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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: 12 U 36/06
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 22
HGB § 25
HGB § 25 Abs. 1
HGB § 25 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 01.03.2006 - 16 O 31/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Gegenstand des Rechtstreits sind Forderungen aus einem Warenkredit, die nach § 25 HGB gegenüber dem Firmennachfolger geltend gemacht werden.

1995 gründete sich eine Firma "S Heizungs- und Sanitärtechnik GmbH" (im Folgenden: Firma S Alt genannt), deren Unternehmensgegenstand Sanitärinstallationen waren. Alleingesellschafter und Geschäftsführer war Herr E S. Die Firma S Alt nahm eine ständige Geschäftsbeziehung mit der Klägerin, einem Großhandel für Sanitärbedarf, auf, in deren Verlauf der Kundin ein Warenkredit mit Kontokorrentabrede eingeräumt wurde.

Im Jahr 2004 geriet die Firma S Alt in finanzielle Schwierigkeiten. Bei der Klägerin als Hauptlieferantin stand bei Einstellung des Materialbezuges im August 2004 im Kontokorrent ein Saldo von cirka 110.000,00 € offen. Am 09.08.2004 beschloss Herr S als Gesellschafter die Liquidation der Firma S Alt und bestellte sich selbst zum Liquidator, was zum Handelsregister angemeldet und dort am 11.08.2004 eingetragen wurde (Anlage K1 zum Schriftsatz 06.06.2006). Ebenfalls am 09.08.2004 gründete Herr S mit einem Geschäftsanteil von 22.500,00 € zusammen mit seiner Ehefrau J mit einem Geschäftsanteil von 2.500,00 € die Beklagte unter dem Firmennamen "S GmbH Heizung Sanitär und Lüftung", deren Unternehmensgegenstand ebenfalls Sanitärinstallationen sind und bestimmte sich wiederum selbst neben seiner Tochter C zum Geschäftsführer. Die Beklagte nahm umgehend die Geschäfte auf, wobei sie nach Abschluss eines neuen Mietvertrages die Firmenräume der Firma S Alt beibehielt, mit deren Belegschaft neue Arbeitsverträge schloss, deren Fuhrpark nach Abschluss neuer Leasingverträge weiter nutzte. Auch das sonstige Inventar und die Kundenkartei gingen - zunächst ohne ausdrücklichen Übertragungsakt - in den Geschäftsbetrieb der Beklagten ein. Ebenso wurden von der Beklagten Internetadresse und Website mit aktualisierter Firmenbezeichnung der Firma S Alt übernommen, dies unter werbender Bezugnahme auf die Unternehmenstradition seit 1992 (Anlage K5 zum Schriftsatz 06.06.2005) und eine auf die Firma S Alt lautende Rechnung des Internet-Hosters ausgeglichen. In einen noch von der Firma S Alt akquirierten Großauftrag der H Rhein-Sieg-Kreis bezüglich eines Bauvorhabens F-Ring trat die Beklagte ein.

Wiederum zeitgleich mit der Handelsregistereintragung der Beklagten am 23.09.2004 meldete die Firma S Alt Insolvenz an. Das Verfahren wurde beim Amtsgericht Bonn am 12.11.2004 eröffnet und Rechtsanwalt Dr. I zum Insolvenzverwalter ernannt, nachdem man ausreichend Masse - vor allem in Gestalt von drei Forderungen - nämlich

- ca. 65.000,00 € gegen einen Herrn K, tituliert 2003

- ca. 13.000,00 € gegen Firma Q, tituliert 2004

- ca. 20.000,00 € gegen die Herren A, anhängig seit 2004

festgestellt hatte. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters zahlte die Beklagte im November 2004 zur Masse 2.000,00 € für die Namensfortführung und die Kundenkartei und ca. 6.300,00 € für das Inventar der Gemeinschuldnerin, das man bereits vereinnahmt hatte.

