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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 13 U 183/02
Rechtsgebiete: BGB, WpHG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 823 Abs. 2
WpHG § 31 Abs. 2 Nr. 1
WpHG §§ 31 f.
ZPO § 141
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 183/02

Verkündet am 17.09.2003

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.07.2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und der Richterin am Amtsgericht Rottländer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 19.11.2002 - 3 O 429/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Zeugen G., wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch. Die Klägerin und ihr Ehemann veräußerten im Jahre 1999 eine Inhaberschuldverschreibung im Werte von 500.000,-- DM und erwarben stattdessen Anteile am Dachfonds D.-Struktur: Wachstum. Vorausgegangen waren Gespräche mit dem Beklagten zu 2., der als Anlageberater bei der Beklagten zu 1. tätig ist. Nach weiteren Gesprächen mit dem Beklagten zu 2. verkauften sie im Februar 2000 einen Teil der Anteile wieder und erwarben Anteile an den Fonds D.-Struktur: Chance und D.-Technologie TF. Im März 2001 veräußerten sie sämtliche Fondsanteile und erzielten hierbei einen Erlös von insgesamt 357.288,77 DM.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht beweisen können, da die Aussage ihres als Zeuge vernommenen Ehemannes in wesentlichen Punkten die Darstellung des Beklagten zu 2. im Rahmen seiner Anhörung als Partei stütze. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei deshalb davon auszugehen, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann nach einem eingehenden Beratungsgespräch mit dem Beklagten zu 2. unter Abwägung der Vorteile und Risiken für die Anlage in den D.-Struktur-Fonds entschieden hätten. Auch hinsichtlich der Gespräche vor der Umschichtung der Anlage im Februar 2000 sei eine Pflichtverletzung auf der Seite der Beklagten nicht festzustellen.

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 22.11.2002 zugestellt worden ist, hat diese mit einem am 18.12.2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.01.2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach zwischenzeitlicher Reduzierung ihres Antrages noch in Höhe von 46.818,70 € unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe den Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zutreffend gewürdigt. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen, dass die Initiative für eine Geldanlage in einen Investmentfonds statt - wie zuvor - in festverzinsliche Inhaberschuldverschreibungen vom Beklagten zu 2. ausgegangen sei. Da es ihr und ihrem Ehemann erklärtermaßen darum gegangen sei, aus den Erträgnissen des Kapitalstocks monatlich 3.000,-- DM zur Aufbesserung ihrer geringen gesetzlichen Rente zu entnehmen, habe der Beklagte zu 2. nicht zu einer entsprechenden Anlage raten dürfen, sondern hiervon abraten müssen. Der Beklagte zu 2. habe über die Risiken einer solchen Anlage auch nicht ausreichend aufgeklärt. Ihr und ihrem Ehemann sei auf der Grundlage der Beratung des Beklagten zu 2. nicht klar gewesen, dass der Kapitalstock habe angegriffen werden können. Der vom Beklagten zu 2. übergebene Prospekt betreffend D.-Fonds sei nichtssagend gewesen. Soweit das Landgericht auf den mit der Veräußerung der Inhaberschuldverschreibung erzielten Vorteil eines steuerfreien Kursgewinns abgestellt habe, sei dieser für sie und ihren Ehemann tatsächlich bedeutungslos gewesen. Überbewertet habe das Landgericht weiter den Umstand, dass ihr Ehemann 120 T-Aktien bei deren Erstausgabe käuflich erworben habe. Schließlich habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die fehlerhafte Grundberatung durch den Beklagten zu 2. im Rahmen der Beratungsgespräche im Februar 2000 fortgewirkt habe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin noch einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage folgender Berechnung:

Wertverlust des Depot im Zeitraum 02/00 bis 03/01 155.458,30 DM Zinsschaden (Wegfall d. Verzinsung aus Inhaberschuldverschreibung) 54.861,11 DM Zwischensumme: 210.319,41 DM abzgl. Entnahmen 08/99-02/01= 19 x 3.000,-- DM 57.000,00 DM abzgl. Kursgewinn durch Veräußerung Inhaberschuldverschreibung 43.750,00 DM abzgl. Weiterer Entnahmen 12.000,-- + 6.000,-- DM 18.000,00 DM Summe: 91.569,41 DM entspr. 46.818,70 €

