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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 13 U 205/03
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 6 III
BGB § 306 III
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 205/03

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 21. Juli 2004

Verkündet am 21. Juli 2004

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eßer, den Richter am Oberlandesgericht Hartlieb sowie den Richter am Landgericht Dr. Mertens

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.09.2003 (3 O 47/03) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Auskunft und nach erteilter Auskunft Auszahlung von Bezügen, die deren Schuldnerin Frau H. O. (im folgenden: Schuldnerin) an sie - die Beklagte - abgetreten hat. Sie verlangt des weiteren die Feststellung, dass der Beklagten kein vorrangiges Befriedigungsrecht aus der Gehaltsabtretung der Schuldnerin zusteht; dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erwirkte unter dem 27.03.1991 gegen die Schuldnerin einen Vollstreckungsbescheid (19 B 50075/90 AG Düsseldorf, Bl. 7 GA) über einen Betrag von 35.816,39 DM nebst Zinsen wegen einer rückständigen Darlehensforderung. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.02.1999 (13 M 150/99 AG Essen-Borbeck, Bl. 8 GA) ließ die Klägerin wegen einer Teilforderung von 30.000,-- DM die Gehaltsansprüche der Schuldnerin gegen ihren Arbeitgeber - die Stadt F. - pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Die Schuldnerin hatte ihrerseits mit Abtretungserklärung vom 27./28.01.1988 den pfändbaren Teil ihrer Gehaltsforderung in voller Höhe zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche aus Geschäftsverbindung an die Beklagte abgetreten. In der Abtretungserklärung heißt es unter Ziff. 3.: "Die Bank ist berechtigt, die Abtretung dem Drittschuldner anzuzeigen". In Ziff. 9 sind ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für anwendbar erklärt worden, die in der damals maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt lauteten:

20 (2)

"(...)

Einer Androhung der Verwertung, der Innehaltung einer Frist und der Ausbedingung der sofortigen Barzahlung des Kaufpreises bedarf es nicht. (...) Die Bank wird nach Möglichkeit Ort und Zeit der Verwertung mitteilen, sofern nicht die Benachrichtigung untunlich ist".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abtretungserklärung vom 27./28.01.1988 (Bl. 13 f. GA) Bezug genommen. Den Anlass für die Gehaltsabtretung bildete ein von der Beklagten der Schuldnerin gewährtes Darlehen vom 27.01.1988 über einen Nennbetrag von 140.000,-- DM, das der Finanzierung einer Eigentumswohnung diente (Bl. 30, 31 GA). Mit Schreiben vom 10.01.1990 (Bl. 15 GA) legte die Beklagte die Abtretung dem Arbeitgeber der Schuldnerin gegenüber offen, der in der Folgezeit aufgrund der Abtretung an die Beklagte zahlte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Gehaltsabtretung vom 27./28.01.1988 wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam sei. Im einzelnen enthalte die Sicherungsabrede keine Beschränkung zum Schutz vor Übersicherung. Auch die Klausel über die Sicherheitenverwertung benachteilige die Schuldnerin unangemessen. Da somit der gesamte Sicherungsvertrag unwirksam sei, habe die Beklagte Leistungen der Stadt F. als Nichtberechtigte erhalten. Diese Leistungen habe sie - wie sich schon aus der Klageerhebung ergebe - genehmigt; ihr stehe daher ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Auszahlung dieser Leistungen zu.

