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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: 12 U 114/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, AGBG, HGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 540
ZPO § 278 III
ZPO § 139 I
ZPO § 273 I 2
ZPO § 139
ZPO § 171 II
ZPO § 180
ZPO § 184 I
ZPO § 182
ZPO § 184 II
ZPO § 786
ZPO § 539
BGB § 714
BGB § 710
BGB § 399
AGBG § 9
HGB § 354a
GKG § 8 I 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 U 114/99 17 O 345/98 LG Köln

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 13. Juli 2000

Verkündet am 13. Juli 2000

Schmitt, JS z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Nierhaus, den Richter am Oberlandesgericht Ueffing und die Richterin am Oberlandesgericht Macioszek

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19. März 1999 - 17 O 345/98 - aufgehoben und die Sache zurerneuten Verhandlung und Entscheidung an das Land-gericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht eines (unter der Bezeichnung "B. Bau" auftretenden) Dipl.-Ing. B. Werklohnansprüche geltend, die diesem aus einem am 1./8.3.1994 geschlossenen Generalübernehmervertrag (GÜV) betreffend das H.I. Hotel in B. gegen die Beklagten zustehen sollen. Die Klägerin hat Bauarbeiten an dem Objekt aufgrund eines von ihr mit B. am 18.2.1994 geschlossenen Generalunternehmervertrags (GUV) ausgeführt (bzw. durch Subunternehmen ausführen lassen). Sie hat wegen restlicher Werklohnansprüche gegen B. ein rechtskräftiges Versäumnisurteil über ca. 3.507.074,71 DM nebst 5,5 % Zinsen seit 2.9.1997 erstritten. Aufgrund dieses Titels hat sie die Ansprüche B.s gegen die Beklagten gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Vorliegend macht sie diese Ansprüche geltend. Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der von ihnen gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts verwiesen, das die Klage insgesamt abweist.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 21.4.1999 zugestellte Urteil am 12.5.1999 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel (nach Fristverlängerung bis zu diesem Tag) am 12.10.1999 begründet. Sie verfolgt mit ihrer Berufung den erstinstanzlichen Klageantrag (mit einer modifizierten Zinsforderung) weiter. Sie hält das Urteil für verfahrensfehlerhaft mit der Rüge, das Landgericht habe seiner Hinweispflicht nicht genügt und die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen, um ihr Vorbringen in dem Schriftsatz vom 4.3.1999 zu berücksichtigen.

Die Beklagten, die um Zurückweisung des Rechtsmittels bitten, treten den Ausführungen der Klägerin in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die unbedenklich zulässige Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht führt.

I.

Das Verfahren des Landgerichts leidet an einem wesentlichen Mangel, auf dem das angefochtene Urteil beruht. Eine eigene Sachentscheidung erachtet der Senat nicht für sachdienlich, §§ 539, 540 ZPO.

1. Soweit das Landgericht darauf abhebt, die eingeklagte Forderung sei nicht fällig, weil die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung am 22.1.1999 nichts dazu vorgetragen habe, wann und mit welchem Inhalt B. den Beklagten eine Schlussrechnung erteilt hat, vermag diese Erwägung die ausgesprochene uneingeschränkte Klageabweisung nicht zu rechtfertigen. Wird eine Werklohnklage wegen fehlender Schlussrechnung abgewiesen, kann die Abweisung nur deshalb und insoweit ausgesprochen werden, dass die Klage zur Zeit unbegründet ist; es darf hingegen nicht wegen fehlender Substanziierung des Anspruchs die Klage als endgültig unbegründet abgewiesen werden (st. Rspr.; vgl. BGHZ 140, 365 = NJW 1999, 1867 = BauR 1999, 635 m.w.N.). Der Kläger kann in seinem solchen Fall die Fälligkeitsvoraussetzung noch herbei-führen und erneut klagen. Diese Möglichkeit darf ihm durch den Urteilsausspruch nicht genommen werden.