Die Klägerin meldete ihre Forderung zur Tabelle an, nahm aber eine H1-bürgschaft, die i. H. v. 70.000,00 € für den Warenkredit der Firma S Alt gestellt war, nicht in Anspruch; dies nach Darstellung der Beklagten wegen einer Fristüberschreitung. Die Forderung aus dem Warenkredit nebst Gebühren für eine Kreditreformauskunft und nicht anzurechnende Anwaltskosten verfolgt die Klägerin gegen die Beklagte mit der vorliegenden Klage.

In erster Instanz hat die Klägerin die von ihr angenommene Haftung der Beklagten für die Verbindlichkeiten der Firma S Alt aus Firmenfortführung darauf gestützt, die Beklagte habe das Unternehmen ihrer Vorgängerin im Kernbereich faktisch als betriebsfähige Wirtschaftseinheit fortgeführt und zwar unter Nutzung aller wesentlichen Einrichtungen und Unternehmenswerte wie insbesondere Räumlichkeiten, Personal, Fuhrpark, Internet- und Telefonverbindung sowie Kundenstamm. Weiterhin werde die Firmenbezeichnung in ihrem prägenden Gehalt weiter verwendet. Soweit der Haftungstatbestand im Lichte der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung überhaupt einen derivativen Erwerbsakt voraussetze, könne dieser jedenfalls auch unentgeltlich vorgenommen worden sein. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Firma S Alt zwar formal als Rechtssubjekt fortbestehe, aber nicht mehr als eine leere und aller wirtschaftlichen Werte beraubte Hülle darstelle.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 109.762,59 € nebst ausgerechneter Zinsen i. H. v. 9.580,08 € bis zum 15.04.2005 sowie weiterlaufender Zinsen aus 109.762,59 € i. H. v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2005, 27,26 € für eine Kreditreformauskunft sowie weiteren Verzugsschaden i. H. v. 900,10 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine Haftung aus § 25 Abs. 1 HGB unter Hinweis darauf in Abrede, dass bei Fortbestand der Firma S Alt als Rechtsträger mit der Neugründung nicht etwa vorhandene Einrichtungen, Vertragsverhältnisse usw. übernommen worden seien, sondern jeweils neue Rechtsbeziehungen zu Mitarbeitern, Vermietern, Leasinggebern usw. eingegangen worden seien. In der entgeltlichen Übernahme der Namensbezeichnung, der Kundenkartei und des Inventars der Altfirma vom Insolvenzverwalter lägen keine haftungsbegründenden Dispositionen. Wesentlich sei der Gesichtspunkt des fehlenden derivativen Erwerbsaktes als unverzichtbares Tatbestandsmerkmal der Haftungsnorm. Der neue Rechtsträger sei neben den alten getreten, der nach wie vor über bedeutendes Aktivvermögen verfüge. Da zu Gunsten der Klägerin zudem kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, scheide auch eine Rechtsscheinhaftung aus. Schließlich sei die Berechtigung der Klageforderung dem Grund und der Höhe nach zu bestreiten.