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 19.11.2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn - 3 O 429/01 - die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 46.818,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 10.07.2001 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie sind der Ansicht, die Klägerin und ihr Ehemann hätten ihre Anlageentscheidung nach sorgfältiger Aufklärung über die Chancen und Risiken getroffen. Daß beide die grundlegenden Unterschiede zwischen einer festverzinslichen Geldanlage und einer Anlage in Investment- bzw Aktienfonds verstanden hätten, habe sich auch in der weiteren Anlageentscheidung im November/Dezember 1999 gezeigt, bei der der zu investierende Betrag zur Hälfte in eine Inhaberschuldverschreibung und zur Hälfte in den Fonds D.-Struktur: Chance angelegt worden sei. Bei der Bestimmung der Aufklärungspflichten müsse im übrigen der Wissensstand zur Zeit der jeweiligen Gespräche zugrundegelegt werden. Weiter sei der Klägerin und ihrem Ehemann durch die erste Anlageentscheidung im Juli 1999 überhaupt kein Schaden entstanden. Soweit im Rahmen der Anlageentscheidung im Februar 2000 in den Fonds D.-Struktur: Chance investiert worden sei, ergebe sich aus der Aussage des Ehemannes der Klägerin deutlich, dass sowohl ihr als auch dem Zeugen die besonderen Risiken dieses Fonds bewusst gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klägerin stehen aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes gegenüber den Beklagten keine Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung zu.

1. Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten zu 1. keine Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung durch den Beklagten zu 2. aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung i. V. m. § 278 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG zu. Sie hat den Nachweis ihrer Behauptung nicht führen können, wonach der Beklagte zu 2. sie und ihren Ehemann fehlerhaft beraten und unzureichend aufgeklärt habe.

Die Parteien haben sowohl im Juli 1999 als auch im Februar 2000 einen Beratungsvertrag geschlossen. Zwischen Kunde und Bank kommt ein Beratungsvertrag stillschweigend zustande, wenn ein Kunde an das Kreditinstitut oder der Anlageberater des Kreditinstitutes an einen Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten (vgl. BGH WM 1993, 1455, 1456; BGH NJW-RR 2000, 1497, 1498).

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Anlageberatung muß anlegergerecht und objektgerecht sein. Anlegergerechte Beratung bedeutet insbesondere, daß der Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art, dessen finanzielle Verhältnisse sowie dessen Risikobereitschaft und dessen Anlageziel zugrundezulegen sind (BGH WM 1993, 1455, 1456; BGH NJW-RR 2000, 1497, 1498). Objektgerechte Beratung bedeutet, daß diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjektes zu berücksichtigen sind, die für die konkrete Anlageentscheidung eine Bedeutung haben oder haben können, wobei die allgemeinen Risiken, wie etwa Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarktes einzubeziehen sind (BGH, jeweils a.a.O.). Über diese Umstände hat die Bank richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten, soweit diese für das konkrete Anlagegeschäft von Bedeutung sind (BGH, jeweils a.a.O.). Diese Grundsätze sind in den §§ 31 f. WpHG positivrechtlich festgelegt. Die §§ 31 f. WpHG stellen insoweit lediglich Konkretisierungen allgemeiner Rechtsgrundsätze dar (vgl. Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 2. A., vor § 31 Rdz. 19).

Dem Anleger obliegt die Beweislast für eine nach vorstehenden Maßgaben fehlerhafte oder unzureichende Aufklärung. Das Kreditinstitut muß seinerseits allerdings konkret darlegen, mit welchem Inhalt es eine Beratung und Aufklärung durchgeführt hat (BGH ZIP 1992, 1614, 1617).

a)

Auch nach der Darstellung der Klägerin hat sich der Beklagte zu 2. bei den Gesprächen im Juli 1999 nach den finanziellen Verhältnissen und Anlagewünschen der Klägerin und ihres Ehemannes erkundigt. Grundlage der weiteren Beratung war daher, daß die Klägerin und ihr Ehemann Eigentümer eines schuldenfreien Einfamilienhauses in M. waren und sie darüber hinaus eine Inhaberschuldverschreibung im Werte von 500.000,-- DM hielten, aus deren Erträgnissen sie monatlich einen Betrag von 3.000,-- DM benötigten, um damit ihre geringe gesetzliche Rente von 1.000,-- DM aufzubessern.

(aa)

Die Klägerin hat nicht beweisen können, daß der Beklagte zu 2. nicht oder nur unzureichend über die Risiken der von ihm vorgestellten Anlage in den Dachfonds D.-Struktur: Wachstum aufgeklärt hat. Die hierzu vorgenommene Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach die Aussage des Zeugen G. in wesentlichen Punkten sogar die Darstellung des Beklagten zu 2. im Rahmen seiner Anhörung als Partei gemäß § 141 ZPO stützt, läßt Fehler nicht erkennen.

