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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 13 U 168/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 218 Abs. 1 a.F.
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3 n. F.
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 26. August 2003 - 10 O 176/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Mit Urteil vom 26.08.2003, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Vollstreckungsgegenklage des Klägers, mit der er erstrebt, die von der Beklagten aus dem gerichtlichen Vergleich vom 22.10.1991 - 10 O 211/91 LG Aachen - wegen eines Teilbetrages von 5.000 EUR gegen ihn betriebene Zwangsvollstreckung in dieser Höhe für unzulässig zu erklären, sowie die vom Kläger hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Vereitelung einer Regressmöglichkeit des Klägers gegen die Firma J. GmbH (nachfolgend nur noch: J.) als unbegründet angesehen und die Klage deshalb abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er die beschränkte Vollstreckungsgegenklage einschließlich der Hilfsaufrechnung weiterverfolgt und ergänzend die Verurteilung der Beklagten erstrebt, ihm Auskunft über Geldeingänge auf dem Konto Nr. ###1 der J. bei der Beklagten für den Zeitraum vom 22.10.1991 bis zum 31.12.1994 zu erteilen, ist unbegründet.

I. Der Kläger versucht vergeblich, aus dem ihm von der Beklagten irrtümlich erteilten Jahreskontoauszug vom 31.12.1994 (Bl. 5 GA) mit den dort als Tilgung bzw. Gutschrift bezeichneten Beträgen von 60.000,00 und 280.000 DM, denen lediglich eine interne Abschreibung wegen Uneinbringlichkeit zugrunde lag, Kapital zu schlagen.

1. Mit dem gerichtlichen Vergleich vom 22.10.1991 (Bl. 48 ff. BA) waren - wie in Ziffer 4. jenes Vergleichs unmissverständlich bestimmt - sämtliche Ansprüche der Beklagten gegen die Hauptschuldnerin (J.) "abschließend geregelt und erledigt". Der zwischen der Beklagten und dem Kläger als Garantiegeber (gemäß Schreiben vom 11.09.1990) geschlossene Vergleich befreite die Hauptschuldnerin damit gegenüber der Gläubigerin von ihren Verbindlichkeiten (als Vertrag zugunsten Dritter). Die Nichteinhaltung der Ratenzahlungen gemäß Ziffer 2. des Vergleichs führte dazu, dass die Verpflichtung des Klägers gemäß Ziffer 1. des Vergleichs in restlicher Höhe sofort fällig und zahlbar wurde, ließ jedoch Ansprüche gegen die J. nicht wieder aufleben. Für eine anderweitige Auslegung gibt der Erklärungszusammenhang des Vergleichs nichts her. Die im Aktenvermerk vom 27.04.1994 (Bl. 51 f. GA) angesprochene und mit Recht problematisierte gegenteilige Auffassung der Rechtsabteilung der X ist unerheblich. Weder die bereits damals bestehende Einzelwertberichtigung von 1.180.000,00 DM noch die Abschreibung und Ausbuchung jener Forderung gegen die J. konnten daher rechtliche Auswirkung auf die restliche Vergleichsschuld des Klägers haben. Die X hatte bereits mit dem Vergleich vom 22.10.1991 auf jegliche Forderungen gegen die J. verzichtet, es gab daher insoweit nichts mehr zu erlassen.

2. Unschlüssig ist auch der vom Kläger im Berufungsverfahren unternommene Versuch, den Jahreskontoauszug vom 31.12.1994 als Folge vermeintlicher Erfüllungsleistungen Dritter darzustellen.

a) Aus Ziffer 4. des gerichtlichen Vergleichs vom 22.10.1991, wonach mit der Vergleichsregelung auch sämtliche Ansprüche der Klägerin gegen die J. "abschließend geregelt und erledigt" sind, lässt sich nichts für die Rechtsbehauptung des Klägers entnehmen, dass alle nach dem Vergleichsschluss auf dem Konto der J. bei der Beklagten eingehenden Zahlungen Dritter, soweit sie bis zum 22.10.1991 entstandene Forderungen der J. betreffen, auf den Vergleichsbetrag anzurechnen gewesen seien. Die Freistellung der J. von allen Ansprüchen der Beklagten besagt nichts über die Verwendung weiterer Zahlungseingänge auf dem Konto der J. bei der Beklagten. Die Beklagte vermisst daher mit Recht "die Darlegung des erforderlichen juristischen Bindeglieds zwischen Zahlungen von Schuldnern an J. einerseits und deren Anrechnung auf die Schuld des Klägers andererseits" (Bl. 204 unten GA). Durch den Vergleich vom 22.10.1991 wurde die Alleinhaftung des Klägers in Höhe des in Ziffer 1. genannten Betrages (830.063,20 DM nebst 4% Zinsen seit dem 14.06.1991) begründet und dadurch die J. vor der Insolvenz bewahrt. Es kann als richtig unterstellt werden, dass im Innenverhältnis zwischen Kläger und J. jene die Ratenzahlungen nach Maßgabe der Ziffer 2. des Vergleichs aufbringen sollte. Nach eigenen Angaben hat der Kläger denn auch die ersten drei Raten aus Guthaben der J. beglichen. Um so fernliegender ist die Annahme, die Beklagte habe neben diesen vom Kläger selbst veranlassten Ratenzahlungen auf das hierzu eigens eingerichtete Konto bei der Beklagten und/oder nach Einstellung dieser Ratenzahlungen des Klägers bestimmte Zahlungseingänge auf dem Konto der J. mit der Vergleichsforderung verrechnen sollen.