2. Aber auch eine Klageabweisung als zur Zeit unbegründet kam bei zutreffender verfahrensrechtlicher Behandlung durch das Landgericht nicht in Betracht. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4.3.1999 (GA 1497 ff) - unter Wiederholung eines bereits in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags -vorgetragen, B. habe seinen Auftraggebern im Sommer 1997 Schlussrechnung erteilt, zudem sei von ihm (vorsorglich) unter dem 9.2.1999 nochmals eine Schlussrechnung erstellt worden. Dieser Vortrag war vom Landgericht zu berücksichtigen, es hätte hierzu die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten ist, wenn sich aus dem neuen Vorbringen ergibt, dass nur so eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geheilt werden kann. Eine Wiedereröffnung ist danach notwendig, wenn erhebliches neues Vorbringen darauf beruht, dass das Gericht einen gem. §§ 139 I, 278 III ZPO erforderlichen Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung erteilt hat und eine sachlich erhebliche Stellungnahme der Partei dazu erst nach deren Schluss möglich war (BGH NJW 1999, 1867, 1868). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Nach § 139 I ZPO hat der Vorsitzende dahin zu wirken, dass die Parteien sich vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären. Gemäß § 273 I 2 ZPO ist das Gericht in jeder Lage des Verfahrens gehalten, darauf hin zu wirken, dass sich die Parteien vollständig erklären. Ist der Sachvortrag einer Partei unschlüssig, dann weist er Mängel auf, ist also unvollständig, es sei denn, eine wahrheitsgemäße vollständigere Erklärung ist der Partei nicht möglich oder will von ihr nicht erbracht werden. Ob eine Ergänzung des Vortrags nicht möglich oder von der Partei nicht gewollt ist, läßt sich aber erst dann zuverlässig beurteilen, wenn das Gericht zuvor auf die Unschlüssigkeit hingewiesen hat. Der Hinweis auf die Unschlüssigkeit ist nach den genannten Bestimmungen der ZPO damit grundsätzlich erforderlich.

Der Auffassung, dass ein Hinweis auf mangelnde Schlüssigkeit der Klage dann nicht erforderlich sei, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist, kann nicht gefolgt werden. Sie liegt zwar der vom Landgericht zitierten Entscheidung BGH NJW 1984, 310 zu Grunde. Die Entscheidung ist jedoch nicht nur bereits unmittelbar nach ihrem Erlass scharf angegriffen worden (vgl. die Anmerkungen von Deubner a.a.O. S. 311 und Peters JZ 1984, 192), sie ist vielmehr als jedenfalls inzwischen überholt anzusehen. So hat derselbe (VIII.) Zivilsenat des BGH in der Entscheidung NJW-RR 1997, 441 die inhaltlich das direkte Gegenteil darstellende Regel aufgestellt: "Auf Bedenken gegen die Zulässigkeit (oder die Schlüssigkeit) der Klage muss das Gericht gem. § 139 ZPO grundsätzlich auch eine anwaltlich vertretene Partei hinweisen" und dadurch die frühere Auffassung wenn zwar nicht ausdrücklich, so aber doch der Sache nach aufgegeben. Eine Abweichung von diesem (neuen) Grundsatz ist sowohl nach dieser Entscheidung wie auch nach mehreren Entscheidungen anderer Zivilsenate des BGH (- VII. ZS - NJW 1991, 717; BGHZ 127, 254 = BauR 1995, 126, 128 = NJW 1995, 399, 401; BauR 1999, 510 = NJW 1999, 1264; BGHZ 140, 365 = BauR 1999, 635 = NJW 1999, 1867, 1868; - X. ZS - BauR 1999, 167, 171 = NJW 1999, 418; - XI. ZS - BGHR ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozess 3) jedenfalls dann nicht zulässig, wenn der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage falsch beurteilt oder ersichtlich darauf vertraut, sein schriftsätzliches Vorbringen sei ausreichend (ebenso OLG Köln MDR 1998, 1306). Dies war vorliegend offensichtlich der Fall, wie sich ohne weiteres daraus ergibt, dass die Klägerin nach dem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 22.1.1999 ihren Vortrag in der erforderlichen Weise ergänzt und mit Belegen versehen hat.