Das Landgericht hat das pauschale Bestreiten der Klageforderung nebst Nebenforderungen durch die Beklagte als unerheblich betrachtet und ist in der entscheidenden Frage einer Haftung aus Firmenfortführung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vor allem an das kurz zuvor publizierte Urteil vom 21.11.2005, der Argumentation der Klägerin gefolgt.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und verweist auf eine angebliche Fehlinterpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung, vor allem der jüngsten BGH-Entscheidung bzw. eine unzutreffende Übertragung auf den vorliegenden Sachverhalt. Sie hebt erneut hervor, dass die Beklagte als unabhängige Neugründung neben der als Rechtssubjekt fortbestehenden und über erhebliche Aktiva verfügenden Firma S Alt gesehen werden müsse, die nicht in die Miet-, Beschäftigungs- und Leasingverträge der letztgenannten Gesellschaft eingetreten sei, sondern neue Vertragsverhältnisse begründet habe. Von den Tatbestandsmerkmalen des § 25 Abs. 1 HGB fehle es vor allem an dem derivativen Erwerbsvorgang einer "betriebsfähigen Wirtschaftseinheit", der allein durch den Ankauf einiger Inventargegenstände und der Kundenkartei vom Insolvenzverwalter nicht zustande komme, zumal auch keine Aufträge der Altgesellschafterin übernommen worden seien und der Firmenname, abgesehen von dem nicht austauschbaren Eigennamen des Mehrheitsgesellschafters eben nicht im Rechtsverkehr fortgeführt werde.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 01.03.2006 (16 O 31/05) die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus Sicht der Klägerin stellt, abgesehen von dem weiterhin unerheblichen pauschalen Bestreiten der Klageforderung, auch das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 HGB nicht in Frage, dessen Tatbestandsmerkmale sämtlich vorlägen. Die Beklagte habe alle nutzbaren Vermögenswerte der als leere Hülle rein formal fortbestehenden Firma S Alt übernommen, so den Firmennamen des eingeführten Familienunternehmens, die komplette betriebliche Infrastruktur und den Kundenstamm einschließlich des lukrativen H-Auftrages, wolle sich andererseits aber der Verbindlichkeiten der Rechtsvorgängerin entledigen. Dieses Ziel hätte erreicht werden können durch einen haftungsbegrenzenden Zusatz der Registereintragung nach § 25 Abs. 2 HGB, was jedoch nicht genutzt worden und nunmehr in seinen Rechtswirkungen nicht unter Umgehung von § 25 Abs. 1 HGB nachholbar sei.

Mit der Berufungsschrift hat die Beklagte dem Steuerberater und dem Notar, die nach ihrer Darstellung im Zuge der Liquidation des Altunternehmens und der Firmenneugründung beratend tätig geworden sind, den Streit verkündet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige und insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage, gestützt auf § 25 Abs. 1 HGB, stattgegeben.

Weder in erster, noch in zweiter Instanz kann die Beklagte mit ihrem pauschalen und ersichtlich ins Blaue hinein vorgebrachten Bestreiten der Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach durchdringen. Dieses ist als unerheblich zu qualifizieren, so dass die rechtliche Betrachtung auf die Subsumtion des im Übrigen unstreitigen Sachverhaltes unter die Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 HGB beschränkt werden kann.

Die grundsätzliche Eignung der Firma S Alt, einem in der Rechtsform einer GmbH geführten Handwerksbetrieb, zu einer Übernahme gemäß § 25 Abs. 1 HGB steht nicht in Frage. In der Rechtsprechung wird einheitlich nicht verlangt, dass das komplette Unternehmen mit allen Bestandteilen übergeht (siehe beispielhaft BGH NJW 1982, Seite 1647 ff. und durchgängig die folgenden Entscheidungen). Maßgeblich ist vielmehr eine Übertragung des Kerns, der je nach Branche und Unternehmensstruktur an unterschiedlichen Komponenten festzumachen ist. Vorliegend nutzt die Beklagte nahezu alle für die technische und administrative Fortführung des Geschäftsbetriebes notwendigen Einrichtungen der Firma S Alt, so die Geschäftsräume, die Belegschaft, das Inventar, den Fuhrpark, die Kundenkartei, die Internetpräsentation sowie die Telefonverbindung. Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass hinsichtlich der Raummiete, der Arbeitsverhältnisse und des Fahrzeugleasings die Beklagte nicht in die bestehenden Verträge eingetreten ist, sondern neue, unter Umständen sogar inhaltsgleiche Verträge abgeschlossen hat. Diese Maßnahmen haben eindeutig den Charakter von Umgehungsgeschäften, um den Konsequenzen des § 25 Abs. 1 HGB, deren man sich durchaus bewusst war, zu begegnen. Die Beklagte trägt keinerlei andere Gesichtspunkte vor, welche Notwendigkeit zum Abschluss neuer Verträge bestanden haben soll, wie etwa ein entsprechendes Verlangen der Vertragspartner, oder welche Vorteile durch die neuen Verträge im Verhältnis zu den alten Regelungen erlangt wurden. Es ist somit kein anderer Hintergrund dieser Vorgehensweise als die Umschiffung von § 25 Abs. 1 HGB erkennbar.

