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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.03.2004
Aktenzeichen: 13 U 192/03
Rechtsgebiete: BGB, UKlaG


Vorschriften:

BGB § 305
UKlaG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Im Namen des Volkes Urteil

13 U 192/03

Verkündet am: 31.03.2004 Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11. Juni 2003 - 26 O 100/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die nach §§ 3, 4 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) hierzu befugte Klägerin verlangt von der beklagten Bank die Unterlassung des Gebrauchs vermeintlicher Allgemeiner Geschäftsbedingungen, welche die Klägerin darin sieht, dass die Beklagte auf der Grundlage einer internen Anweisung bei der Rückgabe von Lastschriften wegen fehlender Kontodeckung die betreffenden Kundenkonten mit 6 € je Lastschriftrückgabe belastet und diesen Belastungsbetrag gegenüber den Kunden als Teilschadensersatz wegen Verletzung einer Kontodeckungspflicht rechtfertigt. Die Klägerin macht geltend, die in diesem Verhalten der Beklagten liegende Allgemeine Geschäftsbedingung sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs.1 und 2 BGB sowie gegen § 309 Nr.5b BGB unwirksam.

Mit Urteil vom 11.06.2003 (veröffentlicht in VuR 2003, 465 = BKR 2003, 879 m. Anm. Reiff in EwiR § 307 BGB 4/03, 1229), auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, "die folgende oder eine dieser inhaltsgleiche Bestimmung in Bezug auf Giroverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer): Entgelt bei der Rückgabe von Lastschriften aufgrund fehlender Kontodeckung als Schadensersatz in der Form nachfolgender Schreiben" (es folgen diverse inhaltsähnliche Schreiben der Beklagten, in denen sie gegenüber betroffenen Kunden die Belastung des Girokontos mit jeweils 6 € pro Lastschriftrückgabe als Mindest- bzw. Teilschadensersatz wegen Verletzung der Verpflichtung zur Kontodeckung rechtfertigt). Mit der Berufung wendet die Beklagte in erster Linie ein, das Landgericht habe bereits zu Unrecht das Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bejaht. Das gleichartige Verhalten - Belastung des Kunden mit 6 € je Lastschriftrückgabe - und die zugrunde liegende interne Anweisung begründe nicht die notwendige Einbeziehung einer Vertragsbedingung in den Girovertrag. Es gehe hier nicht um eine Frage der Vertragsgestaltung; die Beklagte mache lediglich ihre Rechte in denjenigen Fällen geltend, in denen sich nach ihrer Auffassung der Kunde schadensersatzpflichtig gemacht habe, weil er trotz vorheriger Abmahnung keine Kontodeckung für von ihm erteilte Einzugsermächtigungen oder Abbuchungsaufträge vorgehalten und damit seine Pflichten aus dem Girovertrag schuldhaft verletzt habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise der - gegen die Vorstandsmitglieder zu vollstreckenden - Ordnungshaft, oder der - gegen die Vorstandsmitglieder der Beklagten zu vollstreckenden - Ordnungshaft es zu unterlassen, die nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmung in Bezug auf Giroverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

Ersatz des entstandenen Schadens bei der Rückgabe von Lastschriften aufgrund fehlender Kontodeckung in Form des Rundschreibens Nr. 127 vom 04.05.1998 der Beklagten in Verbindung mit Anlage 1 zu dem Rundschreiben und in Form der nachfolgenden Schreiben

Die Klägerin hält an ihrer Ansicht fest, die beanstandete Praxis der Beklagten stelle eine kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung dar, die unwirksam sei. Denn die Beklagte nehme mit dieser einheitlichen Handhabung einseitig fremde Gestaltungsmacht in Anspruch. Hierin - nicht in den folgenden erläuternden Briefen - liege das Stellen einer allgemeinen Vertragsbedingung. Aus Kundensicht stelle die Belastung mit 6 € mit der Zweckbestimmung "wegen Lastschriftrückgabe" eine typische Bankgebühr dar. Die Beklagte könne sich nicht damit der Kontrolle durch ein AGB-Verfahren entziehen, dass sie den gegen den Kunden erhobenen Zahlungsanspruch nicht als Entgeltforderung auf der Grundlage eines Preisverzeichnisses, sondern als Schadensersatz in die Rechtsbeziehungen zu den Kunden einführe. Da die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 2 UKlaG fehlten und es im Allgemeinen für den einzelnen betroffenen Bankkunden nur um einen geringen Betrag gehe, aufgrund dessen Gerichtsverfahren typischerweise und sinnvollerweise nicht eingeleitet würden, sei das einzige effektive Kontrollinstrument dasjenige des abstrakten Kontrollverfahrens nach § 1 UKlaG.