Der Umstand, dass die Beklagten in ihrer Klageerwiderung (GA 298 ff) die nach ihrer Auffassung mangelnde Substanziierung des Vortrags der Klägerin gerügt haben, enthob das Landgericht nicht von seiner Hinweispflicht. Ob derartige Erklärungen des Gegners das Gericht von den ihm obliegenden prozessualen Pflichten überhaupt entbinden kann, erscheint schon fraglich (vgl. dazu Deubner a.a.O.). Jedenfalls kann eine vom Prozess-gegner geäußerte Kritik an der Schlüssigkeit des Klagevorbrin-gens insoweit nur dann beachtlich sein, wenn sie die nötige Klarheit besitzt und die Partei zuverlässig ins Bild setzt; allgemein gehaltene Rügen reichen hierfür nicht (MüKo-Peters, ZPO, § 139 RN 21 m.N.). Ein konkreter Einwand der Beklagten in Bezug auf die fehlende Fälligkeit der Klageforderung ist aber nicht erfolgt. Die Beklagten haben zwar umfangreiche Einwendungen gegen die Werklohnforderung B.s erhoben (mangelnde Abnahme des Werks, Mangelhaftigkeit der Werkleistung, teilweise Nichtausführung des Auftrags, Gegenrechnung mit einer Vertragsstrafe wegen Bauzeitüberschreitung usw), sie haben jedoch nie mangelnde Fälligkeit wegen fehlender Schlussrechnung eingewandt. An der vom Landgericht in Bezug genommenen Stelle GA 298 ff haben sie zwar die Auffassung vertreten, das Klagevorbringen sei nicht hinreichend substanziiert. Dieser Einwand ist aber recht allgemein gehalten und ein Hinweis auf die angeblich fehlende Schlussrechnung findet sich dort gerade nicht.

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage der Fälligstellung der Klageforderung durch Erteilung einer Schlussrechnung seitens des Zeugen B. bereits Gegenstand früherer gerichtlicher Hinweise gewesen ist und deshalb zur Vorbereitung des Termins vom 22.1.1999 ein Hinweis nicht mehr erforderlich war. Ein schriftlicher Hinweis des Gerichts findet sich in der Akte nicht. Aber auch für (ausreichende) mündliche Hinweise gibt es keine zureichenden Anhaltspunkte. Im Zeitpunkt des ersten Verhandlungstermins (noch vor der Kammer für Handelssachen) am 21.10.1997 war die Klage gegen die jetzigen Beklagten zu 1 bis 3 noch nicht rechtshängig. Im Termin vom 21.8.1998 vor der erkennenden Kammer wurde nur in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Rheinboden Hypothekenbank streitig verhandelt, nicht jedoch in dem Verfahren gegen die jetzigen drei Beklagten; das gegen sie gerichtete Verfahren wurde ohne Stellung von Anträgen ausgetrennt (GA 1200a/b); zu diesem Zeitpunkt war noch ungewiss, ob die Klage der Beklagten zu 2 überhaupt wirksam zugestellt war. Zwar findet sich in dem Sitzungsprotokoll der Hinweis, dass die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Dass sich diese Erörterung auch auf die Frage der Erteilung einer Schlussrechnung durch den Zeugen B. erstreckt hat, ergibt sich aber weder aus dem Sitzungsprotokoll noch aus dem angefochtenen Urteil. In letzterem heißt es zwar, "Schlüssigkeitsbedenken" seien Gegenstand dieser Erörterung gewesen (UA 14 letzter Absatz). Dass sich diese geäußerten Bedenken auch auf die fehlende Schlussrechnung bezogen, ist jedoch nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Prozeßbevoll-mächtigte der Klägerin im Rahmen der Erörterung am 21.8.1998 Kopien des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und der zugehörigen Zustellungsurkunden überreicht hat, spricht eher dafür, dass sich die geäußerten Bedenken auf die damit zusammenhängenden Fragen bezogen haben. Soweit Fragen zur Höhe der Klageforderung vom Landgericht angesprochen worden sind (vgl. LG UA 14 letzter Satz), stehen diese nicht in Zusammenhang mit der Frage der Fälligkeit. Zudem spricht viel dafür, dass die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin dann, wenn das Landgericht im Termin vom 21.8.1998 mit der gebotenen Deutlichkeit darauf hingewiesen hätte, dass es wegen nicht erfolgten Vortrags zur Erteilung einer Schlussrechnung von der Unbegründetheit der Klage ausgeht, in gleicher Weise reagiert hätte, wie im Termin vom 22.1.1999 bzw. mit dem nachfolgend eingereichten Schriftsatz geschehen. Die Frage der Erteilung der Schlussrechnung wird jedoch in den zwischen dem 21.8.1998 und 22.1.1999 eingereichten Schriftsätzen (die ohne die Streitverkündungen immerhin einen Umfang von mehr als 150 Blatt haben) nicht thematisiert und zwar bezeichnenderweise auch nicht von seiten der Beklagten.

