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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.05.2000
Aktenzeichen: 12 U 126/99
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 11
BGB § 307
BGB § 309
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 U 126/99

Anlage zum Protokoll vom 18.05.2000

Verkündet am 18.05.2000

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Nierhaus, die Richterin am Oberlandesgericht Macioszek und den Richter am Landgericht Kahsnitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senates vom 09.12.1999 - 12 U 126/99 - wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Es bleibt nachgelassen, die Sicherheit auch durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank zu erbringen.

Tatbestand:

Durch Mietvertrag vom 17.12.1996/19.02.(3.?)1997 mietete die Klägerin von der Beklagten eine Teilfläche im Hallenbereich sowie Freiflächen mit Nebengebäuden auf dem Gelände "A. ..." in K. an. In § 9 des Mietvertrages ist folgendes geregelt:

"Aufrechnung, Mietminderung oder Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes sind ausgeschlossen, es sei denn, die Forderung des Mieters ist vom Vermieter anerkannt oder rechtskräftig festgestellt."

Nach § 5 Nr. 5.2 a) des Mietvertrages kann der Vermieter den Mietvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist u.a. dann kündigen, wenn der Mieter mit einer Monatsmiete und/oder einer fälligen Betriebskostenvorauszahlung im Rückstand ist. Ab Mai 1999 berechnete die Beklagte den monatlichen Mietzins mit 11.253,88 DM. Da Mietzahlungen durch die Klägerin nicht erfolgten, kündigte die Beklagte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 23.9.1999.

Wegen des genauen Inhalts des abgeschlossenen Mietvertrages wird auf die mit der Klageschrift als Anlage 1 überreichten Fotokopien (Bl. 5 - 15 GA) Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, der Mietvertrag sei ihr von der Beklagte vorformuliert vorgelegt worden und werde von dieser ständig und in gleicher Form verwendet. Sie ist der Ansicht, die Regelung in § 9 des Mietvertrages sei gemäß § 9 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) gesetzesunwirksam. Sie hat weiter behauptet, das Mietobjekt weise starke Mängel auf, u.a. sei das Dach undicht, dies führe zu erheblichen Wassereinbrüchen und habe bereits größere Schäden an den in der Halle befindlichen Holzeinbauten hervorgerufen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass es ihr mietvertraglich nicht untersagt ist, gegenüber den Mietzinsforderungen der Beklagten Minderungs-, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen und auszuüben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie verwende den Mietvertrag stets nur als Verhandlungsbasis. Insoweit bestehe lediglich ein "Grundlagenmietvertrag im Entwurf", der jeweils im einzelnen ausgehandelt werde. So seien beispielsweise im streitgegenständlichen Mietvertrag der § 3, teilweise der § 6 und auch zum Teil § 10 gegenüber dem üblicherweise als Verhandlungsbasis herangezogenen Mietvertrag abgeändert worden.

Durch Urteil vom 09.04.1999 hat das Landgericht der Feststellungsklage stattgegeben.

Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteiles (Bl. 57 - 64 GA) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet, mit der sie ihren erstinstanzlichen, klageabweisenden Antrag weiterverfolgt.

Die Beklagte behauptet, das mietvertragliche Formular sei im konkreten Fall nur als Verhandlungsbasis verwendet worden, auch über § 9 des Mietvertrages sei gesprochen worden. Im übrigen vertritt sie die Auffassung, die Regelung sei selbst dann, wenn sie als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sei, nicht unwirksam.

Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.1999 der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht aufgetreten ist, hat der Senat - antragsgemäß - Versäumnisurteil dahingehend erlassen, dass auf die Berufung der Beklagten die Klage unter Abänderung des am 9.04.1999 verkündeten Urteils der 17. Zivilkammer des Landgerichtes Köln - 17 O 452/98 - abgewiesen wird.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 14.12.1999 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit einem am 27.12.1999 eingehenden Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil vom 09.12.1999 - 12 U 126/99 - aufrechtzuerhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.12.1999 - 12 U 126/99 - aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin behauptet, bei Vertragsabschluss sei § 9 des Mietvertrages mit keinem Wort erwähnt worden. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, § 9 des Mietvertrages verstoße gegen § 9 AGBG, und sieht sich deswegen in Hinblick auf angebliche Minderungs- und Schadensersatzansprüche in Höhe eines Gesamtbetrages von 918.288,16 DM, die sie im Schriftsatz vom 14.02.2000, auf den hier zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Bl. 147 - 148 GA), beziffert hat, nicht zur Mietzinszahlung verpflichtet.

Bezüglich des weiteren beidseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Aufgrund des Einspruches der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Senates vom 09.12.1999, mit dem auf die Berufung der Beklagten die Klage unter Abänderung des am 9.04.1999 verkündeten Urteils der 17. Zivilkammer des Landgerichtes Köln - 17 O 452/98 - abgewiesen worden ist, ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden (§§ 342, 542 Abs. 3 ZPO). Der Einspruch ist zulässig; er ist statthaft und fristgerecht im Sinne der §§ 338 ff. ZPO i.V.m. § 542 Abs. 3 ZPO eingelegt worden, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

Zurecht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass für die Feststellungsklage, mit der die Klägerin begehrt, festzustellen, dass ihr mietvertraglich nicht untersagt ist, gegenüber den Mietzinsforderungen der Beklagten Minderungs-, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen, ein Feststellungsinteresse besteht: Ohne die Feststellung würde sich die Klägerin dem Risiko einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges in Hinblick auf § 5 Nr. 5.2 a) des Mietvertrages aussetzen. Das Feststellungsinteresse besteht auch fort, obgleich zwischenzeitlich durch die Beklagte wegen Zahlungsverzuges die Kündigung ausgesprochen worden ist, da die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung nicht nur von der Frage abhängen kann, ob die Klägerin sich gegenüber dem Mietzahlungsverlangen zu Recht auf Minderungs-, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte beruft. Unabhängig davon kann sich die Unwirksamkeit der schon ausgesprochenen Kündigung auch aus anderen Gründen ergeben, so dass die Klägerin dann in Zukunft auch weitere Kündigungen wegen Zahlungsverzuges befürchten müsste.

II.

Die Feststellungsklage ist jedoch entgegen der Ansicht des Landgerichtes unbegründet und daher abzuweisen, da die Klägerin gemäß § 9 des abgeschlossenen Mietvertrages nicht uneingeschränkt gegenüber von Mietzinsforderungen der Beklagten Minderungs-, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte geltend machen und ausüben kann. Dabei kann die Frage dahinstehen, ob die in § 9 des abgeschlossenen Mietvertrages enthaltene, hier umstrittene Klausel individuell vereinbart worden ist, wie die Beklagte behauptet und die Klägerin bestreitet. Selbst wenn eine Individualvereinbarung nicht vorliegen und es sich bei der betreffenden Bestimmung um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 AGBG handeln würde, so würde dies dennoch nicht zur Unwirksamkeit der betreffenden Klausel führen.

Beide Parteien sind Kaufleute; der abgeschlossene Mietvertrag ist im kaufmännischen Verkehr abgeschlossen worden. Zur Inhaltskontrolle kann hier allein § 9 AGBG herangezogen werden, da § 11 Nr. 3 AGBG zwischen Kaufleuten unmittelbar nicht gilt (§ 24 AGBG).

Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 9 AGBG ist durch die in der strittigen Klausel vorgesehene Einschränkung des Minderungs-, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechtes jedoch nicht gegeben.