b) Angeblich hat der Kläger im Zusammenhang mit der im Sommer 1992 erfolgten Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an der J. an den von ihm benannten W G mit diesem vereinbart, dass aus dem Forderungsbestand der J. ein "individualisierter Aktivposten" - hierbei soll es sich um eine Forderung der J. gegen die U GmbH gehandelt haben - zur Freistellung des Klägers gegenüber der Beklagten durch Zahlung auf das für Eingänge auf die Vergleichsforderung für den Kläger eingerichtete Konto bei der Beklagten verwendet werde (Bl. 72/124 GA). Zu einer solchen Freistellungsvereinbarung hätte im Sommer 1992 indessen gar keine Veranlassung mehr bestanden, wenn sämtliche Zahlungen an die J. auf Forderungen, die bereits vor dem 22.10.1991 entstanden waren, vereinbarungsgemäß auf die Vergleichsforderung der Beklagten gegen den Kläger hätten verrechnet werden sollen. Denn dann wäre die Vergleichsforderung bis zur Veräußerung der Geschäftsanteile des Klägers an der J. nach dessen eigenem Vorbringen längst erfüllt gewesen: Schon die vom Kläger - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - hierzu aufgelisteten, bei Vergleichsabschluss bereits fälligen Großforderungen (zwischen 10.000,00 und 800.000,00 DM) gegen sechs namhaft gemachte Unternehmen addieren sich auf über 1.230.000,00 DM (Bl. 194 GA). Da der Kläger es bis zur Veräußerung seiner Geschäftsanteile an der J. (genauer: an der B Ltd. als Alleingesellschafterin) aufgrund seiner beherrschenden Stellung - sowie bis zum 10.12.1991 auch noch als Geschäftsführer der J. - selbst in der Hand hatte, dafür zu sorgen, dass Zahlungseingänge auf bis zum 22.10.1991 entstandene Forderungen der J. zur Erfüllung der Vergleichsforderung verwendet wurden, bestand auch gar kein Bedürfnis für eine Ermächtigung und Verpflichtung der Beklagten, entsprechende Zahlungseingänge auf dem Konto der J. bei der Beklagten auf die Vergleichsforderung gegen den Kläger zu verrechnen. Im Übrigen gäbe eine solche Vereinbarung mit der Beklagten auch nur Sinn, wenn ihr hierzu eine Debitorenliste der bis zum 22.10.1991 entstandenen Forderungen der J. zur Verfügung gestellt worden wäre. Soweit es sich um Zahlungseingänge auf das Konto der J. bei der E Bank handelte, wäre den wöchentlichen Überweisungen des jeweiligen Habensaldos auf das Konto der J. bei der Beklagten - sofern sie auch nach dem 22.10.1991 fortgesetzt worden sein sollten - ohnehin nicht anzusehen gewesen, in welchem Umfang darin Zahlungseingänge auf bis zum 22.10.1991 entstandene Forderungen der J. enthalten sein mochten. Erst recht ist es unglaubhaft, dass der Kläger blindlings auf entsprechende Zahlungseingänge und deren Verrechnung durch die Beklagte auf die Vergleichsforderung vertraut haben will. Folgt man seiner Darstellung zu den angeblich zu verrechnenden Debitoren, hätte die Vergleichsforderung längst getilgt sein müssen, als er im Sommer 1992 seine (über die B Ltd. gehaltenen) Geschäftsanteile an der J. übertragen hat.

c) Da Herr G nach eigener Darstellung des Klägers mit den Geschäftsanteilen sämtliche Aktiva und Passiva der J. übernommen hat (Bl. 72 oben GA), ist von diesem Zeitpunkt an ohnehin kein Grund mehr ersichtlich, weshalb Zahlungseingänge auf Forderungen der J. noch dem Kläger hätten zugute kommen sollen. Die in dem Kontoauszug vom 31.12.1994 genannten Tilgungs- bzw. Gutschriftdaten (14.07.1994 per 30.06.1994) gaben dem Kläger jedenfalls keinen Anlass zu der Annahme, dass damit die in dem Vergleich vom 22.10.1991 gegen ihn titulierte Forderung - gar noch fristgerecht - erfüllt worden sei. Die Aufteilung in 60.000,00 DM als "Tilgung" und 280.000,00 DM als "Gutschrift" ergab aus der Sicht des Klägers ebenfalls keinen Sinn.