3. Soweit das Landgericht desweiteren (UA 11/12) ausführt, die Klägerin habe die Schlussrechnungsforderung auch der Höhe nach nicht hinreichend dargelegt, da die von der GbR erbrachten Zahlungen den vereinbarten Pauschalpreis überschritten, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Insoweit wird entscheidungserheblicher Vortrag der Klägerin nicht hinreichend zur Kenntnis genommen. Wie sich aus der von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Schlussrechnung ergibt, die sie dem Zeugen B. unter dem 6./7.5.1996 erteilt hat (GA 28/30), hat die Klägerin nicht nur die im GUV vorgesehenen Leistungen abgerechnet, sondern darüberhinaus auch 24 Nachträge und kam damit auf eine Forderung, die den Bruttopauschalpreis um mehr als 4,112 Mio DM übersteigt. Dass die Klägerin geltend machen wollte, diese Nachträge habe sie gegenüber B. deshalb erbracht, weil er seinerseits von der GbR entsprechend beauftragt worden war, versteht sich aufgrund der von den Beteiligten gewählten Vertragskonstruktionen von selbst. Die Klägerin hat auch wiederholt vorgetragen, es sei vorgesehen gewesen, dass B. die ihm von der Klägerin in Rechnung gestellten Werklohnforderungen für Nachträge mit einem Aufschlag versehen an die GbR "durchstellt". Damit war unmissverständlich klargestellt, dass die Klägerin sich gerade nicht nur auf den Pauschalvertrag stützen wollte, sondern auch auf dazu von ihr behauptete umfangreiche Nachträge.

Es kommt folgender Gesichtspunkt hinzu: Da das Landgericht nach den Ausführungen unter 2. gehalten war, den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 4.3.1999 zur Frage der Fälligkeit der Forderung zu berücksichtigen und die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, war auch der in diesem Schriftsatz enthaltene Vortrag zur Höhe der Forderung zu berücksichtigen. Eventuelle Mängel im früheren Vortrag der Klägerin zur Höhe der Forderung wären jedenfalls damit behoben. Dass die dortigen Angaben zur Höhe der restlichen Forderung des Zeugen B. gegen die Beklagten gegenüber den früheren schriftsätzlichen Angaben der Klägerin differieren (was das Landgericht in seinem Urteil kritisch anmerkt), ist für die Frage der Schlüssigkeit des Klagevorbringens grundsätzlich ohne Belang und vermag eine völlige Klageabweisung unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen.

4. Die aufgezeigten Mängel, an denen das Verfahren des Landgerichts leidet, wirken sich dahin aus, dass das erstinstanzliche Verfahren keine ordnungsgemäße Grundlage für eine Entscheidung des Berufungsgerichts darstellt. Folge der Verfahrensmängel ist, dass jegliche Aufklärung des umfangreichen streitigen Sachvortrags der Parteien unterblieben ist. Der Rechtsstreit ist nicht (auch nicht in Teilbereichen, s. dazu nachfolgend II.) für eine Endentscheidung reif. Da nicht nur eine wiederholende und/oder ergänzende Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht in Rede steht, sondern nunmehr erstmals zu zahlreichen Einzelfragen grundlegend und umfassend in der letzten Tatsacheninstanz Beweis erhoben werden müßte, würde eine Instanz völlig in Wegfall geraten. Dies erscheint nicht sachgerecht, weshalb eine eigene Sachentscheidung durch den Senat nicht angezeigt ist (in diesem Sinn auch die Berufungserwiderung der Beklagten, GA 1867).