Die Beklagte ist dem Klagevorbringen entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, dass sie für den geltend gemachten Anspruch nicht passiv legitimiert sei; vielmehr müsse sich die Klägerin an den Arbeitgeber der Schuldnerin - die Stadt F. - halten. Die Abtretungsvereinbarung vom 27./28.01.1988 sei auch wirksam, da sie nur der Sicherung der Forderung aus dem mit der Schuldnerin bestehenden Kreditvertrag gedient habe. Auch die Verwertungsklausel mache die Abtretung nicht unwirksam, da im konkreten Falle die Beklagte der Schuldnerin mehrfach die Offenlegung der Abtretung angedroht habe.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Zwar hielten mehrere Klauseln der Abtretungsvereinbarung vom 27./28.01.1988 der Inhaltskontrolle nach dem AGBG bzw. den §§ 306, 307 BGB nicht stand. Das gelte jedenfalls hinsichtlich der Freigabeklausel Ziff. 4. und hinsichtlich der Verwertungsregelung, insbesondere Ziff. 3. der Vereinbarung, und könne hinsichtlich der "weiten" Sicherungszweckvereinbarung offen bleiben. Die Nichtigkeit einzelner Klauseln führe indessen nicht zur Gesamtnichtigkeit der Abtretungsvereinbarung gem. § 6 Abs. 3 AGBG bzw. § 306 Abs. 3 BGB. Vielmehr trete an die Stelle der unwirksamen Regelungen das für die Schuldnerin günstigere Gesetzesrecht. Das Festhalten der Schuldnerin an dem so geänderten Vertrag stelle für diese keine unzumutbare Härte dar, die von den genannten Vorschriften vorausgesetzt werde. Die Wirksamkeit der Abtretung werde daher durch die Unwirksamkeit einzelner Klauseln nicht berührt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Die vom Landgericht angezogene Rechtsprechung, die Globalzessionen vollkaufmännischer Unternehmen zum Gegenstand habe, könne auf den hier vorliegenden Fall einer Gehaltsabtretung nicht übertragen werden. Die Unwirksamkeit der Verwertungsregelung führe daher zur Nichtigkeit der Abtretung insgesamt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 30.09.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln

1. die Beklagte zu verurteilen,

a) ihr Auskunft zu erteilen über den Umfang und die Höhe der Geldbeträge, die sie seit März 1999 von der Drittschuldnerin, Stadt F. , aus abgeführten Gehaltsanteilen der Arbeitnehmerin H. O. erhalten hat,

b) an sie nach erteilter Auskunft die von der Stadt F. geleisteten Drittschuldnerzahlungen in noch zu bestimmender Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.02.2002 zu bezahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagten im Verhältnis zu ihr und dem zu ihren Gunsten bestehenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Essen-Borbeck zu Az. 13 M 150/99 vom 25.02.1999 gegenüber der Stadt F. als Arbeitgeberin der Frau H. O. oder einer anderen Arbeitgeberin der Frau H. O. kein vorrangiges Recht auf Befriedigung aus der Lohn- und Gehaltsabtretung der Frau H. O. vom 27./28.01.1988 zusteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie meint, an die Stelle der unwirksamen Verwertungsregelung träten die §§ 1243 ff. BGB.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg. Im Ergebnis zurecht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen; im einzelnen gilt folgendes:

1.

Die Klage ist insgesamt mit den erstinstanzlich gestellten Anträgen zulässig. Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin die Beklagte in der ersten Stufe einer Stufenklage zunächst auf Auskunft über die von ihr vereinnahmten Gehaltszahlungen in Anspruch nimmt. Zwar nimmt die erhobene Auskunftsklage als Leistungsklage der Feststellungsklage regelmäßig das Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Urt. v. 03.04.1996 - VIII ZR 3/95, NJW 1996, 2097, 2098, Greger in: Zöller, ZPO, 23. Auflage 2002, § 254 Rz. 2). Anders ist dies indessen dann, wenn mit der Klage mehrere selbständige Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis verfolgt werden, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus ihm überhaupt ergeben können. So verhält es sich bei der Stufenklage. Sie ist ein besonders geregelter Fall der objektiven Klagehäufung, bei dem die auf der ersten Stufe stattgebende Entscheidung in Bezug auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis für den auf der zweiten Stufe verfolgten Zahlungsanspruch noch keine materielle Rechtskraft oder innerprozessuale Bindungswirkung entfaltet. Bei dieser Sachlage wird durch das Auskunftsbegehren das Rechtsverhältnis, an dessen Klärung die Parteien ein Interesse haben, eben noch nicht endgültig klargestellt. Eine Feststellungsklage bleibt daher als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig; der erhobene Feststellungsantrag ist daher als Zwischenfeststellungsantrag zu werten (vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 27.11.1998 - V ZR 180/97, ZIP 1999, 447, s. auch BGH, Urt. v. 12.12.1995 - XI ZR 10/95, NJW 1996, 847).