Der Beklagte zu 2. hat die Klägerin und ihren Ehemann - insoweit unstreitig - zunächst darüber informiert, daß sie durch die Veräußerung der von ihnen gehaltenen Inhaberschuldverschreibung einen steuerfreien Kursgewinn von ca. 44.000,-- DM realisieren könnten, bei einer Neuanlage in Inhaberschuldverschreibungen das bisherige Zinsniveau in Höhe von 6,25 % p.a. allerdings nicht mehr zu erreichen sei. Der Zeuge G. hat bestätigt, daß er von der gewinnträchtigen Veräußerungsmöglichkeit zuvor keine Kenntnis gehabt habe und er und seine Ehefrau so die Chance hatten, einen Geldbedarf zu decken, der durch den Umzug und Arbeiten am Haus bestanden habe. Die Beweisaufnahme hat sodann nicht ergeben, daß der Beklagte zu 2. die Risiken der Anlage in einen Investmentfonds für den Fall des Verkaufs der Inhaberschuldverschreibung unzureichend oder unrichtig dargestellt hat.

Der Zeuge G. hat im Rahmen seiner Vernehmung bekundet, der Beklagte zu 2. habe den Verkaufsprospekt für die D.-Struktur-Dachfonds übergeben und die unterschiedlichen Dachfonds erläutert. Die weitere Aussage des Zeugen, der Fonds D.-Struktur: Chance sei nach der Darstellung des Beklagten zu 2. derjenige mit dem größten Risiko gewesen und der Fonds D.-Struktur: Wachstum sei die "goldene Mitte" zwischen Chance und Risiko gewesen, widerlegt bereits die Behauptung der Klägerin, in dem Gespräch sei von den Risiken einer Anlage in Fonds keine Rede gewesen. Diese Aussage spricht des weiteren auch gegen die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, dass der Beklagte zu 2. eine sichere Rendite von mindestens 8 % zugesagt haben soll. Soweit die Klägerin behauptet hat, der Beklagte zu 2. habe vorgegeben, die von ihm erteilten Informationen über die Entwicklung der D.-Struktur-Dachfonds beruhten auf realen Zahlen aus der Vergangenheit, hat der Zeuge lediglich ausgesagt, er habe die Erklärungen nicht dahin verstanden, die Dachfonds seien erst seit kurzer Zeit auf dem Markt. Der Zeuge hat überdies die - von der Klägerin selbst bestrittene - Darstellung des Beklagten zu 2. bestätigt, wonach dieser die langfristige Entwicklung eines Aktienfonds anhand der Entwicklung des bereits seit 1962 bestehenden A.D.-Fonds aufgezeigt habe. Nachdem seine Ehefrau sich sodann spontan für eine Investition in diesen Fonds ausgesprochen habe, so der Zeuge, habe der Beklagte zu 2. sie davon unter Verweis auf das Risiko wieder abgebracht.

Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, daß der Beklagte zu 2. die Klägerin und ihren Ehemann unzureichend über die Möglichkeit des Verlustes des Kapitalstocks aufgeklärt hat. Dagegen sprechen schon die seitens des Zeugen G. bestätigten mehrfachen Hinweise des Beklagten zu 2. auf zu hohe Risiken einzelner Anlagen in Investmentfonds. Aus der durch den Beklagten zu 2. auch nach der Aussage des Zeugen G. aufgezeigten Wertentwicklung des A.D.-Fonds war das Risiko von Kursschwankungen und Verlusten erkennbar. Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang bestätigt, dass ihm während des Gesprächs ein Schaubild ähnlich Bl. 140 d. A. vorgelegt worden ist, in welchem Kurseinbrüche markiert und deutlich hervorgehoben sind. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, der Beklagte zu 2. habe die von ihm mehrfach gestellte Frage nach dem Erhalt des Kapitalstocks zu keiner Zeit mit einem klaren "ja" beantwortet; ihm hätten die Risiken damals allerdings nicht so klar vor Augen gestanden, wie sie sich in der Wirklichkeit gezeigt hätten. Aus den Bekundungen des Zeugen, der nach eigenen Angaben Vertriebsdirektor in der keramischen Industrie war und vor den mit dem Beklagten zu 2. geführten Beratungsgesprächen immerhin bereits 120 T-Aktien erworben hatte, ergibt sich damit, dass dieser selbst auch durchaus Risiken der durch den Beklagten zu 2. vorgestellten Anlagemöglichkeiten gesehen hat. Der Beklagte zu 2. hat im Rahmen seiner Anhörung erklärt, er habe sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Garantie für den Erhalt des Kapitalstocks bei ungünstigem Kursverlauf nicht gegeben werden könne. Den Erklärungen einer Partei kommt, auch wenn diese nur formlos zum Inhalt von Gesprächen der Parteien angehört worden ist, kein geringerer Beweiswert zu als der Aussage eines - zumal selbst beteiligten - Zeugen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1061; BGH NJW 1999, 363, 364). Jedenfalls steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest, dass der Beklagte zu 2. über die Risiken einer Anlage in einem Strukturfonds, insbesondere die Möglichkeit eines zumindest teilweisen Verlustes des Kapitalstocks nicht aufgeklärt hat.

