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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: 13 U 32/01
Rechtsgebiete: AbzG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AbzG § 4 Abs. 2
BGB § 554 Abs. 1 S. 2
BGB § 554 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 32/01

Anlage zum Protokoll vom 30. Januar 2002

Verkündet am 30. Januar 2002

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und des Richters am Amtsgericht Bröder

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 24. November 2000 - 9 O 58/00 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin bleibt erfolglos. Das Landgericht hat die auf (Teil-)Schadensersatz in Höhe von 60.000,00 DM wegen vermeintlich unberechtigter Darlehenskündigung geänderte Klage gegen die beklagte Bank jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ob die Voraussetzungen einer Verwirkung des - vom Landgericht dem Grunde nach als berechtigt unterstellten - Schadensersatzanspruchs der Klägerin wegen unberechtigter Kündigung des Darlehens vom 11.05.1990 vorliegen, kann offen bleiben. Denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 11.05.1992 ausgesprochene Kündigung des Kreditvertrages vom 11.05.1990 unrechtmäßig war.

1. Zwar ist in einer unberechtigten Kündigung eines Darlehensvertrages eine Vertragsverletzung zu sehen, die bei entsprechendem Verschulden - Fahrlässigkeit genügt - den Kündigenden zum Ersatz des seinem Vertragspartner dadurch entstandenen Schadens verpflichtet (BGH NJW 1984, 1028; NJW-RR 1988, 763 = WM 1988, 195). Die in den Kreditbedingungen der Beklagten enthaltene Klausel, wonach das Darlehen zur sofortigen Rückzahlung fällig sein soll, "wenn der Schuldner mit der Zahlung von Zinsen oder Kapital länger als 14 Tage in Verzug kommt" (Bl. 6 GA), hält auch einer AGB-rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil sie abweichend von den gesetzlichen Regelungen des § 4 Abs.2 AbzG (bzw. § 12 Abs.1 VerbrKrG) weder einen der Höhe nach im Verhältnis zum Schuldbetrag bestimmten Zahlungsrückstand voraussetzt noch dem Schuldner eine Nachholungsmöglichkeit analog § 554 Abs.1 S.2 BGB gewährt (vgl. BGH NJW 1991, 2559, 2562). Was die allgemeinen Anforderungen an die außerordentliche Kündigung eines Darlehensvertrages aus wichtigem Grunde angeht, beruft sich die Klägerin indessen zu Unrecht auf die oben bereits genannte BGH-Entscheidung (WM 1988, 195 = NJW-RR 1988, 763), deren Gehalt sie auf die dort als typischen Anwendungsfall eines wichtigen Grundes angeführten Kündigungsvoraussetzungen (Rückstand mit zwei aufeinander folgenden Rückzahlungsraten in Höhe von mindestens 10% der Darlehensschuld) zu verengen sucht. Der Bundesgerichtshof stellt dort zunächst heraus, dass Darlehensverträge als Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund gekündigt werden können, wenn einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, das Schuldverhältnis fortzusetzen. Diese Frage sei zu beurteilen "aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des einzelnen Falles und einer Abwägung der Interessen beider Vertragsteile" (a.a.O., m.w.Nachw. aus der BGH-Rspr.). Als typischen Fall für die Bejahung einer solchen Unzumutbarkeit führt der Bundesgerichtshof in Anlehnung an die gesetzlichen Regelungen der §§ 4 Abs.2 AbzG, 554 Abs.1 Nr.1 BGB den Rückstand des Schuldners mit zwei aufeinander folgenden Rückzahlungsraten in Höhe von mindestens 10% der Darlehensschuld an, lässt dann aber in dem von ihm seinerzeit zu entscheidenden Fall sogar den Rückstand des Schuldners mit nicht einmal 1% der Darlehensschuld genügen.

2. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein grundpfandrechtlich abgesichertes Darlehen handelte, welches aus einer Lebensversicherung über nominell 100.000,00 DM sowie in freien Raten nach spätestens 21 Jahren zu tilgen war. Der Rückstand der Klägerin betraf somit allein die anfallenden Zinsen in Höhe von monatlich 1.980,00 DM. Bei einem Zahlungsrückstand von 28.874,40 DM zum Zeitpunkt der Kündigung bedeutet dies, dass die Klägerin innerhalb von höchstens zwei Jahren bereits mit - jedenfalls betragsmäßig - mehr als 14 Zinsraten in Rückstand war. Dass der Beklagten unter solchen Bedingungen eine Fortsetzung des Darlehensvertrages unzumutbar war, bedarf keiner weiteren Begründung. Selbst wenn die Beklagte bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages ihre Bereitschaft erklärt haben sollte, gewisse Unregelmäßigkeiten bei den monatlichen Zinszahlungen hinzunehmen, setzte diese Toleranz jedenfalls voraus, dass kein nachhaltiger Rückstand bei den Zinszahlungen eintrat, sondern vereinzelt ausbleibende oder niedrigere monatliche Zinszahlungen in absehbaren Zeiträumen, die jedenfalls nicht mehr als ein oder zwei Quartale umfassen dürften, ausgeglichen wurden. Das gilt selbst dann, wenn man der in der Klageschrift aufgestellten Behauptung der Klägerin folgt, ihre Tochter habe "nachträglich" mit der Beklagten anstelle der monatlichen Zinsleistungen (nicht: "Zins- und Tilgungsleistungen") halbjährliche Leistungen in entsprechender Höhe vereinbart. Mehr als einmal kann die Klägerin angesichts der bis zur Kündigung des Darlehens aufgelaufenen Rückstände auch dieser Vereinbarung nicht nachgekommen sein.