Wegen des beiderseitigen Parteivorbringens im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung führt in Abänderung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung, weil das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten (Belastung der Kundenkonten mit einem als Mindestschaden errechneten Betrag für Lastschriftrückgaben mangels Kontodeckung auf der Grundlage einer internen Anweisung) und dessen Rechtfertigung nach Maßgabe der vom Landgericht in den Urteilstenor einbezogenen Schreiben der Beklagten nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 BGB zu qualifizieren ist und daher keiner Überprüfung im Rahmen des abstrakten Kontrollverfahrens nach § 1 UKlaG unterliegt.

1. Vertragsbedingungen haben die inhaltliche Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand. Diesen konstitutiven Charakter kann man dem Vorgehen der Beklagten nicht beimessen. Es ist nicht auf eine einverständliche Änderung oder Ergänzung des Girovertrages zum Zwecke der Begründung vertraglicher Rechte und Pflichten gerichtet. Vielmehr nimmt die Beklagte mit der Kontobelastung nach Maßgabe der internen Anweisung und der darauf beruhenden Kundenanschreiben ihre vermeintlichen Rechte aus Verletzung der nach ihrer Auffassung bestehenden Kontodeckungspflicht der Kunden wahr. Damit nimmt sie zwar "eigene Gestaltungsmacht in Anspruch, indem sie eine eigene einseitige Erklärung für gleichgelagerte Fälle aufstellt und abgibt. Dass sich der hierin geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf den bestehenden Girovertrag bezieht, macht die Schadensberechnung nicht zu einer 'Regelung, die den Vertragsinhalt gestalten soll'. Um so mehr gilt dies für das Kundenanschreiben, mit dem lediglich die Rechtsansichten der Sparkasse [hier: Bank] mitgeteilt werden" (Krüger, WM 2000, 2021, 2026).

2. Auch wenn man eine Kontodeckungspflicht verneint, kann in der Geltendmachung des vermeintlichen Schadensersatzanspruchs (durch die Belastung des Kundenkontos mit 6 € je Lastschriftrückgabe) und in dessen Rechtfertigung nach Maßgabe der Kundenanschreiben weder unmittelbar noch mittelbar eine vertragsgestaltende Erklärung gesehen werden. Auch aus der Kundensicht stellt sich die Kontobelastung (mit der Zweckbestimmung "wegen Lastschriftrückgabe") sowie die in den Kundenanschreiben hierfür gegebene Begründung nicht als Versuch der Bank, neue Rechte und Pflichten in das Girovertragsverhältnis einzuführen, sondern als Wahrnehmung vermeintlicher Rechte der Bank dar. Den vorgelegten Kundenanschreiben der Beklagten lässt sich nichts entnehmen, was in den Empfängern den Eindruck erwecken könnte, ihnen solle damit überhaupt erst die Pflicht auferlegt werden, stets für eine ausreichende Kontodeckung zu sorgen; diese Verpflichtung wird vielmehr als Bestandteil des Girovertrages vorausgesetzt und wegen Verletzung dieser Verpflichtung (Teil- bzw. Mindest-)Schadensersatz in Höhe der Kontobelastung von 6 € gefordert.