Vergeblich verweist die Beklagte auch darauf, das Handelsgeschäft der Firma S Alt sei nicht übernommen worden, denn dieser seien ja erhebliche Aktiva verblieben und seitens der Beklagten seien keine Aufträge übernommen worden. Die angeblich so werthaltigen "Aktiva" der Firma S Alt sind kritisch zu beleuchten. Sie bestehen im Wesentlichen aus den drei angeführten Forderungen, von denen die erste über ca. 65.000,00 € schon in 2003 tituliert wurde, seither offenbar nicht beitreibbar ist und daher von einem ordentlichen Kaufmann zumindest wertberichtigt, wenn nicht ausgebucht worden wäre. Die zweite Forderung fällt betragsmäßig mit ca. 13.000,00 € im Verhältnis zum Unternehmenswert nicht nennenswert ins Gewicht und die dritte Forderung ist nur rechtshängig, so dass ihre Berechtigung und die Solvenz des Schuldners ungeprüft sind. Diesen fragwürdigen Aktivposten steht der wirtschaftlich erheblich bedeutsamere Großauftrag der Firma H gegenüber, der zwar wohlweislich wie die übrigen Verträge nicht "übernommen", sondern durch die Beklagte neu geschlossen wurde, was jedoch nicht darüber hinweg täuschen kann, dass die Früchte der Akquisitionstätigkeit der Firma S Alt jetzt von der Beklagten geerntet werden.

Schließlich kann diese auch nicht ins Feld führen, Kundenkartei und Inventar seien vom Insolvenzverwalter abgekauft (und unterfielen damit womöglich der Priviligierung des Erwerbs aus der Insolvenz). In Wahrheit hatte die Beklagte sich diese Vermögenswerte schon angeeignet, bevor der Insolvenzverwalter bestellt war, die Masse sichten und eine entsprechende Vergütungsforderung nachträglich realisieren konnte. In diesem Detail spiegelt sich bereits die Problematik des angeblich nötigen rechtsgeschäftlichen Erwerbsaktes, die nachstehend erörtert wird.

Bezeichnend ist letztlich der Ausgleich der Rechnung des Internet-Hosters für die beibehaltene Website der Firma S Alt, die die Beklagte "versehentlich" ausgeglichen haben will.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass hier ein Handelsgeschäft in Gestalt einer intakten Wirtschaftseinheit übergegangen ist, lediglich bereinigt um Außenstände von wirtschaftlich zweifelhaftem Wert sowie - wenn die Beklagte sich durchsetzen würde - die beträchtlichen streitgegenständlichen Schulden aus dem Warenkredit.