(bb)

Eine Beratungspflichtverletzung ergibt sich schließlich nicht alleine aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 2. der Klägerin und ihrem Ehemann überhaupt zu einer Anlage in den D.-Strukturfonds geraten hat. Die Berufung erblickt in dieser Beratung schlechthin eine Pflichtverletzung in Form einer nicht anlegergerechten Beratung, da die Klägerin und ihr Ehemann erklärtermaßen darauf angewiesen waren, durch die Erträgnisse ihres Kapitals ihre nur geringe gesetzliche Rente aufzubessern. Nach Auffassung der Berufungsführerin habe der Beklagte zu 2. deshalb von einer entsprechenden Anlage in jedem Falle abraten müssen. Ein Beratungsfehler im Sinne einer nicht anlegergerechten Beratung liegt aber nur vor, wenn über die Chancen und Risiken einer Anlage nicht oder nicht zutreffend aufgeklärt wird. Informiert eine Bank einen Kunden vollständig über die für seine Anlageentscheidung erheblichen Umstände, so ist es die eigenverantwortliche Entscheidung des Kunden, ob er sich für oder gegen die ihm seitens der Bank empfohlene Anlagemöglichkeit entscheidet.

In seiner "Fokker"-Entscheidung (BGH NJW-RR 2000, 1497, 1498) hat der Bundesgerichtshof hierzu ausgeführt, eine nicht anlegergerechte Beratung liege vor, wenn gegenüber einem Anleger, der eine sichere Anlage zur Alterssicherung wünsche, eine durchaus risikoreiche Anlage in Aktien als sicher und - im konkreten Fall - als eine Art "holländischer Bundesschatzbrief" dargestellt werde. Der Bundesgerichtshof hat also nicht in der Empfehlung als solcher, sondern darin eine Pflichtverletzung erblickt, dass der Kunde unzutreffend über die vorhandenen Risiken informiert worden war. Vorliegend hat die Klägerin indes, wie ausgeführt, nicht den Nachweis einer unzureichenden Risikoaufklärung führen können. Für die Klägerin und ihren Ehemann bot sich die Möglichkeit, durch den Verkauf der Inhaberschuldverschreibung einen erheblichen steuerfreien Kursgewinn zu erzielen. Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, war dieser Vorteil für die Klägerin und ihren Ehemann auch keineswegs bedeutungslos, hat doch der Zeuge G. im Rahmen seiner Anhörung bekundet, durch den Umzug sei zum damaligen Zeitpunkt ein konkreter zusätzlicher Geldbedarf vorhanden gewesen. Demzufolge waren seitens der Klägerin und ihres Ehemannes die Chancen und Risiken einer anderweitigen Investition ihres Kapitals gegeneinander abzuwägen. Daß ihre Entscheidung auf der Grundlage einer unzureichenden Aufklärung erfolgt ist, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Unstreitig ist in diesem Zusammenhang, daß die Verkaufs-/ und Kaufaufträge nicht unmittelbar im Anschluß an das ausführliche Beratungsgespräch am 05.07.1999 erteilt worden sind. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten also Gelegenheit, die Sache in Ruhe zu überdenken.

b)

Die Klägerin hat - entsprechend der fehlerfreien Würdigung des Landgerichts - nicht beweisen können, dass die Anlageberatung durch den für die Beklagte zu 1. handelnden Beklagten zu 2. vor der Umschichtung der Anlage im Februar 2000, nämlich der Aufteilung in Anteile am Fonds D.-Struktur: Wachstum, D.-Struktur: Chance und D.-Technologie TF, fehlerhaft war.

