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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 13 U 14/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 700
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10. Oktober 2001 - 11 O 18/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des gegen ihn vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein Unternehmensberater, nimmt die beklagte Sparkasse auf Schadensersatz in Anspruch, weil ihm am 30.10.1998 (einem Freitag) am Spätschalter der Hauptgeschäftsstelle der Beklagten im Hinblick auf vorliegende Pfändungen geringen Umfangs (insgesamt 873,50 DM) die Auszahlung von 4.000,00 DM verweigert wurde, obwohl sein Girokonto ein aktuelles Guthaben von 9.916,68 DM aufwies. Weil er deshalb eine am Sonnabend fällige Sicherheitsleistung (in bar) nicht habe erbringen können, sei ihm ein Beraterhonorar in Höhe von 50.000,00 DM entgangen.

Zum damaligen Zeitpunkt war das Konto des Klägers mit drei Pfändungsverfügungen belastet, nämlich der Kreiskasse des Rheinisch-Bergischen Kreises vom 1.10.1998 über 410,20 DM (diese Pfändung hatte jene Behörde auf Veranlassung des Klägers mit Schreiben vom 9.10.1998 an die Beklagte vorläufig ausgesetzt), der Stadtkasse der Stadt A. vom 21.10.1998 über 261,20 DM und der Stadtkasse L. vom 22.10.1998 über 202,10 DM. Die Beklagte hatte das Konto des Klägers wegen dieser Pfändungen in die manuelle Disposition genommen, so dass der Kläger Barabhebungen von seinem Konto an anderen als der kontoführenden Geschäftstelle (in H.) nur nach Freigabe durch den Kontoführer vornehmen konnte, der auch individuell darüber zu entscheiden hatte, ob die Möglichkeit zu Abhebungen am Geldautomaten (mit einem Tageslimit von 1.000,00 DM - so die erstinstanzliche Angabe der Beklagten - oder, wie in zweiter Instanz angegeben, 2.000,00 DM) erhalten blieb.

Am Vormittag des 30.10.1998 rief der Kläger die Zeugin M. von der Rechtsabteilung der Beklagten wegen der Pfändungen an und erhielt dort - die Einzelheiten des Gesprächs sind streitig - die Auskunft, dass er während der allgemeinen Geschäftszeiten weiterhin bei jeder Geschäftsstelle der Beklagten über sein die Pfändungen übersteigendes Guthaben verfügen könne. Nachdem der Kläger um 16:39 Uhr am EC-Geldautomaten der Filiale K.straße in A. 500,00 DM ausgezahlt erhalten hatte, begab er sich zum Spätschalter der Hauptstelle der Beklagten, wo ihm wegen des Sperrvermerks im Hinblick auf die vorliegenden Pfändungen die von ihm gewünschte Barauszahlung von 4.000,00 DM verweigert wurde. Am darauffolgenden Montag, dem 2.11.1998, erhielt der Kläger ohne Beanstandung den dann nur noch gewünschten Betrag von 3.000,00 DM ausgezahlt.

Mit Urteil vom 10.10.2001, auf das wegen näherer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner rechtlichen Beurteilung durch die Zivilkammer verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, im Hinblick auf die von ihr zu beachtenden Pfändungen Verfügungen des Klägers über sein Konto von der manuellen Disponierung durch den Kontoführer abhängig zu machen und habe auch keinen Anlass gehabt, den Kläger eigens darauf hinzuweisen, dass er deshalb den (freitags bis 18 Uhr geöffneten) Spätschalter der Hauptstelle nicht nutzen könne.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, angesichts seines lediglich durch die Höhe der ausgebrachten Pfändungen eingeschränkten Zahlungsanspruchs, der sich aus dem mit dem Girovertrag verknüpften unregelmäßigen Verwahrungsvertrag i.S.d. § 700 BGB ergebe, sei die Beklagte ohne entsprechende Vereinbarung mit ihm nicht berechtigt gewesen, Abhebungen des freien Guthabens eigens von einer Freigabe durch den Kontoführer abhängig zu machen. Er sei indessen weder von seiner kontoführenden Geschäftsstelle noch von der Zeugin M. auf Einschränkungen seiner Verfügungsmöglichkeiten über das pfändungsfreie Guthaben aufgrund "manueller" Disponierung seines Kontos hingewiesen worden, obwohl er bei dem Telefongespräch vom 30.10.1998 mit der Zeugin Milles zum Ausdruck gebracht habe, dass er noch an diesem Tage 4.000,00 DM benötige, jedoch nicht mehr zu seiner kontoführenden Geschäftsstelle in H. kommen könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.564,59 EUR nebst 6% Zinsen ab dem 16.09.1999 zu zahlen,

hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, der Kläger sei entsprechend der bei der Beklagten üblichen Handhabung telefonisch von dem Leiter der kontoführenden Geschäftsstelle über die Pfändungen und die mit der Übernahme des Kontos in die manuelle Disposition verbundenen Verfügungseinschränkungen unterrichtet worden. Die telefonische Ankündigung des Klägers gegenüber der Zeugin M., um die Mittagszeit einen größeren Geldbetrag abheben zu wollen, habe auch keinen Grund zu der Annahme gegeben, dass der Kläger gehindert sein könnte, die normalen Geschäftszeiten (bis 16 Uhr) einzuhalten, und sich auf die Nutzung des als besonderen Service nur an der Hauptgeschäftsstelle Elisenbrunnen in Aachen freitags bis 18 Uhr geöffneten Spätschalters verlegen würde.