Die Beklagte baut ihre Rechtsverteidigung wesentlich in Anlehnung an die Kommentierung bei Lieb/Münchner Kommentar zum HGB, 2. Aufl. § 25 Rdn. 40 ff. auf das angebliche Fehlen des Tatbestandsmerkmales eines rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorganges auf. Lieb hebt in der zitierten Kommentierung die Unverzichtbarkeit eines abgeleiteten rechtsgeschäftlichen Erwerbs des Handelsgeschäftes als Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 HGB hervor und bezeichnet die gegenläufigen Meinungen, die unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung einen solchen derivativen Erwerbsakt für entbehrlich halten, als Folge von zu wenig Aufmerksamkeit für die Gesetzesintension oder von Missverständnissen durch stereotype Formulierungen und formelhafte Zitate aus BGH-Entscheidungen. In Wahrheit teilt Lieb die Rechtsauffassung des BGH in dieser Frage nicht. Der BGH hat nämlich in ungebrochener Kontinuität seiner Rechtsprechung seit den 80er Jahren (z. B. BGH NJW 1984, Seite 1186 ff.) betont, es komme nicht auf einen ausdrücklichen rechtsgeschäftlichen Übertragungsakt gleich welcher Art an, ob entgeltlich oder unentgeltlich, mittelbar oder unmittelbar, sondern lediglich auf die tatsächliche Unternehmensfortführung. Zuletzt in der von den Parteien und dem Landgericht auch zitierten Entscheidung aus 2005 (BGH MDR 13/2006 Seite 762 ff.) wird das deutlich gesagt. Die Instanzgerichte sind dem im Wesentlichen gefolgt (siehe z. B. Oberlandesgericht Düsseldorf, NJW-RR 2000, Seite 332 ff.; anders aber wohl Oberlandesgericht Dresden, Oberlandesgericht NL 1994 Seite 230). Für die Richtigkeit der BGH-Rechtsprechung streitet gerade der vorliegende Fall, der durch die Personenidentität der hinter den beteiligten Rechtsträgern stehenden Handelnden geprägt ist. Herr E S hat als geschäftsführender Alleingesellschafter die Geschicke der Firma S Alt gelenkt und in der wirtschaftlichen Krise, als sich nicht zuletzt aufgrund der Warenkreditforderungen der Klägerin die Überschuldungssituation abzeichnete, den alten Rechtsträger der Insolvenz preisgegeben, dabei jedoch dessen durchaus noch vorhandenes wirtschaftliches Potential für den neuen Rechtsträger nunmehr als Familienunternehmen unter seiner Führung ausgestaltet, herüber zu retten versucht. Für einen solchen Vorgang bedurfte es keiner förmlichen Übertragungsakte durch Rechtsgeschäft, denn im Gegensatz zum Eintreten eines bislang außenstehenden Dritten als Erwerber waren alle erforderlichen Transaktionen innerhalb des Familienverbandes zu treffen. Ein förmlicher Erwerbsakt wäre nicht nur überflüssig gewesen, da man nahtlos Zugriff auf alle Unternehmensbestandteile hatte; er hätte im Hinblick auf das plakative Begründen der Haftungsvoraussetzungen nach § 25 Abs. 1 HGB sogar schädliche Auswirkungen gehabt. Es ist nicht einzusehen, warum ein Firmeninhaber, der seinen insolvenzreifen Altbetrieb zu Gunsten seiner Neugründung sämtlicher wirtschaftlicher Werte entkleidet, besser stehen soll, als ein dritter Erwerber, nur weil im ersteren Fall ein Übertragungsakt infolge der Personalunion der handelnden Personen entbehrlich ist. Zu Recht hat der BGH daher dem Erfordernis des derivativen Erwerbsaktes eine Absage erteilt, das Manipulationen wie im vorliegenden Fall oder auch durch zwischengeschaltete Erwerber Tür und Tor öffnen würde, wie im Fall BGH NJW 1984, Seite 1186 ff. und in der jüngsten Entscheidung aus 2005, wo Diskothekenbetreiber durch den Umweg über ihren Getränkelieferanten als Mieter ihrerseits als Untermieter wieder einsteigen wollten, dies unter Zurücklassung ihrer als KG begründeten Altschulden.

Konsequent hebt der BGH entgegen der von Lieb (a. a. O., Rnd. 41) vertretenen Auffassung weiter hervor, dass eine Einstellung des Geschäftsbetriebes durch den bisherigen Inhaber bzw. die gesellschaftsrechtliche Auflösung des alten Rechtsträgers mit Vollzug im Handelsregister einer Übernahme des Handelsgeschäftes nicht entgegen steht, weil § 25 Abs. 1 HGB eben nicht an den Fortbestand des Unternehmensträgers, also des Inhabers, sondern allein an die Kontinuität des Unternehmens anknüpft (so wörtlich BGH NJW 1992, Seite 911 ff.). Überleben muss die Insolvenz / die Auflösung allerdings begriffsnotwendig ein weiterhin lebensfähiges Wirtschaftssubjekt, nämlich die eingangs zitierte "betriebsfähige Wirtschaftseinheit". Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht zweifelhaft, denn Herr S wollte das Unternehmen der Firma S Alt ja gerade vor einer Zerschlagung schützen und weiter als Existenzgrundlage nutzen, wobei er auf seine eigene Fachkompetenz, die intakten betrieblichen Strukturen und die lange Unternehmenstradition als Werbeträger gesetzt hat, aber den Ballast des Warenkredits abwerfen wollte. Das wird durch die gesetzliche Wertung in § 25 HGB missbilligt, die nicht den Neubeginn eines gescheiterten Unternehmers unterbinden, wohl aber verhindern will, dass er sich dabei nach der Rosinentheorie die brauchbaren Bestandteile des Altunternehmens aneignet, ohne zugleich für die Verbindlichkeiten die Verantwortung zu übernehmen.