II.

Der Senat hat geprüft, ob nicht zumindest die Klageabweisung gegen einen der drei Beklagten aus anderen als den vom Landgericht dargelegten Gründen bestätigt werden kann. Dies ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht der Fall.

1.

Die Beklagte zu 2 wendet ein, die gegen sie gerichtete Klage sei jedenfalls deshalb unbegründet, weil eventuelle Ansprüche B.s gegen sie von der Klägerin nicht wirksam gepfändet worden seien. Dieser Einwand erscheint nach bisherigem Sachstand zutreffend:

Ausweislich der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 3.5.2000 (GA 2073) vorgelegten Postzustellungsurkunde ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Beklagten zu 3 als "Geschäftsführer" der Beklagten zu 2 unter der Anschrift St. Str. 15 in K. am 18.11.1997 durch Niederlegung zugestellt worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Zustellung bestehen unter mehreren Gesichtspunkten:

a) Wie sich aus § 171 II ZPO ergibt, erfolgt die Zustellung an "Korporationen" grundsätzlich durch Zustellung an den "Vorsteher". Dabei sind nach heutigem Sprachgebrauch Korporationen auch juristische Personen und deren Vorsteher die gesetzlichen Vertreter. Bei der Beklagten zu 2 handelt es sich um eine juristische Person (GmbH holländischen Rechts). Wie inzwischen unstreitig ist, war der Beklagte zu 3 im Zeitpunkt der Zustellung aber nicht mehr für die Beklagte zu 2 vertretungsberechtigt. Die Klägerin hat zwar GA 226 vorgetragen, der Beklagte zu 3 sei "vor diesem Gerichtstermin" (gemeint ist der Termin vom 21.10.97) allein vertretungs-berechtigter Geschäftsführer der D. R. E. I und II gewesen. Die in diesem Zusammenhang als Anlage K 37 (GA 268/9) vorgelegte Übersetzung einer Auskunft aus dem Handelsregister der IHK Amsterdam betrifft jedoch weder die D. R. E. I noch II, sondern eine D. P. I; dafür, dass diese mit der Beklagten zu 2 identisch sein könnte, ist jedoch nichts ersichtlich. Aus der von der Klägerin als Anlage K 35 vorgelegten - in holländischer Sprache verfaßten - Auskunft (GA 264/5) ist zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2 bereits seit dem 1.7.1997 durch eine Fa. D. International B.V. vertreten wird, die ihrerseits durch einen Herrn L. vertreten wird. Dies wird von der Klägerin inzwischen zugestanden (Schriftsatz vom 30.5.2000, GA 2125). Dass der Beklagte zu 3 nicht gesetzlicher Vertreter der Fa. D. war, ist unstreitig.

b) Auch wenn der Beklagte zu 3 am 18.11.1997 noch Geschäfts-führer der Beklagten zu 2 gewesen wäre, würde die Zustellung Wirksamkeitsbedenken begegnen. Nach § 180 ZPO kann zwar dem Empfänger selbst an jedem beliebigen Ort durch Übergabe des Schriftstücks wirksam zugestellt worden. Eine Übergabe des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Beklagten zu 3 hat jedoch gerade nicht stattgefunden, sondern eine Ersatz-zustellung durch Niederlegung. Wie sich aus § 184 I ZPO ergibt, ist die Zustellung an eine juristische Person dann, wenn der gesetzliche Vertreter nicht im Geschäftslokal anwesend oder verhindert ist, an einen in den Geschäftsräumen befindlichen Bediensteten im Wege der Ersatzzustellung möglich. Dieser Weg wurde vorliegend nicht gewählt, vielmehr wurde in der Wohnung des Beklagten zu 3 durch Niederlegung zugestellt. Eine Ersatzzustellung in der Wohnung des Geschäftsführers durch Niederlegung (§ 182 ZPO) ist nach § 184 II ZPO aber nur zulässig, wenn die juristische Person nicht über ein besonderes Geschäftslokal verfügt. Dass diese Voraussetzung bezüglich der Beklagten zu 2 gegeben ist, ist nicht ersichtlich. Dass die Beklagte zu 2 über keinerlei Geschäftslokal verfügt, in dem eine Zustellung möglich wäre, ist nicht konkret vorgetragen worden, insbesondere ist nicht dargetan, dass die Klägerin sich um eine Zustellung in einem solchen Geschäftslokal vergeblich bemüht hat.