Wegen aller Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers bleibt im Ergebnis erfolglos. Dass der Kläger gehindert war, am 30.10.1998 außerhalb der normalen Geschäftszeiten, zu denen auch seine kontoführende Geschäftsstelle geöffnet hatte, 4.000,00 DM von seinem Konto abzuheben, ist eine von ihm hinzunehmende Folge der Kontopfändungen. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte etwa durch unterlassene oder fehlerhafte Information des Klägers gegen ihre Pflichten aus dem Girovertrag oder aus dem damit verbundenen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag verstoßen hat.

1. Die Beklagte war berechtigt, aufgrund der ausgebrachten Pfändungen das Konto des Klägers aus der elektronisch-automatischen Disposition herauszunehmen und in die sog. manuelle Disposition zu nehmen, um durch individuelle Kontrolle der Kontobewegungen sicherzustellen, dass die Pfändungen beachtet wurden. Darin liegt keine Beschränkung des Anspruchs des Klägers auf Auszahlung des den arretierten Betrag übersteigenden Guthabens. Denn der Kläger war hierdurch in keiner Weise gehindert, während der gewöhnlichen Geschäftszeiten seiner kontoführenden Geschäftsstelle (in H.) dort oder auch bei anderen Geschäftsstellen der Beklagten am Schalter die volle Auszahlung seines nicht der Pfandverstrickung unterliegenden Guthabens zu erwirken. Bei Barauszahlungen durch eine nicht kontoführende Stelle muss sichergestellt sein, dass die Auszahlung in Ordnung geht (vgl. Senatsurteil vom 25.10.1995 - 13 U 28/95 -, OLGR 1996, 106 = NJW-RR 1996, 619). Es stellt daher keinen Organisationsmangel, sondern im Gegenteil ein Gebot ordnungsgemäßer Organisation dar, dass die Beklagte bei vorliegenden Pfändungen das Konto in die manuelle Disposition nimmt und so unter anderem sicherstellt, dass Barauszahlungen durch eine nicht kontoführende Stelle nur nach Rückfrage bei dem Disponenten der kontoführenden Geschäftsstelle erfolgen. Allein der Kontoführer hat den Überblick darüber, ob etwa bereits vordisponierte Verfügungen des Kunden (wie Überweisungsaufträge oder Scheckeinreichungen) vorliegen, die im Hinblick auf die Pfändungen einer Barauszahlung in der gewünschten Höhe entgegenstehen oder Anlass zu zusätzlichen Einschränkungen (wie die Sperre der Geldautomatennutzung) geben können. Die Überführung des Kontos in die manuelle Disposition bedurfte daher keines Einverständnisses des Klägers.

1. Die Beklagte hat auch nicht gegen die aus den girovertraglichen Schutzpflichten abzuleitende unselbständige Nebenpflicht verstoßen, den Kläger unverzüglich über die Kontopfändungen und die damit verbundenen Einschränkungen zu informieren, um ihm - unabhängig von der Information durch den pfändenden Gläubiger - die Möglichkeit zu geben, nachteilige Folgen der Pfändung durch entsprechende Dispositionen abzuwenden. Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat selbst eingeräumt, zum Teil schriftlich, zum Teil telefonisch von der Beklagten erfahren zu haben, dass die in Rede stehenden Pfändungen in sein Geschäftskonto vorlagen. Nach der - beispielhaft zu der ihr am 6.10.1998 zugestellten Pfändung vom 1.10.1998 über 410,20 DM - vorgelegten internen Verfügung der Rechtsabteilung der Beklagten vom 6.10.1998 (Bl. 48/398 GA) führt die Pfändung zu einer Anweisung an die kontoführende Geschäftsstelle (hier die Geschäftsstelle H.), in der es unter anderem heißt:

"Die Geschäftsverbindung ist über KIS-Abfragen 00 + 13 zu ermitteln. Sperren, Bonitätsmerkmale und Online-Hinweistexte sind maximal in Pfändungshöhe einzugeben (ggf. auch GAA-, S-Card, EC-Card- und Eurocard-Sperren sowie BTX). Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen sind wir verpflichtet, gegenüber dem Pfändungsgläubiger eine Drittschuldnererklärung abzugeben. Der Kunde ist aufzufordern, innerhalb von 10 Tagen die Aufhebung der Pfändung zu erwirken ....... Bei der Disposition der Konten ist die Pfändung unbedingt zu beachten, da wir dem Gläubiger gegenüber ansonsten schadensersatzpflichtig sind!"