2.

Ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Klägerin gegen die Beklagte zu, wenn sie - die Klägerin - in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang ihres Rechts im Ungewissen ist, sie sich die zur Vorbereitung und Durchführung ihres Zahlungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete - die Beklagte - diese unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag. Voraussetzung ist, dass zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten eine besondere rechtliche Beziehung besteht, wobei ein gesetzliches Schuldverhältnis genügt (zum Ganzen: BGH, Urt. v. 13.06.1985 - I ZR 35/83, BGHZ 95, 285, 287 f.). Vorliegend macht die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (aus § 816 Abs. 2 BGB nach erfolgter Genehmigung der an die nichtberechtigte Beklagte bewirkten Leistung - hierzu vgl. Lieb in: MüKo-BGB, 3. Auflage 1997, § 816 Rz. 63 mit weit. Nachw.) geltend, der grundsätzlich geeignet ist, die zur Auskunftserteilung verpflichtende rechtliche Sonderbeziehung zu begründen (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - XI ZR 10/95, NJW 1996, 847, 848).

Indessen gelingt es der Klägerin nicht, darzutun, dass ihr dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 816 Abs. 2 BGB zusteht (zu dieser Voraussetzung des auf § 242 BGB gestützten Auskunftsanspruchs bei gesetzlichen Ansprüchen s. BGH, Urt. v. 14.07.1987 - IX ZR 57/86, NJW-RR 1987, 1296 mit weit. Nachw.). Voraussetzung hierfür wäre die Unwirksamkeit der Abtretung vom 27./28.01.1988. a)

Zurecht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass weder das Fehlen einer den Interessen beider Parteien gerecht werdenden Freigaberegelung noch der "weite" Sicherungszweck der vereinbarten Abtretung zu einer Nichtigkeit der Zession als solcher führen. Dass eine fehlende oder unzureichende Freigaberegelung lediglich dazu führt, dass an deren Stelle ein ermessensunabhängiger Freigabeanspruch des Sicherungsgebers tritt, entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, B. v. 27.11.1997 - GSZ 1 u. 2/97, WM 1998, 227, 230 = NJW 1998, 671 = BGHZ 137, 212; Urt. v. 15.04.1998 - VIII ZR 246/95, NJW-RR 1998, 1123, 1124; Urt. v. 05.05.1998 - XI ZR 234/95, NJW 1998, 2206, 2207). Auch die "weite" Sicherungszweckerklärung kann unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten allenfalls zu deren Beschränkung auf den Anlass der Sicherheitenbestellung - das Darlehen vom 27.01.1988 - führen (vgl. für die Grundschuld: BGH, Urt. v. 24.06.1997 - XI ZR 288/96, NJW 1997, 2677; für die Bürgschaft: BGH, Urt. v. 18.01.1996 - IX ZR 69/95, BGHZ 132, 6, 9). Hiergegen wendet sich denn auch die Berufung nicht.

b)

Das angefochtene Urteil hält aber auch insoweit den Berufungsangriffen stand, als es davon ausgeht, dass das Fehlen einer interessengerechten Verwertungsregelung in den vertraglichen Vereinbarungen der Schuldnerin mit der Beklagten nicht zur Gesamtnichtigkeit der Zession (§§ 6 Abs. 3 AGBG, 306 Abs. 3 BGB) führt.