3. An der Unzumutbarkeit des Zahlungsrückstandes der Klägerin ändert es auch nichts, dass der Rückstand zunächst auf dem Kontokorrentkonto entstand, das die Klägerin nach Maßgabe der Bestimmungen des Darlehensvertrages zur Abbuchung der Zinsraten bei der Beklagten eingerichtet hatte. Da dieses Konto im Haben zu führen war (es sollten hierauf die Rentenzahlungen der Klägerin und Mietzahlungen eingehen), stellt der durch ungedeckte Ratenabbuchungen bewirkte Debetsaldo auf diesem Konto (per 10.10.1991 in Höhe von 17.151,00 DM gemäß Bl. 47, 68 f. GA - in der Berufungsbegründung ist auf Seite 2 von 18.101,45 DM die Rede) der Sache nach einen Rückstand mit Zinsraten dar. Die Umbuchung des Sollsaldos unter Auflösung des Kontokorrentkontos entspricht insoweit einer Stornierung ungedeckter Abbuchungen. Für die Kündigung wegen unzumutbaren Zahlungsrückstandes ist es daher ohne Belang, dass dieser Rückstand infolge der Abbuchungsvereinbarung zunächst auf dem Kontokorrentkonto angefallen war. Im Gegenteil verstärkt und verdeutlicht es die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Schuldverhältnisses, dass die Klägerin abredewidrig nicht ihre Renten- und Mietzahlungen auf dieses Konto geleitet hat, so dass keine ausreichende Deckung für die Abbuchung der Ratenzahlungen bestand.

4. Die Darlehenskündigung vom 11.05.1992 könnte sich daher nur dann als unberechtigt darstellen, wenn die Behauptung der Klägerin richtig wäre, dass sich die Beklagte Anfang des Jahres 1992, etwa im Februar, in Gesprächen mit der Tochter der Klägerin, der als Zeugin benannten Frau E.L., darauf eingelassen habe, auf eine von dieser in einem Zeitraum von etwa 4 bis 6 Monaten in Aussicht gestellte hohe Zahlung zu warten. Was die Tochter der Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung als Parteivertreterin (§ 141 Abs.3 ZPO) zu dieser bis dahin völlig substanzlos gebliebenen Behauptung anzugeben vermochte, ist so unergiebig und den Umständen nach unglaubhaft, dass auch eine Bekräftigung dieser Angaben bei einer - sei es uneidlichen oder eidlichen - Vernehmung als Zeugin, wie von der Klägerin beantragt, dem Senat nicht die Überzeugung der Richtigkeit vermitteln könnte.

a) Unstreitig diente die im August 1992 erbrachte "Sondertilgung" von 60.000,00 DM dazu, die Grundschuld von 55.000,00 DM auf der K. Immobilie zur Abwendung der hieraus betriebenen Zwangsvollstreckung der Beklagten in jenes Objekt abzulösen. So ist denn auch in dem Schreiben der Beklagten vom 24.03.1993 an die Tochter der Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den im August 1992 gezahlten 60.000,00 DM "in keinem Fall um die Erbringung vertragsgemäßer Zins- und Tilgungsleistungen" handelte. Das Schreiben enthält keinen Hinweis darauf, dass sich die Tochter der Klägerin - wie man hätte erwarten sollen - auf die angeblich getroffene Stillhaltevereinbarung berufen habe. Es wird lediglich der "Aussage" der Tochter der Klägerin widersprochen, dass ursprünglich anstelle monatlicher Zahlungen unregelmäßige größere Summen "gewollt" gewesen seien.