c) Der Umstand, dass unstreitig eine wirksame Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Beklagten zu 1 und 3 erfolgt ist, hilft der Klägerin nicht weiter. Wären die drei Beklagten schlichte Gesamtschuldner, wäre die Zustellung an einen von ihnen völlig belanglos für das Rechtsverhältnis der Klägerin zu den übrigen. Die Situation ist für den Gläubiger zwar dann günstiger, wenn die Gesamtschuldner Mitglieder einer GbR mit einem Geschäftsführer sind, weil dann die Zustellung an ihn im Hinblick auf die Regelungen der §§ 710, 714 BGB auch Wirkung für die anderen entfaltet (BGH NJW 1998, 2904 u. RPfl 1961, 363, 364). Hieraus kann die Klägerin jedoch aus zwei Gründen nichts für sich herleiten:

(1) Zum einen war die Beklagte zu 2 im Zeitpunkt der Zustellung im Herbst 1997 nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht mehr Mitglied der GbR,

(2) zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagten zu 1 oder 3 Geschäftsführer der GbR waren, denn die Bestellung eines Geschäftsführers ist nach § 710 BGB zwar möglich, aber nicht zwingend erforderlich.

2.

Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage kann gleichwohl nicht wegen fehlender Passivlegitimation abgewiesen werden. Die Klägerin hat ihr Begehren nämlich vorsorglich nicht nur auf die Pfändung gestützt, sondern auch eine rechtsgeschäftliche Abtretung der Ansprüche B.s gegen die Beklagten behauptet (GA 1257, 2041). Die Beklagten bestreiten die Abtretung von Ansprüchen auf Werkunternehmerlohn (GA 1095) bzw. die Abtretung sämtlicher Ansprüche aus dem GÜV (GA 1342/3) und halten eine Abtretung zudem für unzulässig, weil in Nr. 18.1 GÜV vorgesehen ist, dass der Auftragnehmer Ansprüche aus diesem Vertrag nur mit schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers abtreten kann (GA 83) und eine solche Zustimmung nicht erteilt worden ist (GA 1343, 1886, 1892).

Die Regelung in dem GÜV steht der von der Klägerin behaupteten Abtretung jedoch nicht entgegen.

a) Zwar greift die Vorschrift des § 399 BGB nach gefestigter Rspr. auch dann ein, wenn die Wirksamkeit der Abtretung von einer Zustimmung abhängig gemacht, diese aber nicht erteilt worden ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 399 RN 8). Wegen des berechtigten Interesses des Schuldners an einer Vereinfachung der Vertragsabwicklung verstoßen Abtretungs-verbote auch regelmäßig nicht gegen § 138 BGB und bei formularmäßiger Verwendung nicht gegen § 9 AGBG (Palandt/ Heinrichs a.a.O. RN 10 u. § 9 AGBG RN 51), so dass die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der GÜV als AGB anzusehen ist, insoweit keiner Klärung bedarf.

b) § 354a HGB bestimmt zwar, dass vertragliche Abtretungs-verbote einer Abtretung dann nicht entgegen gehalten werden können, wenn es sich bei der abgetretenen Forderung um eine Geldforderung handelt, die aus einem beiderseitigen Handels-geschäft herrührt. Ob es sich bei dem GÜV um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt, erscheint schon zweifelhaft, bedarf aber letztlich keiner Erörterung, denn die Vorschrift des § 354a HGB gilt nur für solche Abtretungsverbote, die nach dem 29.7.1994 vereinbart worden sind (Palandt/Heinrichs a.a.O. § 399 RN 9), ist hier also nicht einschlägig.