(aa) Freilich hat der Bundesgerichtshof - was auch das Landgericht nicht verkennt - mit Urteilen vom 07.07.1992 (XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626) und vom 14.06.1994 (XI ZR 210/93, WM 1994, 1613 = NJW 1994, 2754) entschieden, dass eine Lohn- und Gehaltsabtretung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann wirksam vereinbart werden kann, wenn darin auch die Voraussetzungen, unter denen der Verwender von der Zession Gebrauch machen darf, hinreichend eindeutig und in einer Weise bestimmt werden, die zu einem vernünftigen, schutzwürdige Belange des Kunden angemessen berücksichtigenden Interessenausgleich führen (s. auch das bereits zuvor in einem Verbandsklageverfahren ergangene Urt. des BGH v. 22.06.1989 - III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 104). Begründet wird dies damit, dass gerade die Verwertungsregelung für den Zedenten häufig von existenzieller Bedeutung ist. Die Entziehung des pfändbaren Teils seiner Arbeitseinkünfte engt seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit erheblich ein; darüber hinaus kann seine Kreditwürdigkeit durch die Offenlegung einer stillen Zession in Frage gestellt werden, weil sie für Dritte die Nichterfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit signalisiert und Zweifel an der Vertragstreue des Zedenten oder an seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit fördert. Diese Rechtsauffassung ist in den auch von der Berufung angezogenen Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 17.01.1995 (XI ZR 192/93, NJW 1995, 1085, 1086), 27.06.1995 (XI ZR 8/94, NJW 1995, 2221, 2222), 21.11.1995 (XI ZR 255/94, NJW 1996, 388, 389) und 12.12.1995 (XI ZR 10/95, NJW 1996, 847) - die sämtlich andere Sachgestaltungen betrafen - zustimmend zitiert (s. auch Lindacher in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Auflage 2001, § 6 Rz. 57). An ihr gemessen ist - worüber auch zwischen den Parteien im Grundsatz kein Streit besteht - der vereinbarten Verwertungsregelung (Ziff. 3. der Abtretungsvereinbarung in Verbindung mit Ziff. 20 Abs. 2 der AGB-Banken in der bis 1993 geltenden Fassung) die Wirksamkeit zu versagen, da sie die Schuldnerin unangemessen benachteiligt. Das gilt für die isolierte Betrachtung der Ziff. 3. der Abtretungsvereinbarung, da diese wegen des Fehlens jeder zeitlichen und sachlichen Einschränkung eindeutig dem Zweck und Wesen einer Sicherungszession widerspricht. Das gilt aber auch bei ergänzender Heranziehung von Ziff. 20 (2) der AGB-Banken in der bis 1993 geltenden Fassung. Zu dem zwischen Sicherungsgeber und -nehmer bestehenden Treuhandverhältnis gehört nämlich die grundsätzliche Verpflichtung des Gläubigers, dem Schuldner eine Verwertung der abgetretenen Forderung so rechtzeitig vorher anzukündigen, dass er noch Einwendungen gegen die Verwertungsbefugnis vorbringen, zumindest aber sich bemühen kann, die ihm drohenden weitreichenden Folgen einer Offenlegung dadurch abzuwenden, dass er die fälligen Beträge der gesicherten Forderung bezahlt. Dem wird Ziff. 20 (2) der AGB-Banken in der bis 1993 geltenden Fassung nicht gerecht (BGH, Urt. v. 07.07.1992 - XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626, 2627).

(bb) Indessen folgt auch nach Auffassung des Senats aus der Unwirksamkeit der Verwertungsregelung nicht die Unwirksamkeit der gesamten Zession (§§ 6 Abs. 3 AGBG, 306 Abs. 3 BGB). So hat der Bundesgerichtshof bereits für zwei atypisch gelagerte Fälle entschieden, dass das Fehlen einer angemessenen Verwertungsregelung nicht zu einer Unwirksamkeit der Abtretung als solcher führe. Der erste Fall betraf die offene Zession von Lebensversicherungsansprüchen und Ansprüchen gegen die kassenärztliche oder kassenzahnärztliche Vereinigung (BGH, Urt. v. 30.05.1995 - XI ZR 78/94, NJW 1995, 2219, 2220 f.), der zweite Fall die Lohnabtretung an die Finanzverwaltung, die sich - statt der Zession - selbst einen Vollstreckungstitel hätte schaffen können, und der aus diesem Grunde besonders lag (BGH, Urt. v. 27.04.1995 - IX ZR 123/94, WM 1996, 1345, 1346). Der Senat ist der Auffassung, dass dies über die genannten Fälle hinaus auch im Streitfall gelten muss.