b) Auch aus dem Kündigungsschreiben vom 11.05.1992 ergibt sich kein Hinweis auf eine in Aussicht gestellte größere Zahlung zur Abdeckung der Zinsrückstände; vielmehr wird in diesem Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass alle bisherigen Bemühungen der Beklagten, die Klägerin zum Ausgleich des Zahlungsrückstandes zu bewegen, ergebnislos geblieben seien. Dazu passen die von der Beklagten in der Berufungsverhandlung ergänzend vorgelegten Schreiben vom 09.10.1992 und 11.01.1993, welche die Klägerin nicht erhalten haben will. Aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben vom 24.03.1993, in dem auf weitere Schreiben der Beklagten aus dem Zeitraum 04.08.1992 bis 11.01.1993 hingewiesen wird, erschließt sich indessen ebenfalls das vergebliche Drängen der Beklagten auf eine geregelte Rückzahlung des gekündigten Darlehens: "Danach sollte bis spätestens zum 15.11.1992 eine für uns akzeptable Rückzahlungsvereinbarung über die zu diesem Zeitpunkt sich ergebende Restverbindlichkeit getroffen werden. Hierzu ist es bis zum heutigen Tag nicht gekommen...."). Ferner heißt es in diesem Schreiben: "Wir bestätigen Ihnen wunschgemäß, dass wir das laufende Zwangsversteigerungsverfahren für Ihr Wohnhaus in B. sofort zum Ruhen bringen werden, wenn bis spätestens Ende April 1993 eine Zahlung in Höhe von mindestens DM 20.000,-- zugunsten des obengenannten Kontos geleistet wird und danach beginnend mit dem 30.6.1993 Quartalszahlungen in Höhe von DM 7.200,-- entrichtet werden....". Angesichts dieser Handhabung wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte, wenn sie sich tatsächlich, wie von der Tochter der Klägerin angegeben, im Frühjahr 1992 nach längerem Hin und Her auf die Ankündigung einer größeren Zahlung in drei, vier oder fünf Monaten eingelassen hätte, dies - mit Sicherheit ebenfalls dem Wunsch der Klägerin und ihrer Tochter entsprechend - schriftlich festgehalten hätte.

c) Unabhängig davon erscheint es bereits lebensfremd anzunehmen, dass die Beklagte nicht wenigstens nähere Angaben und Belege dazu verlangt hätte, welche Zahlungen die Tochter der Klägerin in dem genannten Zeitraum aus laufenden oder bereits abgeschlossenen beruflichen Projekten erwarten konnte. Auch hätte sich eine Sicherungsabtretung entsprechender Honorarforderungen aufgedrängt. Wenn - so die Tochter der Klägerin bei ihrer informatorischen Befragung - von alledem keine Rede war, so bleibt um so unverständlicher, weshalb sich die Beklagte nach längerem "Hin und Her" dann doch mit einer derart vagen Zahlungsankündigung begnügt haben sollte.

d) Schließlich wäre auch zu erwarten gewesen, dass sich die Klägerin und deren Tochter gegen eine gleichwohl vorzeitig ausgesprochene Kündigung des Darlehensvertrages und gegen die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens über das mit einer Grundschuld von 55.000,00 DM zugunsten der Beklagten belastete K. Grundstück in einer Weise zur Wehr gesetzt hätten, die zumindest in der zeitnahen Korrespondenz einen Niederschlag gefunden hätte. Nichts dergleichen ist der Fall. Selbst als die Klägerin Jahre später erstmals durch einen Anwalt die Wirksamkeit der Kündigung in Frage stellen bzw. eine vermeintlich praktizierte Fortführung des Kreditvertrages einwenden ließ, war keine Rede davon, dass die seinerzeitige Darlehenskündigung gegen eine angebliche Stillhaltevereinbarung verstoßen habe. Diese Behauptung ist erstmals im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits aufgestellt worden, nachdem sich die anfangs mit der Klage aufgestellte Behauptung, die Beklagte habe die im August 1992 erfolgte Zahlung von 60.000,00 DM nicht berücksichtigt, als haltlos herausgestellt hatte.

Da die Tochter der Klägerin bereits bei ihrer eingehenden informatorischen Anhörung nichts dazu beitragen konnte, die vorstehend aufgezeigten und ihr in der Berufungsverhandlung vorgehaltenen Bedenken auszuräumen, wäre auch eine entsprechende Zeugenaussage der Tochter der Klägerin ungeeignet, dem Senat die Überzeugung zu vermitteln, dass die Beklagte das Darlehen unter Verstoß gegen eine verbindliche Stillhalte-/Stundungsvereinbarung gekündigt habe. Über die objektiven Zweifel am Zustandekommen einer solchen Vereinbarung und deren fehlende innere Wahrscheinlichkeit könnte auch keine Vereidigung der Zeugin hinweghelfen. Zu einer Vernehmung der von der Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen - nachdem die Tochter der Klägerin in der Berufungsverhandlung ihre damaligen Gesprächspartner bei der Beklagten namhaft gemacht hat - besteht daher keine Veranlassung.

5. Nach alledem hat es bei der Abweisung der Klage zu verbleiben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil: 60.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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