c) Das Abtretungsverbot greift vorliegend aber gleichwohl nicht ein. Denn die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass der GÜV B.s mit den Beklagten zu 1 u. 2 zeitlich erst nach dem GUV zwischen ihr und B. geschlossen worden ist, so dass die nach der Behauptung der Klägerin bereits bei den Verhandlungen mit B. vereinbarte Abtretung der künftigen Ansprüche B.s gegen die Beklagten (die dingliche Wirkung hat) nicht mehr unterbunden werden konnte. Wenn B. trotz der bereits erfolgten Abtretung mit den Beklagten einen GÜV mit Abtretungsverbot geschlossen hat und hierbei den Eindruck erweckt haben sollte, er habe noch nicht abgetreten, mag er sich diesen gegenüber vertragswidrig verhalten haben. Das berührt aber nicht mehr die Rechtsposition, die die Klägerin bereits zuvor erworben hatte.

Da die Abtretung bestritten ist, ist insofern Beweisaufnahme erforderlich.

3.

Der Umstand, dass die Beklagte zu 2 nach dem Vortrag der Klägerin zwischenzeitlich aus der GbR ausgeschieden sein soll, berührt den gegen die Beklagte zu 2 erhobenen Zahlungsanspruch nicht. Die persönliche Haftung eines BGB-Gesellschafters beruht auf seiner eigenen Verpflichtungserklärung gegenüber dem Vertragspartner. Dadurch, dass er seine Gesellschaftsanteile auf einen Dritten überträgt, kann er sich nicht von seiner persönlichen Haftung befreien, er haftet vielmehr weiterhin mit seinem aktuellen gesamten Vermögen.

4.

Auch die gegen den Beklagten zu 3 erhobene Klage kann nicht aus gesonderten Gründen in vollem Umfang abgewiesen werden.

a) Aus dem GÜV selbst ergibt sich allerdings kein Anspruch B.s gegen den Beklagten zu 3, da dieser Vertrag nur zwischen ihm und der GbR bestehend aus den Beklagten zu 1 u. 2 geschlossen worden ist (GA 69).

b) Die Klägerin macht nun insoweit geltend, die Beklagte zu 2 sei zum 1.8.1994 aus der GbR mit dem Beklagten zu 1 ausgeschieden und der Beklagte zu 3 habe ihre Anteile übernommen (GA 943/4, 1852). Dies mag zutreffen, führt aber nicht zu einer persönlichen Haftung des Beklagten zu 3. Den Gesellschafter einer GbR trifft eine persönliche Haftung nur dann, wenn er entweder

1. an der Begründung der vertraglichen Verpflichtung selbst beteiligt war oder

2. bei dem Vertragsschluss durch einen geschäftsführenden Gesellschafter der GbR wirksam vertreten wurde oder

3. im Wege des Schuldbeitritts beigetreten ist (BGHZ 74, 240 = NJW 1979, 1821).

Keiner dieser drei Fälle liegt hier bezüglich des Beklagten zu 3 vor. Eine akzessorische persönliche Haftung eines neu eintretenden Gesellschafters für Altschulden (wie sie die §§ 128 ff HGB für die OHG bestimmen) sieht das Gesetz für die GbR nicht vor (BGH a.a.O. u. NJW 1992, 1615, 1617; s. auch BGH NJW 1998, 2904/5).

c) Die vorstehenden Überlegungen rechtfertigen jedoch nicht die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 3. Denn wenn der Vortrag der Klägerin zutrifft, dass der Beklagte zu 3 den Gesellschaftsanteil der Beklagten zu 2 übernommen hat, dann haftet er mit dem von ihm übernommenen Anteil am Gesamthands-vermögen auch für die vor seinem Beitritt begründeten Altschulden (BGH NJW 1981, 1095, 1096; Palandt/Sprau a.a.O. § 736 RN 6; Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 736 RN 2). Da die Beklagten wiederholt geltend gemacht haben, sie hafteten ohnehin nur mit dem Gesellschaftsvermögen, müßte dem Beklagten zu 3 im Falle einer Verurteilung in entsprechender Anwendung des § 786 ZPO die Beschränkung seiner Haftung im Urteil vorbehalten werden (vgl. dazu Kornblum BB 1970, 1445, 1452/3 u. Noack MDR 1974, 811, 813 f).

