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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: 13 U 210/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 328 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Oktober 2004 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O 209/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die Telematicsysteme vertreibt, stand mit der Firma I. GmbH in B., die ihren Zahlungsverkehr über die Beklagte abwickelte, in Geschäftsverbindung. Mit Rücksicht auf die angespannte wirtschaftliche Lage der Firma I. GmbH verlangte die Klägerin mit Schreiben vom 04. 06. 2002 von dieser bei weiteren Warenlieferungen eine schriftliche Zahlungszusage ihrer Hausbank. Gemäß Rechnung vom 03. 06. 2002, mit der die Klägerin der Firma I. GmbH Waren berechnete, die an die Firma U. D. weiterverkauft werden sollten, die sie ihrerseits bei der Firma N.-Leasing zu finanzieren beabsichtigte, war von der Firma I. GmbH an die Klägerin nach Abzug einer Vertriebsprovision ein Betrag von 22.255,61 € nach Erhalt der Zahlung von der Firma N.-Leasing innerhalb von drei Banktagen zu zahlen. Vor diesem Hintergrund kam es am 07. 06. 2002 zu einem Gespräch des Geschäftsführers der Firma I. GmbH, des Zeugen L., mit dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen C., in dessen Verlauf der Zeuge C. auf der Rechnung der Klägerin die "Weiterleitung" des Rechnungsbetrages "nach Eingang von der N.-Leasing" mit dem Stempel der Beklagten und seiner Unterschrift handschriftlich bestätigte und der Klägerin zu Händen des Geschäftsführers Hüttemann ein entsprechendes Fax der Rechnung mit dem Vermerk übersandte (Bl. 8 GA). Die Firma N.-Leasing bezahlte nach Lieferung der Waren an die Firma U. D. den Rechnungsbetrag einschließlich der Provision mit zwei Schecks, die von dem Geschäftsführer der Firma I. GmbH am 05. oder 09. 07. 2002 bei der Beklagten eingereicht und dem Konto der Firma I. GmbH gutgeschrieben wurden. Eine Überweisung des Betrages von 22.255,61 € seitens der Beklagten an die Klägerin erfolgte nicht. Am 26. 07. 2002 stellte die Firma I. GmbH Insolvenzantrag, der durch gerichtlichen Beschluss vom 12. 08. 2002 mangels Masse abgewiesen wurde. Mit Schreiben vom 12. 08. 2002 wurde die Beklagte zur Zahlung von 22.255,61 € bis zum 20.08.2002 aufgefordert. Mit Schreiben vom 23. 08. 2002 lehnte sie jegliche Zahlung ab.

Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 22.255,61 € nebst Zinsen in Anspruch. Mit Urteil vom 26. 10. 2004, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge und der rechtlichen Würdigung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Erklärung des Mitarbeiters der Beklagten vom 07. 06. 2002 sei als ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne von § 780 BGB auszulegen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, die Erklärung ihres Mitarbeiters vom 07. 06. 2002 sei lediglich als informelle Zusage einer Weiterleitung des Geldes zu verstehen. Die Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens habe weder ihrem Willen noch ihrem Interesse entsprochen; außerdem sei die hierfür erforderliche Form nicht gewahrt worden. Die Firma I. GmbH habe im Übrigen keinen entsprechenden Überweisungsauftrag an die Klägerin erteilt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung entgegen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, da das Landgericht der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben hat.

Der Beklagten ist zwar dahingehend Recht zu geben, dass ein Zahlungsanspruch der Klägerin entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht aus dem Gesichtspunkt des abstrakten Schuldversprechens im Sinne des § 780 BGB gegeben ist, weil eine Überweisung der 22.255,61 € seitens der Beklagten ohne Rücksicht auf entsprechende Deckung auf dem Konto der I. GmbH nicht erfolgen sollte. Der Klägerin steht gegen die Beklagte jedoch ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 22.255,61 € aus einem Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma I. GmbH mit Schutzwirkung zu ihren Gunsten zu, weil die Beklagte den ihr von der Firma I. GmbH erteilten Auftrag, den Rechnungsbetrag von 22.255,61 € nach Eingang der Zahlung von der Firma N.-Leasing an die Klägerin weiterzuleiten, nicht ausgeführt hat.

1.