Der in § 9 des Mietvertrages geregelte Ausschluss der Minderungsrechte der Klägerin ist nicht zu beanstanden. Die verschuldensunabhängige Haftung für anfängliche Sachmängel als eine für das gesetzliche Haftungssystem untypische Regelung kann nämlich zwischen Kaufleuten bedenkenfrei formularmäßig abbedungen werden. Der Klägerin, die sich im kaufmännischen Verkehr "bewegt", wird durch die Regelung des § 9 AGBG nichts Unbilliges zugemutet, wenn sie auf Grund der strittigen Klausel zur Mietzinszahlung auch bei Bestehen des Minderungsrechtes verpflichtet bleibt und die etwaig zuviel gezahlten Beträge durch eine gesonderte Klage gegenüber der Beklagten geltend machen muss ( vgl. BGH NJW-RR 1993, 519 ff.)

Auch im übrigen hat der Senat keine Bedenken, die zwischen den Parteien umstrittene Klausel in Hinblick auf § 9 AGBG als wirksam anzusehen. Mit dieser Nebenbestimmung ist der Klägerin weiter die Aufrechnung und die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes untersagt, soweit nicht die Forderung "vom Vermieter anerkannt" oder "rechtskräftig festgestellt" ist. Dass die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben hierdurch unangemessen benachteiligt wird, ist nicht erkennbar. Zwar ist ihr zu zugestehen, dass in der strittigen Klausel entgegen dem Wortlaut des § 11 Nr. 3 AGBG, der allerdings hier nicht unmittelbar (§ 24 AGBG) anwendbar ist, wohl über eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbotes des § 9 AGBG darstellt (BGH NJW 1994, 657 ff.), nicht die Rede von "unbestrittenen" Forderungen des Mieters ist. In der Entscheidung NJW-RR 1993, 519 hat der BGH den Ausschluß von Minderung, Aufrechnung und der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Forderungen handelt, für zulässig erachtet. In der Sache selbst besteht zu der hier fraglichen Klausel kein Unterschied, da es beliebig ist, ob der Verwender nun ausdrücklich keine Einwände gegen den Bestand der Gegenforderungen erhebt und diese dadurch "anerkennt" oder nur stillschweigend keine Einwände hiergegen erhebt, so dass diese als unbestrittenen zu gelten haben. In beiden Fällen soll nach der strittigen Klausel die Ausübung der Aufrechnung und die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten gegenüber den Mietzinszahlungen möglich sein. Andererseits besteht ein anerkennungswertes Interesse der Beklagten als Vermieterin, in Hinblick auf die von ihr für das vermietete Objekt aufzuwendenden Ausgaben zunächst die vollständigen Mietzinszahlungen fordern zu können, auch wenn, allerdings bestrittene Gegenforderungen im Raume stehen. Soweit demgegenüber die Klägerin die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in NJW 1994, S. 657 ff. anführt, so übersieht sie, dass der dortige, damals entschiedene Sachverhalt mit dem hier vorliegenden nicht zu vergleichen ist. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall wies nämlich die Besonderheit auf, dass in der damals zu prüfenden Klausel die Aufrechnung mit Gegenforderungen nur zugelassen war, soweit diese vom Verwender anerkannt und zur Zahlung fällig festgestellt worden waren. Wenn jedoch erst die Gegenforderung zur Zahlung durch den Verwender festgestellt werden muss, dann ist es denkbar, dass - wie der Bundesgerichtshof ausführt - der Klauselverwender einer an sich unbestrittenen Gegenforderung die Anerkennung versagt und erklärt, nicht zahlungsbereit zu sein. Im vorliegenden Fall enthält die strittige Klausel die betreffende Verknüpfung, die Gegenforderung anzuerkennen und zur Zahlung fällig zu stellen, jedoch gerade nicht.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 344, 542 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

IV.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren (gleich Beschwer der Klägerin) beträgt in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 06.09.l999 80.000,-- DM.

Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes hat der Senat das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung im Rahmen des § 3 ZPO mit einem Betrag von 80.000,-- DM bewertet: Die Feststellungsklage zielt im Kern darauf ab, der Klägerin das Risiko zu nehmen, dass die Beklagte eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges ausspricht und ein Streit der Parteien über das Bestehen des Mietverhältnisses entsteht.

Ende der Entscheidung

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