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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.04.2009
Aktenzeichen: 12 WF 167/08
Rechtsgebiete: GKG, RVG


Vorschriften:

GKG § 48
GKG § 48 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 3
GKG § 48 Abs. 3 S. 1
GKG § 48 Abs. 3 S. 2
GKG § 63
GKG § 68 Abs. 1
RVG § 32
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten der Parteien wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Jülich vom 13.10.2008 (AZ.: 10 F 560/08) abgeändert und der Streitwert für das Scheidungsverfahren auf 6.469,08 € festgesetzt.

Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 13.10.2008 den Streitwert für die Ehesache auf 4.500,--€ festgesetzt. Es hat dabei das mtl. Erwerbseinkommen der Antragstellerin in Höhe von ca. 1.540,--€ zugrunde gelegt, das von dem Antragsgegner bezogene Arbeitslosengeld II indes unberücksichtigt gelassen.

Hiergegen haben beide Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, mit der sie eine Erhöhung des Streitwertes mit der Begründung anstreben, auch das von dem Antragsgegner bezogene Arbeitslosengeld II sei einzubeziehen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat daher die Erhöhung auf 7.065,--€, hilfsweise auf 5.619,--€, der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners auf 8.118,--€ beantragt. Letzterer ist von mtl. Sozialleistungen nach SGB II des Antragsgegners von 1.166,--€ ausgegangen.

II.

Die gemäß §§ 63,68 I GKG, § 32 RVG zulässigen Beschwerden haben auch in der Sache teilweise Erfolg.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Scheidungsverfahren richtet sich nach § 48 Abs. 2 GKG. Danach ist in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ermessen zu bestimmen. Für Ehesachen regelt § 48 Abs.3 S.1 GKG zudem, dass für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen ist.

Umstritten ist, ob das von einem Ehegatten bezogene Arbeitslosengeld II zu dem einsetzbaren Nettoeinkommen zu zählen ist. Während teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, dass Sozialleistungen nach SGB II nicht als Einkommen anzusehen seien, weil diese als subsidiäre öffentliche Leistungen gewährt werden, nicht auf einer Erwerbstätigkeit des Empfängers beruhten und aus dem Bezug von ALG II folge, dass die Parteien nicht individuell belastbar seien ( so OLG Rostock NJW-RR 2007,1152; OLG Dresden FamRZ 2004, 1225 und OLG Dresden NJW-RR 2007,1161-1162; OLG Düsseldorf FamRZ 2006,807), werden von anderen Gerichten auch solche Leistungen als Einkommen i.S.v. § 48 Abs.3 S.2 GKG berücksichtigt ( so Schl.Hol.OLG OLGR Schleswig 2008,608-609; OLG Frankfurt NJW-RR 2008,310-311; OLG Hamm FamRz 2006,806-807; OLG Bremen FamRZ 2004,961).

Der Senat schließt sich der letzteren Auffassung an. Aus dem Wortlaut des § 48 Abs.2 und 3 GKG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, als Einkommen lediglich Erwerbseinkünfte oder solche Einkünfte, die als Surrogat geleistet werden, anzusehen. Für die Festsetzung des Streitwertes für ein Scheidungsverfahren kann es nicht darauf ankommen, aus welchen Quellen das zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen stammt. In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten steht kein konkret bezifferbarer Antrag zur Verfügung, der einer Streitwertfestsetzung zugrundegelegt werde könnte. Dieser ist vielmehr nach Ermessen zu bestimmen. § 48 GKG gibt dazu in Abs.2 Richtlinien, anhand derer in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten, wozu Ehesachen zählen, die Festsetzung des Streitwertes zu erfolgen hat. Ein Anhaltspunkt sind die Einkommensverhältnisse der Parteien, die herangezogen werden, weil auf diese Weise sichergestellt ist, dass in Verfahren, die höchstpersönliche Belange der Parteien betreffen und die nur durch ein gerichtliches Verfahren entschieden werden können, jedermann gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen Zugang zu den Gerichten zur Klärung seiner höchstpersönlichen Angelegenheit gewährt wird. Die zur Verfügung stehenden Einkünfte der Parteien bieten die Grundlage für die ehelichen Lebensverhältnisse, die nach § 48 GKG als Maßstab für die Streitwertfestsetzung dienen sollen. Unter diesem Gesichtspunkt kann es nicht darauf ankommen, aus welchen Quellen die Einkünfte resultieren, aus denen der Lebensunterhalt bestritten wird.