3. Die Kontobelastung mit der Zweckbestimmung "wegen Lastschriftrückgabe" kann auch schwerlich als Verlautbarung dessen angesehen werden, was die Beklagte in ihrer internen Anweisung (in Form des Rundschreibens Nr. 127 vom 04.05.1998 in Verbindung mit der Anlage 1 zu diesem Rundschreiben) für den Fall der Rückgabe von Lastschriften aufgrund fehlender Kontodeckung bestimmt hat. Das OLG Hamm (BKR 2002, 1016 mit Anm. Werkmüller) hat demgemäß in für den internen Gebrauch bestimmten Kontoführungsrichtlinien der Bank mangels Publizität für den Kunden keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesehen (es ging dort um die Gebühr für eine Nachlassbearbeitung; der Rechtsstreit ist vor der Verhandlung über die zugelassene Revision für erledigt erklärt worden). Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil darauf abstellt, dass es ausreiche, "wenn Vertragsbedingungen nur 'im Kopf des Verwenders gespeichert' und sodann von dort üblicherweise oder gegenüber einer Mehrzahl von Kunden in den Vertrag eingefügt werden", genügt dies zwar dem Vorformulierungserfordernis, besagt indessen nichts zur Frage, ob die interne Weisung und die darauf beruhenden Kundenanschreiben (als Reaktion auf Kundenreklamationen) als Vertragsbedingungen und deren Verlautbarung angesehen werden können. Die Kontobelastung mit der angegebenen Zweckbestimmung kann als Publizitätsakt für die dahinter stehende, der Höhe nach einheitliche Geltendmachung eines (Teil- oder Mindest-)Schadensersatzanspruchs nicht ausreichen, erst recht gilt dies für die nachträglichen Schreiben, mit denen die Beklagte auf Kundenreklamationen reagiert und ihren Schadensersatzanspruch zu rechtfertigen versucht.

4. Es ist nach alledem nicht zu verkennen, dass sich die im angefochtenen Urteil vorgenommene Qualifizierung des Vorgehens der Beklagten als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs.1 S.1 BGB sehr weit von Definition und herkömmlichem Verständnis dieses Begriffs entfernt und die Verbandsklage nach § 1 UKlaG zu einer Art "Musterprozess" erweitern würde. Das lässt sich nach der bestehenden Gesetzeslage weder mit Hinweis auf den Schutzweck des Verbandsklageverfahrens noch aus dem Gesichtspunkt des Umgehungsverbots (§ 306a BGB), das ebenfalls eine inhaltliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses voraussetzt, rechtfertigen. Zutreffend merkt Krüger (a.a.O., Fußn. 47) zu diesem Dilemma an, dass es zwar schwer falle, die Verbandsklage an diesem Punkt scheitern zu lassen, wenn der von der Sparkasse/Bank behauptete Schadensersatzanspruch nicht besteht, dass aber die derzeitige Ausgestaltung des Verbandsklageverfahrens hier an seine Grenze stoße, die nur der Disposition des Gesetzgebers unterliege (ferner ders. in Fußn. 52: "Insoweit bedürfte es einer neuen Verfahrensart, etwa einer Art "Musterprozess", der z.B. von einem Verband im Sinne des § 13 AGBG in einem Einzelfall anstelle des Kunden (oder als eine Art "Class Action" für eine Vielzahl von Kunden) mit vergleichbarer Folge wie das Verbandsklageverfahren (vgl. §§ 16 ff. AGBG) geführt werden kann"). Zum gleichen Ergebnis kommt Reiff, a.a.O.: "Insgesamt zeigt sich damit erneut, dass gewisse Konstellationen im Rahmen des Verbandsklageverfahrens nicht geklärt werden können (Reiff, EwiR § 9 AGBG 10/01, 601; zustimmend OLG Hamm, BKR 2002, 1017, 1018; Krüger, WM 2000, 2021, 2026 in Fußn, 52; anders aber Strube, VuR 2000, 91, 92)". Dem verständlichen Wunsch, dass der Bundesgerichtshof in Kürze Gelegenheit erhalten möge, die Frage zu beantworten, ob in den Fällen der Lastschriftrückgabe mangels Kontodeckung überhaupt ein Schadensersatzanspruch der Bank dem Grunde nach besteht (Reiff, a.a.O.), kann der erkennende Senat daher nur dadurch entsprechen, dass er - in Übereinstimmung mit der Anregung beider Parteien - die Revision gegen dieses Urteil zulässt, weil die Rechtssache sowohl hinsichtlich der Frage, ob das beanstandete Verhalten der Beklagten als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren ist, als auch hinsichtlich der - vom Senat unbeantwortet gelassenen - Frage einer Kontodeckungspflicht grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs.2 Nr.1 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert (wie erstinstanzliche Festsetzung): 5.000 €.

Ende der Entscheidung

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