Dafür, dass dies weisungsgemäß geschehen ist, spricht die Aussage des Zeugen G., der den damaligen Leiter der Geschäftsstelle H., den inzwischen verstorbenen Herrn H., im Rahmen der Bearbeitung des vom Kläger erhobenen Regressanspruchs hierzu befragt hat ("Bei meiner Befragung des Herrn Helsen hat dieser deutlich gemacht, dass Herr R. bei dem Telefonanruf durch Herrn H. relativ ungehalten reagiert habe. Herr R. habe es nicht einsehen wollen, dass er über sein Konto trotz des relativ geringfügigen Pfändungsbetrages ab sofort nur noch eingeschränkt verfügen konnte. Herr H. sagte mir, er habe versucht, Herrn R. deutlich zu machen, dass er nichts daran ändern könne, dass aufgrund der ausgebrachten Pfändungen das Konto fortan manuell disponiert werde."). Auf eine telefonische Kontaktaufnahme zwischen dem Kläger und Herrn H. bereits anlässlich der ersten Pfändung weisen auch die auf dem zum Verbleib in der kontoführenden Geschäftsstelle bestimmten Exemplar der internen Verfügung vom 6.10.1998 notierten Telefonnummern des Klägers hin. Es besteht ferner kein Grund zu der Annahme, dass der Geschäftsstellenleiter bei der fernmündlichen Unterrichtung des Klägers anlässlich dieser und/oder der beiden weiteren Pfändungen etwa irreführend den Eindruck erweckt haben könnte, dass aufgrund der Pfändungen das Konto des Klägers zur Gänze gesperrt sei (wie in dem der Entscheidung des OLG Rostock, OLGR 2002, 187 = BKR 2002, 329 = WM 2002, 1602 zugrundeliegenden Fall). In dem mit der Zeugin M. geführten Telefonat vom 30.10.1998 ging es dem Kläger denn auch erklärtermaßen darum, sicher zu stellen, dass er die 4.000,00 DM, die er an diesem Tage abheben wollte, auch an einer anderen als seiner kontoführenden Geschäftsstelle ausgezahlt erhielt ("Frau M. brachte in dem Gespräch mit mir zum Ausdruck, dass meine zuständige Geschäftsstelle in H. sei. Daraufhin sagte ich Frau M., dass ich an diesem 30.10.1998 nicht mehr nach H. kommen könne, und von daher wollte ich von ihr wissen, wo ich das Geld ausgezahlt bekommen könnte. Frau M. sagte mir, dass ich über den genannten Betrag verfügen könnte und dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, dass ich den Betrag etwa nicht erhalten würde. Frau M. machte mich in diesem Gespräch natürlich darauf aufmerksam, dass ich die 4.000,00 DM während der Geschäftsstunden bei einer Geschäftsstelle abheben könne."). Dies spricht dafür, dass der Kläger um die mit der manuellen Disposition seines Kontos verbundene grundsätzliche Einschränkung wusste, größere Beträge nur bei oder in Absprache mit seiner kontoführenden Geschäftsstelle abheben zu können. Da der Kläger in dem Gespräch mit Frau M. erklärt hatte, "um" die oder "ab" der Mittagszeit den größeren Betrag - ob er ihn mit 4.000,00 DM beziffert hat, kann dahinstehen - abheben zu wollen, hatte die Zeugin M. keine erkennbare Veranlassung zu der Annahme, dass der Kläger - zumal bei einer für ihn derart wichtigen und unaufschiebbaren Barauszahlung - die allgemeine Öffnungszeit der Geschäftsstellen, auf die eigens hingewiesen wurde und die ihm bekannt war, verstreichen und es auf die nur an der Hauptstelle in A. bestehende Möglichkeit zur Nutzung eines Spätschalters ankommen lassen würde. Es wäre Sache des Klägers gewesen, sich vorsorglich zu vergewissern, ob und unter welchen Voraussetzungen die Abhebung auch noch dort möglich war. Die Zeugin M. hätte dann in Absprache mit Herrn H. als Kontoführer eine betragsmäßig beschränkte Freigabe veranlassen können. Der Kläger hat es sich daher selbst zuzuschreiben, dass ihm am Abend des 30.10.1998 die von ihm gewünschte Auszahlung von 4.000,00 DM verweigert wurde, weil nach Geschäftsschluss seiner kontoführenden Geschäftsstelle nicht mehr abgeklärt werden konnte, ob die Auszahlung in Ordnung ging. Der ihm obliegende Beweis einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung der Beklagten ist ihm jedenfalls nicht gelungen. Die Aussagen der Zeugen M. und O. sind insoweit unergiebig, so dass es entbehrlich ist, auf sie näher einzugehen.

1. Nach alledem hat es bei dem angefochtenen Urteil zu verbleiben. Aus den vorstehenden Ausführungen erhellt zugleich, dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Anlass gibt, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer des Klägers durch dieses Urteil: 25.564,59 EUR.

Ende der Entscheidung

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