Zwar bestanden zwischen der Klägerin als Überweisungsempfängerin und der Beklagten als Überweisungsbank keine vertraglichen Beziehungen und es entspricht auch allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Überweisungsempfänger durch den Überweisungsauftrag nicht das unmittelbare Recht gemäß § 328 Abs. 1 BGB erwirbt, die Überweisung von der beauftragten Bank zu verlangen (vgl. BGH NJW 1992, 112; 113; BGHZ 103, 143, 145; Schimansky, in Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 2. Aufl., § 49 Rn. 4). Hier war die Beklagte jedoch an einem Vertragsverhältnis als Schuldnerin beteiligt, das Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfaltete und das dieser einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der zu ihren Gunsten bestehenden Schutzpflicht gewährt. Insoweit folgt der Senat der zutreffenden Entscheidung des OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1327 f., die mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06. 04. 2005 ausführlich erörtert worden ist und der sich auch das OLG Oldenburg NJW-RR 1998, 918 angeschlossen hat. Danach ist bei ausdrücklicher oder konkludenter Erklärung einer Bank, einen eingehenden Betrag auftragsgemäß einem Dritten zu überweisen, ein Vertrag mit Schutzwirkung zu dessen Gunsten anzunehmen. Diese Wertung entspricht dem Empfängerhorizont, den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und benachteiligt die Bank angesichts ihrer eigenen Erklärung nicht unangemessen.

2.

Aus der auf der Rechnung der Klägerin vom 03. 06. 2002 von dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen C., am 07. 06. 2002 abgegebenen schriftlichen Erklärung, worin die Weiterleitung des Rechnungsbetrages von 22.255,61 € nach Eingang von der Firma N.-Leasing bestätigt wird, ergibt sich, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber eine Schutzpflicht in dem genannten Sinne übernommen hat. Diese Bestätigung, die die Beklagte zudem an die Klägerin mit Faxschreiben übersandte, enthält aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin die ausdrücklich erklärte Bereitschaft der Beklagten, entsprechend dem Auftrag ihrer Kundin, der Firma I. GmbH, dafür zu sorgen, dass der Betrag von 22.255,61 € aus der Lieferung der in der Rechnung vom 03. 06. 2002 bezeichneten Waren an die Klägerin überwiesen wird, sobald das Geld von der Firma N.-Leasing auf dem Konto der Firma I. GmbH vorbehaltlos eingegangen war. Auch wenn die Beklagte von dem Schreiben der Klägerin an die Firma I. GmbH vom 04. 06. 2002 (Bl. 7 GA) und den darin von dem Mitgeschäftsführer der Klägerin der Firma I. GmbH mitgeteilten geänderten "Geschäftsbedingungen" keine Kenntnis hatte, war doch der wirtschaftliche Hintergrund der von der Klägerin gewünschten "Bestätigung" auch für die Beklagte deutlich erkennbar. Die Klägerin war zur Lieferung der Waren über die Fa. I. GmbH nur bereit, wenn sie den hierfür letztlich von der Firma N.-Leasing gezahlten Rechnungsbetrag auch tatsächlich erhielt. Wie die Beklagte in der Klageerwiderung (Seite 3, Bl. 25 GA) selbst vorgetragen hat, war das Girokonto der Firma I. GmbH seit Mitte 2001 dauerhaft überzogen und eine Disposition des Girokontos erfolgte im Jahr 2002 ausschließlich nach Vorlage von dringenden Rechnungen und Vorlage von Zahlungsavis. Die Beklagte kannte hiernach die angespannte wirtschaftliche Lage der Firma I. GmbH und ihr war aufgrund der ihr vom Geschäftsführer L. der Firma I. GmbH vorgelegten Rechnung der Klägerin vom 03. 06. 2002, auf der sie die Weiterleitung des eingehenden Rechnungsbetrages bestätigte, das Sicherungsinteresse der Klägerin, nur dann die entsprechende Warenlieferung vorzunehmen, wenn sie den Rechnungsbetrag auch erhielt, deutlich erkennbar. Durch ihre ausdrückliche Erklärung, sie werde den Rechnungsbetrag nach Eingang an die Klägerin weiterleiten, hat die Beklagte nicht lediglich eine unverbindliche Mitteilung über eine möglicherweise bevorstehende Überweisung oder eine "informelle Zusage" einer Weiterleitung des Geldes gemacht, wie die Beklagte in der Berufung meint, sondern sie hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie einen ganz bestimmten, bei ihrer Kundin verbuchten Geldbetrag alsbald nach der Gutschrift weisungsgemäß an die Klägerin überweisen werde. Damit hat sie die Klägerin - auch für diese erkennbar - in den Schutzzweck des mit ihrer Kundin vereinbarten Überweisungsauftrags einbezogen.