3. Nicht haltbar ist schließlich auch der vom Landgericht mit Recht als unbegründet angesehene Einwand der Verwirkung.

a) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, NJW 2003, 824 m.w.Nachw.). Schon an das Zeitmoment sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn es um die Verwirkung von Forderungen aus rechtskräftigen Vollstreckungstiteln geht, die - wie die hier zugrunde liegende Forderung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 22.10.1991 - einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegen (§ 218 Abs.1 BGB a.F.; § 197 Abs.1 Nr.3 BGB n.F.).

b) Danach kann auch hier von einer Verwirkung keine Rede sein. Es kann schon nicht festgestellt werden, dass die Beklagte unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen von einer Bank vernünftigerweise weitere Schritte zur Wahrung bereits titulierter Ansprüche unternommen zu werden pflegen. Die Beklagte hatte, nachdem der Kläger seine Zahlungen eingestellt hatte, bereits im Juni 1993 erfolglos vollstreckt. Ausweislich der Feststellung im Gerichtsvollzieherprotokoll vom 30.06.1993 hatte die Ehefrau des Klägers erklärt, ihr Mann wohne nicht mehr in ihrem Haushalt, er habe seine Wohnung in Belgien genommen, die Anschrift sei ihr nicht bekannt (Bl. 84 GA). Das erschien im Hinblick darauf, dass die Steuerfahndung gegen den Kläger ermittelte (Bl. 60 f. GA), durchaus plausibel. Unbeschadet der internen Abschreibung ihrer Restforderung gegen den Kläger als uneinbringlich nach Maßgabe des Vermerks vom 27.04.1994 hat die Beklagte keineswegs ihre Absicht aufgegeben, weiterhin Vollstreckungsversuche gegen den Kläger zu unternehmen, wie im letzten Absatz des vorgenannten Vermerks festgehalten (Bl. 52 GA): "Unsere Forderung gegen Herrn F werden wir nach außen weiterverfolgen (ggf. bis zur eidesstattlichen Versicherung)." Die Weiterverfolgung scheiterte indessen bis auf weiteres daran, dass sich der Kläger ausweislich der von der Beklagten eingeholten EMA-Auskunft der Gemeinde M vom 19.12.1995 nach E1 abgemeldet hatte (Bl. 86 GA); tatsächlich will er sich indessen weiterhin in M, O-Straße 34, aufgehalten haben (wo er sich - wie aus dem Gerichtsvollzieherprotokoll ersichtlich - von seiner Ehefrau verleugnen ließ). Die weitere Zeitspanne bis April 2001, als das Inkassounternehmen D im Auftrag der Beklagten an den Kläger herantrat, ist bei einer titulierten Bankforderung als Verwirkungsfrist nicht ausreichend (zu den Anforderungen an die Verwirkung titulierter Darlehensansprüche siehe auch Senatsbeschluss vom 27.10.2003 - 13 W 62/03 -).

c) Aus den obigen Ausführungen folgt zugleich, dass der Kläger keinen berechtigten Anlass hatte, auf eine Tilgung seiner Vergleichsschuld durch Verrechnung mit Zahlungseingängen auf bis zum 22.10.1991 entstandene Forderungen der J. zu vertrauen. Der Kläger hatte auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass im Jahre 1994 von dritter Seite Zahlungen in Höhe von 340.000,00 DM auf die Verbindlichkeiten der J erbracht und zu seinen Gunsten verrechnet worden sein könnten. Dass sich der Kläger nach Erhalt des Jahreskontoauszuges vom 31.12.1994 nicht bei der Beklagten nach dem Hintergrund erkundigt, sondern sich lieber weiter still verhalten hat, spricht ebenfalls gegen die Annahme, der Kläger habe auf entsprechende Zahlungsvorgänge zu seinen Gunsten vertraut. Jedenfalls durfte er ohne jegliche Tatsachengrundlage nicht blindlings auf die Richtigkeit jenes Kontoauszuges vertrauen, sondern musste unter den aufgezeigten Umständen damit rechnen, dass er irrtümlich erteilt worden war. Dass der Kläger nach Erhalt des Schreibens der D vom 11.04.2001 bei einer telefonischen Anfrage von einer Sachbearbeiterin der Beklagten die Antwort erhalten mag, er sei dort nicht mehr als Schuldner registriert, lässt sich ohne weiteres mit den bereits abgehandelten bankinternen Ausbuchungsvorgängen aus dem Jahre 1994 erklären.

4. Nach alledem scheidet auch der hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch des Klägers wegen angeblich im Vertrauen auf die Richtigkeit des Kontoauszuges vom 31.12.1994 unterlassener Geltendmachung von Regressansprüchen gegen die J. - unabhängig vom Ausgang des bereits im Januar 1993 eröffneten gerichtlichen Vergleichsverfahrens - von vornherein aus.

II. Da es an einer schlüssigen Darlegung einer Verpflichtung der Beklagten zur Verrechnung von nach dem 22.10.1991 etwa erfolgten Zahlungseingängen auf dem Konto der J. bei der Beklagten mit der titulierten Forderung gegen den Kläger fehlt, ist auch keine Rechtsgrundlage für den vom Kläger zweitinstanzlich ergänzend geltend gemachten Auskunftsanspruch gegeben.

III. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass kein gesetzlicher Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO besteht, die Revision zuzulassen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 12.500 EUR

(davon 5.000 EUR für die Hilfsaufrechnung und 2.500 EUR für den Auskunftsantrag).

Ende der Entscheidung

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