Auf der Basis dieser Rechtsmeinung ist kein Rückgriff auf Rechtscheingrundsätze nötig, deren Anwendbarkeit ohne konkret betätigtes Vertrauen des Gläubigers in den Fortbestand eines Haftungsschuldners tatsächlich zweifelhaft ist, wie Lieb (a. a. O., Rnd. 50 ff.) insoweit zutreffend ausführt. Es findet vielmehr Kraft Gesetzes eine Haftungserstreckung durch einen unmittelbaren Schuldbeitritt des Unternehmenserwerbers statt.

Auch das weitere Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. 1 HGB in Gestalt der Firmenfortführung ist hier gegeben. Die Firma des Kaufmannes / der Handelsgesellschaft als das Identifizierungsmerkmal im Marktgeschehen ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Erwerberhaftung. An die Firma gebunden ist - positiv wie negativ - die Marktgeltung, so dass die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB auch insoweit Kontinuität voraussetzt, wobei die Rechtsprechung tendenziell einen großzügigeren Maßstab als bei § 22 HGB anlegt (Lieb, a. a. O., Rdn. 65) und nicht auf eine wort-, oder gar buchstabengetreue Fortführung des Firmennamens abstellt. So kommt es z. B. auf die Auswechselung von Gesellschafts- und Rechtsformzusätzen nicht an (BGH NJW 1992, Seite 911 ff.). Auch das Hinzufügen oder Weglassen eines Inhaberzusatzes ist nicht entscheidend. Schwieriger ist die Abgrenzung, wenn es um sachliche, das Tätigkeitsfeld des Unternehmens beschreibende Namensbestandteile geht. Dabei wird auf die Individualisierungskraft der erhalten bleibenden Firmenbestandteile abgestellt. Wenn diese für sich genommen oder ungeachtet etwaiger Zusätze ausreichen, um bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine Identifikation der Firma über den Inhaberwechsel hinaus zu gewährleisten, ist § 25 HGB einschlägig. Zur Abgrenzung können die beiden Entscheidungen BGH NJW 1987, Seite 1633 und BGH NJW-RR 2004, Seite 1173 ff. herangezogen werden. Keine hinreichende Firmenkontinuität hat der BGH zwischen "F-Fleisch GmbH" und der Nachfolgerin "F & Sohn GmbH" gesehen, hätte aber wohl bei einem (dort streitig gebliebenen) Auftreten der Nachfolgerin am Markt unter der Bezeichnung "F-Fleischmarkt" Kontinuität bejaht. Dagegen stand nach Auffassung des BGH bei einer Fortführung der bisherigen Firma "Kfz Küpper, internationale Transporte, Handel mit Kfz-Teilen und Zubehör aller Art" unter dem neuen Namen "Kfz Küpper, Transport und Logistik GmbH" die abweichende Beschreibung des Unternehmensgegenstandes im Firmennamen einer Anwendung von § 25 Abs. 1 HGB nicht entgegen, weil die Aussagekraft der Firmenbezeichnung sich vorher wie nachher auf das Transport / Kfz-Gewerbe stützt, zusätzlich individualisiert durch den weiter verwendeten Eigennamen des Gründers. Vergleichbar ist der vorliegende Fall gelagert. Der Firmenname setzt sich zusammen aus dem - beibehaltenen - Eigennamen S und einer Kennzeichnung des ausgeübten Handwerks. Letzteres ist und bleibt die Sanitärinstallation, zu deren klassischen Gewerken auch die im neuen Firmennamen der Beklagten auftauchenden Lüftungsanlagen gehören, wohingegen dem jetzt weggefallenen Zusatz "Technik" kein eigener Identifikationswert zukommt. Es ist von einem Beibehalten des identitätsbildenden Firmennamens auszugehen.