Die Beklagte hat sich der Klägerin gegenüber dadurch schadensersatzpflichtig gemacht, dass sie - nachdem auf dem Konto ihrer Kundin eine Scheckzahlung der Firma N.-Leasing in Höhe der bekannten Rechnungssumme gutgeschrieben worden war - den Betrag von 22.255,61 € nicht unmittelbar an die Klägerin weitergeleitet hat. Durch die Nichtausführung des Überweisungsauftrages ist der Klägerin ein Schaden in Höhe dieses Rechnungsbetrages entstanden. Denn das am 26. 07. 2002 beantragte Insolvenzverfahren gegen die Firma I. GmbH ist mangels Masse durch gerichtlichen Beschluss vom 12. 08. 2002 (Bl. 35 f. GA) beendet worden, so dass die Klägerin mit ihrer Insolvenzforderung gegen die Firma I. GmbH ausgefallen ist.

3.

Neben der Sache liegt es, wenn die Beklagte in der Berufung (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 195 GA) meint, es habe weder ihrem Willen noch ihrem erkennbaren Interesse entsprochen, "einen gegen ihr eigenes Vermögen" gerichteten Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Rechnungsbetrages zu begründen. Die Weiterleitung des Rechnungsbetrages sollte erst "nach Eingang" der Zahlung von der Firma N.-Leasing erfolgen. Die Beklagte sollte den Betrag mithin nicht aus ihrem eigenen Vermögen leisten; sie sollte lediglich nicht mit den Verbindlichkeiten, die die Firma I. GmbH aus der Kontoüberziehung hatte, verrechnen dürfen.

4.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Erklärung zu ihrer Rechtsverbindlichkeit "in einer separaten Urkunde niedergelegt und von zwei vertretungsberechtigten Mitarbeitern" hätte unterzeichnet werden müssen. Der Zeuge C., der über dem Stempel der Beklagten die handschriftliche Bestätigung vom 07. 06. 2002 angebracht hat, war der für die Firma I. GmbH zuständige Mitarbeiter der "Direktion Firmenkunden M." der Beklagten (Bl. 8 GA). In gleicher Weise hat der Zeuge C. auch selbstständig und allein das außergerichtliche Schreiben vom 23. 08. 2002 (Bl. 13 GA) unterzeichnet. Dies belegt mangels anderweitigem konkreten Sachvortrag der Beklagten, dass der Zeuge C. Angelegenheiten des Firmenkundengeschäfts der Beklagten in seinem Zuständigkeitsbereich selbstständig bearbeiten konnte und durfte. Einer besonderen Form bedurfte die " Bestätigung" vom 07.06.2002 nicht.

5.

Soweit die Beklagte geltend macht, das Landgericht sei verfahrensfehlerhaft ihrem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 01. 06. 2004 (dort Seite 4, Bl. 26 GA) und in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07. 10. 2004 (dort Seite 2, Bl. 70 GA) nicht nachgegangen, wonach eine Zahlungsgarantie von dem Geschäftsführer ihrer Kundin, dem Zeugen L., weder gefordert noch Gesprächsgegenstand gewesen sei, kommt es hierauf nicht an. Denn es ist nicht entscheidungserheblich, welche rechtliche Einordnung die Zeugen L. und C. der von der Beklagten abgegebenen Erklärung beigemessen haben.

6.

Auch soweit die Beklagte der Auffassung ist, es fehle an einem wirksamen Überweisungsauftrag des Zeugen L., des Geschäftsführers der Firma I. GmbH, kann dem nicht gefolgt werden. In ihrem Schriftsatz vom 22. 09. 2004 (dort Seite 3, Bl. 64 GA) hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass der Zeuge L. ihr gegenüber erklärt habe, dass ein Betrag in Höhe der Klagesumme an die Klägerin überwiesen werden sollte. Dies stellt einen wirksamen Überweisungsauftrag dar, der grundsätzlich an keine Form gebunden ist und daher auch stillschweigend, konkludent oder mündlich erteilt werden kann (vgl. Schimansky, in Bankrechts-Handbuch Bd. I., 2. Aufl., § 49 Rn. 1 ). Im Übrigen liegt darin, dass der Zeuge L. die Beklagte um Bestätigung der Weiterleitung des Rechnungsbetrages gebeten hat, ein konkludent erteilter Überweisungsauftrag. Auch wenn der Zeuge L. später zunächst versucht hat zu verheimlichen, dass es sich bei den beiden von ihm eingereichten Schecks um den in Rede stehenden Geldeingang seitens der N.-Leasing zur Bezahlung der Rechnung der Klägerin vom 03. 06. 2002 handelte, kann hierin kein wirksamer Widerruf des Überweisungsauftrages gesehen werden.

7.

Es bleibt somit festzustellen, dass das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 513, 546 ZPO). Es besteht auch kein gesetzlicher Grund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Berufungsstreitwert: 22.255,61 €.

Ende der Entscheidung

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