Nicht zu beanstanden ist die Wertung des Landgerichts, die Aufklärung durch den Beklagten zu 2. habe nicht das Ausmaß der Ausgangsberatung im Juli 1999 haben müssen, da die Klägerin und ihr Ehemann zu diesem Zeitpunkt bereits über entsprechendes Wissen und Kenntnisse verfügt hätten. Zu Recht hat die Zivilkammer auch darauf hingewiesen, dass die zwischenzeitliche - nicht streitgegenständliche- Anlageentscheidung der Klägerin und ihres Ehemannes im November/Dezember 1999 bereits gezeigt hatte, dass beiden die unterschiedlichen Chancen und Risiken einer Anlage in einen Investmentfonds einerseits und in festverzinsliche Wertpapiere andererseits auch tatsächlich klar geworden waren. Bei der Anlage eines damals freigewordenen Betrages in Höhe von 30.000,-- DM war es nach der Aussage des Zeugen G. zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen seiner Ehefrau und ihm gekommen. Letztlich habe er sich mit seiner Ehefrau, die den gesamten Betrag in den risikoreicheren Fonds D.-Struktur:Chance habe investieren wollen, dahin geeinigt, dass der Betrag zur Hälfte in diesen Fonds und zur Hälfte in eine festverzinsliche Anlage geflossen sei.

Da insbesondere dem Zeugen G. aufgrund der ersten Beratung bereits klar war, dass der Fonds D.-Struktur: Chance der risikoreichste der D.-Strukturfonds war, kann in dem Verhalten des Beklagten zu 2. im Februar 2000, der Klägerin und dem Zeugen die fiktive günstigere Ertragsentwicklung bei einer anfänglichen Investition in diesen Fonds aufzuzeigen, keine Pflichtverletzung liegen. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung ferner bekundet, er habe aus Gründen der Sicherheit - abweichend von dem erklärten Willen seiner Ehefrau - auf einer Aufteilung der Anlage statt einer alleinigen Investition in den Fonds D.-Struktur: Chance bestanden. Nach seinem Bekunden hat der Zeuge bei diesem Beratungsgespräch selbst die Sprache auf Technologiewerte gebracht, allerdings habe der Beklagte zu 2. hierzu keine Einzelheiten erläutert. Dieser Aussage stehen indes die detaillierten Erklärungen des Beklagten zu 2. entgegen, der ausgeführt hat, er habe auf die besonderen Risiken von Branchenfonds hingewiesen. Bezüglich dieses Punktes lässt sich eine Aufklärungspflichtverletzung deshalb ebenfalls nicht feststellen. Die Anlage ist letztlich, so der Zeuge, entsprechend seinem Vorschlag umgeschichtet worden. Daß die Entscheidung für diese Umschichtung auf einer mangels ausreichender Aufklärung unzureichenden Grundlage beruhte, lässt sich, wie ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen.

Es spricht in diesem Zusammenhang sogar vieles dafür, dass sich das Anlageziel der Klägerin und ihres Ehemannes im Februar 2000 in Richtung einer stärkeren Ertrags- und Risikoorientierung verschoben hatte. Dies liegt insbesondere deshalb nahe, weil bis Februar 2000 mit der Anlage erhebliche Gewinne erzielt worden waren. Der Verkaufswert des Depots betrug am 16.02.2000 ausweislich der Aufstellung der Klägerin vom 14.06.2002 (Bl. 104f) 529.371,43 DM und lag damit um fast 30.000,-- DM über dem Kapitalstock von 500.000,-- DM, wobei zusätzlich bereits insgesamt sieben Mal Entnahmen in Höhe von 3.000,-- DM getätigt worden waren.

c)

Hat die Klägerin demnach den Nachweis einer Aufklärungs- bzw. Beratungspflichtverletzung nicht führen können, so scheiden vertragliche wie deliktische Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG aus. Die Voraussetzungen der Feststellung einer Pflichtverletzung i. S. v. § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sind keine anderen wie bei Pflichtverletzungen innerhalb eines Beratungsvertrages (Brandenb. OLG NJW-RR 2002, 45, 47). Ob § 31 Abs. 2 Nr.1 WpHG überhaupt als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist (so Assmann/Schneider a.a.O. Rdz. 17) oder ausschließlich aufsichtsrechtliche Bedeutung hat, kann offen bleiben.

2.

Mangels Nachweises einer Pflichtverletzung stehen der Klägerin auch gegenüber dem Beklagten zu 2. keinerlei Schadensersatzansprüche zu.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung beruht vielmehr auf der tatrichterlichen Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

Bis 03.06.2003: 66.759,08 € Ab 03.06.2003: 46.818,70 €

Ende der Entscheidung

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