Ob der Beklagte zu 3 die Anteile der Beklagten zu 2 an der GbR übernommen hat und deshalb als deren Rechtsnachfolger (beschränkt) haftet, ist allerdings umstritten und bedarf deshalb noch der Aufklärung bedarf.

5.

Die vorstehend unter 4. angesprochene Frage, ob die Beklagte zu 2 zum 1.8.1994 aus der GbR ausgeschieden und der Beklagte zu 3 an ihrer Stelle eingetreten ist, gewinnt aber auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt Bedeutung:

Wie unter 1. erörtert, ist eine wirksame Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Beklagte zu 2 nicht erfolgt. Wenn die Beklagte zu 2 im Herbst 1997 aber noch Gesellschafterin der GbR gewesen sein sollte, wie die Beklagten behaupten, hätte die unwirksame Zustellung noch weitergehende Konsequenzen. Denn wenn der Drittschuldner eine Gesamthands-gemeinschaft ist, muss der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss grundsätzlich jedem Gesamthandsschuldner zugestellt werden; die Pfändung wird erst mit der letzten Zustellung wirksam (BGH NJW 1998, 2904 m.w.N.; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 829 RN 24). Etwas anderes gilt nur, wenn an einen vertretungsberechtigten Geschäftsführer der GbR zugestellt werden konnte; über die Existenz eines solchen ist aber nichts bekannt (s. oben).

III.

Eine Kostenentscheidung kann derzeit nicht getroffen werden, sie ist vielmehr der abschließenden Entscheidung des Landgerichts vorzubehalten.

Dem in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gestellten Antrag, gem. § 8 I 1 GKG anzuordnen, dass Gerichtskosten für das Berufungsverfahren nicht erhoben werden, kann nicht entsprochen werden. Voraussetzung für eine derartige Niederschlagung von Kosten ist nach allg. Meinung, dass das Vordergericht gegen eindeutige gesetzliche Normen verstoßen hat und dieser Verstoß offen zu Tage tritt. Diese Voraussetzungen können im Fällen, in denen das Berufungsgericht die Vorschrift des § 539 ZPO anwendet, gegeben sein, nach Auffassung des Senats ist es jedoch nicht gerechtfertigt, bei einer Zurück-verweisung quasi automatisch auch die Vorschrift des § 8 I 1 GKG anzuwenden. Denn die Bejahung eines wesentlichen Verfahrensmangels i.S.d. § 539 ZPO enthält nicht zwingend die Feststellung, dass es sich auch um einen eindeutigen Gesetzes-verstoß handelt, der zudem offen zu Tage tritt. Vorliegend sind diese Voraussetzungen jedenfalls nicht gegeben. Umfang und Tragweite der Pflichten des Gerichts aus § 139 ZPO (und damit zusammenhängend gem. § 156 ZPO) sind nämlich in den Einzelheiten vielfach nicht eindeutig geklärt, vielmehr bestehen in Rspr. und Schrifttum zu Einzelfragen durchaus unterschiedliche Auffassungen. Wenn die vom erstinstanzlichen Gericht insoweit vertretene Auffassung vom Berufungsgericht nicht geteilt wird, so bedeutet dies folglich nicht, dass der bejahte Verstoß gegen Verfahrensrecht eindeutig und offenkundig war, zumal sich das Landgericht vorliegend auf ein Urteil des BGH berufen hat, das geeignet erscheint, die angefochtene Entscheidung zu stützen. Zwar ist nach Ansicht des Senats die diesem Urteil zugrundeliegende Auffassung als durch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung überholt anzusehen, jedoch ist sie nicht vom Großen Zivilsenat verworfen und auch - soweit ersichtlich - von dem maßgeblichen Zivilsenat nicht ausdrücklich aufgegeben worden.

Alle Parteien sind mit mehr als 60.000 DM beschwert.

Berufungsstreitwert: 3.507.074,71 DM



Ende der Entscheidung

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