Für die Berücksichtigung von ALG II spricht auch, dass die Unterhaltsrichtlinien verschiedener Oberlandesgerichte (s. Ziffer 2.2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Köln) dieses jedenfalls auf Seiten des Verpflichteten als Einkommen berücksichtigt.

Der in den vorstehend zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte, die ebenfalls diese Auffassung vertreten, zum Teil enthaltenen Einschränkung, das ALG II sei nur dann zu berücksichtigen, wenn eine Überleitung auf den Leistungsträger nicht stattgefunden habe, schließt der Senat sich nicht an. Auch wenn ALG II subsidiär zu einer Unterhaltsverpflichtung geleistet wird, behält es seine die Lebensverhältnisse der Eheleute prägende Bedeutung. Im übrigen ist jede Differenzierung in dieser Hinsicht für die Bedürfnisse der erstinstanzlichen Rechtsprechung nicht hinreichend praktikabel.

Der Berücksichtigung von ALG II sowie auch anderer Sozialleistungen steht nicht der in § 48 Abs. 3 S. 2 GKG genannte Mindestwert von 2.000,--€ entgegen, der auf diese Weise an Bedeutung verliert. Diese Folge beruht vor allem darauf, dass die kostenrechtlichen Vorschriften nicht in Einklang gebracht wurden mit der in den letzten Jahren erfolgten Erhöhung der Lebenshaltungskosten ( dazu auch Sch.Hol.OLG aaO).

Schließlich gebietet es auch das Interesse der Prozessbevollmächtigten der Parteien an einer angemessenen Vergütung, nicht lediglich auf einen Mindestwert abzustellen oder Sozialleistungen unbeachtlich zu lassen. So hat das BVerfG entschieden, dass die Festsetzung des Mindestwertes auch dann nicht gerechtfertigt ist, wenn beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt wurde (BVerfG FamRZ 2006,24-26).

Der hier von dem Senat vorgenommenen Auslegung steht die Entscheidung des BVerfG vom 22.02.2006 (NJW 2006,1581-1582 = FamRZ 2006,841) nicht entgegen; denn die dortige Entscheidung lässt die Möglichkeit offen, auch ALG II als Einkommen bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen.

Vorliegend bedeutet dies, dass von einem Nettoeinkommen der Antragstellerin von 1.540,--€ und auf Seiten des Antragsgegners ausweislich des Bescheides der Gemeinde Aldenhoven vom 21.08.2008 von einem Bezug von ALG II in Höhe von 1.166,36 € auszugehen ist.

Kindesunterhalt ist in Höhe von 550,--€, abzusetzen (dazu OLG Karlsruhe Beschluss vom 07.12.2006 AZ.: 16 WF 204/06 und OLG Karlsruhe Beschluss vom 07.04.2008 AZ.: 2 WF 39/08 beide abgedruckt in juris; Schl.Hol. OLG aaO).

Bei einem Gesamteinkommen von mtl. 2.706,36 € und nach Abzug von 550,--€ verbleibt ein Einkommen von 2.156,36 €. Das dreifache Monatseinkommen beläuft sich mithin auf 6.469,08 €.

Sonstige Vermögenswerte, die Eingang in die Ermessensentscheidung finden könnten, sind vorliegend nicht vorhanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 III GKG.

Ende der Entscheidung

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