Einer Inanspruchnahme der Beklagten steht nicht die Tatsache entgegen, dass die vorstehend festgestellte Haftungslage nicht ohne Alternativen ist bzw. war. Die Klägerin hat wirtschaftlicher Vernunft folgend und ohne Rechtsnachteile für das vorliegende Verfahren befürchten zu müssen, die Klageforderung auch gegenüber der Firma S Alt zur Tabelle angemeldet. § 25 Abs. 1 HGB führt nämlich im Außenverhältnis zum Gläubiger nicht zu einer Auswechslung des Haftungsschuldners, sondern zu einem gesetzlichen Schuldbeitritt, so dass der bisherige Unternehmensträger ( so er noch als Rechtssubjekt fortbesteht und abgesehen von Fällen der Schuldübernahme u. ä. ) und der Übernehmer als Gesamtschuldner haften (Baumbach / Hopt, HGB, 29. Aufl., § 25 Rdn. 12) auch wenn der Beklagten diese Rechtsfolge abwegig erscheint. Das Vorgehen der Klägerin ist nicht etwa in Ansehung ihrer hier vertretenen Rechtsmeinung zur Erwerberhaftung inkonsequent. Im Übrigen muss die Beklagte sich fragen lassen, was Herrn E S überhaupt zur Einleitung der Liquidation hinsichtlich der Firma S Alt bewogen hat und warum man anschließend deren Insolvenzreife festgestellt hat, obwohl im vorliegenden Rechtsstreit wiederholt betont wird, über welch werthaltige Aktiva in Gestalt der Außenstände das Altunternehmen noch verfügt. Wäre entsprechende materielle Substanz in Form kurz- oder doch mittelfristig zu realisierender Forderungen vorhanden gewesen, hätte man diese den Gläubigern, darunter der Klägerin, als Sicherheit anbieten bzw. abtreten können, ohne den Weg in Liquidation und Insolvenz gehen zu müssen. In diesem Punkt ist nicht das Vorgehen der Klägerin inkonsequent, sondern das Vorbringen der Beklagten nicht plausibel.

Was die Klägerin bewogen hat, nicht auf die H1-kreditbürgschaft zurück zu greifen, bleibt offen. Eine unterlassene Inanspruchnahme einer Bürgschaft hindert jedenfalls nicht ein Vorgehen gegen den Hauptschuldner bzw. dessen Rechtsnachfolger.

Die Beklagte hätte die Haftung des § 25 Abs. 1 HGB durch Begründung und Verlautbarung eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB vermeiden können, hätte dann aber die mit einem solchen Schritt einher gehende Negativwerbung, den kaufmännischen Ansehens- und damit auch Bonitätsverlust hinnehmen müssen, der für die gewünschte Anknüpfung an die Unternehmenstradition des eingeführten Handwerksbetriebes mit allen Geschäftskontakten unter Umständen nachteilig gewesen wäre. Ob die Beklagte von einem solchen Schritt aus den vorskizzierten Erwägungen oder schlicht mangels einschlägiger Beratung abgesehen hat, kann dahinstehen. Das wirtschaftliche Ergebnis einer Enthaftung kann sie jedoch auf der Basis des festgestellten Sachverhaltes nicht entgegen § 25 Abs. 1 HGB erreichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 zuzulassen. Soweit die hier maßgeblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben, sind bereits höchstrichterliche Entscheidungen ergangen, von denen nicht abgewichen wird.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 109.762,59 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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