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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.02.2001
Aktenzeichen: 11 W 93/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 341 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Beschluss

11 W 93/00 9 O 406/00 LG Aachen

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und den Richter am Landgericht Ernst

am 05.02.2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 26.10.2000 - 9 O 406/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

I.

Gegen den Antragsgegner erging Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung von 12.459,63 DM. Der Vollstreckungsbescheid enthält den Vor- und Nachnamen des Antragsgegners. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde ihm der Vollstreckungsbescheid nach voraus gegangenem erfolglosem Zustellversuch am 29.06.2000 durch Niederlegung bei dem Postamt in A. zugestellt; die schriftliche Benachrichtigung über die Niederlegung erfolgte am 28.06.2000 durch Einwurf in den Briefkasten des Hauses, dessen Anschrift auf der zuzustellenden Sendung angegeben ist. Das Haus wird von der Mutter des Antragsgegners und drei weiteren Mietparteien bewohnt. Der Hausbriefkasten ist ein sogenannter "englischer Briefkasten". Auf dem Briefkasten befinden sich unterhalb des Einwurfschlitzes die Namen der vier Parteien des Vorderhauses, und zwar auch der Nachname der Mutter des Antragsgegners, der mit dem des Antragsgegners identisch ist (diesem ist entgegen dem Vortrag des Antragsgegners der Anfangsbuchstabe A des Vornamens der Mutter nicht vorangestellt, vgl. Foto in Hülle Bl. 36 d.A.). Oberhalb des Einwurfschlitzes hat der Antragsgegner ein Schild angebracht, auf dem zwei Namen, das Wort "Briefkasten" und der Name einer Nebenstraße vermerkt sind; der zweite angegebene Name ist der Nachname des Antragsgegners, dem der Anfangsbuchstabe R seines Vornamens vorangestellt ist. Unstreitig wohnt auch der Antragsgegner unter der Anschrift des Haupthauses, allerdings in einem Anbau, dessen separater Eingang sich in der Nebenstraße befindet. An diesem Eingang ist ein weiterer Briefkasten angebracht, auf dem der Name des Antragsgegners angegeben ist.

Mit einem am 22.08.2000 beim Mahngericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsgegner Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht:

Er habe von der Existenz des Vollstreckungsbescheids erst erfahren, nachdem seine Mutter wegen der titulierten Forderung aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen worden sei und ihn darauf angesprochen habe. Von der Zustellung habe er ohne Verschulden keine Kenntnis gehabt. Die in den Briefkasten des Vorderhauses eingeworfene unsortierte Post werde üblicherweise von einem der Mieter des Vorderhauses aus dem Briefkasten entnommen und dann im Haus verteilt, indem die Post dem jeweiligen Bewohner des Vorderhauses vor die Wohnungseingangstür gelegt werde. Es sei in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen, dass für ihn bestimmte Post in den Briefkasten des Vorderhauses eingeworfen und - entsprechend der üblichen Art der Verteilung der Post - vor der Wohnungstür der Mutter abgelegt worden sei. Ihm sei aus Gesprächen mit Postabsendern bekannt, dass bereits mehrfach für ihn bestimmte Post abhanden gekommen sei. Er habe deshalb den Hinweis auf den zweiten Briefkasten am Briefkasten des Vorderhauses angebracht. Zudem habe er sich bereits mehrfach bei der Post beschwert und darauf hingewiesen, dass für ihn bestimmte Post in den Briefkasten am Nebeneingang einzuwerfen sei; dies habe aber nichts gefruchtet, da die Postzusteller häufig wechselten. Offensichtlich seien auch die Benachrichtigungen über die Zustellungen des Mahnbescheids und des Vollstreckungsbescheids auf die beschriebene Art und Weise abhanden gekommen. Im Zustellzeitpunkt sei er im Urlaub gewesen; seine Mutter habe sich in dem maßgeblichen Zeitraum nur ein- bis zweimal im Monat in dem Haus aufgehalten.

Die Antragsteller sind dem Vortrag des Antragsgegners entgegen getreten.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Einspruch verworfen; den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat es für unbegründet gehalten, weil der Antragsgegner keine ausreichende Vorsorge für den Zugang von Postsendungen getroffen habe. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der meint, mit der Zusatzbeschriftung des Hausbriefkastens und durch Hinweise an einzelne angetroffene Zusteller ausreichend Vorsorge getroffen zu haben.

II.

Die gemäß § 341 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Einspruch des Antragsgegners gegen den Vollstreckungsbescheid war zu verwerfen, weil er nicht rechtzeitig (§§ 339 Abs. 1, 700 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden ist und die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) nicht vorliegen.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte nicht ohne Verschulden gehindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten.

Nach einhelliger Rechtsprechung gehört zu den Vorkehrungen, die der Bürger im Hinblick auf mögliche Zustellungen zu treffen hat, insbesondere ein ordnungsgemäßer und in Ordnung gehaltener Briefkasten, der einem Verlust des Benachrichtigungszettels über die Zustellung durch Niederlegung vorbeugt. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass eine vorhandene Hausbriefkastenanlage nicht ausreicht, um den Zugang von Postsendungen sicher zu stellen, so muss der Betroffene ausreichende Maßnahmen treffen, um diesem Zustand abzuhelfen. Andernfalls trifft ihn ein Schuldvorwurf, wenn ihn die Nachricht über die Zustellung von Schriftstücken nicht erreicht (vgl. BVerfGE 41, 332; 336; BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, Nichtannahmebeschluss vom 18.06.1993 - 2 BvR 763/93 - dokumentiert in JURIS; BGH NJW 1991, 109; BVerwG NJW 1988, 578, 579; Buchholz 340 § 3 VwZG Nr. 16; OLG Düsseldorf OLGR 1995, 72, 73; OLG Frankfurt OLGR 1996, 47, 48; OLG Karlsruhe OLGR 1999, 156; OLG München OLGR 1994, 177 f.).