(1) Das ergibt sich freilich nicht - wie die Berufungserwiderung meint - daraus, dass an die Stelle der nichtigen Verwertungsregelung gem. §§ 6 Abs. 2 AGBG, 306 Abs. 2 BGB dispositives Gesetzesrecht tritt. Die hier vorliegende Sicherungszession ist gesetzlich nicht vertypt, so dass dispositives Gesetzesrecht, das an die Stelle der nichtigen Klausel treten könnte, nicht existiert (vgl. hierzu Basedow in: MüKo-BGB, 4. Auflage 2001, § 6 AGBG Rz. 21). Das gilt für § 1234 Abs. 1 S. 1 BGB, der den Pfandverkauf regelt, gilt aber insbesondere auch für die Frage, unter welchen materiellen Voraussetzungen die Verwertung der Sicherheit zulässig sein soll. In der Literatur wird hier zumeist gefordert, dass der Schuldner mit einem nicht nur geringfügigen Teil seiner Verpflichtung im Verzug ist (Kothe, ZIP 1988, 1225, 1237; ders., EWiR 1992, 835, 836; v. Westphalen in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand Juni 2003, Lohn- und Gehaltsabtretungsklauseln Rz. 20, s. auch BGH, Urt. v. 22.06.1989 - III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 106). Auch insoweit existiert kein dispositives Gesetzesrecht, auf das umstandslos zurückgegriffen werden könnte.

(2) Die zwischen den Parteien vereinbarte Abtretung ist aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung um eine angemessene Verwertungsregelung zu ergänzen. Eine ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt in Betracht, wenn - wie hier - dispositives Gesetzesrecht nicht existiert und die ersatzlose Streichung der inkriminierten Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (BGH, Urt. v. 03.11.1999 - VIII ZR 269/98, ZIP 2000, 314, 319 f.; Basedow in: MüKo-BGB, 4. Auflage 2001, § 6 AGBG Rz. 24). Auch die zweite Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt: Ein ersatzloser Fortfall der Verwertungsregelung würde die vertragstypischen Interessen der Beklagten verletzten, die dann die ihr gestellten Sicherheiten nicht verwerten könnte; diese würden für sie wirtschaftlich wertlos. Daher besteht ein Bedürfnis für die Ergänzung der infolge der unwirksamen Klausel entstandenen Lücke.

In seiner Entscheidung vom 27.11.1997 (GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 229 = NJW 1986, 671 = BGHZ 137, 212) hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs dargelegt, dass jeder Vertrag über die Bestellung fiduziarischer Sicherheiten - und hierzu zählt auch die vorliegende Gehaltsabtretung - auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien ein Treuhandverhältnis begründet. Aus der Natur des Vertrags als Treuhandvertrag sowie aus der Interessenlage der Parteien hat der Große Senat einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch des Sicherungsgebers gegen den Sicherungsnehmer für den Fall abgeleitet, dass der Sicherungsnehmer Sicherheiten bereits vor Vertragsbeendigung endgültig nicht mehr benötigt (BGH, aaO, WM 1998, 227, 229). Dieser Anspruch tritt an die Stelle der fehlenden oder unzureichenden Freigaberegelung. Dieser Gedanke, der gleichfalls auf dem Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung beruht, ist - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - nach Auffassung des Senats auch auf die hier vorliegende unzureichende Verwertungsregelung zu übertragen: Aus dem fiduziarischen Charakter der Gehaltsabtretung und der beiderseitigen Interessenlage der Parteien folgt eine vertragsimmanente Verpflichtung zur Androhung der Verwertung von Sicherheiten etwa in Anlehnung an die Regelung des § 1234 Abs. 1 S. 1 BGB (so auch Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Auflage 2001, § 6 Rz. 54a). Denn in eher noch höherem Maße als der Pfandgeber hat der Schuldner bei einer stillen Zession ein dringendes, schützenswertes Interesse, rechtzeitig vor der Offenlegung und Einziehung benachrichtigt zu werden (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 07.07.1992 - XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626, 2627). Darüber hinaus sind aus dem Treuhandcharakter der Abtretung Anforderungen an die sachlichen Voraussetzungen der Sicherheitenverwertung (Zahlungsverzug des Schuldners) abzuleiten.

