorschrift gilt nur für ab 01.05.2000 fällig gewordene Forderungen, die geltend gemachte Forderung ist aber bereits vor diesem Zeitpunkt fällig gewesen. Die Auffassung des Landgerichts, gleichwohl sei auch insoweit keine Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die gebotene Teilklageabweisung keine Kostenquotelung zu Gunsten des Beklagten rechtfertige (§ 92 Abs. 2 ZPO), ist indes nicht zu beanstanden. Dem Beklagten entsteht kein Nachteil, wenn die vom Landgericht als notwendig erkannte Klageabweisung durch unechtes Versäumnisurteil erfolgt, falls der Beklagte mangels Prozesskostenhilfebewilligung in der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) vertreten ist.

Ende der Entscheidung

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