Der Senat ist mit dem Landgericht der Ansicht, dass der Antragsgegner nach dem aufgezeigten Maßstab im Streitfall keine ausreichende Vorsorge getroffen hat. Der Antragsgegner trägt vor, dass der an dem Eingang zum Anbau in der Nebenstraße befindliche Briefkasten trotz mehrfacher Beschwerden bei der Post von den Postzustellern nicht bedient und dass bei der Verteilung der in den Gemeinschaftsbriefkasten des Vorderhauses eingelegten Post mehrfach für ihn bestimmte Post abhanden gekommen sei. Er meint, diesem Zustand habe er abgeholfen, indem er das Zusatzschild am Briefkasten des Vorderhauses angebracht und einzelne angetroffene Postzusteller auf die Situation aufmerksam gemacht habe. Dem kann der Senat nicht folgen. Es war vorhersehbar, dass diese Maßnahmen nicht ausreichten, um den Zugang der Post wirksam sicher zu stellen.

Nach den eigenen Angaben des Antragsgegners konnte durch die Ansprache der Post bzw. einzelner Postzusteller kein auf Dauer zufriedenstellender Zustand erreicht werden, weil die Postzusteller häufig wechselten.

Auch durch die Anbringung des Zusatzschildes konnte erkennbar keine ausreichende Abhilfe geschaffen werden. Der Antragsgegner tritt im Rechtsverkehr unter der Anschrift des Haupthauses auf, so dass an ihn gerichtete Post dorthin adressiert wird. Der Postzusteller, der nicht oder nicht nachhaltig genug über die vorhandene Situation belehrt ist, kann feststellen, dass sich auf dem Briefkasten des Haupthauses an oberster Stelle der unter dem Briefkastenschlitz befindlichen vier Nachnamen der Nachname des Antragsgegners ohne Angabe eines Vornamens befindet. Er wird daher davon ausgehen, dass der in der Postsendung angegebene Adressat unter der angegebenen Anschrift wohnt und dass ihn die in den Briefkasten eingeworfene Post erreicht. Die Nennung des Nachnamens des Antragsgegners mit vorangestelltem Anfangsbuchstaben seines Vornamens auf dem Zusatzschild mit der bloßen Aneinanderreihung des Wortes "Briefkasten" und des Namens der Nebenstraße ist nicht geeignet, jeden nicht eingeweihten Postboten mit der gebotenen Sicherheit dazu zu veranlassen, um das Haus herum zu gehen, den dort vorhandenen Briefkasten zu suchen und die Post dort unter einer auf der Sendung nicht angegebenen Anschrift einzuwerfen. Denn der nicht eingeweihte Betrachter kann das Zusatzschild durchaus auch in dem Sinn verstehen, dass die beiden dort Genannten in der Nebenstraße wohnen, ihre Post aber hier - im Hauptbriefkasten - eingeworfen wissen wollen, oder dass sich in der Nebenstraße ein weiterer Briefkasten für die beiden Genannten befindet, der auch benutzt werden kann, oder ähnliches mehr. Abgesehen davon ist auch nicht klar genug ersichtlich, dass der auf einer Postsendung mit ausgeschriebenem Vornamen genannte Antragsteller identisch ist mit der Person, auf die das Zusatzschild durch Angabe des Anfangsbuchstabens verweist; der Buchstabe "R" kann zweifelsfrei als Abkürzung für zahlreiche männliche und weibliche Vornamen stehen. Gerade aber auch einer Verwechselungsgefahr, die sich aus gleichlautenden, nicht eindeutig zuzuordnenden Namen auf einem Briefkasten oder mehreren Nachbarbriefkästen ergibt, muss der Betroffene vorbeugen, um eine Fehlzustellung der an ihn gerichteten Post zu vermeiden (vgl. OLG München a.a.O.). Der Überlegung in der Beschwerdeschrift, eine eindeutige Zuordnung sei für die Postzusteller deshalb möglich gewesen, weil der Vorname der Mutter mit einem anderen Anfangsbuchstaben beginne, kann nicht gefolgt werden. Denn dem unter dem Briefschlitz befindlichen mit dem Nachnamen des Antragsgegners identischen Namen ist weder ein ausgeschriebener noch ein abgekürzter Vorname beigefügt.

Die danach nahe liegende Gefahr einer Fehlzustellung hätte der Antragsgegner in zumutbarer Weise beseitigen können. In Betracht kamen die Installation eines eigenen Briefkastens im Eingangsbereich des Haupthauses, die Ergänzung der im Rechtsverkehr mitgeteilten Anschrift durch einen Hinweis auf den Briefkasten in der Nebenstraße oder jedenfalls eine eindeutige Gestaltung des vorhandenen Gemeinschaftsbriefkastens dahin, dass der unter dem Briefkastenschlitz befindliche Nachname um den Vornamen der Mutter ergänzt wurde und die Postzusteller auf dem Zusatzschild unter Angabe des vollen Vornamens des Antragsgegners angewiesen wurden, an ihn gerichtete Post auf jeden Fall nur in den zweiten Briefkasten einzuwerfen. Dafür, dass derartige Maßnahmen nicht möglich gewesen wären, ist nichts vorgetragen.

Die Beschwerde muss dem gemäß zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 12.459,63 DM

Ende der Entscheidung

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