Die Ableitung einer angemessenen Verwertungsregelung aus dem fiduziarischen Charakter der zwischen den Parteien bestehenden Abrede entfernt sich angesichts der gesetzlichen Vorbilder der §§ 1234 Abs. 1 BGB, 368 Abs. 1 HGB einerseits, §§ 286 Abs. 1, 543 Abs. 2 Ziff. 3. BGB n.F. andererseits erheblich weniger weit von dem zwischen den Parteien expressis verbis Vereinbarten als die Annahme eines ermessensunabhängigen Freigabeanspruchs, wenn die Parteien hierzu nichts oder Unzureichendes geregelt haben. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, wie die sachlichen Voraussetzungen der Verwertung im einzelnen zu bestimmen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 22.06.1989 - III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 106; Kothe, ZIP 1988, 1225, 1237; ders., EWiR 1992, 835, 836; v. Westphalen in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand Juni 2003, Lohn- und Gehaltsabtretungsklauseln Rz. 20). Dem Schutzbedürfnis des Schuldners kann - bei gleichzeitiger Wahrung der Interessen des Gläubigers - auch durch die Ergänzung des Vertrags um eine angemessene Verwertungsregelung Rechnung getragen werden, der Annahme der Gesamtnichtigkeit der Zession - die gem. § 6 Abs. 3 AGBG, 306 Abs. 2 BGB die Ausnahme darstellt und nur bei Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag eingreift - bedarf es dann nicht (Heinrichs in: Palandt, BGB, 63. Auflage 2004, § 306 Rz. 126, hält die Rechtsprechung zur Gesamtnichtigkeit bei fehlender oder unzureichender Verwertungsregelung daher durch die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen für überholt; für ergänzende Vertragsauslegung in Fällen der vorliegenden Art auch v. Westphalen in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand Juni 2003, Lohn- und Gehaltsabtretungsklauseln Rz. 26; s. auch Pfeiffer, WuB I F. 4. 10.92).

Hinzu kommt schließlich, dass - wie das Landgericht im Zusammenhang mit der Bewertung der fehlenden Freigabeklausel zurecht ausgeführt hat - die Annahme der Gesamtnichtigkeit in erster Linie weiteren (ungesicherten) Gläubigern des Sicherungsgebers nutzt, deren Schutz die gerichtliche Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen aber gerade nicht bezweckt (BGH, Urt. v. 10.05.1994 - XI ZR 65/93, WM 1994, 1283, 1284).

Mit dem Landgericht ist daher auch der Senat der Auffassung, dass die Unwirksamkeit der Verwertungsregelung in der Abtretungsvereinbarung vom 27./28.01.1988 nicht zur Unwirksamkeit der Zession als solcher führt. Dies hat zur Folge, dass Zahlungen der Stadt F. an die Beklagte als Berechtigte erfolgt sind, da die Abtretung an diese nach dem Prioritätsprinzip der Pfändung durch die Klägerin vorgeht.

3.

Da ein Bereicherungsanspruch der Klägerin als Grundlage des Auskunftsbegehrens nicht besteht, sind auch der (Zwischen-)Feststellungsantrag und der Zahlungsantrag unbegründet. Die Klage ist daher - wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - insgesamt abzuweisen.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

5.

Der übereinstimmenden Anregung der Parteien folgend hat der Senat die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, da die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Seit der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 27.11.1997 (GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227) hatte der Bundesgerichtshof keine Gelegenheit mehr, sich mit den hier entscheidungserheblichen Fragen zu befassen.

Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer durch dieses Urteil: 15.338,76 €

Ende der Entscheidung

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